Georg-August-Universität Göttingen - 05.11.2015
Ältester Monumentalbau Niedersachsens entdeckt
Göttinger Archäologen legen Kreisgrabenanlage aus dem frühen 5. Jahrtausend v. Chr. frei
Von der frühen Ackerbau- und Viehhaltung treibenden Kultur mit Stichbandkeramik zwischen 4.900 und 4.300 v. Chr. war in Niedersachsen bisher nur eine Besiedlung im Braunschweiger Land schemenhaft greifbar. Nur wenige Kilometer weiter nördlich waren die Menschen zu Beginn der Jungsteinzeit noch als Jäger- und Sammlergruppen mit dem Nahrungserwerb beschäftigt. Eine neue Fundstelle, die bei Forschungsarbeiten der Universität Göttingen entdeckt wurde, verändert nun den Blick auf diese nördlichste Ausbreitung von Ackerbau und Viehzucht in der Jungsteinzeit am Beginn des 5. Jahrtausends vor Christus grundlegend. Die aktuellen Befunde weisen den ältesten Monumentalbau Niedersachsens nach, der gleichzeitig das nördlichste Bauwerk der frühen Jungsteinzeit ist.
Die Kreisgrabenanlage liegt auf einer Hügelkuppe beim niedersächsischen
Dorf Watenstedt im Landkreis Helmstedt (nördliches Harzvorland) und hat
einen Durchmesser von über 50 Metern. Sie lässt erahnen, mit welchem
Wissen die Menschen sich weit über das Hüten der Tiere und die Bestellung
der Äcker hinaus auseinandersetzten. Die Göttinger Archäologen werteten
Luftbilder aus und erkundeten daraufhin ausgewählte Fundstellen
geomagnetisch. "Bei den Ausgrabungen trat ein über einen Meter tiefer
Graben mit einer Breite von knapp zwei Metern zu Tage. Dahinter konnten
wir überraschenderweise zwei Palisadengräben nachweisen", sagt Dr. Immo
Heske vom Seminar für Ur- und Frühgeschichte. "Unterbrechungen lassen
erkennen, dass hier keine gut zu verteidigende Befestigung errichtet
wurde. Stattdessen sind die Öffnungen und Durchlässe in den Palisaden in
verschiedene Himmelsrichtungen orientiert. Wir haben auch einige Eingänge
nachgewiesen."
Forschungen aus Sachsen-Anhalt und Sachsen, die sich vor einigen Jahren den Kreisgrabenanlagen der Jungsteinzeit um 4.700 v. Chr. widmeten, ließen erkennen, dass Himmelsbeobachtungen bereits zu diesem Zeitpunkt weit fortgeschritten waren und eine erhebliche Bedeutung für die jahreszeitliche Strukturierung einer ackerbaulichen Gesellschaft hatten. Für die Anlage bei Watenstedt ergeben sich fast identische Übereinstimmungen mit den Kreisgrabenanlagen bei Goseck (Kreis Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt) und Dresden-Nickern (Sachsen). "Es wird deutlich, dass die Planung, Durchführung und Errichtung in einer eng vernetzten Gesellschaft erfolgte und entsprechend auch die geistigen Vorstellungen identisch waren", so Dr. Heske.
Mysteriös ist das Ende des jungsteinzeitlichen Rondells: "Die Funde stammen aus der oberen Verfüllung des Grabens und lassen eine gezielte Aufgabe des Ortes erkennen. Warum wurde dieser Platz in einer der ertragreichsten landwirtschaftlichen Regionen Deutschlands aufgegeben?", fragt Dr. Heske. Antworten darauf sollen weitere Untersuchungen liefern.
Weitere Informationen unter:
http://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?cid=5322
http://www.uni-goettingen.de/de/220536.html
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http://idw-online.de/de/institution77
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Georg-August-Universität Göttingen, Thomas Richter, 05.11.2015
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E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2015
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