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INNEN/554: Neue EU-Rückführungsrichtlinie widerspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen (idw)


Georg-August-Universität Göttingen - 16.04.2025

Neue EU-Rückführungsrichtlinie widerspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen


Die Europäische Kommission hat dem Europäischen Parlament im März 2025 einen ersten Entwurf einer neuen EU-Rückführungsrichtlinie präsentiert. Die dort vorgeschlagenen Politiken orientieren sich im Kern an den Verschärfungen der deutschen Rückkehrpolitik der vergangenen Jahre und planen, diese nun auch auf der EU-Ebene umzusetzen. Nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des EU-Forschungsprojekts MORE sind diese ineffizient und bewirken das Gegenteil von dem, was sie versprechen. Um zu einer sachlichen und informierten Debatte beizutragen, haben Göttinger Forschende einen Faktencheck aus bisherigen Forschungsergebnissen zusammengestellt und veröffentlicht.

Der Entwurf sieht unter anderem vor, die Abschiebehaft auf 24 Monate auszuweiten. Zudem sollen Mitwirkungspflichten - also gesetzlich festgelegte Pflichten, bei denen Migrantinnen und Migranten aktiv dazu beitragen müssen, dass ihr Aufenthaltsstatus geklärt werden kann - stärker kontrolliert und sanktioniert werden. Damit übernimmt er die mit dem "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" von 2019 in Deutschland etablierten Regelungen, nach denen Personen inhaftiert werden können, wenn sie diesen Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachkommen.

Das Forschungsteam hat diese forcierten Rückkehrpolitiken evaluiert und kommt zu dem Schluss, dass sie in Bezug auf effizientere Abschiebungen höchst unwirksam sind. "Unsere bisherige Forschung zeigt, dass die Rückkehrpolitiken ein ineffizientes bürokratisches Monster geschaffen haben", fasst Projektleiterin Prof. Dr. Sabine Hess vom Institut für Kulturanthropologie / Europäische Ethnologie der Universität Göttingen die Ergebnisse zusammen. "Unsere Forschung macht deutlich, dass langfristige Bleiberechte und Zugänge in die Gesellschaft effektiver wären, um die Zahlen der Ausreisepflichtigen zu senken." So würden Bleiberechte, wie sie in den Paragraphen 25a, 25b und 104c im Aufenthaltsgesetz stehen, laut den Forschenden Stress und Überarbeitung in den Behörden ebenso wie finanziellen Ressourcenaufwand deutlich stärker reduzieren.

"Eine weitere zentrale Erkenntnis unserer Forschung ist, dass die seit 2015 forcierten Rückkehrpolitiken nicht zu mehr Sicherheit beitragen. Im Gegenteil kommen wir zu dem Schluss, dass Rückkehrpolitik Armutskriminalität fördert", ergänzt Svenja Schurade, wissenschaftliche Mitarbeiterin am selben Institut. Diese Tendenzen lassen sich auch in dem neuen Vorstoß auf EU-Ebene finden, der davon geprägt ist, Menschen bürokratische, schwer kontrollierbare Verpflichtungen aufzuerlegen, und diese bei Verstößen mit Leistungskürzungen zu bestrafen. "Unsere Forschung zeigt auch, dass Migrantinnen und Migranten mitunter schon wegen geringfügiger Verstöße in Kriminalitätsspiralen geraten können, die für sie oft gar nicht zu überblicken sind", erklärt Selmar Krug, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts.

Weitere Informationen zu den Forschungsergebnissen:

Faktencheck zu Abschiebungen in Deutschland: Svenja Schurade, Selmar Krug: Quo vadis Abschiebungen in Deutschland?! März 2025:
https://uni-goettingen.de/de/697214.html

Kurze englischsprachige Zusammenfassungen zu den bisherigen Forschungsergebnissen:
https://www.moreproject-horizon.eu/executive-summaries/

Georg-August-Universität Göttingen
Philosophische Fakultät
Institut für Kulturanthropologie / Europäische Ethnologie
Heinrich-Düker-Weg 14,37073 Göttingen
Internet: http://www.uni-goettingen.de

Link zur Pressemitteilung
https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=7779

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
https://idw-online.de/de/institution77

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Georg-August-Universität Göttingen - 16.04.2025
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 17. April 2025

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