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INNEN/419: Europäisches Parlament zur Situation in Flüchtlingszentren (EP)


Europäisches Parlament - Pressemitteilung vom 05.02.2009

Abgeordnete nehmen Situation in Flüchtlingszentren unter die Lupe Asylpolitik


Seit 2005 besuchten Mitglieder des EP-Innenausschusses regelmäßig Flüchtlingszentren in der EU. Der Zustand mancher Gewahrsamseinrichtungen sowie die dort herrschende mangelnde Hygiene seien "katastrophal", resümieren die Abgeordneten. Sie fordern ein "ständiges Besuchs- und Inspektionssystem". Vor allem Minderjährige und unbegleitete Kinder müssten besser geschützt werden. Auch ein besserer Zugang zu medizinischer Versorgung müsse garantiert werden. Zwischen 2005 und 2008 besuchten die Abgeordneten Flüchtlingszentren in Italien (Lampedusa), Spanien (Ceuta und Melilla, Kanarische Inseln), Malta, Griechenland, Belgien, Polen und Zypern. In dem von Martine ROURE (SPE, Frankreich) ausgearbeiteten Bericht hat das EP heute Stellung zur Situation in den Flüchtlingszentren sowie der Umsetzung der sog. "Aufnahme-Richtlinie" genommen, die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten festlegt.

Zahlreiche Defizite

Die Abgeordneten bedauern, dass die geltenden Richtlinien, etwa die Aufnahmerichtlinie und die Verfahrensrichtlinie, von einigen Mitgliedstaaten bisher nur schlecht oder gar nicht angewandt worden seien. Es bestünden "zahlreiche Defizite" im Hinblick auf die für die Aufnahmebedingungen geltenden Normen. Dies sei insbesondere auf den großen Ermessensspielraum zurückzuführen, den die einzelnen Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Aufnahmebedingungen hätten. Das EP begrüßt daher den Vorschlag der EU-Kommission für eine Neufassung der Richtlinie, deren Ziel es ist, bessere Standards für den Umgang mit Asylbewerbern zu gewährleisten, um diesen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und für eine größere Einheitlichkeit der einzelstaatlichen Bestimmungen über die Aufnahmebedingungen zu sorgen.

Zustand mancherorts "katastrophal"

Der Zustand mancher Gewahrsamseinrichtungen sowie die dort herrschende mangelnde Hygiene seien "katastrophal", so das EP. Alle Einrichtungen, die nicht den Normen entsprechen, müssten so schnell wie möglich geschlossen werden.

Die Abgeordneten sprechen sich für ein "ständiges Besuchs- und Inspektionssystem" aus. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres müsse seine Reisen fortsetzen, um für die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts im Bereich der Aufnahmebedingungen und der Rückkehrverfahren zu sorgen.

Unbegleitete Kinder besonders schützen

Besonderes Augenmerk legt der Bericht auf die Situation Minderjähriger und unbegleiteter Kinder. Bei jeder Entscheidung oder Maßnahme, die Minderjährige betrifft, müsse das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen. Die Ingewahrsamnahme Minderjähriger müsse grundsätzlich verboten werden und dürfe nur ausnahmsweise erfolgen, wenn sie im Interesse des Kindes liege.

Zudem betonen die Abgeordneten, dass alle Minderjährigen ein Recht auf Bildung hätten, das von den Mitgliedstaaten gewährt werden müsse. Zur bestmöglichen Integration der Kinder und ihrer Familien müsse der Zugang zu Bildung direkt in der Gemeinschaft sichergestellt werden und dem Wissensstand der Kinder entsprechen; gleichzeitig müssten Übergangsmodelle entwickelt werden, die den Erwerb der für eine normale Schulbildung erforderlichen Sprachkompetenzen ermöglichen.

Für alle unbegleiteten Minderjährigen müsse schließlich ein unabhängiger gesetzlicher Vormund benannt werden, der ihren Schutz in Wartezonen wie Flughäfen, Bahnhöfen und im gesamten Gebiet der Mitgliedstaaten sicherstelle.

Besseren Zugang zu medizinischer Versorgung garantieren

In der Mehrzahl der besuchten Gewahrsamseinrichtungen beschweren sich Asylbewerber und Migranten über die "unzureichende oder ungeeignete" medizinische Versorgung, Schwierigkeiten im Hinblick auf Arztbesuche oder die Kontaktaufnahme mit Ärzten sowie einen Mangel an besonderer Behandlung (insbesondere für schwangere Frauen und Folteropfer) und geeigneter Medikamente, stellt das EP fest.

Die Mitgliedstaaten werden daher aufgefordert, den Zugang zu medizinischer Versorgung auf Asylbewerber und Migranten zu erweitern, so dass dieser nicht auf die medizinische Notversorgung beschränkt bleibt und auch die psychologische Beratung und Betreuung sowie die psychische Gesundheitsversorgung einschließt. Das Recht auf Gesundheit und Gesundheitsversorgung zähle zu den individuellen Grundrechten, betonen die Abgeordneten.

Über Rechte informieren und Rechtsberatung garantieren

Schließlich kritisiert das Parlament, dass die von einigen Mitgliedstaaten bereitgestellten offenen Unterbringungszentren einen "Mangel an Kapazitäten" aufweisen und den Anforderungen der Migranten nicht zu entsprechen scheinen.

Zudem scheine der Zugang zu kostenloser Rechtsberatung "begrenzter Natur" zu sein und sich in manchen Fällen auf eine Namensliste von Rechtsanwälten zu beschränken, was zur Folge habe, dass Personen, die nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen, keine Unterstützung erhielten.

Asylbewerbern müssten Broschüren in den internationalen Hauptverkehrssprachen und den Sprachen, die von einer erheblichen Zahl der Asylbewerber und Migranten in dem betreffenden Mitgliedstaat gesprochen werden, mit Informationen über alle ihre Rechte zur Verfügung gestellt werden. In Fällen, in denen Asylbewerber die damit verbundenen Kosten nicht selbst tragen können, müssten die Mitgliedstaaten unentgeltliche Rechtsberatung und/oder -vertretung gewährleisten.

487 Abgeordnete stimmten für den Bericht, 39 dagegen, 45 enthielten sich.

Berichterstatterin: Martine ROURE (SPE, Frankreich)
Bericht: (A6- /2009) - Anwendung der Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten in der EU: Reisen des LIBE-Ausschusses von 2005 bis 2008
Verfahren: INI (Initiativbericht)
Aussprache: Montag, 2.2.2009
Abstimmung: Donnerstag, 5.2.2009

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Quelle:
Pressemitteilung vom 05.02.2009 - REF: 20090204IPR48467
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2009