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AGRAR/1653: Gentechnikanbau - Europa steigt aus (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 393 - November 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Europa steigt aus
Siebzehn EU-Staaten wollen keinen Gentechnikanbau

Von Annemarie Volling


Aktuell wollen 17 von 28 EU-Mitgliedstaaten und vier Regionen aus zwei weiteren Staaten den Anbau von Gentechnik auf ihrem Territorium verhindern und haben dies bei der EU-Kommission beantragt. Die betroffenen Gentechnik-Konzerne werden aufgefordert, die jeweiligen Staaten von der Zulassung auszunehmen. Genutzt haben die Mitgliedstaaten die Übergangsphase der neuen EU-Opt-out-Richtlinie, die am 3. Oktober endete. Damit haben sich 21 Mitgliedstaaten und Regionen politisch entschieden, dass sie faktisch keine Gentechnik in ihrem Hoheitsgebiet anbauen wollen. Das ist ein großer Erfolg der gentechnikkritischen Bewegung in den Mitgliedstaaten.

Untergrabene Demokratie

Die Anträge werden von der EU-Kommission an die betroffenen Gentechnikkonzerne Monsanto, DuPont und Syngenta weitergeleitet. Diese können innerhalb von 30 Tagen entscheiden, ob sie diese Mitgliedstaaten von der erwünschten europaweiten Anbaugenehmigung ihrer GV-Pflanzen ausnehmen. "Dieses Vorgehen ist kritisch zu sehen, da die Konzerne nicht verpflichtet sind, den erwünschten Anbauverboten der Mitgliedstaaten nachzukommen. Darüber hinaus erteilt man den Konzernen ein formalisiertes Mitspracherecht beim Zulassungsprozess. Das untergräbt die Souveränität der Staaten und ist ein Vorgeschmack auf immer weiter reichende Konzernrechte, wie sie auch bei den geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA geplant sind", kommentiert Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Auf der Internetseite der EU ist zu lesen, dass die Konzerne bislang Griechenland und Lettland von den geplanten GV-Maiszulassungen ausgenommen haben. Die anderen Anträge sind erst später eingereicht worden. Sollten die Konzerne dem Verbotsansinnen der Mitgliedstaaten nicht nachkommen, können diese in der so genannten Phase 2, nach erteilter Anbauzulassung, ein Verbot erlassen. Dies muss begründet sein. Zudem bedarf es einer Umsetzung der EU-Opt-out-Richtlinie in ein nationales Gesetz. Bislang haben dies nur Österreich und Frankreich getan. In Deutschland gibt es weiterhin Streit, wer die Verbotskompetenz erhalten soll - der Bund oder die Länder.

Derweil hat der Schweizer Gentechnikkonzern Syngenta zwei seiner vier beantragten GV-Maissorten zurückgezogen. Dies betrifft den Bt-Mais MIR 604 (Resistenz gegen Maiswurzelbohrer) sowie eine Kreuzung aus drei GV-Maissorten (Bt 11 x MIR 604 x GA 21), die sowohl insektengiftig als auch resistent gegen die Wirkstoffe Glyphosat und Glufosinat ist. "Die Entscheidung zum Rückzug wurde als Teil der Neubewertung des kommerziellen Potenzials dieser Produkte in Europa gemacht", begründete ein Sprecher des Schweizer Unternehmens den Schritt. Beantragt wird die Zulassung für die GV-Mais-Sorten G21 und Bt11.

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Deutschland "besonders gründlich"

Deutschland hat - wie 16 weitere EU-Mitgliedstaaten - bei 8 GV-Maiworten, beantragt, dass gesamte Hoheitsgebiet von der geplanten europäischen Anbauzulassung auszunehmen. Zusätzlich führt es alle 16 Bundesländer auf. Anders als andere Mitgliedstaaten führt Deutschland inhaltliche Begründungen an. So ist laut BMEL "der Anbau des GV-Maises unvereinbar mit der in Deutschland üblichen Ackernutzung. Er würde negative Folgen für den Anbau von konventionellem und ökologischem Mais haben. Mit dem Anbau des GV-Maises steigt das Risiko, dass heimische landwirtschaftliche Erzeugnisse (...) mit GV-Maisbestandteilen verunreinigt werden. Diese Risikoerhöhung soll nicht eintreten. Zusätzliche Kontrollen heimischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse auf GV-Maisbestandteile (...) sollen vermieden werden." Damit benennt das BMEL bundesweite Verbotsgründe, die es bislang als nicht rechtssicher bewertet, hatte. Deutschland ist der einzige Mitgliedstaat, der den Anbau der betroffenen GV-Maissorten zu Forschungszwecken ausdrücklich erlauben will.

Annemarie Volling,
Netzwerk gentechnikfreie Landwirtschaft

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 393 - November 2015, S. 15
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2015

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