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MELDUNG/071: Das 30.000 Jahre alt datierte Grab von Combe Capelle ist Jahrtausende jünger (SMB)


Museumsinsel Berlin - Neues Museum, Museum für Vor- und Frühgeschichte

Das bisher auf 30.000 Jahre alt datierte Grab von Combe Capelle in Frankreich ist Jahrtausende jünger

Otto Hauser mit Teilen des Skeletts und dem Schädel des Menschen von Combe Capelle - © Foto: Wegner-Archiv

Otto Hauser mit Teilen des Skeletts und
dem Schädel des Menschen von Combe Capelle
© Foto: Wegner-Archiv

Einem Wissenschaftlerteam mit Mitgliedern des Museums für Vor- und Frühgeschichte - Staatliche Museen zu Berlin, der Universität Greifswald, des Max-Planck Instituts für Evolutionsforschung Leipzig und des Leibniz-Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung Kiel ist es gelungen, das Rätsel um das Alter des 1909 von dem Schweizer Otto Hauser entdeckten Grabes von Combe Capelle zu lüften.

Die Neudatierung des Grabes aus Combe Capelle ist von großer Bedeutung für die Wissenschaft. Skelettfunde von frühen Homo Sapiens sind auch heute noch von großer Seltenheit, jeder dieser Funde verändert und ergänzt die bisher bekannten Theorien von der Besiedlung Europas. Combe Capelle bekam seine herausragende Bedeutung bisher dadurch, dass er lange Zeit als der älteste Beleg für die Anwesenheit von Homo Sapiens in einer Zeit galt, in der ansonsten nur Neanderthaler nachgewiesen sind. Auch die in letzter Zeit favorisierte Datierung auf ein Alter von 28.000 Jahren machte ihn immer noch zu einem sehr frühen Zeugen der Einwanderung des Homo Sapiens.

Die jetzige naturwissenschaftliche Datierung rückt den Skelettfund nun von der Altsteinzeit in die Mittelsteinzeit. Zwischen diesen Perioden liegt das Ende der Eiszeiten und damit das Auftreten eines warmzeitlichen Klimas, das idealere Lebensbedingungen für den modernen Menschen geboten hat. Auch aus dieser Epoche gibt es allerdings; anders als aus der Jungsteinzeit, bis heute nur sehr wenige Gräber. Combe Capelle behält seinen Sonderstatus, belegt jetzt aber den großen Wandel des Lebensumfeldes, der erst eine steigende Population des modernen Menschen in Westeuropa ermöglichte.

Der Hang von Combe Capelle im August 1909 - Der Pfeil markiert die Fundstelle, die links oben als kleines weißes Rechteck zu erkennen ist. - © Wegner-Archiv

Der Hang von Combe Capelle im August 1909
Der Pfeil markiert die Fundstelle, die links oben
als kleines weißes Rechteck zu erkennen ist.
© Wegner-Archiv

Der Fund steht in der Ausstellung im Neuen Museum auch jetzt noch an der richtigen Stelle, aber die Blickrichtung ist jetzt eine andere. Der schmale Gang zwischen dem berühmten Neanderthaler aus Le Moustier und dem modernen Menschen aus Combe Capelle könnte jetzt noch viel länger sein. Auf der anderen Seite des Schädels schließen bereits heute die Zeugnisse der Mittelsteinzeit wie zum Beispiel die vielen aus Knochen gefertigten Angelhaken an. Die neuen naturwissenschaftlichen Datierungen zeigen, wie sehr sich gerade bei der Erforschung der ältesten Perioden unser Bild ständig wandelt. Gerade dieser Wandel macht auch die einzigartige Berliner Museumssammlung mit ihren herausragenden Funden zu einem wichtigen Ort der Forschung.

Die Wissenschaftler des Museums für Vor- und Frühgeschichte - Staatliche Museen zu Berlin haben 10 Jahre lang alle Anfragen bezüglich einer Probeentnahme abgelehnt und erst jetzt, bei dem Zusammenwirken so vieler wichtiger Forschungseinrichtungen, der Entnahme eines Zahnes zugestimmt.

Der Schutz des Originals ist zunächst die vorrangige Aufgabe. So wie wir uns vor 20 Jahren noch nicht die heuten Möglichkeiten z. B. im Bereich der Datierung, der Isotopenforschung oder der Genforschung vorstellen konnten, so können wir heute noch nicht absehen, welche Geheimnisse, die unser Bild erneut verändern können, der Schädel aus Combe Capelle in der Zukunft noch zu erhellen vermag. Archäologie bleibt spannend.

Matthias Wemhoff
Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte

Zustand des Schädels im Januar 2002 - © Claudia Plamp

Zustand des Schädels im Januar 2002
© Claudia Plamp

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Quelle:
Pressemitteilung "Grab von Combe Capelle"
vom 10. Februar 2011
Staatliche Museen zu Berlin
Generaldirektion
Stauffenbergstraße 41, 10785 Berlin
Telefon: 030 266 42 4242, Fax: 030 266 42 2290
E-Mail: presse@smb.museum
Internet: www.smb.museum.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2011