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ITALIEN/378: Zweite Amtszeit für Staatspräsident Mattarella - Regierungskrise nicht vom Tisch (Gerhard Feldbauer)


Staatspräsident Mattarella für zweite Amtszeit vereidigt

Regierungskrise nicht vom Tisch

von Gerhard Feldbauer, 3. Februar 2022


Am Donnerstag ist in Rom Sergio Mattarella vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) für eine zweite Amtszeit vereidigt worden. Er war am Sonnabend von 759 der 1009 Parlamentarier als 13. Präsident der Italienischen Republik gewählt worden. Die Zeremonie, die auf einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Abgeordnetenhaus stattfand, wurde traditionsgemäß mit der Glocke des Palazzo Montecitorio, dem Sitz der Abgeordnetenkammer, eingeleitet. Mattarella wurde von den Präsidenten der Kammer und des Senats empfangen. Danach schwor der 80-Jährige, wie in der Verfassung festgelegt, "sein Amt zum Wohl der Republik und mit Respekt für die Verfassung auszuüben".

Die Zeitung Manifesto hatte besorgt darauf hingewiesen, dass die faschistische Rechte versucht hatte, mit Draghi einen Mann zum Präsidenten zu wählen, der gleichzeitig Premier bleiben sollte. Das sei eine "Verletzung der Verfassung" gewesen. Zwar sei der Versuch gescheitert, aber das sei, ebenso wie die Forderung von Giorgia Meloni von den faschistischen Brüdern Italiens (FdI), den Präsidenten direkt zu wählen, "einfach in der Schublade abgelegt" worden. Mit Spekulationen über Mattarellas vorzeitigen Rücktritt werde die Position "des Staatsoberhauptes geschwächt", um "die Wahl eines Nachfolgers entscheidend zu beeinflussen". Das linke Blatt hatte gefordert, der Präsident solle diese Spekulationen zurückweisen und sich klar zu einer siebenjährigen Amtszeit bekennen. Mattarella erklärte laut der staatlichen Nachrichtenagentur ANSA, er werde der ihm auferlegten Verantwortung, die, wie er betonte, ein "Garant der Verfassung" sei, nicht ausweichen und erinnerte an ihre aus der Resistenza resultierenden Traditionen. Auf seine siebenjährige Amtszeit ging er jedoch nicht ein. Er sprach der Regierung Premier Draghis seinen "aufrichtigen Dank" für ihre gute Arbeit aus und hob hervor, dass Italien im "Zentrum der europäischen Wiederaufbaubemühungen" steht.

Zur formalen Tradition gehörte auch, dass Premier Draghi Mattarella nach der Vereidigung seinen Rücktritt anbot, den dieser zurückwies. Ob Draghi damit aus dem Schneider ist, bleibt abzuwarten. Denn ANSA war zu entnehmen, dass die Niederlage der Faschisten bei der Präsidentenwahl unter Mitte-Links, so bei dem Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) Giuseppe Grillo, zu Erwägungen geführt hat, die Regierungskoalition Draghis mit den Faschisten zu verlassen, was eine Regierungskrise und von der Lega und der Forza Italia (FI) Berlusconis gefürchtete vorgezogene Neuwahlen auslösen könnte, bei denen Mitte-Links Chancen haben könnte. Nach öffentlichen Spekulationen soll Mattarella für die ihm von der Lega und FI zugesagte Unterstützung seiner Wahl versichert haben, die Existenz der Draghi-Regierung bis zu den planmäßig im Frühjahr 2023 anstehenden Parlamentswahlen zu garantieren. Das kommunistische Contropiano erinnerte in diesem Kontext in seinem Online-Portal an die Schattenseiten Mattarellas, der im Juni 2018 "die Regierung von Lega-Faschisten mit der M5S zuließ und derjenige war, der die Sicherheitsdekrete und andere beschämende Maßnahmen Salvinis bestätigte und die Ernennung Draghis ratifizierte". Auf Grillos Äußerung regte sich sowohl bei M5S-Chef Giuseppe Conte als auch bei dem Sekretär des PD, Enrico Letta, umgehend Widerspruch gegen eine Aufkündigung der Gefolgschaft für Draghi.

Da Melonis FdI im Gegensatz zur Lega und FI gegen Mattarella stimmte, ist die faschistische Allianz aus der Wahl gespalten hervorgegangen. Es sind hektische Aktivitäten im Gange, die Einheit von "Mitte Rechts" wieder herzustellen. Salvini will, wie Contropiano aufdeckte, alte Pläne aus der Schublade holen und einen "Umbau von Mitte Rechts" nach dem Vorbild der US-Republikaner vornehmen. Ihm schwebt vor, sie so vom Odium des Faschismus zu befreien, als "moderate Rechte" darzustellen und dafür bei den nächsten Wahlen Mitte-Links-Stimmen aus dem Zentrum abzujagen. Ex-Premier Berlusconi erklärte dagegen laut ANSA vom Mittwoch, seine FI bleibe "Dreh- und Angelpunkt der Koalition gegen die Linke", ihr "strategischer Horizont" entspreche den Werten der EVP: "proeuropäisch, atlantisch, katholisch und liberal."

Damit bleiben nach Mattarellas Wiederwahl viele Fragen offen.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 12. Februar 2022

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