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AGRAR/1316: Europaweiter Vergleich der Strukturen in der Schweinefleischerzeugung (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 316 - November 2008
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Vertikale Integration - zwischen Spotmarkt und Lohnmast

Europaweiter Vergleich der Strukturen in der Schweinefleisch-Erzeugung


Die Struktur der "Wertschöpfungsketten" in der Schweinefleischerzeugung in Niedersachsen, Deutschland und in den wichtigsten Wettbewerbsländern dokumentiert eine neue Studie des ISPA-Instituts. Es geht darin um Ausmaß und Formen der "vertikalen Integration", der vertragsmäßigen Verbindung der landwirtschaftlichen Produktionsstufe mit vor- und nachgelagerten Stufen. Außerdem wird die "horizontale Integration" untersucht, also der Zusammenschluss der Landwirte untereinander durch Erzeugergemeinschaften, Genossenschaften, etc.. Hier nur einige wesentliche Aussagen dieser hochinteressanten Studie:

Die deutschen Schweinebestände konzentrieren sich zu je einem Drittel in Niedersachsen (Landkreise Vechta, Cloppenburg, Emsland u.a.) und im benachbarten NRW. Nachdem nach der Wiedervereinigung die fehlgeplante Neustrukturierung der Schlachthöfe zu Überkapazitäten führte und Importe aus Dänemark und Benelux zunahmen, hat sich Deutschland mittlerweile zu einem Nettoexporteur von Schweinefleisch entwickelt. Die Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt führt zu einem verstärkten Konzentrationsdruck bei den Schlachtbetrieben, obwohl die zehn größten 2007 bereits einen Marktanteil von 68 Prozent hatten - angeführt von Tünnies (20,6 Prozent), Vion (18.4 Prozent) und Westfleisch (11,2 Prozent).

Der Absatz über den Spotmarkt spielt bei den Landwirten immer noch eine große Rolle, wobei die Preisgestaltung aufgrund der Vielzahl von Zuchtlinien und 150 Abrechnungsmasken kompliziert ist (nach Gewicht, Fleischanteil, selten nach Qualität). Verträge zwischen Landwirten und Schlachtereien beschränken sich meist auf die reine Vermarktung und bei Markenfleischprogrammen auf die Einhaltung bestimmter Kriterien. Günstiger als der Aufbau fester Vertragsbeziehungen ist es derzeit für die Schlachtereien, die geforderten Qualitäten im Schlachtbetrieb durch Sortieren zu erreichen. Über Erzeugergemeinschaften werden etwa 40 Prozent der niedersächsischen Schweine erfasst, in Weser-Ems sogar 75 Prozent entsprechend groß ist deren Rolle bei der Preisempfehlung. Im exportorientierten Dänemark gibt es neben der marktbeherrschenden genossenschaftlichen Danish Crown nur noch die viel kleinere Genossenschaft Tican. Letztere darf von Danish Crown wegen des Monopolverbots nicht geschluckt werden, macht ihr aber keine Konkurrenz. Alle Landwirte sind vertraglich gebunden, mit einem einheitlichen Auszahlungspreissystem. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es eine aus Schlachtabgaben finanzierte Branchenorganisation "Danske Slagterier", die für eine effektive Koordination über die verschiedenen Produktionsstufen hinweg sorgen soll. Dies erleichtert die Umsetzung von Vorgaben in den Bereichen der Tierhygiene, Qualität oder Absatz. Auch im Futtermittelsektor dominieren zwei Genossenschaften (DLG-Agrosupply und Den Lokale Andel) mit 85 Prozent Marktanteil. Die niedrigeren Schweinepreise in Dänemark führt die Studie "nicht in erster Linie" auf diese vertikale Integration zurück, sondern auch auf das höhere Lohnniveau und das Verbot des Einsatzes von Kolonnen in den Schlachtbetrieben. Danish Crown leidet derzeit mit nur 80 Prozent Auslastung unter den schlechten Marktbedingungen, unter Umweltrestriktionen bei Neubauten, unter dem Dollarkurs sowie unter dem Ausstieg vieler Schweinemäster und verlagert Standorte ins Ausland.

In Frankreich konzentriert sich die Schweinehaltung auf die Bretagne, diese Randlage begünstigt ausländische Konkurrenten. Die Konzentration der Schlachtunternehmen entspricht der in Deutschland, etwa 50 Prozent Marktanteil haben die Firmen Cooperl, Socopa, Soviba, Flochet und Groupe ABC. Die vertikale und horizontale Integration über die Genossenschaften ist nur schwach ausgeprägt.

In den Niederlanden befindet sich die Schweinerzeugung im südöstlichen Landesteil, nahe zum Ruhrgebiet. Die Vion-Holding dominiert den Schlachtmarkt mit einem Anteil von 65 Prozent, mit Ausnahme von Großmäster-Kontrakten spielen Verträge keine besondere Rolle. Auch in Holland gibt es eine koordinierende Branchenorganisation (Produktschap), finanziert aus Schlacht- und Exportabgaben. Erzeugergemeinschaften spielen aufgrund der Größe vieler Betriebe keine Rolle. Die niederländische Schweinehaltung befindet sich in einer Krise, weil auch hier die Landwirte innerhalb der Wertschöpfungskette die niedrigsten Renditen (zumeist nur im Bereich der Kostendeckung) erzielen. In Spanien liegt der Schwerpunkt der Schweinehaltung im Nordosten. Die Mäster sind über Verträge fest an die Schlacht- und Verarbeitungsunternehmen gebunden, außerdem durch Lohnmastverträge an die Futtermittelkonzerne. Die Krise der Schweinefleischproduktion und des Exports beruht denn auch vor allem auf den hohen Kosten der Produktion, insbesondere der Futtermittel. Der größte vertikal integrierte Konzern Vall Companys besitzt 170.000 Sauen, erzeugt jährlich 3 Millionen Schlachtschweine und außerdem Geflügelfleisch.

In den USA entfallen 82 Prozent der Produktion auf nur 12 Prozent der Betriebe und 40 Prozent der Zuchtsauen auf weniger als 10 Konzerne (Smithfield Foods, Seaboard, Cargill u.a.). Neben den eigenen Tieren beziehen diese auch Tiere von Vertragsmästern, denen das firmeneigene Futter und die Genetik vorgeschrieben sind. Die Familienbetriebe stellen die Stallanlagen, Arbeit und sonstige Betriebsmittel und sind für die Entsorgung der Exkremente zuständig. Probleme bereiten den Betreibern der Großanlagen das Überangebot, die verschärften Auflagen bei Umwelt und Tierschutz, die wachsende Kritik der Farmer und der Bevölkerung an der hochkonzentrierten Agrarindustrie und das Auftreten neuer Konkurrenz aus Asien, Südamerika und Osteuropa auf den Weltmärkten. en


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 316 - November 2008, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2008