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MELDUNG/136: Älteste hebräische Inschrift entziffert (idw)


Westfaelische Wilhelms-Universität Münster - 05.06.2012

Älteste hebräische Inschrift entziffert

Der wohl älteste hebräische Text außerhalb der Bibel wurde nun von einem Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster entziffert. Er enthält Sozialgesetze für Benachteiligte.



Ein Wissenschaftler des Exzellenzclusters "Religion und Politik" der Universität Münster hat den wohl ältesten hebräischen Text außerhalb der Bibel entziffert. "Bei der antiken Inschrift auf einer 3.000 Jahre alten Tontafel handelt es sich um Sozialgesetze, die Ausländer, Witwen und Waisen im Alten Israel schützen sollten", sagt der evangelische Theologe Prof. Dr. Reinhard Achenbach. "Unser heutiger Grundsatz, Ausländern vor Gericht Rechtsschutz zu gewähren und sozial Benachteiligte im Sozialstaat zu schützen, reicht also weit in die altorientalische Zeit zurück." Archäologen der Hebräischen Universität Jerusalem hatten die Inschrift 2008 bei Grabungen in Khirbet Qeiyafa, 25 Kilometer süd-westlich von Jerusalem, entdeckt. Die Fachwelt feierte den Fund als Sensation. Seitdem waren Experten damit befasst, den fünfzeiligen Text zu entziffern und seinen Inhalt zu deuten.

Foto: © Clara Amit, Israel Antiquities Authority

Tonscherbe mit hebräischer Schreibübung. (Ausgrabung: Hebrew University of Jerusalem)
Foto: © Clara Amit, Israel Antiquities Authority

Alttestamentler Prof. Achenbach hat seine Ergebnisse in der französischen Fachzeitschrift "Semitica" (Nummer 54, April 2012) veröffentlicht. "Wir haben die Entzifferungsvorschläge verschiedener Wissenschaftler miteinander verglichen und konnten so den Text nahezu vollständig rekonstruieren. Für fast alle Formulierungen gibt es enge Parallelen in der Hebräischen Bibel, und zwar sowohl in den Rechtstexten der Tora als auch in den Weisheitslehren und in den Worten der Propheten, welche die Unterdrückung sozial benachteiligter Menschen kritisieren." Die Inschrift entstand rund 1.000 Jahre vor Christus. "Die aus dem Kanaanäischen übernommenen Schriftzeichen hat wohl ein Schüler auf das Ostrakon, eine Tonscherbe, geschrieben. Es handelt sich um eine Schreibübung. Das Kopieren von Gesetzestexten diente der Ausbildung der königlichen Beamten, die die Rechtsverhandlungen in den Ortschaften überwachen sollten", so Prof. Achenbach. Die zweite und dritte Zeile auf der Tonscherbe lauten "Schaffe Recht dem Sklaven und der Witwe, schaffe Recht der Waisen und dem Fremden! Verteidige das Recht des Unmündigen, verteidige das Recht des Armen!" Prof. Achenbach: "Somit gehörten Schutzrechte für benachteiligte Menschen zu den ältesten Rechten Israels." Dabei knüpften die Israeliten an ältere kanaanäische und ägyptische Traditionen an, wie der Experte unterstreicht. Er forscht im Cluster-Projekt C1 "Distinktion und Integration in der Gründungsurkunde Israels".

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik
Zur Internetseite des Exzellenzclusters "Religion und Politik"

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution72

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster, Alice Büsch, 05.06.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2012