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AGRAR/1627: EU erlaubt Stärkung bäuerlicher Betriebe (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 383 - Dezember 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

EU erlaubt Stärkung bäuerlicher Betriebe
Mittlere Betriebe könnten doppelt so hohe Hektarzahlung wie Großbetriebe erhalten

Von Ulrich Jasper


Am 17. Januar werden in Berlin wieder einige Tausend Menschen für eine andere Agrarpolitik demonstrieren. "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" ist dabei einer der Slogans, die dort lautstark zu hören sein werden, auch ein Stop des Landgrabbings vor allem in Ostdeutschland und die Stärkung vielfältiger bäuerlicher Landwirtschaft statt durchrationalisierter Großbetriebs-Strukturen gehört zu den Zielsetzungen der Demonstration.

Aufschlag auf erste Hektar

Die EU-Agrarpolitik bietet den Mitgliedstaaten umfangreiche Möglichkeiten diese Ziele umzusetzen, insbesondere auch bei den Direktzahlungen. Knapp fünf Milliarden Euro dieser Direktzahlungen stellt die EU in den Jahren 2015 bis 2020 jährlich zur "direkten" Auszahlung an die landwirtschaftlichen Betriebein Deutschland bereit. Wie diese Finanzmittel konkret an die Betriebe zugeteilt werden, überlässt die EU sehr weitgehend den Mitgliedstaaten. Das deutsche Umsetzungsgesetz (Direktzahlungen-Durchführungsgesetz) lässt die Möglichkeiten des EU-Rahmens zur Stärkung bäuerlicher Betriebe jedoch weitgehend ungenutzt. Folgender Vergleich der deutschen Beschlusslage mit dem, was Brüssel ermöglicht, zeigt das. Nach EU-Recht kann Deutschland bis zu 30 Prozent der rund fünf Milliarden Euro Direktzahlungssumme auf die ersten bis zu 46 Hektar je Betrieb umschichten. Das ergäbe laut Bundesregierung einen Zahlungsaufschlag von 184 Euro/Hektar. Beschlossen ist dagegen, dass nur 7 Prozent für einen Aufschlag von höchstens 50 Euro/Hektar genutzt werden. Würde das bundesdeutsche Gesetz geändert und der mögliche Aufschlag von 184 Euro/Hektar eingeführt, dann ergäbe sich allein daraus, dass dann ein 30 Hektar großer Betrieb umgerechnet für jeden einzelnen seiner 30 Hektar 379 Euro an Direktzahlungen erhalten würde (einschließlich dann 110 Euro Basisprämie und 85 Euro/Hektar Greeningprämie). Das ist in der unteren Grafik dargestellt. Gegenüber der Beschlusslage wären das zwar "nur" 69 Euro je Hektar mehr, aber der Unterschied zu Betrieben mit sehr viel mehr Fläche würde stark erhöht: Betriebe mit 1.000 und mehr Hektar würden auf rund 200 Euro/Hektar absinken.

Würde Deutschland neben diesem "vollen" Aufschlag auch die ebenfalls von der EU ermöglichte Obergrenze von 150.000 Euro Basisprämie je Betrieb und Jahr einführen, würde der Zahlungsunterschied zwischen mittleren Betrieben und beispielsweise einem 5.000-Hektar-Betrieb nochmals deutlich erhöht auf rund 260 Euro pro Hektar. Bund und Länder hatten sich darauf geeinigt, mit dem deutschen Gesetz keine Obergrenze einzuführen. Die Ausschöpfung der EU-Möglichkeiten würde die Verhältnisse am landwirtschaftlichen Bodenmarkt umdrehen, insbesondere in Ost- und Norddeutschland, wo kleinere Betriebe mit Großbetrieben um Pachtland konkurrieren. Bisher haben Großbetriebe einen klaren Vorteil, da die nur geringe Abstaffelung (kleiner Aufschlag) deutlich unter den Kostenvorteilen großer Einheiten liegt. So fördern Direktzahlungen Landkonzentration und benachteiligen bäuerliche Betriebe. Das EU-Recht gibt Deutschland die Instrumente an die Hand, dieses zu ändern.

Änderungsbedarf

Für eine Erhöhung des Aufschlags für die ersten Hektare muss das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz geändert werden. Angesichts des langen Vorlaufs, den dieses Gesetz gebraucht hat, mag eine Änderung heute unrealistisch erscheinen. Doch diese Debatte steht spätestens 2017 ohnehin an, wenn um eine höhere Umschichtung in die zweite Säule gesprochen wird, was nicht nur in Landesministerien, sondern hinter vorgehaltener Hand auch im Bundesministerium BMEL erwogen wird. Die EU-Verordnung jedenfalls lässt es zu, dass ein Mitgliedstaat bis zum August eines Jahres beschließt und der EU-Kommission mitteilt, den Aufschlag ab dem dann folgenden Jahr zu erhöhen. Dagegen ist eine nachträgliche Einführung einer Obergrenze für die Basisprämie in der EU-Verordnung bisher nicht angelegt, so dass dafür wohl erst EU-Recht angepasst werden müsste.

Die bestehenden Möglichkeiten ausschöpfen zu wollen, haben sich die Bundes-Grünen auf ihrem Parteitag Ende November vorgenommen. Im entsprechenden Beschluss steht: "Wir wollen zunächst alle verbleibenden Spielräume nutzen, um die Vergabe der Agrargelder an ökologische und soziale Kriterien zu binden." Das ist wohl auch als Auftrag zu verstehen an die sechs Grünen Landes-AgrarministerInnen. Der CSU im kleinstrukturierten Bayern müsste es auch ein Anliegen sein.

Ulrich Jasper ist Geschäftsführer der AbL


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Grafiken der Originalpublikation:

- Direktzahlungen je ha nach Betriebsgröße - Beschlusslage in DE

- Direktzahlungen je ha nach Betriebsgröße - Bei Ausschöpfung der EU-Möglichkeiten in DE

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 383 - Dezember 2014, S. 4
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2015

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