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ALTERTUM/015: Berufsverbände antiker Wettkämpfer - Förderung für Forschungsprojekt (idw)


Universität Mannheim, Katja Bär, 03.09.2015

Berufsverbände antiker Wettkämpfer: Förderung für Projekt der Historikerin Prof. Dr. Sofie Remijsen


Das mit 139.000 Euro dotierte Projekt schließt eine Forschungslücke in der Geschichte des antiken Wettkampfsports. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf den internationalen Berufsverbänden antiker Athleten und Künstlern und deren Einfluss auf die Globalisierung der Spiele.


Vom ersten Jahrhundert v. Chr. an waren die antiken Wettkämpfer wahre Kosmopoliten: Sie besaßen mehrere Staatsbürgerschaften, nahmen an internationalen Wettkämpfen teil und reisten von einer römischen Provinz in die andere. Doch woher wussten die Wettkämpfer, wann und wo sie sich messen konnten und welche Preise es zu gewinnen gab? Diese Fragen möchte Prof. Dr. Sofie Remijsen in ihrem aktuellen Forschungsprojekt beantworten. Dafür untersucht die Juniorprofessorin für Alte Geschichte an der Universität Mannheim gemeinsam mit dem Doktoranden Bram Fauconnier, welche Rolle internationale Berufsverbände bei der Vernetzung des antiken Wettkampfsports spielten. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg fördert das auf drei Jahre angelegte Projekt mit 139.000 Euro.

Obwohl die Internationalisierung der antiken Wettkämpfe bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. einsetzte, fand eine umfassende Vernetzung erst in der römischen Kaiserzeit statt: Ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. nahmen Athleten und Künstler nicht mehr nur an Wettkämpfen in Nachbarprovinzen teil, sondern bereisten auf einmal den gesamten Mittelmeerraum von Südgallien über Syrien bis Ägypten. Wie war das möglich in einer Zeit, in der Kommunikation und Transport sehr viel langsamer waren als heute? "Unsere Hypothese ist, dass die Globalisierung der Spiele erst durch die Berufsverbände der Wettkämpfer ermöglicht wurden, die etwa zur gleichen Zeit entstanden. Sie sorgten höchstwahrscheinlich für den notwendigen Informationsaustausch unter Athleten und Künstlern", sagt Prof. Remijsen.

Über die zwei Verbände, die neben dem Hauptsitz in Rom auch Zweigstellen in vielen Wettkampfstädten unterhielten, sind bisher nur wenige Details bekannt. Diese Forschungslücke möchten Remijsen und Fauconnier nun schließen. Zu diesem Zweck haben sie in einem ersten Schritt monumentale Steininschriften und Papyri aus weit verbreiteten Orten zusammengetragen. Von besonderem Interesse für die Forscher sind Papyrusschriften aus dem alten Ägypten: Mitgliedszertifikate und andere Verwaltungsdokumente dokumentieren zum Beispiel die Privilegien, die der Kaiser den Athleten gewährte, oder geben konkrete Hinweise auf den sozialen Status und die Beziehungen der Athleten untereinander.

Zur Untersuchung der Texte greifen die beiden Historiker unter anderem auf soziologische Modelle der Vereinstheorie zurück. Dabei gehen sie der Frage nach, inwiefern soziologische Theorien zu heutigen Vereinen auf ihre antiken Vorgänger übertragbar sind. Gewisse Parallelen haben die Forscher bereits gefunden: Wie heute nahm auch in der Antike die Lobbyarbeit in Vereinen einen hohen Stellenwert ein.

Neben der Entstehungsgeschichte des Verbandes plant Prof. Remijsen für die kommenden Jahre, auch die Rolle des Hauptquartiers in Rom und dessen Beziehungen zum kaiserlichen Hof näher zu erforschen. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse als Monographie ist für 2017 vorgesehen.

Sofie Remijsen studierte Alte Geschichte an der Universität Leuven, Belgien. Von 2008 bis 2012 forschte sie unter anderem als Stipendiatin des FWO (Fonds für wissenschaftliche Forschung Flanderns). Die Promotion schloss sie im Jahr 2012 ab: Unter dem Titel "The End of Greek Athletics in Late Antiquity" ist die Dissertation nun auch in Buchform erschienen. Seit Februar 2013 ist Sofie Remijsen Juniorprofessorin für Alte Geschichte an der Universität Mannheim. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der antiken Athletik, der Kultur- und Sozialgeschichte der Spätantike, sowie antiker Chronologie.



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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Mannheim, Katja Bär, 03.09.2015
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2015

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