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POLITIK/102: Den Europäischen Forschungsraum aufbauen (FTE info)


FTE info - Sonderausgabe EIROforum - Juni 2007
Magazin über europäische Forschung

Den Europäischen Forschungsraum des Wissens und Wachstums aufbauen

Von Janez Potocnik, Europakommissar für Wissenschaft und Forschung


"Zusammen mit dem Siebten Rahmenprogramm (RP7) bewegt sich auch die europäische Forschung weiter. Es ist der Dreh- und Angelpunkt des Europäischen Forschungsraums, der aus der Zusammenarbeit von Forschungs- und Hochschulgemeinschaften sowie der Industrie mit den Europäischen Institutionen hervorgegangen ist. Mit ihm soll auf die politischen Ziele der EU für die Förderung eines wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Europas eingegangen werden. Für dieses hochmoderne Forschungsprogramm verantwortlich zu sein, ist ein Privileg. Die Aufgaben aber fangen hier erst an. Der nächste Schritt ist die von uns eröffnete Debatte über die Verwirklichung eines offenen, starken und dynamischen Europäischen Forschungsraums.


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Das RP7 führt Maßnahmen weiter, die auch in vergangenen Programmen sehr erfolgreich waren. Dazu gehören Marie-Curie-Austauschprogramme, Stipendien und Vermittlungen. Wir werden den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zur Forschung vereinfachen. Diesen Firmen stehen oftmals nicht die Ressourcen für Forschungsinvestitionen zur Verfügung. Aber sie besitzen Innovationskapazität und das ist für ihr Wachstum und ihr Überleben von großer Bedeutung.


Eine 'Champions League' der Europäischen Forschung

Neben Kontinuität gibt es auch einige spannende neue Elemente im RP7. Eines davon ist die Einrichtung des Europäischen Forschungsrates. Zum ersten Mal steht der EU ein spezieller Mechanismus zur Verfügung, der die großartigen Ideen der glänzendsten und besten Forscher fördern wird. Ich stelle mir das wie eine 'Champions League' der europäischen Forschung vor. Noch niemals zuvor gab es einen Finanzierungsmechanismus für Forschung auf europäischer Ebene, der nicht die Gründung eines Konsortiums mit Partnern aus verschiedenen Ländern fordert und nicht schon im Vorhinein vorrangige Forschungsthemen festlegt. Der Europäische Forschungsrat wird die vielversprechendsten und interessantesten Ideen auswählen und die Entscheidung dazu wird von der Forschungsgemeinde unabhängig getroffen.

Die Europäischen Technologieplattformen, die Forscher, Industrie und andere Interessenvertreter um eine gemeinsame Vision und Forschungsagenda herum zusammenführen, werden ihre wichtige Arbeit weiterführen und die Prioritäten des 7. Rahmenprogramms beeinflussen. Die Gemeinsamen Technologieinitiativen werden die Arbeit einiger Technologieplattformen durch die Gründung eines neuen Typs öffentlich-privater Partnerschaften einen Schritt weiter bringen. Wir unterstützen auch zum ersten Mal, die Entwicklung echter europäischer Forschungsinfrastrukturen, die allen Wissenschaftlern offen stehen. Dadurch wollen wir gewährleisten, dass der Zugang zu den benötigten Einrichtungen kein geografischer Zufall ist.


Kein Selbstzweck

Allein die Einrichtung des Rahmenprogramms ist sicherlich eine Leistung. Aber sie ist auch kein Selbstzweck. Die richtige Arbeit beginnt jetzt erst, indem Forscher, Wissenschaftler und Unternehmen in Forschung und Innovation investieren. Forschung sollte ein zentraler Punkt in unserem Denken über die langfristige Sicherung unserer Zukunft im Hinblick auf Wirtschaft, Gesellschaft und die Umwelt sein. Wissen und Innovation für Wachstum untermauern alle Bestandteile der Strategie von Lissabon. Die heutige Wirtschaft und der Wohlstand der Bürger stützen sich auf den Wissenszuwachs und die Umsetzung dieses Wissens in neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen. Aber um mithilfe von Wissen konkurrieren zu können, muss die Forschung an der Spitze der politischen Agenda stehen.

Wir vergessen manchmal, dass Wissen Europas wichtigste Ressource ist. Europa hat nicht viele natürliche Ressourcen. Wir können nicht mit niedrigen Löhnen und Gehältern konkurrieren, wir sind einer Gesellschaft mit sozialer Sicherheit verpflichtet, um die Schwächeren zu schützen. Und wir sorgen uns um unser Umweltvermächtnis, das wir den kommenden Generationen hinterlassen. Unsere einzige Alternative ist, das Beste aus unseren gut ausgebildeten Menschen zu machen, aus unseren Spitzeneinrichtungen und unserer Fähigkeit, Wissen in innovative Dienstleistungen und Produkte umzusetzen.


Durch Investitionen Arbeitsplätze schaffen und erhalten

Die Forschung hat uns dabei geholfen, dorthin zu gelangen, wo wir jetzt stehen, und sie wird uns auch noch weiter nach vorne bringen, aber nur, wenn wir sie entsprechend pflegen. Deshalb ist das RP7 so wichtig, obwohl es allein nicht ausreicht. In Europa besteht das dringende Bedürfnis für mehr Investitionen in Ausbildung, Forschung und Innovation. Das ist nicht einfach nur eine nette, zeitgemäße Idee. Es ist ein wesentlicher Punkt, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Wissen ist ein Bereich, in dem Europa wirklich etwas bewirken kann. Es ist wichtig als Einheit zu handeln, wenn ein Bewusstsein für Europas Potenzial geschaffen werden soll. Durch das Zusammenführen von Menschen, Einrichtungen und Wissen aus ganz Europa und darüber hinaus, möchte ich einen wirklichen Binnenmarkt für Wissenschaftler schaffen: einen Europäischen Forschungsraum.


Wir haben keine Zeit zu verlieren

Die Idee zum Europäischen Forschungsraum entstand ungefähr im Jahr 2000, ebenso wie die Strategie von Lissabon. Nach sieben Jahren ist es nun an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, denn wir müssen immer mehr globale Herausforderungen anpacken, deren Ausmaß und Tragweite uns keine andere Wahl mehr lassen, als unsere Kräfte zu vereinen. Wir müssen Zersplitterung vermeiden und den Forschern die Koordination ihrer Arbeiten erleichtern. Deshalb muss sich der Europäische Forschungsraum vor allem auf Infrastrukturen, Forschermobilität, die gemeinsame Planung zwischen nationalen und europäischen Trägern von Forschung in den Bereichen Energie oder Gesundheit und natürlich auf internationale und multidisziplinäre Zusammenarbeit ausrichten.

Durch die Schaffung eines Europäischen Forschungsraums werden wir Infrastrukturen bereitstellen können, an die die meisten nationalen Etats nicht heranreichen, und über Austauschprogramme die Wissenschaftler aus der ganzen Welt zur Forschung zusammenführen. Am wichtigsten ist allerdings, dass wir das, wozu wir alleine nicht in der Lage sind, gemeinsam tun können. Ich möchte hier nicht nur eine Diskussion über Geld beginnen. Es geht auch darum, inwieweit wir es wagen, eine tatsächlich wissensbasierte Gesellschaft aufzubauen. Ich möchte sehen, ob wir so weit sind, die 'United States der Forschung' mit Sitz in Europa zu schaffen. Ich meine mit dem Begriff "states" nicht Länder oder Nationalstaaten oder Mitgliedstaaten. Ich meine "states" im Sinn von Entwicklungsstatus, Stand der Zusammenarbeit, Innovationsstand - kurz: die Lage der Zukunft, in der wir vereint sind und zusammenarbeiten.


Die Vision 2020 des Europäischen Forschungsraums

In den vergangenen Wochen hat die Europäische Kommission ein Grünbuch veröffentlicht, das die Debatte über die Vision 2020 des Europäischen Forschungsraums und die wichtigsten Ausrichtungen für die Zukunft einleitet. Danach werden wir uns die Zeit nehmen, alle betroffenen Parteien, Wissenschaftler, politische Entscheid ung sträger, die Industrie und die Hochschulen mit einzubeziehen. Dahinter steht die Idee, konkrete Vorschläge vorzubringen, um den Europäischen Forschungsraum in 2008 zu stärken. In sieben Jahren wird das Bewusstsein über den Beitrag der Forschung zu unserer Weiterentwicklung und unserem Wohlstand noch besser sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass die europäische Forschungs gemeins chaft aktiv zu dieser Debatte beitragen wird. Gemeinsam können wir einige echte Veränderungen in der europäischen Forschungs landschaft bewirken."


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

> Janez Potocnik besichtigt das Institut für Transurane (ITU) in Karlsruhe (DE).

> "Wir müssen Zersplitterung vermeiden und den Forschern die Koordination ihrer Arbeiten erleichtern." (Janez Potocnik)


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Quelle:
FTE info - Sonderausgabe EIROforum, Juni 2007, Seite 4-5
Magazin über europäische Forschung
Copyright: Europäische Gemeinschaften, 2006
Herausgeber: Referat Information und Kommunikation der
GD Forschung der Europäischen Kommission
Chefredakteur: Michel Claessens
Redaktion: ML DG 1201, Boîte postale 2201, L-1022 Luxembourg
Telefon: 0032-2/295 99 71, Fax: 0032-2/295 82 20
E-Mail: rtd-info@ec.europa.eu
Internet: http://ec.europa.eu./research/rtdinfo/index_de.html

FTE info wird auch auch auf Englisch, Französisch und
Spanisch herausgegeben. Die Zeitschrift kann kostenlos
über die folgende Website abonniert werden:
http://ec.europa.eu./research/mail-forms/rtd-adr_de.cfm


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2007