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UNTERNEHMEN/207: Deutschland stärkt seine Position im Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS (Feldbauer)


Deutschland stärkt seine Position im größten europäischen Luft-, Raumfahrt und Rüstungskonzern EADS

von Gerhard Feldbauer, 11. Dezember 2012



Die Daimler AG, vor 12 Jahren mit anderen Visionen Mitbegründer der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS), hat vergangenen Freitag in einem spektakulären Umverteilungscoup die deutsche Staatsbeteiligung gestärkt. Von ihrem 2011 noch 22,5 Prozent Aktienanteil hat sie weitere 7,5 verkauft. 2,7 Prozent an die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), 1,9 Prozent an das 2007 von Daimler und der Bundesregierung gebildete Investorenkosortium Dedalus, dessen Anteile auf 9,4 Prozent ansteigen, den Rest an weitere Anleger.


Die Rolle des Stuttgarters

EADS ging 2000 aus einer Fusion der deutschen DaimlerChrysler Aerospace AG (DASA), der französischen Aerospatiale-Matra und der spanischen CASA hervor. Die Rolle des Stuttgarters resultiert aus der Struktur des damaligen Daimler-Benz-Konzerns als sogenannter integrierter Technologiekonzern. Mit der DASA war das Unternehmen zum »nationalen Champion« der Luft- und Raumfahrtindustrie geworden, bis diese Konzerndivision dann in EADS aufging. Daimler hielt zunächst 30, später 22,5 Prozent der Anteile am nunmehr europäischen Unternehmenskonglomerat, das heute an über 170 Produktionsstandorten weltweit mit rund 133.000 Beschäftigten tätig ist, hauptsächlich in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, aber auch in den USA und Australien. Mit einem Umsatz von 49 Mrd. Euro ist der Konzern nach Boeing das zweitgrößte Luft- und Raumfahrtunternehmen der Welt.

Bereits zu Beginn 2012 hatte Daimler 7,5 Prozent seiner Aktien an die KfW verkauft. Einen begrenzten Aktienanteil hält die in der Flugzeug- und Raumfahrtbranche tätige französische Unternehmensgruppe Lagardère. Bodo Uebber, Vorstand Finanzen und Controlling bei Daimler, betonte ausdrücklich, "unsere Platzierung der EADS-Aktien erfolgt in Einklang mit den Interessen der Bundesrepublik Deutschland".

Von einer deutsch-französischen Parität, wie sie in verschiedenen Medien deklariert wurde, kann kaum die Rede sein. Zu Dedalus gehören Commerzbank, Credit Suisse, Deutsche Bank, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Landeskreditbank Baden-Württemberg-Förderbank und Süd-Kapitalbeteiligungs-Gesellschaft. Auf Dedalus üben Daimler und KfW bestimmenden Einfluss aus. Es wurde vereinbart, dass sich alle privaten Investoren, die Landeskreditbank Baden-Württemberg-Förderbank sowie die Süd-Kapitalbeteiligungs-Gesellschaft aus Dedalus zurückziehen. Verkäufe sollen auch hier vorzugsweise an die KfW gehen. Die Stimmrechte des Konsortiums werden vorerst weiter von Daimler ausgeübt.


Auseinandersetzung über wachsendes deutsches Übergewicht

Nach dem Einstig der KfW zu Jahresbeginn war es zu heftigen Auseinandersetzung über das wachsende deutsche Übergewicht in dem vor allem für die Rüstung entscheidenden Konzern gekommen. Der damalige EADS-Vorstandschef Louis Gallois wandte sich entschieden gegen den Einstieg von KfW und ließ eine "feindliche Übernahme" anklingen. Nach ihm hat im Juni 2012 der frühere Fallschirmjäger-Major, Mitarbeiter im Planungsstab der Hardthöhe, Chef des Deutschen Luft- und Raumfahrtverbandes, Thomas Enders, bei EADS das Kommando übernommen.

Frankreichs Staatspräsident François Hollande wahrte Contenance und zeigte sich "zufrieden" mit der neuen Konzernstruktur. Kanzlerin Angela Merkel versicherte, die deutsch-französische Partnerschaft werde "in Balance weitergeführt" und versprach, Deutschland und Frankreich würden "künftig in gleicher Höhe Anteile an EADS halten" (die mit jeweils 12,5 Prozent angegeben werden, Spanien besitzt vier Prozent). Lange dürfte das wohl nicht so bleiben. Wenn die KfW, die jetzt bereits 12,1 Prozent hält, wie angekündigt, Anteile von Daimlers Rest übernimmt, wird die deutsche Staatsbeteiligung weiter erhöht.


Bankengigant KfW

Denn die KfW ist mit einem Anteil der Bundesrepublik zu 80 und der Bundesländer zu 20 Prozent eine deutsche Staatsbank, über welche die Bundesrepublik direkter Aktionär bei EADS ist. Das kolossale Wachstum des deutschen Bankengiganten verdeutlichen dessen Bilanzsummen. Von 1980 umgerechnet etwa 28 Mrd. Euro war sie 2010 auf 442 Mrd. Euro und 2011 auf 494,8 Mrd. Euro (für den Gesamtkonzern, nach International Financial Reporting Standards (IFRS) angewachsen. Damit ist die KfW die drittgrößte deutsche Bank. Paris hat da nichts entgegen zu setzen.

Bei der KfW handelt es sich um die 1948 zur Finnanzierung des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft gegründete Bank. Ihr Startkapital stammte vor allem aus Mitteln des European Recovery Programm (kurz "Marshallplan" genannt). Von 15 Mrd. Dollar des ERP, die in 17 westeuropäische Staaten gingen, erhielt die Bundesrepublik 10,1 Prozent. Während der Marshallplan damals wesentlich die Expansion des USA-Kapitals nach Westeuropa beförderte, ist es heute umgekehrt: Die Umstrukturierung der EADS unter deutscher Vorherrschaft richtet sich gegen die Konkurrenz aus Übersee und dient dazu, sich gegenüber den USA ein Übergewicht zu verschaffen. Davon zeugte auch, dass die USA, Australien, Kanada und Japan von Verkaufsangeboten ausgeschlossen waren.


Zieht Rüdiger Grube in den EADS-Verwaltungsrat ein

Zum Verhältnis des Bundes zur KfW ist hervorzuheben, dass die Bundesrepublik für deren sämtliche Verbindlichkeiten und Kredite haftet. Von internationalen Ratingagenturen hat sie die bestmögliche Bonitätsbewertung (Triple A-Rating/AAA) erhalten. Hauptstandort der KfW ist Frankfurt/Main. Vorgesehen ist im Ergebnis der Neuordnung der Machtverhältnisse, dass ein neuer Interessenvertreter Deutschlands in den EADS-Verwaltungsrat einzieht. Laut "Spiegel" sei Bahnchef Rüdiger Grube im Gespräch. Er stand bereits als Daimler-Vorstand einmal an der Spitze dieses Gremiums.


Wachsendes militärisches Gewicht

Bereits ökonomisch führend gewinnt Deutschland jetzt stärkeres militärisches Gewicht im größten europäischen Luft-, Raumfahrt und Rüstungskonzern. Darunter bei: Airbus, neben Boeing weltweit größter Flugzeugbauer, u. a. militärische Tank-, Transport- und Einsatzflugzeuge; Astrium, mit Galileo und Ariane die europäische Nummer eins im Raumfahrtgeschäft und mit der Ariane-Rakete europäischer Marktführer bei Raumfahrtprogrammen, das den gesamten Raumfahrtbereich bis hin zu Satellitendiensten abdeckt; Cassidian, weltweiter Marktführer bei modernsten Lösungen für Streitkräfte und zivile Sicherheit. Herausragend der Eurofighter; dem weltweit größten Hubschrauber-Hersteller Eurocopter. Demnächst wollen Deutschland und Frankreich zum Schutz der "nationalen Sicherheitsinteressen" gemeinsam "nationale Verteidigungsunternehmen" schaffen.

Wie DPA meldete, schossen die EADS-Aktien nach dem Umverteilungscoup mit einem plus von sieben Prozent in die Höhe Daimler kassiert aus dem Anteilsverkauf 1,66 Milliarden Euro.

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2012