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MELDUNG/050: EU-Parlament wird transparenter - ein wenig (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen e.V.
EU-Koordination

EU-News - Mittwoch, 14. Dezember 2016 / Politik & Recht

EU-Parlament wird transparenter - ein wenig


Am 13. Dezember hat das EU-Parlament eine neue Geschäftsordnung verabschiedet. Die neuen Regeln sollen die Transparenz im Parlament verstärken und bieten Sanktionierungsmöglichkeiten im Falle von Fehlverhalten. Nebenjobs werden aber nicht unterbunden.

Laut Geschäftsordnung werden rassistische oder verleumderische Reden oder ein solches Verhalten künftig nicht mehr toleriert. Darüber hinaus sollen die Erklärungen der finanziellen Interessen der Abgeordneten ab Mitte Januar erstens genauer und zweitens stärker geprüft werden. Auch ehemalige Abgeordnete müssen nun das Parlament unterrichten, wenn sie eine neue Lobbytätigkeit aufnehmen.

Der Verhaltenskodex für die Abgeordneten wird strikter. Den Abgeordneten ist nun ausdrücklich verboten, eine bezahlte Lobbytätigkeit auszuüben. Alle Abgeordneten sollen zudem nur noch Lobbyisten treffen, die im Transparenzregister stehen. Allerdings unterbindet die neue Geschäftsordnung keine Nebenjobs. Die gewählten VolksvertreterInnen können weiterhin zwei bis drei bezahlten Nebentätigkeiten nachgehen. "Die Abgeordneten haben strengere Regeln im Umgang mit Interessenkonflikten in der Europäischen Kommission beschlossen, legen bei sich selbst aber weniger strenge Maßstäbe an", kritisiert der Sprecher für Transparenz und Integrität der Grünen/EFA-Fraktion, Sven Giegold. "Die neuen Regeln sind ein wichtiger Schritt, um Interessenkonflikte bei EU-Kommissaren zu verhindern. Das Europäische Parlament wird seine gestärkte Rolle nutzen, wenn bei einem EU-Kommissar der Verdacht für einen Interessenkonflikt besteht. Die EU-Abgeordneten bekommen die Möglichkeit, dann die Anhörung eines EU-Kommissars und damit dessen Ernennung zu verzögern. Auch während der Amtszeit wird das Parlament die EU-Kommissare stärker überprüfen, etwa beim Wechsel der Zuständigkeiten."

"Interessenkonflikte müssen von einer unabhängigen Kommission geprüft und bei Verstößen gegen die Regeln müssen finanzielle Sanktionen verhängt werden", fordert Giegold. Bedauerlich sei, dass Konservative und Liberale mehr Lobbytransparenz im Europäischen Parlament verhindert haben. Sogar Berichterstatter und Ausschussvorsitzende dürften weiterhin geheim halten, welche Lobbyisten sie treffen.

Giegold kritisiert auch, dass Trilog-Verhandlungen weitgehend intransparent bleiben. Um die Transparenz bei Trilogverhandlungen in erster Lesung zu erhöhen, müssen die Abgeordneten nun für jede Verhandlung mit dem Rat ein Mandat des gesamten Parlaments einholen, nicht nur des zuständigen Ausschusses.

Die größte Neuerung der Revision der Geschäftsordnung ist die Möglichkeit der schärferen Sanktionierung im Fall, dass EU-Abgeordnete Verhaltensregeln nicht einhalten. Beispielsweise, indem sie sich diffamierend, rassistisch oder fremdenfeindlich äußern oder ein Verhalten an den Tag legen, durch das die parlamentarische Tätigkeit gestört wird.

Außerdem darf jede Fraktion ein oder zwei Aussprachen über ein aktuelles EU-Thema von allgemeinem Interesse auf die Tagesordnung im Plenum setzen.

Eine weitere Neuerung ist, dass die Abgeordneten nicht mehr vom Plenum in Ausschüsse gewählt oder für Posten wie den des Ausschussvorsitzenden oder die seiner Stellvertreter nominiert werden. Ab der nächsten Legislaturperiode sollen die Fraktionen selbst bestimmen, proportional zu der Anzahl der Sitze, die eine Fraktion im Parlament hat.

Zur verbesserten Effizienz der parlamentarischen Arbeit soll beitragen, dass das Zurückziehen eines Vorschlags durch die Kommission vorher mit dem jeweiligen EP-Ausschuss erörtert werden muss. In der Vergangenheit hatte die Kommission Gesetzgebungsvorschläge trotz Veto zurückgezogen. Im Sinne "vertrauenswürdiger Zusammenarbeit" muss die Kommission nun Bedenken von Rat und Parlament berücksichtigen, die zu den Änderungen im laufenden Gesetzgebungsprozess geführt haben. Erst nach einer solchen Abwägung kann die Kommission einen Gesetzgebungsvorschlag zurückziehen.

Die angenommenen Änderungen der Geschäftsordnung werden am 16. Januar in Kraft treten. Damit gelten sie für die Neuausrichtung des Parlaments in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode. [bv]


PM EU-Parlament
http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/20161208IPR55155/überarbeitung-der-geschäftsordnung-für-mehr-transparenz-im-parlament

Artikel Euractiv (engl.)
http://www.euractiv.com/section/public-affairs/news/lawmakers-tighten-parliament-procedures-but-fail-to-ban-all-second-jobs/?nl_ref=26951353

PM Dir Grünen im EP
http://www.eu-koordination.de/umweltnews/news/politik-recht/4034-eu-parlament-wird-transparenter-ein-wenig

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Quelle:
EU-News, 14.12.2016
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2016

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