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AGRAR/1580: Aigner will Reform unterlaufen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 368 - Juli/August 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Aigner will Reform unterlaufen
Ministerin hat Konzept zur Umsetzung der EU-Agrarreform vorgelegt

von Ulrich Jasper



Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) hat am 2. Juli den Ministerinnen und Ministern der Bundesländer ein Konzept vorgelegt, wie sie sich die Umsetzung der Brüsseler Reform in Deutschland vorstellt. In der Summe zielt das Konzept darauf ab, den Richtungswechsel, der den Reform-Ansatz der EU-Kommission in der gesellschaftlichen Debatte getragen hat, zu unterlaufen.


Gerecht geht anders

Aigner schlägt vor, mit 5 Prozent nur gerade so viel Mittel aus dem nationalen Topf der Direktzahlungen auf die ersten Hektar je Betrieb umzuschichten, dass Deutschland die Kürzung bei Betrieben mit mehr als 150.000 Euro nicht umsetzen muss. Sie will für die ersten 15 ha jeweils 50 Euro Aufschlag zahlen (zusammen also maximal 750 Euro je Betrieb) und für weitere bis zu 15 ha jeweils 30 Euro (maximal 450 Euro). Zusammen ergibt das einen Aufschlag von 1.200 Euro je Betrieb. Gegenrechnen muss man aber die Kürzung um fünf Prozent bei den Direktzahlungen, was bei 30 ha ein Minus von 450 Euro bedeutet. Es bleibt dann ein Aufschlag von maximal 750 Euro im Jahr. Aigner sprach in Berlin davon, bäuerlichen Betrieben etwas Gutes zu tun. Die EU-Einigung ermöglicht ganz andere Aufschläge, von bis zu 200 Euro je Hektar in Deutschland, wenn die vollen 30 Prozent des Topfes eingesetzt werden, wie die AbL es fordert. Aigner sagte, das gefährde die Zustimmung der ostdeutschen Bundesländer zum Konzept.

Dass die ostdeutschen Minister bei dem Aufschlag für die ersten Hektar mitziehen, liegt nicht nur daran, dass Deutschland dann eine Kürzung oberhalb von 150.000 Euro je Betrieb um mindestens fünf Prozent nicht umsetzen muss. Es liegt auch daran, dass Großbetriebe unter dem Strich mit dem Konzept im Vergleich zum Status quo gewinnen. Denn heute werden die Direktzahlungen über 5.000 Euro um 10 Prozent und über 300.000 Euro um 14 Prozent gekürzt. Diese Kürzung im Rahmen der gestaffelten Modulation fällt mit dem Jahr 2014 weg, weil die Modulation wegfällt. Nach Aigners Konzept des Aufschlags für die ersten Hektar verlieren Großbetriebe dann nicht länger bis zu 14 Prozent, sondern 5 Prozent. Gegenüber heute begünstigt Aigner also Großbetriebe. Den geringen Aufschlag für kleinere Betriebe finanzieren vor allem die mittleren Betriebe, weil sie vom Wegfall der Modulation nur wenig profitieren.


Greening weichgespült

Kann man die schon geringen Standard-Greening-Anforderungen der Brüsseler Ebene noch weiter verwässern? Es geht. Das Bundesministerium schlägt zum Beispiel vor: Grenzt an Flächen eines Betriebes ein Wald oder eine Hecke auch eines anderen Eigentümers oder Besitzers, so sollen je laufenden Meter Feldrand zum Wald oder zur Hecke 25 Quadratmeter fiktive ökologische Vorrangfläche angerechnet werden. Die EU-Kommission prüft, ob sie da so mitzieht. Auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngung will das Bundesministerium auf ökologischen Vorrangflächen unbegrenzt zulassen (z.B. in Winterbegrünung, Zwischenfruchtanbau, Leguminosenanbau). Den Erhalt von Dauergrünland will die Bundesregierung nicht in erster Linie einzelbetrieblich fordern, sondern auf Ebene der Bundesländer und damit die bestehende Regelung weitgehend fortführen.


Entlastung 2. Säule

Aigner lehnt eine formale Umschichtung von Direktzahlungen hin zur zweiten Säule strikt ab. Gleichzeitig schlägt sie aber vor, einige Maßnahmen, die bisher in der zweiten Säule finanziert werden, in Zukunft auch aus Direktzahlungsgeldern zu bezahlen. Zum einen sollen 2,5 Prozent der nationalen Obergrenze der Direktzahlungen (also rund 125 Mio. Euro) in eine Zahlung für Grünland in benachteiligten Gebieten gehen. Laut BMELV kommen da etwa 40 Euro je ha heraus. Zum anderen will die Bundesministerin aus Direktzahlungsmitteln eine gekoppelte Zahlung für Rauhfutterfresser (Rinder, Schafe, Ziegen) "in sehr umweltsensiblen Gebieten" wie Berggebieten, Halligen und kleinen Inseln einführen. Die soll etwa 80 Euro je Großvieheinheit und Jahr betragen. Und Junglandwirte sollen aus dem Topf der Direktzahlungen einen Aufschlag von rund 50 Euro je ha für maximal 90 ha erhalten.

Aus den Reihen der Länder gibt es mehr oder weniger deutliche Kritik an Aigners Konzept, sowohl von den Grünen-Ministern, aber auch - abgeschwächt - vom bayerischen Minister Helmut Brunner (CSU). Auf der Agrarministerkonferenz Ende August soll nach Möglichkeit eine politische Einigung erzielt werden. Die Beschlüsse fallen erst nach den Wahlen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 368 - Juli/August 2013, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2013