Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → REPORT


BERICHT/016: Geschmiert läuft's besser - Waffengeschäfte zwischen Deutschland und Griechenland (SB)


Geschmiert läuft's besser - Waffengeschäfte zwischen Deutschland und Griechenland

Podiumsdiskussion im Berliner DGB-Haus am 30. Juni 2015


Kaum ein paar Tage im Amt, sorgte der neue griechische Verteidigungsminister Ende Januar für Schlagzeilen. Diese hatten vordergründig ausnahmsweise nichts mit der Schuldenkrise zu tun, in der Griechenland seit Jahren steckt. Panos Kammenos flog am 30. Januar mit einem Hubschrauber über die Ägäis und warf einen Kranz ab. Begleitet wurde er dabei von zwei griechischen Kampfflugzeugen. Die Türkei reagierte prompt und ließ zwei Jets aufsteigen.

Anders als vor 19 Jahren war das militärische Spielchen damit schon wieder vorbei. Kammenos, Vorsitzender der rechtsnationalistischen Partei Unabhängige Griechen, hatte den Kranz über der Inselgruppe Imia abgeworfen, wo seinerzeit drei griechische Luftwaffenangehörige bei einem Helikopterabsturz gestorben waren. Die Inselgruppe war 1996 Schauplatz eines militärischen Disputs zwischen Griechenland und der Türkei, der beinahe zu einem Krieg geführt hätte.

Der Konflikt war eingebettet in Jahrzehnte währende Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ländern, die ein gegenseitiges Wettrüsten mit sich brachten. Die damaligen Rüstungsausgaben Griechenlands trugen zu einem erheblichen Teil zum Schuldenberg von 310 Milliarden Euro bei, den Griechenland bis zum Beginn der Eurokrise im Jahr 2010 angehäuft hatte. Experten zufolge betrugen die finanziellen Belastungen durch den Kauf von militärischer Ausrüstung ganze 80 Prozent dieses Schuldenbergs.

Mit dem Thema "Wie geschmiert. Korruption bei deutschen Rüstungsgeschäften mit Griechenland" befasste sich am 30. Juni eine Podiumsdiskussion im Berliner DGB-Haus. Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit teilte sich das Podium mit Andrew Feinstein von Corruption Watch in London, Marie Carin von Gumppenberg von Transparency International, Niels Kadritzke, Journalist der deutschen Le Monde Diplomatique und Tasos Telloglou, Redakteur der griechischen Zeitung Kathimerni und gleichzeitig Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Athen.

Mit Bezug auf die seit fünf Jahren währende Schuldenkrise in Griechenland erläuterte Nassauer, ein Großteil der Ausrüstung sei zwar mittlerweile abbezahlt. Das bedeute jedoch nicht, dass man die Ausgaben für das griechische Militär in der aktuellen Krise vernachlässigen dürfe: Die Altschulden seien mitverantwortlich für die heutige Krise und die Personalkosten auch im laufenden Haushalt vergleichsweise hoch. Immerhin ließ Griechenland mitteilen, man wolle den Verteidigungsetat um jährlich 200 Millionen Euro kürzen - zu wenig, wie die meisten Beobachter sagen. Und doch kommt das Thema in den meisten Medien kaum vor. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schweigt sich weitgehend zum Thema aus, genauso wie die ehemalige Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission.

Vielleicht, weil auch Deutschland gut an dem Geschäft verdient. Bis in die 1970er Jahre hinein kaufte Griechenland hauptsächlich Waffen aus den USA. Doch dann drängten Frankreich und Deutschland in den Markt, gab Tasos Telloglou am Dienstag in Berlin einen kurzen historischen Abriss. Um die meist teureren deutschen Waren attraktiver zu machen, habe die Bundesrepublik in die Trickkiste der "Koproduktion" gegriffen: Ein Teil der Produktion sei nach Griechenland verlagert worden, sodass dort ein größerer Mehrwert entstand. Die größten Waffendeals wurden dann im Zuge der Krise mit der Türkei abgeschlossen, die gleichzeitig in eine Haushaltskrise des griechischen Staates fiel. Während der Staat in anderen Bereichen sparen musste, wurden Milliarden in Waffen investiert. Die Deals zogen das Geschäft mit Ersatzteilen und der Wartung nach sich. Selbst von 2006 bis 2010 war Griechenland noch der größte Abnehmer deutscher Waffen. Fünf Jahre später hat das Land im europäischen Vergleich weiterhin gemessen am Bruttoinlandsprodukt die höchsten Militärausgaben, obwohl diese 2014 bereits halbiert worden waren.

Die weltweiten Militärausgaben beliefen sich im Jahr 2014 auf 1.776 Milliarden US-Dollar. Das sind rund 250 Dollar pro Erdenbürger. "Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor", sagte Andrew Feinstein von Corruption Watch, aber mit "massiven sozioökonomischen Opportunitätskosten". Hinzu komme, dass Waffendeals ohne Korruption praktisch undenkbar seien, diese sei strukturell in Rüstungsgeschäften verankert. Schätzungen zufolge seien 40 Prozent der weltweiten Korruptionsfälle auf Waffendeals zurückzuführen.

Diese wiederum sind selten transparent und unterliegen häufig sogar der Geheimhaltung. Denn, so Feinstein, oft sind Mitarbeiter der Geheimdienste mit der Abwicklung von Waffendeals beauftragt. Das hat zur Folge, dass die Geschäfte im Geheimen stattfinden - Feinstein sprach sogar von einem parallelen Markt, auf dem Waffen gehandelt werden - und vor der Strafverfolgung gefeit sind. Und doch: In vielen Fällen ermittelten und ermitteln die Staatsanwaltschaften in Deutschland und den USA, dem jeweiligen Sitz der betroffenen Firmen.

Zurückzuführen ist die Strafverfolgung teilweise auf eine Neuerung des Jahres 2000: Bis 1999 war die Zahlung von Schmiergeldern für deutsche Firmen legal und konnte sogar von der Steuer abgesetzt werden. Ab 2000 gelten Schmiergelder als illegal. An den Waffendeals änderte das in vielen Fällen kaum etwas - teils wurde versucht, die Korruptionsfälle besser zu verschleiern. Doch die Akteure blieben vor allem anfangs weitgehend die gleichen.

Beispiele für schmutzige Waffendeals gibt es zuhauf. Otmar Naussauer nannte mehrere Fälle, darunter die folgenden:

Der Rüstungskonzern Rheinmetall zahlte Ende Dezember 2014 wegen Schmiergeldzahlungen in Griechenland ein Bußgeld von 37 Millionen Euro und gab zu, griechische Behörden bestochen zu haben. Außerdem musste der Konzern 6,4 Millionen Euro an das Finanzamt nachzahlen, weil die Schmiergelder unrechtmäßig als Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt wurden.

Im Dezember 2008 wurde bekannt, dass der Elektroriese Siemens wegen eines Schmiergeldskandals insgesamt eine Geldbuße von rund einer Milliarde Euro zahlen musste. Der größte Anteil - 600 Millionen Euro - wurde in den USA fällig, wo Siemens sich auf einen Vergleich einließ. Die übrigen 400 Millionen Euro zahlte Siemens in Deutschland. Die Bußgelder bezogen sich auf mehrere Korruptionsfälle bei sowohl zivilen als auch militärischen Geschäften unter anderem mit Griechenland.

Von Schmiergeldzahlungen profitieren nicht nur Mittelsmänner - darunter nicht selten Politiker - sondern auch die Firmen selbst durch sogenannte Kickbacks, wie Feinstein erläuterte. Vor allem Mitarbeiter in Führungsetagen, die die Deals eingefädelt oder ermöglicht haben, fordern einen Bonus für ihre "gute Arbeit". Untersuchungen zum Thema hätten außerdem ergeben, dass - sobald ein Manager einmal Schmiergeld angenommen habe - er bei künftigen Geschäften immer weniger das Wohl des Unternehmens als vielmehr verstärkt seinen eigenen Geldbeutel im Blick habe.

Seit ein paar Jahren versucht man das Problem der Korruption vor allem mit einem Begriff in den Griff zu bekommen: Der Compliance. Der Terminus steht für die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und regulatorischer Standards sowie für vom Unternehmen selbst gesetzte ethische Standards und Anforderungen. Die Compliance ist auch Grundlage des im April von Transparency International vorgelegten zweiten Indexes "Korruption in der Rüstungsindustrie", den Marie Carin von Gumppenberg im DGB-Haus vorstellte. Demzufolge schnitt eines von fünf untersuchten deutschen Unternehmen, Thyssen Krupp, auch im internationalen Vergleich gut ab.

Dass diese Information im Saal zu ungläubigem, teilweise höhnischem Gelächter führte, war nicht verwunderlich. Transparency International stützte sich für die Untersuchung auf öffentlich zugängliche Informationen der Unternehmen - ohne eine Prüfung der tatsächlichen Praxis. Positiv fiel beispielsweise ins Gewicht, ob es im Unternehmen Mitarbeiter gibt, die für Compliance zuständig sind oder ob eines der Vorstandsmitglieder für das Thema Korruption zuständig ist.

Zwischen dem, was Unternehmen öffentlich zugestehen, gegen Korruption zu unternehmen und der Realität klafft allerdings häufig eine große Kluft. Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Korruptionsdelikten wurde beispielsweise nicht berücksichtigt. Um tatsächliche Aussagekraft zu haben, wäre es also klüger, sich auch die Firmenpraxis anzuschauen. Ansonsten dienen derlei Indices lediglich als Feigenblatt für die Unternehmen.

Als Feigenblatt bezeichnete auch Taglolou, dass die neue griechische Syriza-Regierung ("Koalition der Radikalen Linken") einen Ministerposten für Korruption eingerichtet hat. Dieser habe nicht einmal ein Sekretariat zur Verfügung. Für Taglolou ist das sinnbildlich für den Umgang der neuen Syriza-Regierung mit Korruption: Da habe sich im Vergleich zur Vorgängerregierung nichts getan. Vielleicht ist es aber auch zu früh, nach fünf Monaten bereits ein Fazit zu ziehen. Zudem die Gläubiger Griechenland kaum Zeit lassen, sich um anderes als Schuldentilgung und Haushaltskürzungen zu kümmern.

3. Juli 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang