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WIRTSCHAFT/100: Gewerkschaften und Europa - Positionssuche ... (IPG)


Internationale Politik und Gesellschaft 3/2010

Gewerkschaften und Europa:
Positionssuche zwischen naiver Akzeptanz und offensiver Ablehnung

Von Wolfgang Kowalsky


Es gibt eine lange Tradition sowohl linksintellektueller wie auch rechtsintellektueller Europakritik.(1) Grob zugespitzt nimmt linke Europakritik in der Regel Internationalismus als Fluchtpunkt, rechte Europakritik hingegen den Nationalstaat. Die Kritik rechter Provenienz verfolgt das Ziel, Europa auf Deregulierungskurs zu halten und sozialen Fortschritt im Keim zu ersticken. Die Kritik linker Provenienz versucht, eine allgemeine Kapitalismus- und Imperialismuskritik virulent zu halten. Um einige Beispiele linksintellektueller Kritik zu nennen: Die spd lehnte den Schumanplan und die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) ab,(2) und auch die Mehrheit der Linksintellektuellen blieb gegenüber der europäischen Idee und Politik in der Gründungsphase der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf Distanz. Das von Bundeskanzler Willy Brandt verkündete Programm, die ewg zu einer »Sozialunion« auszubauen, fiel in der spd umgehend in Vergessenheit. Die Marburger Schule um Frank Deppe zog gegen eine angebliche »Europa-Euphorie« jener Intellektuellen zu Felde, die nicht in die platte Kritik »imperialistischer Bündnissysteme« einstimmten. Die Parole vom »Europa des Kapitals / der Konzerne« wurde in die Welt gesetzt, und die Ideologiekritik bekam den Kampfauftrag, gegen diese »Festung Europa« anzustürmen. Die Partei European United Left (GUE/NGL) und deren deutsches Mitglied Die Linke sind in dieser Traditionslinie verankert.

Neu hingegen ist die Ausbreitung kritischen Gedankenguts von proeuropäischer Seite: Das Sanktuarium um das »soziale Europa« scheint zu zerbröseln und der »permissive Konsens«(3) der Nachkriegsära zu zerfasern. Auch die Gewerkschaften zeigen zunehmend Unzufriedenheit mit dem Weg, den das europäische Einigungsprojekt nimmt. Schwenken sie ins Lager der Kritiker? Oder sind sie bereits Opposition - wie bei der Auseinandersetzung um die Dienstleistungsrichtlinie?


Grundsätzliche Unterstützung für das europäische Einigungsprojekt

Obwohl vielen Beteiligten nicht vollständig klar war, auf welches Abenteuer sie sich eingelassen hatten, wirkten zahlreiche Akteure an der Ausgestaltung des Europaprojekts mit - darunter auch die (deutschen) Gewerkschaften, meistens »europafreundlich« und »unterstützend«, wie Hans-Jürgen Urban in einem Diskussionsbeitrag mit kritischem Unterton konstatiert.(4)

In der Tat haben die Gewerkschaften, insbesondere die deutschen, die europäische Integration von Anfang an grundsätzlich unterstützt, aber es gab hitzige Debatten um das Europa der Konzerne, des Kapitals, der Banken. Die Behauptung einer »unbedingten Europafreundlichkeit« ist zumindest teilweise ein Konstrukt. In Sachen Mitbestimmung haben die Gewerkschaften von Anfang an eine recht erfolgreiche Obstruktionspolitik gegen jahrzehntelange Versuche betrieben, die Standards der Mitbestimmung auf ein »mittleres« Niveau hinunterzuverhandeln und Schlupflöcher zur Mitbestimmungsflucht zu schaffen. Die Zustimmung zum Binnenmarktprojekt musste von dem damaligen Kommissionspräsidenten Delors organisiert werden, durch Versprechen und Zusagen auf dem Kongress des unentschiedenen EGB (Stockholm am 12. Mai 1988) und des europaskeptischen britischen Gewerkschaftsbundes TUC (Bournemouth am 8. September 1988).

Strukturell war mit dem Gründungsakt des EGB 1973 ein wesentliches, sich zuspitzendes Problem, nämlich das Verhältnis der Gewerkschaften zur europäischen Integration, einer Beantwortung zugeführt, selbst wenn programmatische Schwächen in den Anfangsjahren vielfach zu überaus allgemeinen Forderungen, unklaren und nicht politikfähigen Positionen führte. In den Gewerkschaften war lange Zeit eine unterschwellige, aber wirksame Philosophie gewerkschaftlichen Föderalismus handlungsleitend, doch die Grenzen dieses Föderalismus wurden gezogen durch die Akzeptanz des Subsidiaritätsprinzips. Ausgeschlossen war allerdings zu diesem Zeitpunkt eine Position europäischer Passivität oder eines populistischen Antieuropäismus. Es ging stets darum, mehrheitsfähige emanzipatorische Alternativen auszuarbeiten und zu repräsentieren.

In der Regel haben die Gewerkschaften in den ersten Jahrzehnten auf Europa und die EU eher reagiert als es proaktiv geformt - erst in den letzten Jahrzehnten zeigen sich vermehrt Ansätze klaren eigenen Gestaltungswillens. Dabei hat die Großwetterlage sozialpolitische Fortschritte nicht begünstigt. Dieser Stillstand hat mitbewirkt, dass sich zunehmend innerhalb der Gewerkschaftsbewegung Skepsis breit machte; die Kluft zwischen europaoptimistischen Erwartungen und der Realität der Liberalisierungsschübe vergrößerte sich.


Zunehmende Kritik an der Richtung des europäischen Einigungsprozesses

Nicht erst mit der Dienstleistungsrichtlinie (erinnert sei an die vielfältigen Demonstrationen unter dem Slogan »Nein zu Bolkestein«) ist Bewegung in die gewerkschaftliche Europa-Debatte gekommen, sondern auch mit der EGB-Petition zugunsten öffentlicher Dienstleistungen, die eine halbe Millionen Unterschriften für eine europäische Gesetzesinitiative erbrachte,(5) und ebenso mit den Referenden über die Europäische Verfassung in Frankreich, den Niederlanden und Irland, die eine generelle Europa-Malaise zum Ausdruck brachten. Ein Riss geht seither durch die Gewerkschaftsbewegung und verläuft zwischen Befürwortern der Verfassung bzw. des Lissabonvertrags und deren Gegnern. Erstere führten zunächst offensiv die Grundrechtecharta ins Feld, später zogen sie sich defensiv auf die Formel »besser als Nizza« zurück; Letztere verweisen auf neoliberale Tendenzen, Liberalisierung und Privatisierung, die Brüssel zugeschrieben werden, auf eine weitgehende Dominanz negativer über positive Integration, eine Asymmetrie zwischen ökonomischer und politisch-sozialer Vertiefung, eine »Radikalisierung der Binnenmarktintegration«, die sich die soziale Dimension unterordnete, eine alles andere überlagernde »Wettbewerbsorientierung«.

Die Befürworter hatten sich für die Europäische Verfassung eingesetzt, weil sie eine Normenhierarchie eingeführt hätte: Im Teil I standen die Definition, die Ziele der Europäischen Union, die Werte, die Kompetenzen, die Institutionen, in Teil II folgte der gesamte Wortlaut der Grundrechtecharta und erst in Teil III die Politikregeln, also Binnenmarktregeln, Wettbewerbsregeln usw. Die Grundrechtecharta hatte aus Sicht des EGB eine so fundamentale Bedeutung, dass sie eine positive Bewertung des Gesamttextes rechtfertigte: Erstmals wurden soziale Rechte gleichrangig und auf gleicher Ebene behandelt, sozusagen auf Augenhöhe mit den sogenannten »noblen« Rechten. Inhaltlich wurden die Rechte zur Bildung von Gewerkschaften, zum Abschluss von Kollektivverträgen, zur Durchführung von Kampfmaßnahmen einschließlich Streiks sowie auf Unterrichtung und Anhörung festgeschrieben.

Die starke Mobilisierung des EGB in der Kampagne des französischen Referendums erwies sich letztlich zwar als vergeblich, verdeutlichte jedoch die hohe Kohärenz zwischen Positionierung und Aktionen. Folgerichtig war auch, dass der EGB die darauffolgende »Rettung« der in Frankreich und den Niederlanden abgelehnten Verfassung seitens der deutschen Ratspräsidentschaft in einer öffentlichen Stellungnahme im Juni 2007 vorsichtig begrüßte. In internen Debatten wurde die Einigung mit der Formel »besser als Nizza, schlechter als die Verfassung« charakterisiert. Messlatte der Bewertung blieb die Verfassung, die symbolisch für den von Habermas geforderten Akt »symbolischer Verdichtung, die nur ein politischer Gründungsakt haben kann«(6), stand.

Am Ende der neunjährigen Auseinandersetzung um die Vertragsrevision waren die Befürworter allerdings müde und ausgezehrt, und die jüngste Reihe kontroverser Urteile des Europäischen Gerichtshofs riss ihnen den Boden unter den Füßen fort. Im Gefolge dieser Urteile hat sich die Debatte vertieft und ist auf breitere Resonanz(7), aber auch auf Ablehnung seitens einiger Gralshüter(8) gestoßen.

Aus Gewerkschaftssicht entzündet sich die Kritik an Europa vornehmlich am Ungleichgewicht zwischen Sozialem und Ökonomischem. Die europäische Integration wird als epochale historische Leistung anerkannt. Diese Einschätzung schließt eine prinzipiell europafeindliche Haltung aus, nicht jedoch Kritik an der jeweils aktuellen Ausrichtung, wobei meist Markt- und Wettbewerbsfundamentalismus sowie der Primat der Ökonomie kritisiert werden. Als Negativfolie der Kritik dient die Gefahr einer Rückentwicklung zu einer gehobenen Freihandelszone einerseits, die eines Wiedererstarkens nationalistisch-intergouvernementalistischer Strömungen andererseits. Kritisch gesehen wird die Ungleichzeitigkeit von Erweiterung und Vertiefung, die den Erweiterungsprozess zum Problem hat werden lassen, da er von gewissen Kräften genutzt wurde, um Liberalisierung voranzutreiben.


Europa auf dem falschen Weg

Das aktuelle Europa liefert zahlreiche Anknüpfungspunkte für Kritik. Z. B. könnte Europa den Weg bahnen zu einem besser regulierten Finanzsystem und die Führungsrolle übernehmen zum Ausweg aus der Krise. Stephany Griffith-Jones gab vor dem Krisenausschuss des Europaparlaments Auskunft, wie durch antizyklische Maßnahmen aus der Krise zu finden sei, und verweist auf den Keynesianismus der 1930er Jahre.(9) Sie warnte eindringlich vor einer »Catch-22«-Situation, in der Europa abwartet, bis die USA handeln und umgekehrt. Barry Eichengreen insistiert ebenfalls auf einer Stimulation der Nachfrage, um deflationären Tendenzen entgegenzuwirken - unter dem Motto »außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen«.(10) Solche kritischen Stimmen von Beobachtern stoßen auf keinerlei Resonanz seitens der Kommission oder des Rats.

Der EGB hat als Exitstrategie ein zusätzliches Investitionsprogramm in Höhe von einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung gefordert, um eine neue innovative Industriepolitik einzuleiten zur Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen. Zugleich sollen gerechte »transition policies« zur Sicherung des Übergangs von heutigen zu künftigen grüneren Arbeitsplätzen, aber auch zur Unterstützung von Arbeitslosen und insbesondere Jugendlichen geschaffen werden. Eine europäische »economic governance« ist nötig sowie eine Finanztransaktionssteuer und die Möglichkeit, Eurobonds herauszugeben zur Finanzierung von Gemeinschaftsprojekten.

Ohne staatliche Eingriffe wäre das Finanzsystem zusammengebrochen und die Rezession weit schlimmer ausgefallen. Aber die derzeitige Politikergeneration hatte keine Erfahrung im Umgang mit einer Weltwirtschaftskrise und hat die Rettungspakete hastig geschnürt, ohne im Gegenzug die geretteten Banken zu einer grundlegenden Reform zu zwingen.

Angesichts der zögernden Haltung gegenüber der Finanzkrise rief der EGB im Mai 2009 zu Demonstrationen in Prag, Brüssel, Madrid und Berlin auf und forderte neue Weichenstellungen für ein sozialeres Europa sowie gegen eine einseitige Lastenverteilung der Kosten der Finanzkrise. Eine wichtige Frage lautet, wie in Europa nach der Krise wieder Wachstum zustande kommen kann. Die in der Kommission vorherrschende Meinung setzt auf höhere Wettbewerbsfähigkeit. Auf binnenmarktorientiertes Wachstum und höhere Löhne zu setzen, wäre sinnvoller, als sich gegenseitig weiter zu unterbieten. Die Lohnpolitik ist nur ein Faktor unter anderen; eine Währungsunion muss um eine Fiskalunion ergänzt werden in Form eines substanzielleren Budgets und gemeinsamer Anleihen.

Die von der Kommission angestoßene Debatte über »EU 2020« ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich: Lehren aus der Krise sucht man hier vergebens. Stattdessen schlägt sich die Kommission auf die Seite derjenigen, die plädieren, rigoros den Stabilitätspakt anzuwenden und die Staatsfinanzen zu sanieren - ohne die Frage aufzuwerfen, wer nun für die Krise zahlt und wie die weiterhin ansteigende Arbeitslosigkeit bekämpft wird. Der Zielkonflikt und das dahinterstehende Dilemma, einerseits die öffentliche Hand zu Budgetkonsolidierung und Sparkurs zu zwingen, andererseits Mittel zur Konjunkturbelebung und zur Bekämpfung des Klimawandels (Stern zufolge sind ein Prozent des BIP notwendig) aufzubringen, wird nicht reflektiert. Sogar angesichts der spekulativen Attacken gegen Griechenland bleibt die Kommission in puncto »economic governance« vage und greift die Vorschläge, Eurobonds aufzulegen und/oder einen Europäischen Währungsfond zu schaffen, nicht auf.

Die USA haben ihre Krise durch ein Investitionsprogramm von 800 Mrd. Dollar so gemeistert, dass das Wachstum wieder anspringt. In China hat die Zentralregierung massive öffentliche Investitionen in Höhe von 15 Prozent des BIP vorgenommen, gefolgt von regionalen Anstrengungen, die auf das Vierfache geschätzt werden. Kein Wunder, dass eine baldige Rückkehr zur Vorkrisen-Wachstumsrate von zehn Prozent erwartet wird. Für die Weltwirtschaft wird ein Wachstum von fünf bis sechs Prozent 2010 und 2011 vorausgesagt, für die Eurozone 0,7 Prozent bei weiterem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Trotzdem bleibt die Kommission dabei, der Budgetsanierung absolute Priorität einzuräumen und damit das Wachstum zu behindern.

Verborgen im Dokument findet sich die Weichenstellung, im Zuge der Budgetkonsolidierung die Liberalisierungspolitik fortzusetzen und die Kosten für Bildung, Gesundheit, Wasser, Abfallbeseitigung dem privaten Sektor zu übertragen. Hier wäre ein Paradigmenwechsel gefordert. Selbst die Regulierung des Finanzsektors hat keinen herausragenden Stellenwert in dem Dokument. Hingegen wird die »better-regulation«-Agenda (jetzt: »smart regulation«) fortgesetzt, deren Zweck die Einschränkung der Regulationskapazitäten der öffentlichen Hand ist,(11) obwohl das Regulierungsversagen ein Grund der Krise ist und ein Neudenken des Verhältnisses zwischen Markt und Staat angesagt ist. Ohne eine grundlegende Reflexion über diese Probleme ruht die Agenda 2020 auf einer Wanderdüne.

Ein weiterer blinder Fleck ist die Analyse des Scheiterns der vorangegangenen Lissabonstrategie, deren Ziele einfach übernommen werden: drei Prozent für die Forschung, 75 Prozent Beschäftigungsrate etc. Seit einiger Zeit liegen die öffentlichen Forschungsausgaben in den USA, Japan und Europa etwa gleich hoch - der europäische Rückstand in den Gesamtausgaben rührt von den geringen privaten Investitionen her. Die Frage, wie diese gesteigert werden sollen, wird nicht aufgeworfen. Der Anstieg der Beschäftigungsrate vor der Finanzkrise war fast ausschließlich rückführbar auf ein Anwachsen der atypischen Arbeitsverhältnisse,(12) doch die Frage der prekären Beschäftigung wird unter den Tisch gekehrt, wie überhaupt ein Ansatz fehlt, die Qualität der Arbeitsplätze zu berücksichtigen. Adäquate Maßnahmen gegen Scheinselbständigkeit müssten erörtert werden; ebenso der Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten.

Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Industrie, der Investitionen in der Größenordnung von einem Prozent des BIP erforderlich macht, wird von der Kommission schöngeredet. Die Frage der sozialen Ungleichheit wird reduziert auf Armutsbekämpfung, die nur durch extensive Redistributionsmaßnahmen erreichbar ist, doch von der Kommission durch »good practice« und Einrichtung einer »Plattform« angegangen wird. Die Frage des Vorranges der ökonomischen Grundfreiheiten vor sozialen Rechten wird nicht berührt. Die Kommission fordert nun dazu auf, sich dieses »EU 2020« zu eigen zu machen und daran mitzuarbeiten, doch »ownership« kann nur entstehen durch breite öffentliche Debatten, die die Kommission wiederum vermeidet - ihr Zeitplan lässt eine breite Debatte mit Berichterstattung im Europaparlament nicht zu.


Die Herausforderungen, denen sich die EU nicht stellt

Durch die Übernahme kapitalistischer Wirtschaftspraktiken in Russland und China und das Ende der autozentrierten Experimente in aufsteigenden Ländern wie Brasilien und Indien sind die westlichen Arbeiter in Konkurrenz gesetzt worden zu 1,5 Milliarden Arbeitern aus diesen Ländern. Das wirtschaftliche Gravitationszentrum hat sich nach Asien verlagert. Parallel dazu erlebte der ökonomische Liberalismus eine Rückkehr. Die ökonomischen, sozialen, politischen und ideologischen Kräfteverhältnisse der Nachkriegszeit verschoben sich drastisch und drückten die Gewerkschaften in die Defensive. Die Rechte betrieb ein energisches »aggiornamento«, wohingegen die Sozialdemokratie die Suche nach »neuen Wegen« betrieb und sich zu einer Deregulierung der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital- und Arbeitsmärkte sowie einer Neukonfigurierung der staatlichen Kernaufgaben bereitfand.

Anfang des neuen Jahrtausends zeigten sich die Konsequenzen dieser Politik, eine Degradierung öffentlicher Dienste, zunehmende Prekarität, Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme, Stagnation bzw. Regression der Kaufkraft der Lohnabhängigen. Die neo-sozialdemokratischen Strategien blieben essentiell national ausgerichtet, und eine Europäisierung oder europäische Kooperation fand nicht statt. Die Lissabonstrategie von 2000 war das europäische Placebo, das das fehlende Europaprojekt ersetzen sollte, doch ihr Scheitern war angesichts der fehlenden Instrumente absehbar, wenngleich erst die Finanzkrise ihr den Todesstoß gab. Die Kehrseite des Europäischen Rats von Lissabon war die »better regulation agenda«, die sich als folgenreicher erwies als die Lissabonstrategie. Die ambitionierten Ziele wie Vollbeschäftigung oder Forschungsausgaben von drei Prozent, um den Abstand zu den USA und Japan einzuholen, wurden nicht erreicht. Stattdessen wurde von Barroso nun Lissabon II unter dem Titel »EU 2020« aufgelegt - mit weitgehend denselben Zielen.

Die neue Sozialdemokratie war angetreten, die Globalisierung zu regulieren und zu meistern, doch die globalisierte Finanzwelt hat die Regulierungskapazitäten der Staaten in die Knie gezwungen und die Spielregeln grundlegend verändert. Gesellschaftliche Kernnormen wie Solidarität, Gerechtigkeit und Fairness gerieten im Mahlstrom unregulierter Globalisierung ins Hintertreffen, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet.(13)


Die Herausforderung für die Gewerkschaften: Kritik an der EU-Politik - Unterstützung für das EU-Projekt

Im Gefolge der Globalisierung ist eine Erosion des »permissiven Konsenses« um Europa am Werk, und die automatische Legitimation der europäischen Akteure, die »Europäisierung durch Depolitisierung«, d. h. durch Verlagerung in »Expertengremien«, scheint an Grenzen zu stoßen. Im Zuge der Institutionalisierung der EU haben sich spezifische EU-Eliten herausgebildet, die überwiegend eine affirmative Position zur europäischen Integration an den Tag legen, während die Bevölkerungen zunehmend eine überwiegend kritische Position einnehmen, nachdem sie lange Zeit in einem »permissiven Konsens« verharrten. Die Kluft zwischen der Eliten- und Nichtelitenunterstützung für die europäische Integration weitet sich.(14) Aus Sicht der EU-Eliten ist Europa ein Positivsummenspiel, da alle davon profitieren, und es wird als fortschrittlich und alternativlos (begründet mit »Sachzwängen«) interpretiert.(15)

Aber nicht nur Kritik am (Neo-)Liberalismus und an einer fundamentalistischen Ausrichtung des Binnenmarkts sind im Aufwind, sondern auch breitere europaskeptische Strömungen. Das zeigte sich anlässlich der Europawahlen, bei denen Europaskeptiker zu den Gewinnern zählen.

Sollen die europäischen Gewerkschaften mit Kritik sparen, unkritisch werden, um Beifall von der falschen Seite zu vermeiden? Vor dem Hintergrund der tektonischen Verschiebungen ist es nicht verwunderlich, dass die Gewerkschaften nicht diejenigen sein wollen, die die Kohlen aus dem Feuer holen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Europäische Sozialdemokratie sich zum heiklen Thema - diplomatisch ausgedrückt - im Hintergrund hält und beredt schweigt.

Wohl gibt es in der Gewerkschaftsbewegung Strömungen, für die ein unveränderlicher Korpus von pro-europäischen Überzeugungen (der in einem naiven »Europa-Optimismus«(16) gipfeln kann) zum Credo zählt und als Bestandteil des Gründungskonsens der europäischen Nachkriegsgesellschaften gilt. Diese europaoptimistische Strömung betrachtet »zu viel« Kritik an Europa als unzulässig und versucht sie zu unterbinden. Eine gewisse Schönfärberei bei der Situationsanalyse gehört in dieser Strömung mit zum Tagesgeschäft: »der makroökonomische Dialog ist erfolgreich, auch der soziale Dialog«, »die ursprüngliche Lissabonstrategie war ein sozialdemokratisches (sprich: gutes, unterstützenswertes) Projekt«, »Hauptsache, der Sozialkommissar ist ein Sozialist« usw. usf. Eine gewisse Portion an »Europawerbung« gilt in diesen Kreisen als im operativen Geschäft legitim. Diese Position ist leicht zu erklären; denn so wie nationale Akteure tendenziell ein nationales Rahmenwerk bevorzugen, so entwickeln europäische Akteure mitunter eine Affinität zum europäischen Handlungsrahmen.

Andererseits findet gewerkschaftliche Kritik an Europa längst vermehrt und massiv statt, und zwar gemeinsam unter dem Dach des EGB. Mit der vom gesamten Kommissionskollegium unterschätzten Dienstleistungsrichtlinie stand die EU an einer sozialpolitischen Wegscheide: Es sollten weitere Liberalisierungs- und Vermarktungsschübe ausgelöst und systematisch zur Untergrabung bestehender Steuer-, Sozial- und Tarifstandards - resümiert in der Formel »soziales Dumping« - beigetragen werden. Der EGB startete gegen die Dienstleistungsrichtlinie kurz nach der Veröffentlichung eine breitangelegte Kampagne - erstmalig in seiner Geschichte gegen einen einzelnen, wenn auch äußerst weitreichenden Richtlinienvorschlag der Kommission - und brachte diese weitverzweigte europäisch koordinierte Kampagne zu einem erfolgreichen Abschluss mit einer Massenkundgebung in Straßburg vor dem Europaparlament am Tag vor der Abstimmung. Diese Kampagne nahm eine zentrale Stellung im Rahmen einer Vorwärtsverteidigung der sozialen Dimension ein. Der EGB schlug eine Oppositionsstrategie ein und spielte die Rolle eines gesellschaftspolitischen Korrektivs.(17)

Den Spagat zu vollführen, kritische Positionen aufzugreifen und das Projekt der europäischen institutionellen Einigung dennoch nicht aufzugeben, erfordert sowohl intellektuellen als auch politischen Sachverstand. Es mag in Zukunft ein wichtiger Strategiebestandteil werden. Europa ist längst nicht mehr das fragile Pflänzchen, das im Sturm der Kritik eingehen könnte. Gegen die Fortschreibung des »business as usual« inmitten der schlimmsten Krise seit den 1930er Jahren muss offensiv angegangen werden, denn es droht eine Umverteilung riesigen Ausmaßes, ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit und die Prekarisierung großer Bevölkerungsteile, die unvermeidlich mit wachsenden Ressentiments einhergehen wird.

Die grundsätzliche Frage ist, ob die Strukturen und Prozeduren des Integrationsprozesses, die »negative Integration«, ausreichend Spielräume lassen für eine Neuorientierung oder ob eine Verengung politischer und damit auch gewerkschaftlicher Handlungsspielräume in das Integrationsprojekt fest eingeschrieben ist.

Eine Gefahr für europäische Akteure besteht darin, zu eng an den Vorgaben der Kommission zu »kleben«, statt eine eigene Agenda zu setzen.(18) Gegen eine strukturalistische oder deterministische Sicht, die aus manchen Schriften von Scharpf herausscheint, gilt es festzuhalten, dass europäische Initiativen, die Konflikte hervorrufen, deutliches Politisierungs- und damit Veränderungspotenzial haben. Strukturalistisch-deterministische Ansätze entziehen dem politischen Handeln tendenziell jegliche Sinnhaftigkeit und scheiden als Grundlage für Strategieerarbeitung aus.

Des Weiteren ist deutlich geworden, dass die EuGH-Rechtsprechung - unabhängig von ihren Absichten - nicht »politisch neutral« ist. Sie kann nationale marktkorrigierende Institutionen dem Wirkungskreis der ökonomischen Grundfreiheiten und der europäischen Wettbewerbsregeln unterstellen und damit liberalisierend wirken, wohingegen die Schaffung marktkorrigierender Institutionen durch Rechtsprechung nicht möglich ist, mithin also eine liberalisierungspolitische Verzerrung vorherrscht.(19) Den bemerkenswert hohen Hürden der Mitgliedstaaten, marktkorrigierend zu wirken, beispielsweise im Sinne europäischer Mitbestimmungsregeln und eines europäischen Tarifvertragssystems, stehen niedrige Hürden für die Rechtsfortbildung durch den EuGH gegenüber. Dennoch kann historisch betrachtet auf eine relevante sozialpolitische Gesetzgebungsbilanz zurückgeblickt werden,(20) insbesondere zum Arbeitsschutz. Dies belegt, dass sozialer Fortschritt in der EU nicht ausgeschlossen ist.

Gegen eine europapessimistische Variante, die stets die Gefahr sozialer bzw. sozialpolitischer Rückschläge heraufbeschwört, gilt es indes festzuhalten, dass das Europaparlament bislang nicht ein einziges Mal angesichts einer einheitlichen Gewerkschaftskampagne »unsozial« entschieden hat, was allerdings keine Garantie für die Zukunft ist. Bei der Forderung nach Revision der Eurobetriebsräte hat die Fraktion der europessimistischen Bedenkenträger jahrelang jegliches Vorankommen verhindert und droht nun das Gleiche bei der notwendigen Revision der Entsenderichtlinie zu tun. Wenn es darum geht, kein Risiko einzugehen, bleibt als einzige Perspektive das Überwintern und Hoffen auf bessere Zeiten. Solange Gewerkschaften in den Gefilden bloßer Gegnerschaft verharren, statt an konkreten Alternativen zu arbeiten, bleibt die Mobilisierung für eine sozial-ökologische Modernisierung Europas aus.

Die europäische Gewerkschaftsbewegung hält die Forderung nach einem starken »sozialen Europa« hoch gegen ein unkritisches Abnicken der jeweiligen Kommissionsagenda. Das »soziale Europa« steht regelmäßig im Zentrum politischer Debatten mit dem Ziel, ein am »Markt« orientiertes Europa, dass das Soziale auf dem Altar der Ökonomie opfert, anders auszurichten - Hauptantriebskraft dieser Debatten sind die europäischen Gewerkschaften und regelmäßig kurz vor Europawahlen fast alle politischen Parteien. Der Einsatz für ein soziales Europa setzt die Anerkennung der europäischen Integration als entscheidendes Terrain oder als Raum dieses Kampfes voraus. In den gewerkschaftlichen Europa-Leitbildern nehmen Begriffe wie »soziales Europa«, »soziale Dimension« und »Europäisches Sozialmodell« einen zentralen Stellenwert ein.

Zwar gab es einzelne soziale Initiativen seit 1958, aber der Begriff »soziale Dimension« fand erst drei Jahrzehnte später Eingang in den Titel des offiziellen »Marin-Berichts« über die Entwicklung der sozialen Dimension des Binnenmarkts (1988). Seit längerem findet eine Diskussion darüber statt, was der Begriff »soziales Europa« bedeutet und mit welchen Inhalten er zu füllen sei. Die Spannweite der Interpretationen reicht von einem ausdifferenzierten europäischen Gesellschaftsmodell bis hin zum Aufbau einer »Sozialunion« oder eines europäischen Sozialstaats, wobei im Unklaren gelassen wird, ob an eine Vereinheitlichung bzw. Harmonisierung der sozialen Sicherungssysteme oder des Arbeits- und Sozialrechts gedacht ist oder an eine Reihe von sozialpolitischen Mindeststandards.

Bietet die europäische Integration auch in Zukunft die Chance, das europäische Sozialmodell zu verteidigen, oder wird dieses Modell bedroht durch die ökonomisch dominierte Integration? Vor wenigen Jahrzehnten wäre die Antwort noch eindeutig optimistisch ausgefallen, heute ist sie mit vielen Fragezeichen versehen. Zu Zeiten der Delors-Kommission erkannten die Gewerkschaften eine starke Gewichtung der sozialen Agenda an. Mittlerweile wird zur Kommission ein pragmatisches Verhältnis gepflegt, sie wird nur noch von überzeugten Europaoptimisten als Bündnispartner betrachtet. In Gewerkschaftskreisen ist es schwierig geworden, positive Forderungen auszuarbeiten oder voranzubringen. Schlechte Erfahrungen mit der Kommission, die offenbar die Forderung von Business Europe nach einem sozialen Moratorium(21) zu erfüllen sucht, überlagern die Hoffnung auf Besserung. Die letzten Sozialkommissare waren für Viele eine Enttäuschung. Bessere Erfahrungen wurden in letzter Zeit mit dem Europaparlament gemacht, insbesondere bei der Dienstleistungs- oder Arbeitszeitrichtlinie, aber aufgrund ihres Initiativmonopols bleibt die Kommission ein zentraler, in mancher Hinsicht unumgehbarer Akteur.

Die Stimmen mehren sich, die für eine radikale Umkehr plädieren. So war das Banner vom »anderen Europa« das Markenzeichen linker eukritischer Bewegungen, die sich um die europäischen Sozialforen, das globalisierungskritische Netzwerk Attac, die französische Menschenrechtsliga, trotzkistische und maoistische Parteien, Arbeitsloseninitiativen und weitere Organisationen sammeln, um Distanz vom »offiziellen« Europa - verkörpert durch Kommission, Parlament, Rat - zu wahren und die Möglichkeit einer Alternative zum realen Europa offenzuhalten. Aus dieser Perspektive war das »Nein« zum Verfassungsentwurf von 2005 als Beweis für die Möglichkeit eines »anderen Europas«, als deutliche Warnung an die »Herrschenden« gedacht.

Urban, der den Gewerkschaften ein Übermaß an Europafreundlichkeit vorwirft, plädiert für einen neuen europäischen Entwicklungspfad (Urban 2009: 17), der die bisherige Politik der »sozialen Rhetorik« und »normativer Appelle« (Urban 2009: 19) ablöst. Doch die Idee einer »Pfadabhängigkeit« wird dem prozessualen und dynamischen, konfliktuellen Charakter der Entwicklung mitsamt ihren Gegenbewegungen nicht gerecht.(22) Eine soziale Ordnung ist nichts automatisch Weiterbestehendes, sondern ein Produkt sozialer Interessen, und somit dynamisch und instabil, konfliktuell und eingebettet in die doppelte kapitalistische Bewegung von Vermarktlichung und Markteinhegung, von »market expansion and market containment« (Polanyi), mit dem Staat als Garant und Organisator (kapitalistischer) Produktionsbeziehungen.


»Europakritik« aus Sorge um Europa

Sorge bereitet indes die sich weitende Kluft zwischen »Eliten« und Bevölkerungen, die stärker von nationalen Interessen geleitet sind und klarer die nationalen Gewinn- und Verlusterwartungen in Rechnung stellen. Diese Distanz bleibt nicht ohne Auswirkungen auf Gewerkschaften, politische Parteien und Nichtregierungsorganisationen. Die Gewerkschaften geraten in Gefahr, sich von der eigenen Mitgliedschaft zu entfremden, wenn unabhängig vom realen Kontext unkritisch Europäisierungsschritte begrüßt werden.

In diesem Spannungsfeld reichen die gewerkschaftlichen Positionierungen von unverhohlener Europaskepsis bei einigen sektoralen Gewerkschaften (öffentlicher Dienst, Baubranche) über weitgehende Indifferenz bis hin zu affirmativer Unterstützung bei den europäischen Dachverbänden, die allerdings seit mehr als einem Jahrzehnt zunehmend die kritischen Stimmen in ihre Positionen aufnehmen. Dennoch lehnen sie bestimmte Diskurse ab - die nationalistische Rhetorik im Allgemeinen, die Nettozahlerdebatte im Besonderen - und halten die »europäische Solidarität« hoch, die im deutschen Elitendiskurs (wie auch im Diskurs der Kommission im »Arbeitsprogramm 2010« oder »EU 2020«) zunehmend verblasst ist.

Alles in allem herrscht heute - auch bei den Gewerkschaften(23) - die Auffassung vor, dass die Integration weitgehend negativ erfolgte mit Fokus auf der Beseitigung von Binnenmarkt-Hindernissen und nicht auf der Konstruktion eines europäischen sozialen Raums, basierend auf eigenständigen Normen und Rechten. Jahrelang hat die soziale Dimension stagniert, in jüngster Zeit trägt der Europäische Gerichtshof (EuGH), maßgeblich angestoßen von der Europäischen Kommission, mit seinen Urteilen erstmalig in der Geschichte der EU zu sozialen Rückschritten bei. Der EuGH scheint »Wohlstand für alle« und sozialen Frieden nicht als legitime Ziele im Vergleich mit der Dienstleistungsfreiheit und den ökonomischen »Grundfreiheiten« zu betrachten. Mehr noch: dadurch, dass er dem »Normen-Shopping«, der Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Regulierungsräumen auszuwählen, Vorschub leistet, droht er das Rechtsstaatsprinzip zu untergraben.(24) Auf welche Seite sich das Europäische Parlament schlägt, bleibt offen.

In dieser Lage ist es durchaus legitim, dass die Gewerkschaften ihre Kritik unverhüllter vortragen und ihren Gegenvorschlägen aggressiver Gehör verschaffen. Leisetreterei ist nicht länger angesagt - die Europakritik muss in die Offensive. Sie muss auf eine Verhaltensänderung der Kommission drängen. Mehr Zurückhaltung bei der Marktintegration könnte paradoxerweise mehr politische Integration bewirken, wohingegen die Überstrapazierung der Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln zunehmend eine Gefährdung des politischen Integrationsprojekts mit sich bringt.(25)


Wolfgang Kowalsky *1956, Soziologe; Referent beim Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB);
wkowalsky@etuc.org


Anmerkungen

1. Vgl. W. Kowalsky. (1997): Projekt Europa. Die Zukunft der europäischen Integration. Opladen: Leske + Budrich: 87ff bzw. 94 ff.

2. Gemeinsam mit der IG Metall, wohingegen der dgb sich für den Plan aussprach, siehe: mehrere Beiträge im Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 42/2009.

3. Der Begriff wird in der politikwissenschaftlichen Debatte verwendet, um affirmative Einstellungsmuster zu kennzeichnen, in diesem Fall eine allgemeine diffuse Unterstützungshaltung unter den Bevölkerungen der EU, die das Europaprojekt seit den Anfängen begleitet. Die Erosion des permissiven Konsens seit Maastricht wird auch als Legitimationskrise diskutiert.

4. Hans-Jürgen Urban (2009): »Zeit für eine politische Neuorientierung: Die Gewerkschaften und die Hoffnung auf ein soziales Europa«, in: Internationale Politik und Gesellschaft 4/2009, 11-25, hier: 11 (»verlässliche Unterstützer«).

5. W. Kowalsky: »Die europäische Kampagne zur Stärkung öffentlicher Dienstleistungen«, in Torsten Brandt u. a. (2008): Europa im Ausverkauf. Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und ihre Folgen für die Tarifpolitik. Hamburg: VSA-Verlag: 345-359; Tanja Buzek / W. Kowalsky: »Neuland für Europas Gewerkschaften: Die EGB-Petition zur Stärkung öffentlicher Dienstleistungen«, in Johannes W. Pichler (Hrsg.) (2009): Direkte Demokratie in der Europäischen Union (Publikationsreihe des Österreichischen Instituts für Europäische Rechtspolitik, Band 29), Wien / Graz: 99-110.

6. Jürgen Habermas (2001): »Warum braucht Europa eine Verfassung? Vortrag im Rahmen der achten 'Hamburg Lecture'«, 26. Juni 2001.

7. Vgl.: Katharina Erdmenger / Stefan Gran / W. Kowalsky / Ursula Polzer (2009): »Die soziale Dimension der EU. Binnenmarkt und faire Arbeitsbedingungen - ein Gegensatz?« Internationale Politikanalyse, Friedrich-Ebert-Stiftung (Juli 2009).

8. Selbst nach links neigende Spezialisten betrachteten die juristischen Entscheidungen als »business as usual« (vgl. Fritz W. Scharpf: »The Double Asymmetry of European Integration«, MPIfG Working Paper 09/12: 21). In Gewerkschaftskreisen befürchten viele eine Wiederkehr Bolkesteins durch die Hintertür.

9. Am 15. April 2010; siehe auch: http://www.stephanygj.net/papers.html (aufgerufen am 4.5.2010).

10. Barry Eichengreen (2010): »Die Griechen sind eure Lehman Brothers«, in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (2.5.2010): 43.

11. Eric van den Abeele (2009): »The Better Regulation Agenda: A 'New Deal' in the Building of Europe?« ETUI Policy Brief 1/2009; Laurent Vogel / Eric van den Abeele (2010): Better Regulation: A Critical Assessment, Brussels.

12. Philippe Pochet (2010): »What's Wrong with EU2020?«, ETUI Policy Brief 2/2010: 3.

13. »Wutgetränkte Apathie«, Interview mit Wilhelm Heitmeyer, in Der Spiegel 14/2010: 70 f.

14. Fritz W. Scharpf: »The Double Asymmetry of European Integration«, MPIfG Working Paper 09/12: 20.

15. Wolfgang Kowalsky: »Das Verhältnis von EGB und nationalen Gewerkschaften: Zwischen Europäisierung und Renationalisierung«, in Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 42/2009, 257-283, hier: 265; neuerdings auch Martin Höpner / Armin Schäfer: »Grenzen der Integration - wie die Intensivierung der Wirtschaftsintegration zur Gefahr für die politische Integration wird«, in integration 1/2010: 3-20.

16. Wolfgang Kowalsky (2000): Focus on European Social Policy. Countering Europessimism; Brussels.

17. Wolfgang Kowalsky: »The Logic of the Internal Market Versus Social Standards - from a Defensive to an Offensive«, in Otto Jacobi / Maria Jepsen / Berndt Keller / Manfred Weiss (Hrsg.) (2007): Social Embedding and the Integration of Markets - An Opportunity for Transnational Trade Union Action or an Impossible Task? Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung: 101-120.

18. Dieser Gefahr erliegt Helmut Wiesenthal, wenn er unkritisch die Position der Kommission über »Flexicurity« übernimmt und sowohl den Gewerkschaften als auch den Grünen »Insiderschutz« und »exklusive Bestandssicherung« vorwirft und stattdessen eine »Neukalibrierung der sozialen Sicherungen zugunsten der sozial Ausgeschlossenen«, des »hoch entwickelten Insiderschutzes«, sprich: Verschlechterung des Kündigungsschutzes zugunsten der »Arbeitsmarkt-Outsider« als »Innovation« fordert und gleichzeitig die Gewerkschaften als »Marktapologeten« seit Unterzeichnung der Römischen Verträge denunziert (»Das >soziale Europa<. Zwischen Erwartungsinflation und Paradigmenstreit«, in kommune 4/2009).

19. Martin Höpner: »Warum betreibt der Europäische Gerichtshof Rechtsfortbildung? Die Politisierungshypothese«, MPIfG Working Paper 10/2: 6.

20. Wolfgang Kowalsky (1999): Europäische Sozialpolitik. Ausgangsbedingungen, Antriebskräfte und Entwicklungspotentiale. Opladen: Leske + Budrich.

21. »We are calling for a moratorium until progress on implementing existing rules is made on the EU's competitiveness agenda«, so Thérèse de Liedekerke, head of UNICE's social directorate (European Voice, 23.9.2004: Freeze social laws, UNICE tells Commission); Pressemitteilung UNICE 9. September 2004. Policy priority: »Improve the Functioning of Labour Markets: Call for a Moratorium on Social Legislation that Imposes Additional Constraints on Companies«.

22. Vgl. Wolfgang Streeck (2009): Re-Forming Capitalism. Institutional Change in the German Political Economy. Oxford: Oxford University Press. Von Politikern wird gern die Metapher der »Stellschrauben« verwendet, die wie »Pfadabhängigkeit« auf ein dahinterstehendes mechanistisches Weltbild verweist.

23. Sabine Groner-Weber (2007): »Don't Stop Half Way«, in Mitbestimmung 8/2007: 32-35.

24. Alain Supiot (2010): »Retrouver tout d'abord le sens des limites«, in Le Monde (21.1.2010).

25. Martin Höpner / Armin Schäfer (2010): »Grenzen der Integration - wie die Intensivierung der Wirtschaftsintegration zur Gefahr für die politische Integration wird«, in integration 1/2010: 20.


Literaturverzeichnis

Höpner, Martin (2010): Warum betreibt der Europäische Gerichtshof Rechtsfortbildung? Die Politisierungshypothese, MPIfG Working Paper 10/2.

Höpner, Martin und Sabine Grone-Weber (2007): »Don't Stop Half Way«, in Mitbestimmung 8/2007.

Höpner, Martin und Armin Schäfer (2010): »Grenzen der Integration - wie die Intensivierung der Wirtschaftsintegration zur Gefahr für die politische Integration wird«, in integration 1/2010.

Kowalsky, Wolfgang (1997): Projekt Europa. Die Zukunft der europäischen Integration. Opladen: Leske + Budrich.
- (1999): Europäische Sozialpolitik. Ausgangsbedingungen, Antriebskräfte und Entwicklungspotentiale, Opladen: Leske + Budrich.
- (2000): Focus on European Social Policy. Countering Europessimism; Brussels.
- (2007): »The Logic of the Internal Market versus Social Standards - from a Defensive to an Offensive«, in Otto Jacobi / Maria Jepsen / Berndt Keller / Manfred Weiss (Hrsg): Social Embedding and the Integration of Markets - An Opportunity for Transnational Trade Union Action or an Impossible Task? Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung: 101-120.
- (2008): »Die europäische Kampagne zur Stärkung öffentlicher Dienstleistungen«, in Torsten Brandt u. a.: Europa im Ausverkauf. Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und ihre Folgen für die Tarifpolitik. Hamburg: VSA-Verlag: 345-359.
- (2009): »Das Verhältnis von EGB und nationalen Gewerkschaften: Zwischen Europäisierung und Renationalisierung«, in Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 42/2009: 257-283.

Kowalsky, Wolfgang und Tanja Buzek (2009): »Neuland für Europas Gewerkschaften: Die EGB-Petition zur Stärkung öffentlicher Dienstleistungen«, in Johannes W. Pichler (Hrsg.): Direkte Demokratie in der Europäischen Union (Publikationsreihe des Österreichischen Instituts für Europäische Rechtspolitik, Band 29); Wien / Graz: 99-110.

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Pochet, Philippe (2010): »What's Wrong with EU 2020?« ETUI Policy Brief 2/2010.

Scharpf, Fritz W. (2009): The Double Asymmetry of European Integration, MPIfG Working Paper 09/12.

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van den Abeele, Eric und Laurent Vogel (2010): Better Regulation: A Critical Assessment, Brussels.


Copyright 2010 Friedrich-Ebert-Stiftung


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Quelle:
Zeitschrift "Internationale Politik und Gesellschaft" /
journal "International Politics and Society",
Ausgabe 3/2010, S. 128 - 144
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2010