Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → WIRTSCHAFT

AUSSENHANDEL/214: Lateinamerika und Karibik - Länderblock geht aus Gipfeltreffen mit EU gestärkt hervor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Januar 2013

Lateinamerika/Karibik: Souverän und selbstbewusst - Länderblock geht aus Gipfeltreffen mit EU gestärkt hervor

von Marianela Jarroud

Präsident Sebastián Piñera flankiert von Herman Van Rompuy (li.) und José Durão Barroso - Bild: © Marianela Jarroud/IPS

Präsident Sebastián Piñera flankiert von Herman Van Rompuy (li.) und José Durão Barroso
Bild: © Marianela Jarroud/IPS

Santiago, 28. Januar (IPS) - Die Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) ist aus dem Gipfeltreffen mit der EU in der chilenischen Hauptstadt Santiago gestärkt hervorgegangen. So pochte die Ländergruppe in den Abkommen mit der EU auf das Recht, die eigenen natürlichen Ressourcen vor europäischen Investoren zu schützen, und verurteilte das US-Handelsembargo gegen Kuba.

Die 33 Regierungs- und Staatschefs der CELAC ließen Passagen der Abschlusserklärung von Santiago, die den rechtlichen Rahmen für europäische Investoren in der Region vorgeben, auf der Konferenz vom 25. bis 26. Januar zu ihren Gunsten abändern. "Der größte Meinungsunterschied zwischen den lateinamerikanisch-karibischen Ländern und der EU betrifft die Rechtssicherheit. Es ist nicht so, dass wir keine Rechtssicherheit gewährleisten wollen, sondern wie die EU unsere eigene Sichtweise haben", meinte die bolivianische Kommunikationsministerin Amanda Dávila.

Dávila zufolge hat die CELAC mit ihrer Erklärung zum Abschluss des zweitägigen Gipfels "einen großen Schritt nach vorn getan, indem sie auf ihre Souveränität pocht, wie dies Lateinamerika bereits im Zusammenhang mit den Malwinen (Falklandinseln), Kuba und der Forderung nach einem Meereszugang getan hat", sagte sie.

Damit nahm die Ministerin Bezug auf die Forderung der ALBA-Länder Antigua und Barbuda, Bolivien, Kuba, Dominica, Ecuador, Nicaragua, St. Vincent und die Grenadinen sowie Venezuela, den unter britischer Hoheit stehenden Inselarchipel im Südatlantik Argentinien zuzuschlagen, das US-Handelsembargo gegenüber Kuba aufzuheben und Bolivien einen Zugang zum Pazifik zu gewähren.

In der Erklärung von Santiago signalisierten die Länder ihre Bereitschaft, ein investorenfreundliches Umfeld zu schaffen. Dávila zufolge müssen die ausländischen Investoren das Recht der lateinamerikanischen und karibischen Länder anerkennen, Regelungen einzuführen, die es ihnen ermöglichen, nationale und internationale Verpflichtungen einzuhalten.


Wandel in Verhältnis von Investoren und Empfängern

Wie der Generaldirektor der UN-Landwirtschaftsorganisation (FAO), Graziano da Silva, erklärte, ist die Welt daran gewöhnt, Investitionen aus rein privatwirtschaftlicher Sicht zu betrachten. Damit werde vorausgesetzt, dass sich das Empfängerland von Auslandskapital dem Willen des Geberlandes beugen müsse. "Doch hier hat ein Wandel stattgefunden", sagte er. Es sei Zeit für ein allumfassendes Abkommen, das dafür sorgt, dass Investoren verantwortungsvoll agieren.

Nach offiziellen Angaben ist der Handel zwischen den CELAC- und den EU-Ländern im Zeitraum 2002 bis 2011 um jährlich durchschnittlich 13 Prozent auf 276 Milliarden US-Dollar gestiegen. Im vergangenen Jahr legte der Handel sogar um 23,9 Prozent zu. Die ausländischen Direktinvestitionen in die CELAC-Länder gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) mit 613 Milliarden Dollar im Jahr 2011 an. Das sind 47 Prozent aller in der Region und fünf Prozent der weltweit von der EU getätigten Auslandsinvestitionen.

EU-Präsident Herman Van Rompuy erinnerte auf einer Pressekonferenz daran, dass die EU der größte Investor der lateinamerikanischen und karibischen Länder ist. Gleichzeitig kritisierte er in Anspielung auf die von Argentinien, Bolivien und Venezuela in den letzten Jahren vorgenommenen Enteignungen die "Tendenzen, Zwischenfällen oder besonderen Maßnahmen zu viel Aufmerksamkeit beizumessen".

Die Erklärung von Santiago zeichnet sich aber auch durch zahlreiche Kompromisse aus. So verpflichten sich die CELAC- und EU-Länder darin, jede Form des Protektionismus im Sinne eines offenen multilateralen Handelssystems zu vermeiden. In diesem Zusammenhang erklärte Van Rompuy, dass man "sehnsüchtig" das Abkommen mit dem Gemeinsamen Markt des Südens (MERCOSUR) bestehend aus Argentinien, Brasilien, Paraguay (Mitgliedschaft ausgesetzt), Uruguay und Venezuela erwarte.


EU-MERCOSUR-Abkommen in der Schwebe

Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den MERCOSUR-Staaten und der EU treten seit zwei Jahren auf der Stelle. Eine Wiederaufnahme scheint angesichts der protektionistischen Maßnahmen, die Argentinien und Brasilien aus Schutz vor der Wirtschafts- und Finanzkrise des industrialisierten Nordens und insbesondere der EU ergriffen haben, in weiter Ferne.

Im Rahmen des CELAC-EU-Gipfeltreffens, das das nächste Mal 2015 in Brüssel stattfinden soll, wurden zudem Freihandelsabkommen zwischen Europa, Peru und Kolumbien sowie zwischen der EU und Zentralamerika geschlossen. In diesem Zusammenhang betonte da Silva, "dass uns ein EU-MERCOSUR-Abkommen erlauben würde, unsere Volkswirtschaften stärker zu integrieren - sowohl in den Bereichen Landwirtschaft als auch in den Bereichen Dienstleistungen und Industrie. Darüber hinaus betonte er seinen Wunsch nach Fortschritten beim Abbau der Barrieren, die einem effektiven Handelsabkommen im Wege stünden.

Die 14-seitige Erklärung von Santiago listete auch 40 Punkte auf, in denen sich die Unterzeichner zum Multilateralismus, zum Respekt gegenüber den indigenen Völkern, zur Gleichheit der Geschlechter, zu den Menschenrechten und der Ablehnung des Terrorismus bekennen. Die Vertreter der beiden Ländergruppen verpflichteten sich ferner dazu, eine nachhaltige wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung anzustreben. Darüber hinaus brachten sie ihre Sorge über die "sehr langsame" Erholung der globalen Wirtschaft zum Ausdruck.

Des Weiteren wiesen die Unterzeichner alle unilateralen Zwangsmaßnahmen mit extraterritorialer Wirkung zurück, die gegen internationale Rechte und Normen des allgemein anerkannten Freihandels verstoßen. Konkret erinnerten sie sie in diesem Zusammenhang an die Resolution der UN-Vollversammlung, "die unsere hinlänglich bekannten Standpunkte über die Anwendung der extraterritorialen Verfügungen des Helms-Burton-Gesetzes wiedergeben".

Gemeint ist die US-Norm zur Verschärfung des Embargos gegen den karibischen Inselstaat Kuba, der in diesem Jahr die CELAC-Präsidentschaft innehat. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.celacue2013.cl/cumbre-empresaria-celac-ue-2013/carta-de-invitacion/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102276

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. Januar 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2013