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AGRAR/1502: GAP-Vorschläge - viel Bürokratie, wenig Nutzen (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 27. Juni 2012

GAP-Vorschläge: viel Bürokratie, wenig Nutzen

Forum Europäische Agrarpolitik auf dem Bauerntag



Die Vorstellungen der EU-Kommission zur EU-Agrarreform ab 2013 werden den Erfordernissen einer wettbewerbsfähigen und zugleich nachhaltigen europäischen Landwirtschaft nicht gerecht. Sie führen sogar zu einer Ausweitung von Bürokratie und einer wirtschaftlichen Schwächung der europäischen Landwirtschaft, ohne den Nutzen für die Umwelt zu verbessern. Dieses Resümee zogen die bäuerlichen Vertreter im Forum zur Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik des Deutschen Bauerntages 2012 in Fürstenfeldbruck. Die Europäische Kommission hatte im Oktober 2011 umfassende Vorschläge zur Reform der Europäischen Agrarpolitik vorgelegt. Politische Entscheidungen über die Reform werden vorbehaltlich einer Einigung über die Finanzausstattung der EU für 2014 bis 2020 im ersten Quartal 2013 erwartet. Auf dem Deutschen Bauerntag hatten die Delegierten der Landesbauernverbände Gelegenheit, den aktuellen Sachstand der politischen Debatte mit Vertretern der EU-Kommission, der Bundesregierung sowie des EU-Parlamentes zu erörtern.

Für die Europäische Kommission hat der Kabinettchef des EU-Agrarkommissar Ciolos, Georg Häusler, die Begründung der Kommission für die Reformvorschläge bekräftigt. Die Kommission sieht nur in einer stärkeren Umweltausrichtung der Agrarpolitik die Möglichkeit, das Agrarbudget in bisheriger Höhe zu verteidigen und die Agrarpolitik gesellschaftsfähig zu machen. Eine flächendeckende weitere "Begrünung" der Landwirtschaft sei nur durch konkrete und verbindliche Maßnahmen im Rahmen und in Verbindung mit den landwirtschaftlichen Direktzahlungen zu gewährleisten. In Bezug auf die Vorschläge von Oktober 2011 gab Häusler zu erkennen, dass die Europäische Kommission dazugelernt habe und durchaus bereit ist, pragmatische und sachgerechte Lösungen für das "Greening" zu finden, zum Beispiel die schon heute von den Landwirten betriebenen Agrarumweltmaßahmen. Häusler unterstrich ferner, dass die EU-Kommission den Weg der Marktorientierung konsequent fortgesetzt sehen möchte.

Der Staatssekretär des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Dr. Robert Kloos, erläuterte die Position der Bundesregierung in den laufenden Agrarratsverhandlungen. Ungeachtet der Zielsetzung der Bundesregierung, die künftigen Ausgaben der EU auf 1 Prozent des Bruttonationalproduktes zu deckeln, gab sich Dr. Kloos zuversichtlich, das Agrarbudget verteidigen zu können. Für die Bundesregierung sei eine Balance zwischen ökologischen und ökonomischen Belangen der Landwirtschaft vordringlich. Eine ökologische Stilllegung von Flächen sei angesichts der großen Herausforderungen einer wachsenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Energie nicht zeitgemäß. Bei der "Begrünung" müsse einzelbetrieblichen wie regionalen Besonderheiten Rechnung getragen werden. Drei Maßnahmen, die in der gesamten EU von 27 Ländern einheitlich gelten sollen, seien nicht zielführend, so Dr. Kloos. Er kritisierte zudem die von der EU-Kommission vorgeschlagene Neuausrichtung der benachteiligten Gebiete. Sie führe zu Ergebnissen, die nicht verständlich und schon gar nicht zu erklären sind. E r mahnte mehr Zeit für die Beratungen darüber an. Im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments haben die Berichterstatter Capoulas-Santos, Dantin und La Via kürzlich ihre Berichte zu den Verordnungsentwürfen vorgelegt. Darüber wird aktuell im Parlamentsausschuss beraten. Im Kern verfolgt auch Capoulas-Santos eine weitere Umweltorientierung der Landwirtschaft. Er folgt weitgehend den Vorschlägen der Kommission zur "Begrünung". Zudem möchte er fakultativ die Möglichkeiten schaffen, bis zu 20 Prozent der Mittel für Direktzahlungen für Agrarumweltprogramme zu übertragen. Mit Änderungsanträgen können die Abgeordneten versuchen auf die Berichte Einfluss zu nehmen. Auf dem Deutschen Bauerntag haben die Europaabgeordneten Albert Deß für die CDU, Wolfgang Kreisel-Dörfler für die SPD, Britta Reimers für die FDP und Martin Häusling für Bündnis90/die Grünen in einer Podiumsdiskussion zu den Beratungen im EP Stellung beziehen können.

Der agrarpolitische Sprecher der CDU und Koordinator der EVP-Fraktion im Europaparlament, Albert Deß, kritisierte insbesondere die ausufernde Bürokratie in der EU-Agrarpolitik. Das von der Kommission vorgeschlagene Greening, die Differenzierung bei der Gestaltung der Direktzahlungen werde den Verwaltungsaufwand nochmals erhöhen. Kreisel-Dörfler äußerte sich positiv zum Berichtsentwurf von Capoulas Santos. Er warnte davor, das Greening grundsätzlich abzulehnen. Er forderte insbesondere, durch pragmatische und flexible Ausgestaltung den berechtigten Forderungen gerecht zu werden und auf deren Kritik am Greening einzugehen. Für die SPD unterstrich Kreisel-Dörfler ausdrücklich die Notwendigkeit einer Kappung der Direktzahlungen unter Berücksichtigung des Arbeitskräfteeinsatzes.

Für die FDP kritisierte Britta Reimers die vorgesehene, neue Struktur der Gemeinsamen Agrarpolitik. Sie forderte eine klare Trennung von Direktzahlungen und Greening in der bewährten Zwei-Säulen-Struktur. Reimers wies insbesondere auf die Bestrebungen im EU-Parlament hin, durch die Hintertür wieder Markteingriffe einzuführen. Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling sieht die Verteidigung des Agrarbudgets nur in Verbindung mit einem Greening der Direktzahlungen. Er forderte auch, wieder stärker regelnd in die Märkte, so auch in den Milchmarkt, einzugreifen. Auch zur Kappung äußerte sich Häusling positiv.

In einer ausgiebigen Diskussion haben die Delegierten ihren Frust über die teilweise praxisfernen Vorschlägen der Kommission zum Ausdruck gebracht. Sie haben scharf kritisiert, dass in der gesamten Debatte zur GAP-Reform nicht angemessen kommuniziert werde, was Bäuerinnen und Bauern schon heute im Sinne von Nachhaltigkeit und Umweltschutz leisten. Dadurch entstehe ein völlig verqueres Bild in der Öffentlichkeit.

COPA-Präsident Gerd Sonnleitner fasste die Debatte zusammen. Er brachte zum Ausdruck, dass sich die GAP ausgesprochen dynamisch weiterentwickeln werde. Die Bauern widersetzen sich keineswegs neuen Herausforderungen, wenn sie sinnvoll sind. Ungeachtet der gegensätzlichen Debatte sieht Sonnleitner Anzeichen für einen Kompromiss, der stärker auf die Sachzwänge der Bauern nach einer pragmatischen und sachgerechten Ausgestaltung der GAP nach 2013 eingeht. Zuversichtlich zeigte sich Sonnleitner auch über die Aussage von Häusler, dass in Brüssel keine Agrarpolitik gegen die Bauern entscheiden werde.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 27. Juni 2012
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2012