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ITALIEN/417: Achtstündiger Generalstreik legt in ganz Italien den öffentlichen Nahverkehr lahm (Gerhard Feldbauer)


Achtstündiger Streik im öffentlichen Nahverkehr

Linke CGIl-Gewerkschafter wollen stärker Einfluss nehmen

von Gerhard Feldbauer, 18. September 2022


Ein achtstündiger Generalstreik hat am Freitag in ganz Italien den öffentlichen Nahverkehr lahmgelegt. Ausgenommen war wegen der schweren Überschwemmungen mit inzwischen elf Todesopfern die Region der Marken. Aufgerufen hatten die Branchenverbände der drei großen Gewerkschaften FILT CGIL, FIT CISL, Uiltrasporti, FAISA CISAL und Ugl Autoferro, die damit auf die "gewalttätigen und wiederholten" Angriffe auf öffentliche Verkehrsmittel, gegen Fahrer, Kontrolleure, Stationsleiter, Fähren und die Wasserbusse in Venedig (Vaporetti) reagierten. In ihrem Aufruf nannten sie das "einen nicht mehr hinnehmbarer Zustand" und forderten "sofortige Maßnahmen zum Personalschutz". Die gestaffelten Arbeitsniederlegungen begannen in Bologna um 8.30, gefolgt von Mailand um 8.45, Genua um 9.30 Uhr und gingen bis Venedig von 16.00 bis 24.00 Uhr. Nicht nur U- und Straßenbahnen, Busse und Fähren blieben stehen, auch Verkäuferinnen und Verkäufer an Fahrkartenschaltern ließen ihre Arbeit ruhen.

Nach dem 24stündigen Streik im Luftverkehr am vergangenen Montag, den die Basis-Gewerkschaften Unione Sindacale di Base (USB) organisiert hatten, war es der zweite landesweite Ausstand in diesem Monat und der vierte seit Jahresbeginn. Einen Appell des staatlichen Streikkomitees, die Arbeitsniederlegung auf vier Stunden zu begrenzen, hatten die Organisatoren abgelehnt.

In Rom trat während des Streiks eine Versammlung der CGIl, der mit über 5,6 Millionen Mitgliedern stärksten Arbeitervertretung, um 10 Uhr im Kongresszentrum Frentani zusammen. Auf einer Beratung, in der es auch um die Wahlen am 25. September ging, ergriffen zahlreiche linke Gewerkschaftsaktivisten das Wort und prägten Verlauf und Inhalt. Es ging, wie das linke Magazin Contropiano auf seiner Online-Plattform berichtete, um die tiefe System-Krise, die hervorgerufene gesundheitliche, ökologische und soziale Notlage, eine Pandemie, die nicht endet. Sie werde verstärkt durch den Stellvertreterkrieg in der Ukraine, einen Konflikt um Macht und strategische Hegemonie, der auf dem Rücken des ukrainischen Volkes ausgetragen wird, an dem sich Italien beteiligt und den einige Kräfte aus imperialen Interessen verlängern wollen. Die von der faschistischen Allianz mit der Führerin der Brüder Italiens (FdI) Giorgia Meloni an der Spitze ausgehende Drohung, ein Präsidialregime zu errichten, wurde als ein die antifaschistische Verfassung mit Füßen tretender Akt benannt und die Mißachtung der ernsten sozialen Lage, des Krieges und der Gefahren eines möglichen Atomwaffeneinsatzes als ein leerer Wahlkampf charakterisiert. Die Versammlung forderte, die Waffenlieferungen für den Krieg in der Ukraine zu stoppen, die Militärausgaben, die im Haushalt auf 12,5 Milliarden Euro angewachsen sind, zu reduzieren und eine diplomatische Lösung zu suchen. Und es müsse Schluss sein mit der Abwälzung der Lasten der Krise auf die schwächeren Klassen. Während der Versammlung war bekannt geworden, dass die Inflationsrate im August mit 8,4 %, einen Rekord seit 1985 erreichte, was die Preise beim Einkauf einen noch größeren Sprung (+ 9,6 %) machen ließ, eine Steigerung, die es seit Juni 1984 nicht mehr gab.

Die Versammlung betonte, dass die CGIL eine pluralistische Massenorganisation ist, aber sie nicht außerhalb des Wahlkampfs stehe und es ihr nicht gleichgültig ist, dass das Land an die rückständigste und obskurantistische Rechte ausgeliefert werden könnte. Deshalb müssten die Kräfte, die sich demokratisch-progressiv und links nennen, ein Signal setzen, um die Stimmen derer zugewinnen, die arbeiten, die in den Vorstädten leben, derer, die alleingelassen wurden, ohne Rechte und soziale Garantien.

Die linken Aktivisten erklärten, als "linke Vereinigung in der pluralistischen CGIL" weiterhin mit ihrer Analyse und ihren Vorschlägen zur Entwicklung einer politisch-gewerkschaftlichen Linie zur Mobilisierung für den Kampf für die Interessen der arbeitenden Menschen aktiv zu arbeiten. Dazu wollen sie im Oktober zu einer Beratung zusammentreten.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 19. September 2022

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