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ALTERTUM/004: Rom - Mit Disziplin und Ordnung zur Weltmacht (epoc)


epoc 1/12
Geschichte · Archäologie · Kultur

Mit Disziplin und Ordnung zur Weltmacht

Von Paul Wagner



Das römische Imperium war auch deshalb so erfolgreich, weil seine Verwaltung sehr gut funktionierte. Insbesondere die Militärs profitierten davon. Sie erhielten drei Viertel des staatlichen Etats, waren perfekt organisiert und aus diesem Grund besonders schlagkräftig.


Zur Zeitenwende hatte sich Rom endgültig vom aristokratisch geprägten Stadtstaat zu einem Imperium gewandelt, das die damals bekannte Welt umspannte. Auf einer Fläche von etwa drei Millionen Quadratkilometern - inklusive der Seegebiete waren es sogar fünfeinhalb Millionen Quadratkilometer - lebten rund 50 Millionen Menschen, die nicht nur beherrscht, sondern auch verwaltet werden mussten (siehe Karte S.38/39 der Printausgabe).

Dabei war die Zentrale der Macht innenpolitisch zunächst ausgesprochen empfindlich gegenüber Veränderungen - was die althergebrachten politischen Strukturen betraf, aber auch hinsichtlich monarchistischer Bestrebungen. Nach dem Tod von Julius Cäsar im Jahr 44 v. Chr. schaffte erst Octavian, der spätere Kaiser Augustus, die Stabilisierung der Machtverhältnisse: Die alten stadtrömischen Titel und Ämter ließ er zwar bestehen, in der Institution des Prinzipats vereinigte er aber alle wichtigen Magistratsämter auf sich selbst. Damit war einerseits dem »mos maiorum«, der »Sitte der Vorfahren« Genüge getan, andererseits schuf Augustus damit die Instrumente, die er zum Regieren als Alleinherrscher brauchte.

Doch das Römische Reich war trotz seiner komplexen Gesetze kein Rechtsstaat. Und so fällt es schwer, Vergleiche mit heutigen Strukturen anzustellen. Eine Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive gab es nicht. Stattdessen prägten Standes- und Klassenunterschiede die Gesellschaft, der es an innerer Sicherheit und ökonomischer Steuerung mangelte. Gleichwohl war das römische Staatswesen für die nächsten zwei Jahrtausende immer wieder prägendes Vorbild. Das könnte auch daran gelegen haben, dass Rom über eine gut organisierte und deshalb effektive Verwaltung verfügte.

Das alles kostete viel Geld. Um 150 n. Chr. lagen die Staatsausgaben bei fast einer Milliarde Sesterze, 65 Jahre später wurden dafür bereits um die 1,5 Milliarden Sesterze aufgewendet. Allein die Gehälter der führenden Legaten und Prokuratoren sowie deren Mitarbeiter verschlangen jährlich um die 75 Millionen Sesterze. Bis zu 60‍ ‍Millionen wurden für Neubau und Unterhalt öffentlicher Gebäude ausgegeben. Zudem unterhielt der Kaiser noch Anfang des 5. Jahrhunderts in Rom 290 Getreidelager und 277 staatliche Großbäckereien für die kostenlose Versorgung der Stadtbevölkerung. Mit 1300‍ ‍Schiffen wurden dafür jährlich über 200.000 Tonnen Getreide aus Nordafrika und Ägypten eingeführt, gemahlen und zu Broten gebacken - die an Stadtbewohner mit entsprechenden Bezugsmarken verteilt wurden.

Für den Schutz der Bevölkerung vor Räuberbanden tat der Staat indes wenig. Zwar gab es in den Städten vereinzelt Wachtruppen - die »vigiles« -, doch insbesondere in den Provinzen sorgte kaum jemand für Sicherheit und Schutz vor kriminellen Übergriffen aller Art. Den Löwenanteil staatlicher Ausgaben, nämlich rund drei Viertel des Gesamtetats, beanspruchte das Militär. Kam es im 1. Jahrhundert n. Chr. noch mit einer knappen halben Milliarde pro Jahr aus, wurden 215 n. Chr. fast 1,2 Milliarden Sesterze benötigt.


Arme Römer, reiche Römer
Der Sesterz war, wenn man so will, der Euro des Römischen Reichs. Jedenfalls war die Münze, die zunächst aus Silber, später aus Bronze bestand, im ganzen Imperium anerkanntes Zahlungsmittel - und zwar vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. Während der Kaiserzeit machten vier Asse einen Sesterz und vier Sesterze einen Denar.
Die Kaufkraft lässt sich heute nur schwer abschätzen. Vermutlich lebte ein Großteil der Bevölkerung am Existenzminimum, während nur eine kleine, aber reiche Oberschicht im Luxus schwelgte.
Ein einfacher Soldat etwa verdiente in den Diensten von Kaiser Augustus rund 100 Sesterze im Monat. Das war nicht gerade viel, reichte aber zum Leben. Zumal er für Unterkunft und Verpflegung nicht selbst aufkommen musste. Beim Wein- laut Graffiti in Pompeji kostete ein halber Liter Landwein ein As - musste er also wohl nicht sparen. Eine einfache Tunica gab es für rund 15 Sesterze, ihre Reinigung kostete vier Sesterze.
Ein vierbeiniger Untersatz hingegen blieb für einen einfachen Soldaten unerreichbar: ein Maultier kostete 520 Sesterze und damit mehr als fünf Monatslöhne. Um sich diesen Luxus zu leisten, musste man es schon zu etwas gebracht haben. Zum Zenturio beispielsweise, der leicht mehr als 1000 Sesterze im Monat verdiente und sich womöglich auch einen Sklaven für 2000 Sesterze kaufen konnte.
Der Weg ganz nach oben stand indes nur den wenigsten offen. Wer in den Senatorenstand erhoben werden wollte, musste ein Vermögen von mindestens einer Million Sesterze nachweisen.

Abbildung Seite 54 der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht:
Die römischen Münzen gehören zum »Tempelschatz von Xanten« aus dem 3. Jahrhundert n. Chr.


Spätestens nachdem sich im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. das bis dahin nur bei Bedarf aufgestellte Milizheer der römischen Republik in eine stehende Berufsarmee gewandelt hatte, war sie es, die das Bild des Imperiums für die Nachwelt prägte: Dieses wurde - und wird bis heute - wie kein anderer Staat der Antike vor allem mit ebendieser Militärmacht gleichgesetzt. Aus gutem Grund: Die Militärs setzten ihr Geld gezielt ein und stellten Verbände auf, denen kaum ein Gegner gewachsen war.

Der Erfolg beruhte nicht nur auf der fortschrittlichen Waffentechnik, sondern auch auf der gründlichen Ausbildung und der professionellen Einstellung der Soldaten. Das körperliche Training bestand im Wesentlichen aus Marschieren und Laufen (mit Gepäck und Ausrüstung), Springen und Werfen sowie Schwimmen. Seit Augustus waren diese und andere Ausbildungsziele in Dienstvorschriften gefasst und allgemein verbindlich. Der Rekrut sollte demnach zweimal, der altgediente Soldat einmal täglich an Übungen teilnehmen. Durchschnittlich wurde einem ausgebildeten Legionär eine tägliche Marschleistung von 20 Kilometern abverlangt, zuzüglich zum Abbrechen des Marschlagers am Morgen und dem Aufbau eines neuen Lagers mit Wall und Graben am Abend. Dreimal im Monat standen überdies Übungsmärsche mit Waffen und 30 Kilogramm schwerem Gepäck über Distanzen von mindestens 16 Kilometern auf dem Dienstplan. Allein in der Umgebung des Legionslagers Vetera Castra in der Nähe des heutigen Xanten stießen Archäologen bisher auf die Überreste von 87 Übungslagern.

Die Bewaffnung der Legionäre war für die im Einsatzfall zu erwartenden Nahkampfsituationen einfach, zweckmäßig und effektiv. Sie bestand aus dem zweischneidigen Kurzschwert (»gladius«), dem Dolch (»pugio«) und dem schweren Wurfspeer (»pilum«). Zum Schutz trugen die Soldaten einen Metallpanzer (»lorica«), einen Eisenhelm (»cassis«) sowie einen Holzschild (»scutum«) mit bemaltem Lederüberzug und einem Metallschildbuckel.

Im Lauf der mehrhundertjährigen Kaiserzeit gab es im Detail immer wieder Veränderungen. Trug etwa der Legionär anfangs ein Kurzschwert, welches auf der rechten Körperseite in einem Gürtel (»cingulum«) steckte, gehörte im 3. Jahrhundert ein schräg über die Schulter führender Schwertgurt (»balteus«) mit einem Langschwert (»spatha«) auf der linken Seite zur Ausstattung. Der Panzer war ursprünglich ein von den Kelten übernommenes eisernes Kettenhemd aus verschränkten Ringen. Schon in der Varusschlacht 9 n. Chr. trugen die römischen Legionäre auch eiserne Schienenpanzer, die aus überlappenden Metallblechen zusammengesetzt waren.


Mit acht Kameraden auf der Stube

Ebenfalls im 3. Jahrhundert kamen einfache Kettenhemden zum Einsatz, die über den Kopf gestreift werden konnten. Daneben erschienen auch kunstfertige Panzer, bei denen Metallschuppen aus Eisen oder Bronze auf Stoff oder Leder aufgenäht waren. So genannte Muskelpanzer, Schutzplatten aus Bronze, die über einer Lederkleidung getragen wurden und oft durch Treibarbeiten aufwändig verziert waren, dienten vorwiegend Repräsentationszwecken und schmückten Feldherren oder hohe Offiziere.

Für den normalen Legionär war der Helm nicht selten der lebenswichtigste Teil seiner Ausrüstung. Er bestand aus einer Metallkalotte, ursprünglich aus Bronze, später aus Eisen, mit einem Nackenschirm und Wangenklappen. In der weiteren Entwicklung wurde der Nackenschutz nach unten gezogen und der anschließende Schirm für den Schutz der Schultern ausgedehnt. In späterer Zeit kamen Schutzbleche für die Ohren, ein Stirnbügel, Helmbuschhalter und schließlich ein eiserner Kreuzbügel über der Helmkalotte dazu, der den Schlag des Gegners federnd abwehrte.

Organisiert waren die Soldaten in Legionen aus je neun Kohorten zu je sechs Zenturien - Letztere bestanden aus jeweils 80 Legionären. Acht Kameraden teilten sich ein Zelt oder eine Stube in der Kaserne und kochten zusammen. Da die erste Kohorte doppelt besetzt war, hatte eine Legion insgesamt eine Stärke von etwa 4800 Männern. Hinzu kamen Hilfstruppen verbündeter Völker (»auxilia«), rund 1000 Pferdeknechte und weiteres Personal. Alles in allem befehligte ein Legionskommandant somit bis zu 15.000 Menschen. Während der Kaiserzeit standen stets rund 30 Legionen unter Waffen - zusammen mit den Hilfstruppen also etwa 400.000 Mann. All diese Menschen (und Tiere) mussten verwaltet, ernährt, untergebracht und bezahlt werden. Und das nicht nur zu Kriegszeiten. So verfügte jede noch so entlegene Kaserne über ein beheiztes Badehaus (siehe Beitrag S. 64 der Printausgabe). Auch für kleinere, nur rund 500 Mann starke Einheiten richtete man eigene Hospitäler ein.

Derart gut vorbereitet und organisiert ging es in die Schlacht. Bei der Grundaufstellung der Legion, die beim Aufeinandertreffen mit dem Feind in jedem Fall erreicht werden sollte, marschierten die einzelnen Kohorten schachbrettartig hintereinander. So konnte der Feldherr auf Befehl durch seitliches Verschieben der Verbände Gassen bilden lassen oder durch Aufrücken beziehungsweise Verzögern die Kohorten in geschlossene Linien zusammenziehen.

Nicht zu unterschätzen ist die psychologische Wirkung solcher Manöver auf den Feind, der sich einer geschlossenen, quasi ferngesteuerten Masse gegenübersah. Stanley Kubrick hat in seinem Film »Spartacus« eine solche Formierung mehrerer Legionen nachstellen lassen und mit dieser Szene Filmgeschichte geschrieben.

Beim Aufeinandertreffen kam zuerst das in großer Zahl geschleuderte »pilum« zum Einsatz. So war der Feind gezwungen, sich in die Schilddeckung zu zwängen. Zugleich liefen die Angreifer in geschlossener Formation gegen die Front. Der große, gebogene Schild diente dem Legionär als Deckung, in der rechten Hand führte er den »gladius«. Ziel war es, den Feind beim Ausholen zu einem Schlag durch Stiche mit dem Schwert in den Leib zu verwunden.

Die Legionärsformation versuchte stets als Einheit zu agieren und unter gegenseitiger Deckung und Hilfe Lücken sofort zu schließen. Bei der Ausbildung wurden viele gemeinsame Manöver eingeübt, die im Kampf ohne weitere Überlegung beherrscht werden mussten. Die nicht zuletzt auf Grund ihrer Rolle in den Asterix-Comics wohl bekannteste Formation war die Schildkröte (»testudo«), mit der sich Truppenteile gegen den Beschuss von oben sichern konnten.

Für Angriffe aus noch größerer Entfernung standen Schleudergeschütze bereit (»ballista«, »catapulta«, »tormenta«). Gegen sie gab es praktisch keinen Schutz. Die Torsionsgeschütze verfügten über Hebelarme, die mit Hilfe von in sich verdrehten Strangbündeln aus Seilen oder Haaren gespannt wurden. Die Geschütze verschossen meist eiserne Bolzen auf einem Holzschaft, Steinkugeln - oder Bienenkörbe (siehe Abenteuer Archäologie 5/2006, S. 14). Bei Belagerungen schleuderten die Römer auch brennende Strohbündel in feindliche Lager.

Visieren konnte man über eine vertikal verstellbare Führungsrille für den Bolzen, für das seitliche Richten wurde das Geschütz auf dem Drehpunkt seiner Lafette geschwenkt, für einen bestimmten Höhenwinkel auch gekippt. Die Konstruktion gab es in verschiedenen Dimensionen. Zweiarmige Torsionsgeschütze konnten einen Druck von bis zu zwölf Tonnen aufbauen. Von den größten wird berichtet, dass sie in der Lage waren, über die Donau hinwegzuschießen. Es konnten wohl Schussweiten bis 1000 Meter erzielt werden, die effektive Kernschussweite dürfte aber bei 500 Metern gelegen haben. Kleinere Geschütze reichten zwischen 150 und 300 Meter weit.


Tödlicher Wildesel

Große Geschütze wurden meist auf eigenen Wagen transportiert und deshalb als »carroballista« bezeichnet. Darstellungen davon finden sich beispielsweise auf der Trajanssäule in Rom. Die kleinste, eine Art Handballista, konnte von einem Soldaten wie ein Gewehr getragen und eingesetzt werden. Die Wirkung der Ballisten, von denen jede Legion 55 Stück mit sich führte, war gerade bei Belagerungen gegenüber den Verteidigern auf den Mauern außerordentlich groß. Für diese Zwecke verfügte die Legion darüber hinaus auch über Geschütze vom Typ »Wildesel«, lateinisch: »onager«. Diese Katapultwaffe verfügte über einen mit Spannseilbündeln gestreckten Wurfarm, an dessen Ende sich eine Schlinge oder Wurfschale für die Aufnahme eines Steingeschosses befand. Große Onager erreichten einen Spanndruck von bis zu 60 Tonnen. Das Geschütz sprang bei jedem Schuss am hinteren Ende in die Höhe, was ihm den Vergleich mit einem ausschlagenden Wildesel einbrachte.

Dass die Einnahme einer Festung Ausdauer und einiges organisatorische und ingenieurtechnische Geschick erforderte, bewies Julius Cäsar im Sommer 52 v. Chr., als er 70.000 Soldaten einsetzte, um den gallischen Ort Alesia zu bezwingen. Sechs Wochen lang waren die Gallier von einem inneren, 15 Kilometer langen und einem äußeren, 21 Kilometer langen Belagerungsring umgeben. Auf den Bildern von Luftbildarchäologen sind diese Strukturen bis heute nachweisbar. Auch der Brückenschlag über den Rhein ein paar Jahre später war eine Demonstration der technischen Überlegenheit. In nur zehn Tagen errichteten die römischen Soldaten damals zwischen Andernach und Koblenz eine wohl 400 Meter lange Pfahljochbrücke (siehe Beitrag S. 43 der Printausgabe).

Bestens überliefert - auch durch archäologische Zeugnisse - ist die römische Belagerungstechnik jedoch an ganz anderer Stelle: rund um die Bergfestung Masada unweit des Toten Meers (siehe Kasten unten). Hierhin hatten sich nach der Eroberung Jerusalems durch die Römer im Jahr 70 n. Chr. die Aufständischen zurückgezogen. In den Berichten über den Jüdischen Krieg des Historikers und Augenzeugen Flavius Josephus finden sich zahlreiche Details zum Hergang der Dinge, darunter auch ausführliche Beschreibungen der römischen Kriegsmaschinerie.


Das grausame Ende des jüdischen Aufstands
Jotapata, westlich des Sees Genezareth, gehörte zu den wichtigsten Orten des jüdischen Widerstands gegen die Römer. Flavius Josephus führte die Verteidigung der Stadt an und erlebte im Sommer 67 n. Chr. auch ihren Untergang:
»Jetzt ließ Vespasian ringsum seine Geschütze, alles in allem an die 160 Stück, vor der Stadt auffahren und gegen die Kämpfer auf der Mauer entladen. Mit einem Mal schnellten die Katapulte ihre Lanzen in die Höhe und sausten zentnerschwere Steine von den Ballisten, Feuerbrände und eine so dichte Wolke von Pfeilen durch die Luft, dass dadurch nicht bloß die Mauer, sondern sogar jedes freie Plätzchen im Innern der Stadt, so weit sie überhaupt reichten, den Juden unnahbar gemacht wurde. Denn mit den großen Geschützen vereinigte sich auch das Kleingewehr aus dem Schwarm der arabischen Bogenschützen, von den Wurfspießwerfern und Schleuderern.
Dabei war die Gewalt der kleinen und großen Katapulte so groß, dass sie gleich viele auf einmal durchbohrten, und der Anprall der von den Ballisten abgeschossenen Steine so heftig, dass er ganze Brustwehren wegriss und die Ecken von den Türmen plattdrückte.
Es gab keinen noch so kompakten Schlachthaufen, der nicht bis zur letzten Reihe unter der Wucht und Größe eines solchen Steins niedergestreckt worden wäre. Gerade aus einigen Vorgängen während dieser furchtbaren Nacht mag man die Kraft der Maschinen abnehmen. So wurde von der Balliste ein Mann aus der Umgebung des Josephus, als er auf der Mauer stand, getroffen und ihm dabei von dem Stein der Kopf weggerissen und die Hirnschale noch drei Stadien weit geschleudert!«
Flavius Josephus (1. Jahrhundert n. Chr.), »Der jüdische Krieg«, Buch 3, Kapitel 7,9


Wie Josephus schreibt, hatten sich im Jahr 73 in dem von Herodes I. auf einem Tafelberg errichteten Masada 960 Aufständische verschanzt - umstellt von der Legio X Fretensis und ihren Hilfstruppen unter dem Kommando von Flavius Silva. Silva ließ einen Belagerungsring mit acht Kastellen anlegen und an der niedrigsten Seite des Bergs eine noch heute gut erhaltene Rampe aufschütten, auf der die Römer Rammböcke und Belagerungsmaschinen heranschafften. Sie war rund 200 Meter lang und am Bergfuß genauso breit. Von dort stieg sie bis auf 55 Meter Höhe an. 15.000 Legionäre hatten dazu mehr als 800.000 Kubikmeter Sand und Gestein aufgeschüttet. Jeder einzelne Soldat bewegte im Schnitt gut 100‍ ‍Tonnen. Alles in allem entspricht dies der Ladung von fast 40.000 modernen Muldenkippern!

Angesichts dieser Übermacht hatte die Eingeschlossen keine Chance. Bevor ihnen - im besten Fall - ein Leben in der Sklaverei blühte, richteten alle Kämpfer das Schwert gegen sich.


Der Archäologe, Prä- und Althistoriker Paul Wagner leitete die Außenstelle Zülpich (heute Nideggen) des Rheinischen Amts für Bodendenkmalpflege. Bis 2010 war er mit der Vorbereitung des UNESCO-Welterbeantrags »Frontiers of the Roman Empire. Niedergermanischer Limes« beschäftigt. Seit 2011 ist er im Ruhestand.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 53:
Der mit Silberblech überzogene Eisenhelm aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. hat die Gestalt eines Kopfes mit Kurzhaarfrisur und Lorbeerkranz, Ohren und Barthaaren. Auf der Stirn prangt das Bildnis eines Feldherrn. Gefunden wurde der Helm im Rhein bei Xanten.

Abb. S. 55:
Dieser knapp 50 Zentimeter lange »gladius« verfügt über einen Griff aus Knochen oder Elfenbein. Das Schwert fand sich im niederländischen Nimwegen, wo die Römer im 4. Jahrhundert ein Kastell unterhielten.

Abb. S. 56-57:
Rom - vom Stadtstaat zum Weltreich (Kurz-Chronik)


© 2012 Paul Wagner, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
epoc 1/12, Seite 52 - 59
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2012