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BERICHT/012: Links der Linken - EU solidar (SB)


"Wege aus der Krise? Ist der Euro-Ausstieg die Lösung?"

Tagung "Brauchen wir eine Alternative zu Euro und EU?" am 30. November 2013 im Kulturzentrum zakk in Düsseldorf



Auf dem Weg in die ersehnte Regierungsfähigkeit, die stets nur eine Bringschuld, doch nie mit einer Absolution verbunden sein kann, hat Die Linke eine weitere Hürde der Preisgabe genuin widerständiger Positionen mit Bravour genommen. Wie sie es mit Europa halte, stand auf der Tagesordnung ihres EU-Parteitags in Hamburg, der bereits im Vorfeld von anrüchigen Parolen gesäubert und mithin konsensfähig getrimmt worden war. Einfach war das beileibe nicht, galt es doch, sich in den Augen künftiger Koalitionäre zu bewähren und zugleich jene Teile der eigenen Basis nicht zu verprellen, die immer noch an radikal eigenständige Positionen oder gar eine Fundamentalopposition ihrer Partei glauben.

Im ursprünglichen Entwurf war die EU noch als "neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht" bezeichnet worden, was man schwerlich bestreiten, wohl aber systematisch ausblenden kann. Nun zieht die größte Oppositionspartei im Bundestag mit der Forderung nach einer Neuausrichtung der EU in den Wahlkampf und erklärt: "Europa geht anders. Sozial, friedlich, demokratisch". Wie es im Programm heißt, sei die EU für viele Menschen von einer Hoffnung zur Bedrohung geworden. "Die Alternative ist nicht der Rückzug aus der Union, sondern der Kampf um ihre Veränderung." [1]

Fraktionschef Gregor Gysi sprang einmal mehr als Zuchtmeister in die Bresche und koppelte mit seiner Warnung vor neuerlichem innerparteilichen Streit erfolgreich den schwindenden linken Flügel ab: "Wir müssen endlich diese Kleinkariertheit in jeder Hinsicht überwinden. Die PDS gibt es nicht mehr, die WASG gibt es nicht mehr, es gibt nur noch die Linke, und das sind wir alle." Die Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Gabi Zimmer, sprach mit Blick auf die letzten Wochen von einer "dämlichen Debatte". Man müsse "um diese Europäischen Union kämpfen". Und der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Jan Korte, mahnte: "Nicht die Radikalität der Phrase darf Markenzeichen der Linken sein." Mit Europa verbinde er überdies nicht bloß Demokratiedefizite und Spardiktate, sondern auch Erinnerungen an jugendliche Interrail-Touren und die Tatsache, daß mit EU-Mitteln ostdeutsche Kleinstädte verschönert würden. Überhaupt müsse die Partei darauf achten, wie interne Debatten außerhalb wahrgenommen würden.

In der allgegenwärtigen Versicherung, daß man beileibe nichts gegen Europa habe, das überdies mit beliebigen Assoziationen wie hohlem Pathos aufgehübscht wird, entsorgt die Linkspartei eine pointierte Kritik an der EU als Projekt des Kapitals und der führenden Nationalstaaten. Indem sie Dissens in Affirmation verwandelt, sich über fundierte Einwände hinwegsetzt und notwendige Radikalität diskreditiert, gar internen Debatten die Zügel der Außenwahrnehmung anlegt, täuscht die Parteiführung einen müßigen Streit um bloße Wortklaubereien vor, um wirksame Kritik mundtot zu machen.

Nachdem diese entscheidende Weichenstellung festgeschweißt war, waren markige Worte wohlfeil. So erklärte Parteichefin Katja Kipping: "Die europäische Revolution muss sozialistisch sein; es ist unser Europa." Wer Europa wolle, müsse es den Reichen nehmen. Wahre Europäer verzichteten auf ein Kürzungsdiktat. Sie geißelte die Großmachtpolitik der Bundesregierung, kritisierte die Flüchtlingspolitik der EU und warnte vor einer Militarisierung der deutschen Außenpolitik. [2]

Hatte Sahra Wagenknecht im Vorfeld des Parteitags noch die Forderung nach Abschaffung des Euro angedeutet, so versicherte sie nun, daß es in ihrer Partei keine Anti-Europäer gebe und der Programmkompromiß erfreulich sei. Mit diesem Bekenntnis im Rücken durfte sie ihr Pulver europapolitischer Einwände unter gebührendem Beifall der Delegierten verschießen, blieb sie doch diesseits der Demarkationslinie zu einer materialistischen EU-Kritik. Sie nannte die EU eine Fassadendemokratie, die Verantwortung trage für "eine brutale Kürzungspolitik, die in den südlichen Ländern 18 Millionen Menschen in die Arbeitslosigkeit gestürzt hat".

Wenn die Linkspartei zudem ein EU-weites Verbot von Rüstungsexporten, ja sogar eine Auflösung der NATO und ein neues Bündnis unter Einbeziehung Rußlands fordert, darf man das ebensowenig wie die Äußerungen Katja Kippings und Sahra Wagenknechts als unveräußerliche Positionen mißverstehen. Mit dem prinzipiellen Zugeständnis, politische Veränderungen innerhalb von EU und Euro anzustreben, anstatt die supranationale Verfügungsgewalt zur Disposition grundsätzlicher Fragen zu stellen, hat Die Linke einen weiteren Meilenstein der Einhegung wildwüchsiger Systemkritik erreicht. Der Rest ist wie immer Verhandlungssache im opportunen Buhlen um Posten, Wählergunst und Koalitionspartner.

Wohin der Hase läuft, unterstrich die Besetzung der acht aussichtsreichsten Listenplätze zur Europawahl am 25. Mai, bei der sich der Flügel der Realpolitiker fast auf ganzer Linie durchsetzen konnte. Die Vertreterversammlung wählte die derzeitige Vorsitzende der Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament, Gabi Zimmer, zur Spitzenkandidatin. In Kampfkandidaturen um führende Plätze scheiterte der Friedensaktivist Tobias Pflüger ebenso wie die Gewerkschafterin und EP-Abgeordnete Sabine Wils, während sich Fabio de Masi, Mitarbeiter von Parteivize Sahra Wagenknecht im Bundestag, knapp behaupten konnte. Auf den sicheren Listenplätzen stehen fünf Ostdeutsche und drei Westdeutsche, wobei auf dem Parteitag erstmals eine gewisse Bevorzugung der Westverbände bei der Delegiertenzahl entfiel, die nur noch 38 statt bisher 44 Prozent der 500 Länderdelegierten stellen. Mithin ist vorgesorgt, daß auf dem Weg nach Brüssel und Strasbourg nichts mehr schiefgehen kann.

Podium der Referenten - Foto: © 2014 by Schattenblick

Lucas Zeise, Albert Reiterer, Sascha Stanicic, Winfried Wolf
Foto: © 2014 by Schattenblick

Einig in der Einschätzung - kontrovers in den Konsequenzen

Im Rahmen der Tagung "Europa - Brauchen wir eine Alternative zu Euro und EU?", die am 30. November 2013 im Düsseldorfer zakk - Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation GmbH stattfand, stand ein Workshop unter dem Thema "Wege aus der Krise - Ist der Euro-Ausstieg die Lösung?" Auf dem Podium diskutierten Lucas Zeise (Frankfurt), Winfried Wolf (Berlin), Albert Reiterer (Wien) und Sascha Stanicic (Berlin). Während unter allen vier Referenten wie auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Arbeitsgruppe Einigkeit darüber herrschte, daß die EU ein Projekt der europäischen Kapitale sei und der Euro verheerende Auswirkungen zeitige, entspann sich eine kontroverse Debatte um die Konsequenzen, die aus dieser Einschätzung zu ziehen seien.

Konkrete Vorschläge innerhalb von EU und Euro entwickeln

Wie der Wirtschaftsjournalist und Mitbegründer der Financial Times Deutschland, Lucas Zeise, darlegte, habe er Schwierigkeiten, über den Euro-Austritt zu reden, weil diese Problematik so viele Facetten aufweise. Die EU und der Euro seien reale Gegebenheiten, da die Staaten Europas keineswegs vereint, jedoch in einem Bündnis des europäischen Kapitals zusammengeschlossen seien. Offen bleibe, ob man nicht vielmehr vom Kapital der führenden Nationalstaaten sprechen müsse. Jedenfalls handle es sich um ein Bündnis der Monopole, die ein imperialistisches Projekt auf den Weg zu bringen versuchten. Die staatliche Organisation des kapitalistischen Marktes sei notwendig, und größere Einheiten wie die EU und den Euro-Raum zu schaffen, folge der Logik weltweiter kapitalistischer Konkurrenz. Eine solche Erweiterung mit einer gemeinsamen Währung, die nicht der Dollar ist, stelle ein immanent sinnvolles politökonomisches Machtprojekt dar. Es biete starken Kapitalisten Vorteile, die einen gemeinsamen Markt brauchen, um die schwachen niederkonkurrieren zu können. Auch ermögliche es den Kapitalisten imperialistischer Länder einen viel leichteren Zugang zu Kapital.

Das Projekt EU sei keine Staatsgründung, da wesentliche ökonomisch notwendige Maßnahmen wie ein einheitliches Steuersystem ausgespart würden und die Konkurrenz der Nationalstaaten gegeneinander bestehen bleibe. Auch existiere kein soziales Sicherungssystem wie in den Einzelstaaten, so Zeise. Der Streit der Staaten um Kapital sei auf Dauer nicht haltbar, weshalb man sich von diesem Projekt verabschieden sollte. Der Euro sei dem Tod geweiht, und wenngleich er auch nicht von selbst falle, werde das imperiale Projekt doch scheitern, da ein freier Markt ohne Ausgleichskräfte irgendwann auseinanderfliege. Darauf könne man bauen, wohingegen die Forderung "Zerschlagt den Euro!" nicht vorwärts weise. Man müsse vielmehr konkrete Vorschläge wie etwa einen gemeinsamen Schuldenschnitt entwickeln und vortragen.

Streit um den Austritt nicht die entscheidende Frage der Linken

Der Berliner Politikwissenschaftler Winfried Wolf, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac und Chefredakteur der vierteljährig erscheinenden Zeitschrift Lunapark 21, nahm unter vier Gesichtspunkten Stellung zum Thema. Die Logik der Einzelkapitale erfordere einen Nationalstaat, der Schutz nach außen gewährt und nach innen eine gemeinsame Währung und einen gemeinsamen Markt vorhält. In dem Maße, wie das Kapital wuchs, wurde der Nationalstaat immer größer: Preußen, Deutsches Reich, Versuche im Ersten und Zweiten Weltkrieg, sich ganz Europa untertan zu machen. Auf ähnliche Weise expandierten die USA mit der Eroberung von Teilen Mexikos, später mit Kanada und dann auch Mexiko in einem gemeinsamen Markt (NAFTA). Die Voraussetzung eines nationalen Kapitals, das im gesamten Währungsgebiet relativ vereinheitlicht ist, fehle in Europa, wo die Konkurrenz der nationalen Kapitale unter dem Deckmantel der EZB weiter existiere.

Als zweiten Punkt nannte Wolf die Geschichte der gescheiterten Währungsunion: Vor dem Ersten Weltkrieg bis 1931 in Skandinavien, Einführung der D-Mark in Ostdeutschland zu Lasten der dortigen Ökonomie, Gründung der EU von 1979-1993. Die Einführung des Europäischen Währungssystems (EWS) habe zu inneren Spannungen und mehreren Währungskrisen geführt: Die skandinavischen Währungen traten aus, dann das britische Pfund, und 1993 wurde das EWS praktisch aufgelöst. Es kam zu starken Abwertungen der spanischen, portugiesischen und italienischen Währungen gegenüber der D-Mark, wodurch Produkte dieser Länder konkurrenzfähig blieben, was heute nicht mehr möglich ist.

Daß man es drittens mit einem undemokratischen Projekt zu tun habe, belege der Umstand, daß trotz des Scheiterns des EWS bereits 1992 das Maastrichter Abkommen beschlossen wurde, das eine Einheitswährung in Planung nahm. In einem Machtkampf setzte sich diese Währungsunion als eine deutsche Inszenierung durch. Ein Austritt aus dem Euro ist formal nicht möglich, Schuldenausgleich oder Mechanismen der Angleichung des Lohnniveaus und der Sozialleistungen gibt es nicht. Mehrheiten gegen die Einführung des Euro in verschiedenen Ländern führten zur Wiederholung der Abstimmung oder wurden übergangen.

Als vierten Gesichtspunkt hob Wolf die Eigendynamik hervor, die sich angesichts des Weiterbestands der Nationalstaaten und der extrem unterschiedlichen Sozialsysteme und Lohnniveaus zwangsläufig entwickle, sich zu Lasten der Schwächeren auswirke und in die Krise führe.

Der Streit um den Austritt aus dem Euro sollte nicht die entscheidende Frage der Linken sein, so der Referent. Man habe allerdings auch nicht die Aufgabe, den Euro und die EU zu retten, weil dies die Zentralmacht, die Bürokratisierung und die Entdemokratisierung noch mehr aufblähen würde, was den sozialen Interessen der Menschen entgegensteht. Der Euro sei ein Strangulationsinstrument und werde als Gesamtsystem in der einen oder andern Form kollabieren. Die Linke trage Verantwortung, diese Analyse zu verbreiten und Lösungen zu entwickeln, die verhindern, daß daraus ein sozialer Crash resultiert. Man solle die Kämpfe gegen Sozialabbau, das Wüten des deutschen Kapitals und den Abbau demokratischer Rechte unterstützen und sich gegen Lohndumping und Hartz-IV, für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und die Unterstellung des Finanzsektors unter öffentliche Kontrolle einsetzen. Zudem gelte es, praktische Hilfe für Länder zu organisieren, die besonders stark betroffen sind.

Im übrigen zeige das Beispiel Zyperns und Islands, daß im Kontext spezifischer Umstände diametral entgegengesetzte Wege möglich seien. In den beiden relativ kleinen Inselstaaten war der Finanzsektor enorm aufgebläht. Während jedoch die Troika in Zypern massiv eingriff, machte man in Island das Gegenteil: Kein Abbau öffentlicher Ausgaben, keine Kürzung von Renten, keine Privatisierung der Banken, die vielmehr unter öffentliche Kontrolle gestellt wurden. Die Landeswährung wurde um 40 Prozent abgewertet, und seitdem konnte die Staatsschuld halbiert und die Arbeitslosenquote halbiert werden. Die Regierung plante hingegen eine rigide Sparpolitik, wurde jedoch in drei Volksabstimmungen daran gehindert.

Grafitti 'zakk' auf der Fassade des Kulturzentrums - Foto: © 2014 by Schattenblick

Foto: © 2014 by Schattenblick

Weg mit dem Euro! Zerschlagt die EU!

Der habilitierte Politikwissenschaftler Albert Reiterer erinnerte daran, daß das Konzept eines europäischen Imperiums, das die nationalen Demokratien ersetzen sollte, bereits 1945 vorgedacht wurde. Aus diesem zunächst sehr abstrakten Entwurf gingen später die EWG, die EG und die EU hervor. Solange die EWG eine Freihandelszone und Zollunion blieb, sei sie ein großer Erfolg gewesen. Es setzte jedoch zunehmend eine Übertragung der Kompetenzen von den Nationalstaaten nach Brüssel ein, während die Abwertungen und Aufwertungen immer wieder zu Kontroversen führten. Unterdessen waren die faschistischen Diktaturen in Südeuropa zusammengebrochen, worauf sich das Kapital der nordwestlichen Staaten diese Länder einverleibte. Die Währungsunion sei stets ein neoliberales Projekt gewesen: Zwar sank die Einkommensungleichheit zunächst, und mit den Löhnen stiegen in den 1960er Jahren auch die Erwartungen. Diesen Druck verlagerte man weg von der nationalen Politik, indem man die Entscheidungsfindung stetig nach oben in ein europäisches Zentrum verschob. Man schuf einen aufgeklärten bürokratischen Staat, wofür eine einheitliche Währung erforderlich war.

Von den fünf Maastricht-Kriterien betreffe nur jenes zur Inflation die Währungsunion im engeren Sinn. Hingegen zielten die Schuldenkriterien darauf ab, den schwächeren Staaten an der Periphere die Wirtschaftspolitik des Zentrums aufzuzwingen, die im wesentlichen in Deutschland und Frankreich formuliert wurde. Der Euro sei einerseits ein Disziplinierungsprogramm und andererseits ein ständiges Umverteilungsprogramm von unten nach oben. Dabei wären die Kosten eines Austritts aus dem Euro-Raum für die betreffenden Länder derart hoch, daß ein solch radikaler Schritt weithin abgelehnt wird. Wenn aber die Einheitswährung dazu geschaffen wurde, die Umverteilung nach oben zu einer strukturellen Notwendigkeit zu machen, sei die einzig mögliche Schlußfolgerung, die EU zurückzubauen und eine Renationalisierung herbeizuführen. Das strategische Ziel heiße: Weg mit dem Euro! Zerschlagt die EU!

Auf den Einwand eines Teilnehmers, was man den Griechen sagen solle, die nach einem Austritt aus dem Euro ihr Öl nicht mehr bezahlen könnten, erwiderte Reiterer, daß Griechenland vor drei Jahren nahezu einen Primärüberschuß aufgewiesen habe, seither aber von der Troika in immer tiefere Verschuldung und Verelendung getrieben wurde. Im Falle eines Austritts würde das Land zunächst weiter zurückgeworfen, doch ohne diesen Schritt sei keine Besserung möglich. Einen Zerfall des Euro von sich aus halte er für unwahrscheinlich, so der Referent. Solange die Bevölkerung die Senkung des Lebensstandards mitmache, gebe es keinen Grund dafür. Auf den Zerfall des Euro zu warten, wäre daher eine falsche Strategie. Der Austritt aus dem Euro sei nicht das Ziel, wohl aber eine unverzichtbare Vorbedingung, weshalb diese Forderung in den Vordergrund gestellt werden sollte.

Programmaushang zur Tagung - Foto: © 2014 by Schattenblick

Foto: © 2014 by Schattenblick

Statt Ausstiegsdebatte Aufbau von Gegenmacht

Sascha Stanicic aus Berlin, Mitglied der Partei Die Linke und Bundessprecher der Sozialistischen Alternative (SAV), verwies auf andere kapitalistische Länder außerhalb des Euro-Raums: Folglich sei der Euro nicht die tiefere Ursache der Krise. Einige kommunistische Parteien wie die Griechenlands oder Zyperns hätten sich den Austritt auf ihre Fahnen geschrieben, doch gebe es zugleich reaktionär-nationalistische Kräfte nicht nur in Deutschland, die ebenfalls diese Forderung erheben. Daraus folge, daß die Forderung des Austritts für sich genommen keine linke oder progressive sei, jedoch im Zusammenhang eines anderen Programms sehr wohl bedeutsam sein könne. Eine Verteidigung des Euro sei ganz sicher keine linke Position. Die Führung der Syriza spreche sich für die Beibehaltung des Euro aus und verbinde das mit der Illusion, sie könne Schuldenschnitte und Sozialreformen in Verhandlungen mit der EU durchsetzen, da diese Angst vor einer Kettenreaktion habe, wenn ein Land den Euro verläßt. Die deutsche Linkspartei sage in ihrem Wahlprogramm im Grunde, daß sie die EU verändern und den Euro zu anderen Bedingungen haben möchte, beide aber nicht grundsätzlich in Frage stelle. Die Forderung nach einem Ausstieg einzelner Länder oder einer kontrollierten Auflösung der Währungsunion seien in der Partei zeitweise diskutiert worden.

Beide Positionen stellten seines Erachtens keine Perspektive für die Linke dar. Deren wesentliche Aufgabe sei nicht die Ausstiegsdebatte, sondern der Aufbau von Gegenmacht, Selbstorganisation und Widerstand. Immerhin sei die Linke in einigen Ländern erstmals wieder in der Lage, eine Regierung stellen zu können. Sie sollte statt der Währungs- die Systemfrage aufwerfen und erstere aus dieser Perspektive behandeln. Die Parole "Keine Opfer für den Euro!" in Teilen der griechischen Linken halte er für geeignet. Würde diese Position in einem Land der EU durchgesetzt, setzte das die Frage des Bruchs mit dem Euro auf die Tagesordnung.

Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro-Raum wäre dennoch keine Lösung, weil das Land weiter Teil des Weltmarkts und der internationalen Arbeitsteilung bliebe. Die Abwertung zugunsten des Exports sei nur ein Teil der Gesamtrechnung, die auch die Inflationsgefahr und andere Folgekonsequenzen beinhalte. Was tatsächlich geschehen würde, hänge von jeweils spezifischen Faktoren des betreffenden Landes ab und werde von den Bevölkerungen ganz unterschiedlich eingeschätzt. Die Krise sei Ausdruck des Systems und ohne dessen Beseitigung nicht zu lösen. Die Linke sollte das offen aussprechen und Strategien und Programme entwickeln, die auf die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft abzielen.

Straßenansicht des zakk - Foto: © 2014 by Schattenblick

Kulturzentrum zakk
Foto: © 2014 by Schattenblick

Ausstieg mit eigenständiger Perspektive

Wie den Ausführungen der vier Referenten in einer lebhaften Diskussion hinzugefügt wurde, folge aus einer internationalistischen Position, daß die Griechen selbst zu entscheiden hätten, ob sie aus dem Euro austreten wollen oder nicht. Vorstellbar wäre indessen ein Ausstieg mit einer eigenständigen oder besser noch gemeinsamen Perspektive der schwachen Länder, die neue Bündnisse gründen und andere Bündnispartner suchen. Erforderlich sei nicht zuletzt die Utopie eines anderen Gesellschaftssystems, die man mit realen Kämpfen verknüpfen könne.

Während man darin übereinstimmte, den Rechten das Feld EU und Euro nicht zu überlassen, waren die Meinungen doch geteilt, was der Linkspartei zu raten sei. Während die einen meinten, daß radikale Positionen derzeit einem breiteren Teil der Bevölkerung nicht zu vermitteln seien, begründeten andere die Abwanderung von Wählern zur AfD damit, daß Die Linke nicht eindeutig Position beziehe. Man brauche ohnehin keine weitere Regierungspartei, sondern eine entschiedene Opposition, die die Systemfrage stellt. Daß das mit der Linkspartei nicht zu machen ist, dürfte der Hamburger EU-Parteitag in aller Deutlichkeit unterstrichen haben.

Grüne Hausfassade mit schwebendem Buddha - Foto: © 2014 by Schattenblick.  .  Grüne Hausfassade mit schwebendem Buddha - Foto: © 2014 by Schattenblick

Himmlischer Frieden dank EU? - Impressionen vom alternativen Wohnprojekt Kiefernstrasse unweit des zakk
Foto: © 2014 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] http://www.welt.de/politik/deutschland/article124887539/Die-Linke-will-mit-Gabi-Zimmer-einen-Neustart-der-EU.html

[2] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/europaparteitag-linke-wagenknecht-nennt-eu-fassadendemokratie-a-953683.html

Bisherige Beitrage zur Tagung "Europa - Brauchen wir eine Alternative zu Euro und EU?" im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → EUROPOOL → REPORT:

BERICHT/010: Links der Linken - Internationalismus und Antikapitalismus vs. EU und Euro (SB)
BERICHT/011: Links der Linken - Euro, Wettbewerb und Armut (SB)
INTERVIEW/025: Links der Linken - Der neue alte Klassenkampf, Winfried Wolf im Gespräch (SB)
INTERVIEW/026: Links der Linken - Eingeschränkt und bündnisnah, Özlem Alev Demirel im Gespräch (SB)
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17. Februar 2014