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STELLUNGNAHME/002: Verband der Volkswirte bedauert Rücktritt von Chefvolkswirt Jürgen Stark (idw)


bdvb - Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte e.V. - 13.09.2011

bdvb bedauert Rücktritt von Chefvolkswirt Jürgen Stark

Stellungnahme zur aufgegebenen Stabilitätsorientierung der EZB


Das Präsidium des Bundesverbandes Deutscher Volks- und Betriebswirte e.V. (bdvb) hat mit großem Bedauern von der Rücktrittsankündigung des Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Professor Jürgen Stark, Kenntnis genommen. Für den bdvb ist sein Rückzug aus dem Direktorium der EZB der nunmehr greifbare Nachweis für die aufgegebene Stabilitätsorientierung der EZB.

Die EZB geht mit dem Kauf der Staatsanleihen überschuldeter Euroländer in Höhe von bisher rd. 130 Mrd. Euro ein erhebliches finanzielles Risiko ein, das ggf. durch eine Kapitalaufstockung und damit durch den Steuerzahler aufgefangen werden muss. Die EZB hat nach Auffassung des bdvb mit dem Ankaufsprogramm die ihr im Vertrag von Maastricht vorgezeichneten Grenzen klar überschritten, letztlich auf Druck der Politik. Diese Überschreitung hat ihre Unabhängigkeit und das ihr von den internationalen Finanzmärkten jahrelang entgegengebrachte Vertrauen ausgehöhlt.

Mit Jürgen Stark verlässt - nach Axel Weber - der letzte deutsche Stabilitätsfalke den EZB-Rat. Die Stimme Deutschlands als größtes Euroland wird in Zukunft nicht mehr das gleiche Gewicht haben. Der künftige Präsident der EZB und ihr derzeitiger Vizepräsident kommen mit Italien und Portugal aus Ländern, die von den Anleihekäufen profitieren und denen die deutsche Stabilitätskultur eher fremd ist. Jürgen Stark ist wohl auch der letzte der heutigen Persönlichkeiten in Führungsposition, die zu den Vätern des Euro gezählt werden können. Er selbst hat bei der Aufgabe der DM an der Versicherung der damaligen Bundesregierung mitgewirkt, die EZB werde so unhängig wie die Bundesbank und der Euro so stabil wie die DM sein. Der bdvb hat Verständnis dafür, wenn sich Jürgen Stark an dem Vertrauensbruch nicht beteiligen will.

Für die Überwindung der Staatsschulden- und Eurokrise ist seine Demission in dieser kritischen Phase ein Desaster. Der bdvb appelliert deshalb an alle politisch Verantwortlichen in Regierung und Parlament, bei den in Kürze auf nationaler und europäischer Ebene anstehenden Entscheidungen über Rettungsschirme und Finanztransfers in die Schuldnerländer noch strengere Maßstäbe anzulegen, damit die der deutschen Bevölkerung seinerzeit versprochene Stabilität von Geldwert und Staatsfinanzen nicht völlig auf der Strecke bleiben.


bdvb (www.bdvb.de)
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
bdvb - Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte e.V.,
Dr. Arno Bothe, 13.09.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2011