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AGRAR/1728: EU-Agrarpolitik im Ministerrat - "Kurswechsel einleiten, Umweltdumping verhindern" (BÖLW)


Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW e.V.)
Pressemitteilung vom 15. April 2019

BÖLW zur Europäischen Agrarpolitik im EU-Ministerrat

"Kurswechsel einleiten, Umweltdumping verhindern"


Berlin/Luxemburg, 15.04.2019. Aktuell beraten die Landwirtschaftsminister der EU-Staaten über die Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP). Der Vorstand für Landwirtschaft des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Dr. Alexander Gerber, kommentiert:

"Deutschlands Stimme zählt viel in Europa. Es ist gut, dass Bundesministerin Klöckner im Ministerrat bestätigt, ein hohes Umweltambitionsniveau anzustreben. Allerdings verpasst Klöckner wieder die Chance, mit konkreten und ambitionierten Vorgaben den Kurswechsel bei der GAP vorzugeben.

Julia Klöckner und ihre EU-Kollegen müssen sich für klare und verbindliche Leitplanken in der GAP für mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz einsetzen. Sonst drohen Wettbewerbsverzerrungen durch Umweltdumping in Europa.

Es braucht ein klares Bekenntnis dazu, dass Landwirte für besondere Leistungen beim Umwelt- Klima- und Tierschutz honoriert werden. Mindestens 70 % der geplanten Milliarden-Zahlungen müssen daran gebunden werden, dass Bauern, die freiwillig mehr tun, auch mehr bekommen. Denn Umweltleistungen gibt es eben nicht umsonst.

Nur wenn zielgerichtet in die Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft investiert wird, werden aktive Landwirte auch gestärkt und nicht nur weiter der Besitz von Land belohnt. Und nur dann kann es gelingen, die Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft, wie sauberes Wasser, gesunde Böden und Artenvielfalt zu erhalten.

Ohne eine ambitionierte GAP können wir weder unsere Klima- und Umweltziele erreichen, noch den Rückhalt der Landwirtschaft bei den Bürgern stärken.

Erst letzte Woche betonte der Bundesrat, dass es drängt, dem Umwelt- und Klimaschutz einen höheren Stellenwert[1] in der GAP einzuräumen."


Hintergrund

Mit jährlich 60 Mrd. Euro bestimmt die EU-Agrarpolitik (GAP), welche Landwirtschaft sich in Europa lohnt. Alle sieben Jahre wird die GAP reformiert, derzeit verhandeln Mitgliedsstaaten und EU-Parlament über die Agrarförderung nach 2023. Eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigt: Zwei Drittel der Landwirte wünschen sich andere EU-Agrarpolitik.

Heute steht die neue 'grüne' GAP-Architektur beim Treffen des Rates auf der Agenda. Die rumänische Ratspräsidentschaft hatte in Vorbereitung auf die Sitzung drei Fragen an die Mitgliedsstaaten gestellt. Der Europäische Bio-Dachverband, IFOAM EU, hatte diese mit Blick auf eine zukunftsfähige GAP beantwortet [2].

Was entscheidend ist für eine zukunftsfähige GAP:

•Statt 70 Prozent Pauschalzahlungen nach Fläche brauchen wir 70 Prozent der gesamten EU-Fördermittel für die Honorierung von freiwilligen Leistungen für den Umwelt-, Klima- und Tierschutz

• Verbindliche Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele für alle Mitgliedsstaaten, um einen Dumpingwettbewerb um die geringsten Umweltstandards zu verhindern

• Ein großer Teil der Direktzahlungen der ersten Säule müssen für freiwillige Umweltmaßnahmen (Ecoscheme) genutzt werden

• Mittel aus der ersten Säule müssen in die finanziell geschwächte zweite Säule umgeschichtet werden, um dort Agrarumweltmaßnahmen, den ökologischen Landbau und Maßnahmen zur flächengebundenen artgerechten Tierhaltung finanzieren zu können

• Die Vorgaben für die künftige Investitionsförderung für Stallbauten müssen sich an den baulichen Vorgaben der EU-Öko-Verordnung orientieren. Nur so kann für konventionell wirtschaftende Betriebe sichergestellt werden, dass sie später auf ökologischen Landbau umstellen können

Noch bis zu Ratstreffen war die Position der Bundesregierung zur Reform der EU-Agrarpolitik nicht wirklich klar. Auch die Antworten der Bundesregierung auf diverse Anfragen von Bundestagsfraktionen [3] lichteten den agrarpolitischen Nebel nicht wirklich. Einige Punkte, die sich jedoch aus den Antworten herauslesen lassen, sind: Angestrebt wird, dass die GAP einen höheren Beitrag zum Umweltschutz leisten soll - erreicht werden soll das über eine geeignete "grüne Architektur". Die Kalkulation der Prämien solle zudem durch eine Anreiz-Komponente ergänzt, der Umbau der Tierhaltung aus der zweiten Säule finanziert werden. Wie das angesichts der angelegten überproportionalen Kürzung der zweiten Säule finanziert werden soll, bleibt unklar. Kappung und Degression der Agrarzahlungen lehnt die Bundesregierung ab. Beim Ratstreffen im März betonte Bundesministerin Klöckner, die ersten Hektare besser fördern zu wollen - zur Stärkung kleiner und mittlerer Betriebe.

Insgesamt gibt die Bundesregierung an, ein höheres Umweltambitionsniveau anzustreben. Wie das jedoch genau aussehen soll, sagt sie weiter nicht konkret - obwohl EU-Agrarkommissar Hogan bereits vor knapp einem Jahr den Reform-Vorschlag vorstellte.

Ratspräsident Rumänien mit Papier

Von Seiten der Mitgliedsstaaten legte Rumänien, das noch bis Ende Juni Ratspräsident ist, ein Papier mit konkreten Änderungsvorschlägen zum Kommissionsvorschlag vor. Er beinhaltet, nicht nur die Konditionalität durch Ausnahmen teilweise auszuhöhlen. Auch einen Mindestbetrag, welcher in der ersten Säule in 'Ecoschemes' investiert werden muss, sucht man vergeblich.

Konkrete Vorschläge des Umweltausschusses

Auf konkrete Vorschläge legte sich der Umweltausschuss des EU-Parlaments Mitte Februar fest: In der ersten Säule sollen mindestens 30 % des Budgets in 'Ecoschemes' investiert werden, in der zweiten Säule sollen 40 % zweckgebunden in Umweltleistungen fließen - die Kommission hatte lediglich 30 % für die zweite Säule vorgeschlagen. Der Umweltausschuss spricht sich auch dafür aus, die Anforderungen an die Konditionalität zu verschärfen. Eine Verabschiedung der GAP Reform vor der EU-Parlamentswahl ist vom Tisch.

Agrar-Ausschuss des EU-Parlaments stimmt gegen Umweltschutz

Die Mehrheit der Abgeordneten im EU-Agrarausschuss stimmte Anfang April gegen mehr Umweltschutz in der GAP. Was die Anforderungen an die 1. Säule angeht, fiel das Landwirtschaftsgremium des EU-Parlaments noch hinter die Vorschläge der EU-Kommission und die aktuelle GAP zurück. Ebenso wenig Ambition für die 2. Säule: nur 30 % sollen für Umweltschutz reserviert werden. Kurz gesagt: weiter soll das meiste Geld in die Direktzahlungen der 1. Säule investiert werden. Die Konditionalität soll geschwächt werden, die EcoSchemes aber nur mit 20 % budgetiert.

Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) muss darauf ausgerichtet werden, dass diejenigen Bauern honoriert werden, die Umwelt, Klima und Tiere schützen. Für die aktuelle GAP muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass 70 % der Steuergelder für die Förderung von Umwelt-, Klima- und Tierschutz reserviert werden.


Die in der Meldung gewählte männliche Form schließt immer gleichermaßen alle Geschlechter ein.

Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeuger, Verarbeiter und Händler von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von über 40.000 Bio-Betrieben 10.91 Mrd. Euro umgesetzt.


Anmerkungen:

[1] "Angesichts der derzeitigen Verhandlungsstände bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass den Bereichen Umwelt und Klima in der reformierten Agrarpolitik ein höherer Stellenwert als bis-her eingeräumt und der Übergang zu einem nachhaltigen Agrarsektor sowie die Entwicklung dynamischer ländlicher Gebiete gefördert werden." s.
https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2018/0101-0200/167-18(B)(2).pdf?__blob=publicationFile&v=1 (S. 8)

[2] https://www.ifoam-eu.org/sites/default/files/ifoameu_letter_to_ministries_cap_green_architecture_20190412.pdf).

[3] s. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/078/1907867.pdf und
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/078/1907882.pdf

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Quelle:
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW e.V.)
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon ++49 (0)30.28482-300, Fax ++49 (0)30 28482-309
E-Mail: info@boelw.de
Internet: www.boelw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2019

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