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WIRTSCHAFT/095: Das Euro-Rettungspaket (spw)


spw - Ausgabe 3/2010 - Heft 178
Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft

Das Euro-Rettungspaket

Von Arne Heise


Als der Euro am 1.1.1999 als gesetzliches Zahlungsmittel in damals 11 Ländern der Europäischen Union eingeführt wurde, war dies für viele der Ausdruck des politischen Einigungswillens in Europa - andere aber trauten der neuen Währung nicht und sahen darin entweder langfristig den Spaltpilz der EU oder - gerade in Deutschland - das Ende der Ära der Preisstabilität, für die die DM über 50 Jahre stand.

Heute sehen sich viele Skeptiker bestätigt: Mit der nahen Staatspleite Griechenlands verbanden viele das fatale Dilemma, entweder Griechenland (und vielleicht bald andere EWU-Mitgliedsstaaten) aus der Euro-Zone auszuschließen bzw. zu befreien oder aber die Prinzipien einer an Preisstabilität orientierten Europäischen Zentralbank (EZB) aufzugeben. Letztere Befürchtung nährt sich aus der Behauptung, Griechenland sei für seine Finanzprobleme selbst verantwortlich - eine E(W)U-weite Hilfsaktion würde nur den Anreiz setzen, dass noch mehr Euroländer eine laxe Haushaltspolitik betreiben und deshalb über kurz oder lang die EZB mit einer Inflationierung die Realentschuldung der Staatshaushalte betreiben müsste.

Tatsächlich sieht die Haushaltslage in Griechenland nicht gut aus. Tatsächlich hat Griechenland durch statistische Taschenspielertricks seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt. Damit wäre eine Sanktion der Finanzmärkte in Form höherer Zinssätze auf griechische Staatsanleihen (Risikoprämien) durchaus gerechtfertigt - ein Mechanismus, den die Kritiker des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) immer betont haben und der die Glaubwürdigkeit der so genannten 'No-Bail-Out'-Klausel unterstreicht. Der exorbitante, in dieser Form nur der Spekulation geschuldete Anstieg der Risikoprämien entbehrt aber jeder ökonomisch begründeten Rechtfertigung: Länder wie die USA, Großbritannien oder Japan, die vergleichbar hohe Staatsdefizite und Schuldenstände (USA und Großbritannien) oder gar doppelt so hohe Staatsschuldquoten (Japan) wie Griechenland aufweisen, wurden von den amerikanischen Rating-Agenturen nicht herabgestuft und sahen sich keiner dramatischen Erhöhung ihrer Risikoprämie ausgesetzt.

In dieser Situation musste die EU handeln, denn sonst wäre die Illiquidität des griechischen Staates unabwendbar gewesen. Illiquidität ist dabei von Insolvenz zu unterscheiden: Ein Staat, der sich über Besteuerung Einnahmen verschaffen kann und hoheitlich über seine Ausgaben entscheidet, kann faktisch nicht insolvent werden. Bei allen politischen Mühen und sozialen Auseinandersetzungen, die dies bedeuten wird, wird Griechenland seine Haushaltslage in den Griff bekommen. Kurzfristig drohte dem griechischen Staat aber die Zahlungsunfähigkeit, weil sich der Weg zum Kapitalmarkt zu schließen begann.

Der so genannte 'Schutzschirm für Europa' ist ein Notfallmechanismus, der die Gefahr der Illiquidität einzelner EU-Staaten minimieren und damit den Spekulanten die Grundlage entziehen soll. Er besteht aus 3 Teilen: Ein Notfallfonds in Höhe von 60 Mrd. Euro, die von den Mitgliedstaaten entsprechend ihrer EZB-Kapitalanteile garantiert wird, wird von der EU-Kommission verwaltet. Weitere 440 Mrd. Euro können von einer noch zu schaffenden Zweckgesellschaft am Kapitalmarkt aufgenommen und notleidenden EU-Staaten zur Verfügung gestellt werden. Da auch diese Summe von den E(W)U-Mitgliedsstaaten verbürgt ist, dürfte die Risikoprämie deutlich unter der individuellen Risikoprämie des notleidenden EU-Mitgliedslandes liegen und deshalb attraktiv sein - allerdings müssen sich die kreditnehmenden Länder mit der EU-Kommission und dem IWF, der sich zusätzlich mit 250 Mrd. Euro am Sicherungspaket beteiligt, auf wirtschafts- und finanzpolitische Anpassungsprogramme einigen. Die Zweckgesellschaft - der 'Europäische Währungsfonds' - ist allerdings zunächst auf 3 Jahre befristet.

Mit diesem 'Schutzschirm für Europa' hat die EU gezeigt, dass sie in der Lage und Willens ist, den Euro zu verteidigen. Die Logik des Schutzschirmes besteht in seiner abschreckenden Wirkung: Die Spekulanten werden abgeschreckt, gegen das Fortbestehen der Eurozone in der jetzigen Form zu spekulieren. Die Mitgliedsländer werden abgeschreckt, sich auf die dauerhafte Solidarität der anderen Mitgliedsländer zu verlassen: Entweder würde der Schutzschirm bei tatsächlichem Kreditausfall faktisch zurückgezogen werden oder die notleidenden Länder würden faktisch ihre Haushaltssouveränität verlieren. In diesem Sinne sind die Debatten, die die 'Belastungen' des deutschen Steuerzahlers herausstellten, wenigstens populistisch - tatsächlich wird Deutschland als Kreditgeber an Inanspruchnahmen des Schutzschirmes verdienen.

Wer nun aber glaubt, mit dem 'Euro-Rettungspakt' sei die Krise in der EU überwunden, übersieht einerseits, dass damit zwar den Spekulanten ein Spekulationsobjekt genommen, nicht aber der eigentliche Handlungsraum beschnitten wurde. Eine Regulierung der internationalen Finanzmärkte steht weiterhin aus - und um dem 'Spielcasino' wenigstens seine destruktive realwirtschaftliche Wirkung zu beschneiden, müssen zweifellos radikalere Maßnahmen ergriffen werden, als eine Finanzmarkttransaktionsteuer. Der Charme dieses Instruments liegt allerdings darin, nicht nur eine Lenkungswirkung zu erzeugen, sondern auch Einnahmen zu generieren, die z.B. als genuin übernationale Steuer einer künftigen europäischen Wirtschaftsregierung die finanzielle Erstausstattung liefern könnte. Damit wären wir bei den größeren Herausforderungen, denen sich die EU mittelfristig zu stellen hat: 1) die anhaltenden Leistungsbilanzungleichgewichte in der E(W)U sind inakzeptabel und bedrohen den Fortbestand der EWU strukturell stärker als die gegenwärtige 'Griechenland-Krise'. 2) die mit der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte immer noch verbundene Vorstellung von drastischen Ausgabenkürzungen und weitere Verschärfung des SWP droht die EU in eine lang anhaltende Stagnationsphase zu stürzen. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, eine Wirtschafts- und Finanzpolitik in der EU zu gestalten, die ein Herauswachsen aus der Schuldenproblematik ermöglicht.


Dr. Arne Heise ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg


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Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 3/2010, Heft 178, Seite 52-53
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2010