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AGRAR/1527: Gemeinsame Agrarpolitik ab 2014 - Mehr Tierschutz rückt näher (PROVIEH)


PROVIEH Ausgabe 03/2012
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Gemeinsame Agrarpolitik ab 2014: Mehr Tierschutz rückt näher

von Sabine Ohm



Zurzeit wird in der Europäischen Union über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) verhandelt, die seit ihrer Gründung im Juli 1962 einen der wichtigsten Eckpfeiler der europäischen Politik bildet. Immer noch fließen mit über 50 Milliarden Euro fast die Hälfte aller EU-Mittel in die Agrartöpfe, obwohl sich die Zeiten - und damit auch die Ziele - im Laufe der Jahrzehnte geändert haben. So steht heute nicht mehr die Sicherstellung der Nahrungsmittelerzeugung zur Vermeidung von Hungersnöten in Europa im Vordergrund, sondern die Ausrichtung auf die Weltmärkte. Deshalb gibt es statt einer vernünftigen Einkommenssicherung für Bauern vor allem satte Zuschüsse für Industriebetriebe (siehe PROVIEH-Magazin 2/2009). Das wurde seit 2007 endlich offensichtlich, nachdem eine Transparenzinitiative, an der sich auch PROVIEH aktiv beteiligte, zur verpflichtenden Veröffentlichung der Agrarsubventionszahlungen geführt hatte.

Nach Ansicht der EU-Kommission soll die aus Steuermitteln finanzierte Agrarförderung künftig mehr an den schonenden Umgang der Bauern mit Umwelt, Natur und Ressourcen gekoppelt werden, also an Güter oder Dienstleistungen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Die EU-Bürger haben ein Recht darauf, denn die Agrarsubventionen kosten jeden der rund 500 Millionen EU-Bürger täglich 30 Cent. Dennoch werden die Forderungen der EU-Bürger nur zögernd umgesetzt - auch in Deutschland, denn hierzulande kommen sogar noch Tierfabriken häufig in den Genuss von Fördermitteln.


Tierschutz im Europaparlament auf der Tagesordnung

PROVIEH setzt sich seit Jahren vehement dafür ein, dass neben Maßnahmen für Umwelt- und Klimaschutz auch solche für Tierschutz besser vergütet werden. Im Zuge der Reformdebatte haben wir gemeinsam mit europäischen Partnerorganisationen immer wieder gezielte Kampagnenaktionen durchgeführt, und durch unsere Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen und Konsultationen wurde ein direkter Austausch mit Vertretern der EU-Institutionen ermöglicht.

Diese Bemühungen tragen Früchte: Der Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments (EP) hat einige unserer wichtigsten Forderungen in seinen Berichtsentwurf zum Legislativ-Vorschlag der EU-Kommission aufgenommen. Beispielsweise wurden die möglichen Maßnahmen im Rahmen der Verordnung über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) erweitert um die Formulierung "Verbesserungen im Tierschutz". Erfreulich ist auch, dass die sogenannten "Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen" für Verbesserungen in bestehenden Tierhaltungsbetrieben erhalten bleiben sollen, statt wie im bisherigen Reformvorschlag vorgesehen, verwässert zu werden.

Damit sind die Chancen für die Förderung von Tierschutzmaßnahmen mit GAP-Mitteln ab 2014 erheblich gestiegen. Den Abgeordneten des Europäischen Parlaments liegt der Tierschutz seit einiger Zeit sehr am Herzen, und zum ersten Mal besitzen sie - dank des Vertrages von Lissabon - bei einer Agrarreform das volle Mitbestimmungsrecht. Am 4. Juli 2012 verabschiedeten die Abgeordneten ihre Entschließung zur Tierwohlstrategie 2012-2015 der EU-Kommission (siehe PROVIEH-Magazin 1/2012). Mit 574 von 780 Stimmen fordern sie darin mehr Tierschutzkontrollen, die Schließung von Gesetzeslücken und höhere Strafen bei Verstößen gegen Tierschutzvorschriften. Sie bemängeln die zu unterschiedlichen Tierschutzregelungen in den einzelnen EU-Ländern und befürworten ein einheitliches EU-Tierschutzgesetz sowie dessen strenge Überwachung. Die Europaabgeordneten verlangen die Kennzeichnung von Fleisch von unbetäubt geschlachteten (geschächteten) Tieren. Auch soll der Tierschutz einbezogen werden bei Freihandelsabkommen mit Drittländern außerhalb der EU, um die Unterlaufung der höheren EU-Standards durch Billigimporte zu vermeiden. Beim Klonen von Tieren zur Nahrungsmittelerzeugung beharrten die Abgeordneten außerdem auf dem von PROVIEH unterstützten umfassenden Verbot, das bisher durch die Blockade von Rat und Kommission verhindert wurde (siehe PROVIEH-Magazin 2/2011). Auch die Tiertransportzeiten wollen sie verkürzen (siehe Beitrag in diesem Heft).

Dies alles zeigt ein ernsthaftes Engagement für Tierschutz seitens der Europaabgeordneten. Aber noch gibt es keinen Anlass, sich auf Lorbeeren auszuruhen. Die Berücksichtigung einiger weiterer wichtiger Forderungen, mehr Tierschutz durch Agrarmittel zu fördern, sowie die Verabschiedung des oben erwähnten Berichtsentwurfs zum GAP-Reformvorschlag der EU-Kommission durch das Plenum des Europäischen Parlaments stehen noch aus. Im Dialog mit den Entscheidern auf nationaler und EU-Ebene setzen wir uns deshalb weiter für eine nachhaltige tier- und umweltfreundliche Agrarpolitik ein. Im Herbst 2012 geht es in Brüssel in die nächste Gesprächsrunde.


Breites Bündnis zieht für eine umwelt- und tierfreundliche GAP nach Brüssel

Unterdessen unterstützt PROVIEH tatkräftig den Aufruf zum "Good Food March" von München nach Brüssel. Dieser "Marsch für eine bessere Agrarpolitik" findet vom 25. August bis 19. September 2012 über rund 900 Kilometer durch Süddeutschland, Frankreich, Luxemburg und Belgien statt. Veranstalter ist die Kampagnenplattform "Meine Landwirtschaft", bei der auch PROVIEH Mitglied ist, gemeinsam mit weiteren deutschen und europäischen Partnern.

Ähnlich wie bei den Demonstrationen anlässlich der Grünen Woche 2011 und 2012 in Berlin (siehe PROVIEH-Magazine 4/2010, 1/2011 und 4/2011) werden Umwelt- und Tierschützer mit Verbrauchern sowie Bauern gemeinsam mit Fahrrädern und Traktoren quer durch Europa ziehen. Damit wird der Unmut über die derzeitige Agrarpolitik kundgetan, die vor allem der Agrarindustrie nutzt. Wir fordern die EU auf, die Agrarfördermittel ab 2014 für den Umbau zu einer nachhaltigen, sozialen und bäuerlichen Landwirtschaft mit hohen Tier- und Umweltschutzstandards einsetzen.

Die Tour soll den Verantwortlichen im Europäischen Parlament, in der EU-Kommission und im Rat unsere Botschaft nahebringen und für mehr öffentliche Aufmerksamkeit für diesen wichtigen Reformprozess der gemeinsamen Agrarpolitik in den Mitgliedsstaaten sorgen. Jeder Interessierte kann eine oder mehrere Etappen mitfahren oder sich an lokalen Veranstaltungen beteiligen. Foto-Botschaften von Bürgern aus ganz Europa mit persönlichen Nachrichten zur Agrarpolitik werden derzeit gesammelt und am 19. September 2012 an die Europäischen Institutionen übergeben. Informationen zur Tour, den Foto-Botschaften und den Aktionen in zahlreichen europäischen Ländern gibt es unter www.meine-landwirtschaft.de bzw. www.goodfoodmarch.eu.


INFOBOX

PROVIEH fordert die EU-Kommission auf, wie 2005 versprochen die noch verbleibenden Exportsubventionen für Zuchttiere bis 2013 abzuschaffen, statt sie nach der GAP-Reform fortzusetzen. Denn beim Export von Zuchttieren gibt es noch immer erhebliche Probleme. So wurden 2010 drei Prozent der beantragten Exporterstattungen (für 2.149 Tiere) von der EU wegen Gesetzes- oder Tierschutzverstößen zurückgefordert bzw. nicht ausbezahlt, weil die Tiere verletzt oder tot ankamen oder während des Transports eine Fehlgeburt erlitten oder Nachwuchs zur Welt gebracht hatten.

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Quelle:
PROVIEH Ausgabe 03/2012, Seite 25-27
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Tel.: 0431/248 28-0, Fax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de
 
PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2013