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BERICHT/220: Gladiatoren im 21. Jahrhundert - Projekt im Bereich Experimentelle Archäologie (idw)


Universität Regensburg - 21.10.2009

Gladiatoren im 21. Jahrhundert - Wissenschaftler starten Projekt im Bereich Experimentelle Archäologie


Mit dem originalgetreuen Nachbau einer antiken römischen Galeere und zwei Fußmärschen in Legionärsausrüstung - 2004 über die Alpen und 2008 an der Donau entlang von Carnuntum (Niederösterreich) nach Regensburg - konnten Historiker der Universität Regensburg schon bundesweit auf sich aufmerksam machen. Am Dienstag, den 20. Oktober 2009, fiel auf dem Regensburger Campus der Startschuss für ein weiteres Projekt aus dem Bereich der Experimentellen Archäologie. Organisiert wird es abermals von Mitarbeitern des Lehrstuhls für Alte Geschichte der Universität Regensburg. Im Rahmen des Forschungszentrums "Region im Umbruch" (RIU) nehmen die Organisatoren dabei ein weiteres bekanntes Thema der antiken Welt näher unter die Lupe: die Gladiatoren. Gleich zwanzig originalgetreu nachgebildete Gladiatorenausrüstungen wurden der Universität Regensburg in diesem Zusammenhang durch einen großzügigen Spender, den Unternehmer Hans Schaller aus Pfaffenhofen an der Ilm, überreicht.

Historischer Hintergrund:

Wie kaum ein anderes Thema der Altertumswissenschaften ist die Geschichte der römischen Gladiatoren mit Klischees behaftet, welche die historische Realität in vielerlei Hinsicht verfälschen. Zwar waren die munera, also die Veranstaltungen, in deren Rahmen Gladiatorenkämpfe ausgetragen wurden, eine Form der Massen-Unterhaltung. Oftmals wird aber außer Acht gelassen, dass diese Form des Spektakels auf religiösen Ritualen der Etrusker fußt, die ursprünglich außergewöhnliche Ehrerbietungen für Verstorbene darstellten. Zudem ist die Geschichte der Gladiatur mit einem außergewöhnlichen Prozess der Professionalisierung verbunden, der wiederum eng mit der politischen Entwicklung Roms zusammenhängt.

Die einstige Begräbnissitte wandelte sich erst im Laufe der Zeit zu einem Bestandteil der PR-Kampagnen römischer Staatsmänner wie Caesar. In der Kaiserzeit wurden Gladiatorenkämpfe dann in nahezu allen Teilen des expandierenden Imperium Romanum eingeführt. Gladiatorenkämpfe wurden zu einem festen Bestandteil der antiken römischen Zivilisation. Während zunächst Kriegsgefangene und Sklaven zu solchen Kämpfen gezwungen wurden, zog das Leben als Gladiator in der Folge auch Angehörige der römischen Oberschicht an. Etliche vornehme Römer gaben ihren sozialen Rang auf, um dem Kreis derjenigen anzugehören, die in den Arenen des Reiches die munera austrugen. Mit brutalen und ohne jegliche Regeln ausgefochtenen Kämpfen, wie es die modernen Medien unserer Zeit suggerieren, hatten die munera darüber hinaus nur selten etwas gemein.

Obwohl sie eigentlich auf der untersten sozialen Ebene angesiedelt waren, genossen die hervorragend ausgebildeten und medizinisch bestens versorgten Gladiatoren in der römischen Gesellschaft mitunter den Status von Idolen; durchaus vergleichbar mit modernen "Super-Stars". Verbunden mit der aufwendigen medizinischen Versorgung dieser "Super-Stars" war ein abgestimmter Ernährungsplan, der genauso wie die Behandlung der Gladiatoren streng wissenschaftlichen Kriterien folgte. Beides fand Eingang in die Ausbildung des antiken römischen Heeres und leistete so einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung der Medizin des Abendlandes bis in die Frühe Neuzeit hinein.

Zielsetzung und Zeitplan des Projekts:

Genau diese wissenschaftlichen Entwicklungen werden im Zentrum des neuen Projekts der Regensburger Wissenschaftler stehen. Ausgehend von der Frage, ob es möglich ist, aus einem Menschen des 21. Jahrhunderts einen Gladiator nach antikem Vorbild zu machen, sollen diese medizinischen, ernährungswissenschaftlichen und sportwissenschaftlichen Aspekte vor dem Hintergrund antiker Quellen untersucht werden.

Nach der Übergabe der Gladiatorenausrüstungen durch den Unternehmer Hans Schaller wird es in den nächsten Wochen darum gehen, Probanden für das geplante Projekt zu finden. Gesucht werden männliche Studierende der Universität Regensburg zwischen 20 und 30 Jahren, die sich zunächst einem intensiven Kraft- und Bewegungstraining stellen müssen und im Umgang mit der schweren Ausrüstung geschult werden. Darüber hinaus wird auf der Grundlage antiker Quellen - allen voran den Ausführungen des antiken Arztes Galen - ein detaillierter Ernährungsplan aufgestellt, der den Probanden ein hohes Maß an Disziplin abverlangen wird. Zielpunkt des Projekts, dessen Ausgang zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der hohen Anforderungen an die Beteiligten völlig offen scheint, ist ein längerer Aufenthalt im Amphitheater in Carnuntum. In diesem Zusammenhang werden die Probanden einen Monat lang leben und trainieren wie antike Gladiatoren.

Das Projekt könnte neben einem tieferen Verständnis für die Lebensumstände der Gladiatoren auch weitere Erkenntnisse für die Ernährungswissenschaft, die Sportwissenschaft und die Sportmedizin liefern. Gerade deshalb werden die verschiedenen Phasen des Projekts auch von Mitarbeitern des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Regensburg begleitet.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution87


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Regensburg, Alexander Schlaak, 21.10.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2009