Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/519: Wachsende Gegensätze zwischen Arm und Reich (Gerhard Feldbauer)


Wirtschafts- und Soziallage

Wachsende Gegensätze zwischen Arm und Reich
Dividenden von Aktionären wuchsen in drei Jahren um 72 Prozent

von Gerhard Feldbauer, 31. März 2025


Während die Reallöhne in Italien gegenüber 2008 um 8,7% gesunken sind, prekäre Arbeitsverhältnisse herrschen und die Lebenshaltungskosten steigen, machen die Unternehmen Supergewinne und schütten den Aktionären horrende Dividenden aus. So zahlte der Konzern für Versicherungen und Finanzdienstleistungen Unipol laut seinem am Freitag veröffentlichten Jahresbericht bei einem von 2022 bis 2024 kumulierten Gewinn von 3,8 Milliarden Euro, was ein Anstieg von 28 % war, an die Aktionäre satte 2,2 Milliarden Euro Dividenden, was 72 % mehr als im vorherigen Dreijahreszeitraum war. Das durchschnittliche jährliche Wachstum der Dividende betrug pro Aktie etwa 10 %. Investitionen sind nach einer Erklärung von CEO Matteo Laterza nur in Höhe von 500 Millionen Euro im Technologiesektor vorgesehen. Zu den Säulen der weiteren technologischen Entwicklung rechnete Unipol-Vorsitzender Carlo Cimbri "das Wachstum von Gewinnen und Dividenden".

Am selben Tag veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur ANSA einen Bericht des Statistikamtes ISTAT, der aufzeigte, zu wessen Lasten diese milliardenschweren Dividenden, die Aktionäre, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen, einstecken, gehen. Sie werden auf Kosten von fast 3,5 Millionen Italienern, die nach Berechnungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Armut leben müssen oder von Armut bedroht sind, erzielt. Am Rande der Armut leben auch schon etwa 10 % der Beschäftigten, die laut Statistiken 8,9 Euro pro Stunde verdienen, wobei der Anteil bei Frauen, jungen Menschen und Personen mit niedrigem Bildungs- und Berufsabschluss noch höher liegt und viele Menschen noch weniger verdienen.

Im Januar hatte das Verbraucherzentrum errechnet, dass sich bei einer um 2 % angestiegenen Inflationsrate die Mehrkosten für häufig gekaufte Güter, wozu neben Nahrungsmitteln und Getränken auch Verbrauchsgüter des Haushalts, Kraftstoffe und städtische Transportmittel sowie Pflegekosten gehören, für ein Paar mit einem Kind jährlich auf 471 Euro belaufen, darunter allein 170 Euro nur für Essen und Trinken. Nach der Abschaffung der geschützten Strom- und Gasversorgung durch die Meloni-Regierung mussten die Verbraucher ab Juni 2024 bei Strom Preissteigerungen von 10 Cent pro kWh hinnehmen und 200 bis 300 Euro pro Person mehr zahlen. Bis 2027 wird ein Ansteigen um 15 % pro kWh erwartet. Dasselbe gilt für Gasrechnungen, wo laut einem Bericht der Italienischen Beobachtungsstelle für Energiearmut (OIPE) der Anstieg bei durchschnittlich 8,5 Prozent liegt, in einigen Regionen wie Kalabrien sogar 16,7 Prozent erreicht. Besonders betroffen von den steigenden Lebenshaltungskosten sind schutzbedürftige Menschen, Kinder, Ausländer und vor allem ältere Menschen.

Das Realeinkommen der Familien war bereits 2023 um 1,6 % gesunken, was einem Verlust pro Person von durchschnittlich 500 Euro pro Jahr entsprach, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich der allgemeine Einkommensrückgang aus einer Stagnation bzw. einem Rückgang niedriger und mittlerer Einkommen bei 80 Prozent der Bevölkerung und einem schwindelerregenden Einkommensanstieg bei den reichsten Schichten von 20 Prozent zusammensetzt.

Wenn der Reallohn der italienischen Arbeitnehmer in den letzten fünfzehn Jahren um 8,7 Prozent gesunken ist, bedeutet das also, so errechnete das kommunistische Magazin Contropiano auf seinem Online-Portal, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer im Vergleich zu vor fünfzehn Jahren einen Monatslohn weniger erhält, also einen Monat lang unentgeltlich arbeiten muss, und sein Gehalt in die Gewinne des "Arbeitgebers" oder, wie im Falle von Unipol, in die Dividenden der Aktionäre einfließt.

Die Schuld für die Ausbreitung dieser extremen Armut liegt, so Contropiano, direkt bei der Regierung Meloni, die mit der Abschaffung des Bürgergeldes und der Ablehnung eines "gesetzlichen Mindestlohns" die Armut verschärft hat. Der Generalsekretär der CGIL, Maurizio Landini, führte auf der Plattform der Gewerkschaft Collettiva an, dass die Regierung nichts gegen die Armut unternimmt, weiterhin keine Einkommen und Gewinne der Unternehmer besteuert und die Löhne nicht erhöht. Kindergärten fehlten. Es herrsche "Einkommensarmut" und gäbe kein Recht auf Gesundheitsversorgung. Der Vorsitzende des mit 5,6 Millionen Mitgliedern stärksten der drei großen Gewerkschaftsverbände forderte, das alles müsse "radikal geändert" und ein Mindeststundenlohn eingeführt werden. Die Tarifverträge müssten verlängert werden, um die Kaufkraft wirklich zu schützen. Landini appellierte, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um die Regierung zu Maßnahmen gegen die Armut zu zwingen.

*

Quelle:
© 2025 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 4. April 2025

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang