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MEDIEN/022: Digitale Bibliothek für Europa kurz vor der Eröffnung (KEG)


Europäische Kommission - Brüssel, den 11. August 2008

Digitale Bibliothek für Europa kurz vor der Eröffnung


Die kulturelle Vielfalt Europas in Büchern, Musik, Bildern, Fotos und Filmen für alle Bürger über ein einziges Portal per Mausklick zugänglich - dieser Traum von einer europäischen digitalen Bibliothek könnte im kommenden Herbst Wirklichkeit werden. Dazu müssten die EU-Mitgliedstaaten allerdings noch weitere Anstrengungen unternehmen, meint die Kommission heute in einer neuen Mitteilung über die Bereitstellung digitaler Versionen der Werke, die sich im Besitz von Kultureinrichtungen in ganz Europa befinden. Die Digitalisierung von Kulturwerken kann den Europäern Zugang zu den Beständen ausländischer Museen, Bibliotheken und Archive geben, ohne dass sie sich dazu auf Reisen begeben oder in Hunderten von Seiten nach der gewünschten Information blättern müssen. In den Bibliotheken Europas lagern mehr als 2,5 Milliarden Bücher, aber nur etwa 1% des archivierten Materials liegt in digitaler Form vor. Die Kommission rief daher die Mitgliedstaaten auf, sich stärker darum zu bemühen, dass den Europäern digitalisierte Werke online für Studium, Arbeit oder Freizeit zugänglich gemacht werden. Die Kommission wird 2009-2010 selbst etwa 120 Millionen Euro zur Verbesserung des Online-Zugangs zum europäischen Kulturerbe bereitstellen.

"Die Europäische Digitale Bibliothek wird den Menschen einen schnellen und einfachen Zugang zu europäischen Büchern und Kunstwerken bieten - ob im Heimatland oder im Ausland. So wird beispielsweise ein tschechischer Student in Werken der British Library blättern können, ohne dazu nach London reisen zu müssen, oder ein irischer Kunstliebhaber die Mona Lisa bewundern können, ohne vor dem Louvre Schlange zu stehen", sagte Viviane Reding, die für die Informationsgesellschaft und Medien zuständige EU-Kommissarin. "Aber obwohl die Mitgliedstaaten bei der Verbreitung des Kulturguts über das Internet schon große Fortschritte gemacht haben, sind noch mehr öffentliche und private Investitionen erforderlich, um die Digitalisierung weiter zu beschleunigen. Ich möchte erreichen, dass die Europäische Digitale Bibliothek unter dem Namen "Europeana" mit vielfältigen Inhalten noch vor Jahresende eröffnet wird."

Die Kommission bekräftigte heute ihre Zusage, die Mitgliedstaaten bei der Online-Bereitstellung ihrer wertvollen Kulturschätze zu unterstützen. In den Jahren 2009-2010 wird sie 69 Millionen Euro aus dem EU-Forschungsrahmenprogramm in die Digitalisierung und die Entwicklung digitaler Bibliotheken lenken.Weitere 50 Millionen Euro werden im gleichen Zeitraum aus dem EU-Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation für die Verbesserung des Zugangs zu europäischen Kulturinhalten bereitgestellt. Allerdings dürften sich allein schon die Gesamtkosten für die Digitalisierung von fünf Millionen Büchern in den europäischen Bibliotheken auf schätzungsweise 225 Millionen Euro belaufen, wobei besondere Objekte wie Manuskripte oder Gemälde noch gar nicht berücksichtigt sind.

Zur Verwirklichung einer europäischen digitalen Bibliothek ("Europeana") sind also ganz erhebliche Investitionen seitens nationaler Einrichtungen notwendig. Die meisten Länder stellen jedoch bislang für die Digitalisierung aber nur geringe Mittel, noch dazu in recht unkoordinierter Weise bereit. Die Kommission rief die Mitgliedstaaten heute auf, ihre Digitalisierungskapazitäten auszubauen, damit ihre Sammlungen für Europas Bürger zugänglich gemacht werden können. Dazu sollten sie gemeinsam mit der Privatwirtschaft folgende Prioritäten angehen: Mehr Mittel sollten für die Digitalisierung bereitgestellt werden ebenso wie eine Planung des zu digitalisierenden Materials. Den meisten Ländern fehlt es noch an geeigneten Methoden, Technologien und Erfahrungen in Bezug auf die langfristige Aufbewahrung digitalen Materials, damit die Inhalte auch für künftige Generationen zugänglich bleiben. Gemeinsame Normen müssen aufgestellt werden, um unterschiedliche Informationsquellen und Datenbanken kompatibel und für die Europäische Digitale Bibliothek ("Europeana") nutzbar zu machen. Urheberrechtsfragen müssen geregelt werden, vor allem in Bezug auf verwaiste Werke, für die kein Rechteinhaber auffindbar ist, der einer Digitalisierung zustimmen könnte (IP/07/508).

Die Besucher digitaler Bibliotheken können online ein Exemplar der berühmten Gutenberg-Bibel, des ersten gedruckten Buches überhaupt, auf der Website der British Library entdecken oder die Stimmen von Maria Callas und Jacques Brel beim französischen Institut National de l'Audiovisuel anhören oder die Mona Lisa, das Meisterwerk von Leonardo Da Vinci, im Louvre anschauen, und das ohne Eintrittskarte.

Einige Mitgliedstaaten haben beispielhafte Schritte unternommen, um die Digitalisierung der Kultursammlungen zu beschleunigen. So hat Slowenien 2007 ein Gesetz über öffentlich-private Partnerschaften erlassen, das neue Möglichkeiten für die private Förderung von Digitalisierungsprojekten öffentlicher Einrichtungen schafft. Die Slowakei hat ein altes Militärgelände zu einer Großdigitalisierungsanlage umgebaut, in der Roboter die Seiten umblättern. Finnland, die Slowakei und Litauen haben Gelder der Europäischen Strukturfonds genutzt, um mehr Mittel für die Digitalisierung bereitzustellen.

Die Einschätzung der Kommission zeigt aber auch, dass in vielen Fällen zwischen der Digitalisierung der Objekte und ihrer Online-Bereitstellung eine Lücke klafft. Beispielsweise stellt nur eines von vier deutschen Museen, die über digitales Material verfügen, dieses auch online bereit, und nur 1% des von polnischen Archiven digitalisierten Materials ist online zugänglich.


Hintergrund:

Die Europäische Digitale Bibliothek ist Teil der von der Kommission am 1. Juni 2005 beschlossenen i2010-Initiative (IP/05/643). Am 24. August 2006 nahm die Kommission eine Empfehlung zur Digitalisierung und digitalen Bewahrung an (IP/06/1124). Auf der Tagung des Rates (Kultur) beschlossen die Minister der Mitgliedstaaten, die Digitalisierung weiter voranzutreiben (Pres/06/309).


Mitteilung und Bewertung der Fortschritte bei der Digitalisierung:
http://ec.europa.eu/information_society/activities/digital_libraries/

The World Digital Library:
http://www.worlddigitallibrary.org

The European Library:
http://search.theeuropeanlibrary.org/portal/de/index.html

Europeana:
http://www.europeana.eu/
MEMO/08/546

© Europäische Gemeinschaften, 1995-2008


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Quelle:
Pressemitteilung IP/08/1255, 11.08.2008
Europäische Kommission (KEG), Brüssel
Internet: www.ec.europa.eu, www.europa.eu/rapid/


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2008