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MEMORIAL/242: Aus aktuellem Anlaß - Erinnerungen an den "Regime Change" der USA in Italien (Gerhard Feldbauer)


Biden will "Regime Change" in Moskau

Neu ist das nicht - Die Italiener können ein Lied davon singen
Schon im Zweiten Weltkrieg setzten die reaktionärsten US-Kreise dort auf die Faschisten

von Gerhard Feldbauer, 29. April 2022



Foto: Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons

Gruppe italienischer Partisanen während des Zweiten Weltkriegs
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Dass US-Präsident Biden in Moskau einen "Regime Change" will, ist nicht neu. Die Italiener können ein Lied davon singen. Im Mai dieses Jahres ist dazu an zwei Beispiele zu erinnern: An die Verjagung der Sozialisten und Kommunisten 1947 aus der antifaschistischen Einheitsregierung, die damit zu Fall gebracht und durch ein rechtsgerichtetes Kabinett unter Alcide De Gasperi ersetzt wurde, das ein Jahr später den Beitritt zur NATO und Italien als deren Südflanke sicherte. Das zweite Beispiel ist der von den USA in der Zeit des damaligen Außenministers Henry Kissinger und des NATO-Oberbefehlshabers Alexander Haig am 9. Mai 1978 inszenierte Mord an dem christdemokratischen Parteiführer Aldo Moro, mit dem eine mit den Kommunisten gegen die faschistische Gefahr einer "chilenischen Lösung für Italien" gebildete Regierung zu Fall gebracht wurde.

Dieser Kurs begann bereits im Herbst 1943, als Italien nach dem Sturz Mussolinis im Juli des Jahres und mit dem Waffenstillstandsabkommen vom 8. September mit der faschistischen Achse brach und auf die Seite der Antihitlerkoalition übertrat. Die Hauptkräfte des italienischen Imperialismus schieden aus dem Krieg aus. Das waren im militärischen Bereich 3,5 Millionen Soldaten. Gegen die Besetzung Nord- und Mittelitaliens sowie ihre Entwaffnung durch die Hitlerwehrmacht nach dem Waffenstillstand setzten sich über 200.000 italienische Soldaten und Offiziere, darunter Teile einer Armee und über zehn Divisionen, in Italien sowie auf dem Balkan und auf Korsika zum Teil über zwei Monate erbittert zur Wehr. US-Präsident Eisenhower überließ sie ihrem Schicksal.

Statt bei Rom landeten die Alliierten am 8. September 1943 bei Salerno und Taranto. Das ermöglichte der Hitlerwehrmacht, nahezu ungestört südlich von Rom eine Abwehrstellung durch das Apenninengebirge mit der strategisch bedeutsamen Stellung auf dem 516 Meter hohen Monte Cassino aufzubauen, die dann alliierte Truppen unter schweren Verlusten monatelang vergeblich zu stürmen versuchten. Erst nach der Eroberung des Monte Cassino durch polnische Verbände am 18. Mai 1944 konnten die 5. Amerikanische und die 8. Britische Armee nach Rom vorstoßen und die Stadt am 4. Juni, zwei Tage vor Beginn der Landung in der Normandie, einnehmen.


Die UdSSR ausbluten

Das Ziel der angloamerikanischen Alliierten war, dass die UdSSR in der gewaltigen militärischen Auseinandersetzung mit Deutschland weiter ausbluten sollte. Schließlich ging es darum zu verhindern, dass die italienischen Kommunisten und Sozialisten Einfluss auf die Streitkräfte erhielten. Grundlage dieser Politik waren die Positionen, die tonangebende Kreise in den USA und Großbritannien nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die UdSSR gegenüber dem Opfer der Aggression einnahmen. "Maßgebliche US-Politiker versuchten", so Valentin Falin [1], "ihrem Land eine Sicht aufzudrängen, wonach der Sieg des Nazismus einem Triumph des Kommunismus in jedem Fall vorzuziehen war". [2] Falin verwies in einem Interview für RIA-Novosti am 3. März 2006 auf die lange Zeit in den Geheimarchiven verwahrten Äußerungen Churchills vom 22. Juni 1941: "Gewinnen die Deutschen, so soll den Russen geholfen werden, gewinnen aber die Russen, so soll den Deutschen geholfen werden - mögen sie einander so viel wie möglich umbringen". [3] Nicht in diesen reaktionären Chor stimmte US-Präsident Franklin D. Roosevelt ein, dem es auf westlicher Seite vor allem zu verdanken war, dass die Anti-Hitler-Koalition überhaupt zustande kam.


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Winston Churchill (l.) und Alcide De Gasperi (r.) im Gespräch - London, 1953
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Mit den entscheidenden Schlägen, die die Rote Armee der Hitlerwehrmacht an der Jahreswende 1942/43 bei Stalingrad und nochmals ein halbes Jahr später im Juli 1943 in der gewaltigen Schlacht bei Kursk-Belgorod zufügte, war die bevorstehende Niederlage Deutschlands offen sichtbar geworden. Sowohl angesichts dieser militärischen Lage und der internationalen Isolierung des Aggressors als auch der weltweiten Sympathien für die UdSSR war es diesen Kreisen in den USA nun nicht mehr möglich, Churchill zu folgen und Deutschland zu helfen. Das strategische Ziel blieb jedoch, die UdSSR sich in der gewaltigen militärischen Auseinandersetzung mit Hitlerdeutschland weiter ausbluten zu lassen, damit sie so geschwächt aus dem Krieg hervorgehen würde, dass sie nicht in der Lage wäre, den westlichen Weltherrschaftsplänen Widerstand entgegenzusetzen.


Gegen Partisanen-Offensive

Auch eine starke Partisanentätigkeit [4] in Italien war nicht in ihrem Sinne. Da der antifaschistische Befreiungskampf in Italien wie auch andernorts im Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit stand, mussten sie notgedrungen Forderungen des Nationalen Befreiungskomitees (CLN) nach Waffenlieferungen an die Partisanenverbände nachkommen. Insgesamt erhielten die Partisanen jedoch nur etwa die Hälfte der von ihnen benötigten Ausrüstung. Dabei wurde "die Versorgung zunehmend selektiv vorgenommen, um die militanten Gruppen der kommunistischen Garibaldi-Brigaden von der Unterstützung auszuschließen". [5]


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Italienische Partisanen der Garibaldi-Brigaden - Aufnahme vom 1. Januar 1944
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Im Herbst 1944 verlangsamten die Alliierten ihren Vormarsch, um damit auch den Partisanenkampf zum Erliegen zu bringen. Der Brite Harold Alexander, Nachfolger Eisenhowers als angloamerikanischer Oberkommandierender, forderte in einer Rundfunkbotschaft die Partisanen auf, in den Wintermonaten keine offensiven Kampfhandlungen mehr zu führen und ihre festen Verbände und Standorte aufzulösen. "Diese Rundfunkbotschaft, die auch von den Deutschen abgehört werden konnte, brachte die Widerstandbewegung in große Gefahr", schrieb Sophie G. Alf. Das sei wahrscheinlich die Absicht der Alliierten gewesen, die gemäß der Logik: "in that way let them kill as many as possible" die "Dezimierung der fortschrittlichen Antifaschisten in ihre Rechnung einbezogen". [6] Im April 1945 wollte General Mark Clark auch den bewaffneten Aufstand in Norditalien, mit dem die letzte Offensive der Partisanen eingeleitet wurde, verhindern. Am 10. April 1945 ordnete er an, dass ohne seine ausdrückliche Genehmigung keinerlei Initiativen für einen bewaffneten Aufstand gegen die deutsche Besatzung unternommen werden dürften.


Foto: US Army, Public domain, via Wikimedia Commons

5. Juni 1944: US-General Mark Clark fährt im Jeep durch die befreite Hauptstadt Italiens
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Gleichzeitig verhandelte der Leiter des OSS-Geheimdienstes (Vorläufer der CIA) Allen Dulles in Bern mit dem SS-Polizeichef in Norditalien, Obergruppenführer Karl Wolf, über eine separate Kapitulation der 15 deutschen Verbände in Norditalien, die das Oberkommando der Wehrmacht gegen die in Österreich vorrückende Rote Armee einsetzen wollte. [7] Durch die Partisanenarmee, die sich über die Weisungen Clarks hinwegsetzte und während ihrer Offensive in Norditalien bis zur Schweizer Grenze vorrückte, wurden diese Pläne durchkreuzt. In Genua ergab sich der Ortskommandant der Wehrmacht mit 9000 Mann den Partisanen. Am 27. April kapitulierte das X. Panzerkorps vor den Partisanen, am 30. des Monats nahmen Garibaldiner am Monte Grappa 33.000 deutsche Soldaten gefangen. Insgesamt ergaben sich den Partisanen zwischen dem 25. April und 4. Mai allein im Veneto 140.000 Soldaten der Wehrmacht.

Im Kampf um eine antifaschistisch-demokratische Nachkriegsordnung gelang es Kommunisten und Sozialisten im Juni 1945, den rechten liberalen Ministerpräsidenten der Einheitsregierung, Ivanhoe Bonomi, zu stürzen und den Vorsitzenden der linken Aktionspartei (PdA), Ferruccio Parri, durchzusetzen. [8]

Um sich die Hilfe der besiegten Mussolini-Faschisten bei der Verhinderung eines linken Vormarschs zu sichern, ließ die US-amerikanische Militärregierung danach zu, dass sich deren Anhänger in einer sogenannten Bewegung Uomo Qualunque (Jedermann-Front) sammeln konnten. [9] Die offen faschistisch auftretende Bewegung wurde im Juni 1946 auch zu den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung zugelassen, erreichte 5,3 Prozent Stimmen (1,2 Millionen Wähler) und konnte mit 30 Abgeordneten in die Konstituente einziehen.


Linken Premier gestürzt

Im November 1945 forderten führende Industrie- und Finanzkreise der USA mit dem Präsidenten der Bank von Amerika, Amadeo Giannini, an der Spitze bei Verhandlungen in Rom ultimativ den Sturz Parris. Andernfalls kündigten sie (was heute Sanktionen genannt wird) die Streichung zugesagter Wirtschafts- und Finanzhilfe an. Mit dem Rücktritt ihrer Minister löste die DC eine Regierungskrise aus. Parri musste zurücktreten, an seiner Stelle wurde Alcide De Gasperi durchgesetzt. [10]

Im Dezember 1946 ging aus Uomo Qualunque die als Movimento Sociale Italiano (MSI) wiedergegründete Mussolini-Partei hervor. Nationalsekretär wurde der frühere Staatssekretär des "Duce" Giorgio Almirante, der noch kurz vor Kriegsende einen "Genickschusserlass" gegen Partisanen unterzeichnet hatte, Vorsitzender der frühere Marine-Kommandeur der X. Motoscafo Antisommergibile Squadra (Decima MAS) Valerio Borghese, der 1950 wegen 800fachen Mordes an Partisanen zu lebenslanger Haft verurteilt, auf Betreiben der USA kurz danach begnadigt wurde. Die USA sahen dem nicht nur tatenlos zu, sondern sicherten die Kontinuität des Faschismus im Friedensvertrag für Italien vom Februar 1947 ab, in dem sie sich weigerten, die von der UdSSR geforderte Klausel, "niemals wieder faschistische Organisationen zu erlauben und Kriegsverbrechen nicht ungesühnt zu lassen", aufzunehmen.


Foto: Harry S. Truman Library & Museum, Public domain, via Wikimedia Commons

US-Präsident Harry S. Truman am 12. März 1947 während seiner Rede zur "Truman-Doktrin"
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Am 12. März 1947 verkündete US-Präsident Harry S. Truman seine berüchtigte, nach ihm benannte Doktrin der "Eindämmung des Kommunismus". Er erklärte die USA "zum mächtigsten Land der Welt" und proklamierte ihr "Recht" zur Einmischung in Staaten, die tatsächlich oder angeblich unter kommunistischem Einfluss stünden. Im Vorfeld des Kalten Krieges und der Blockkonfrontation ging es den USA in Italien darum, sich das Mittelmeerland als Einflusssphäre und Südflanke ihrer Militärstrategie, die 1949 zur Bildung der NATO führte, zu sichern. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich ging es darum, die angeschlagenen Positionen des italienischen Imperialismus im Rahmen einer kapitalistischen Restauration zu festigen. Als entscheidendes Hindernis bei der Umsetzung dieser Ziele sahen sie den gewachsenen Einfluss der Kommunisten (IKP) und Sozialisten (ISP) auf die Nachkriegsentwicklung. Die beiden Arbeiterparteien hatten im Oktober 1946 das 1934 im antifaschistischen Widerstand geschlossene Aktionseinheitsabkommen erneuert, in dem sie für eine antifaschistisch-demokratische und antiimperialistisch ausgerichtete Umgestaltung eintraten.

Die Befürchtungen, IKP und ISP könnten auf parlamentarischem Weg an die Macht kommen, hatten sich bei den ersten Kommunalwahlen im März 1946 verstärkt, bei denen die DC zwar etwa 50 Prozent erreichte, Kommunisten und Sozialisten zusammen aber auf 40 Prozent kamen. Im Referendum über die Staatsform am 2. Juni 1946 waren die Stimmen der Linken ausschlaggebend für den Sturz der Monarchie mit 54,3 Prozent. Bei der gleichzeitig stattfindenden Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung überflügelten ISP und IKP mit 20,7 bzw. 18,9 Prozent die DC, die nur auf 35,2 Prozent kam.


Ende der antifaschistischen Einheitsregierung

Washington forderte nun, Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung zu vertreiben. Schützenhilfe leistete die in der ISP unter Giuseppe Saragat gebildete pro-amerikanische Fraktion, die forderte, die "enge Zusammenarbeit mit der IKP zu beenden". Wie der Mailänder "Corriere della Sera" am 8. März 1975 berichtete, war die CIA über ihre Agenten federführend an der Operation der AFL-CIO (American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations) beteiligt.

Im Januar 1947 wurde De Gasperi nach Washington beordert. Am 22. des Monats empfing Erzbischof Flannelly den Katholiken De Gasperi mit dem anwesenden Kardinal Spellman in der St. Patrick's Kathedral von New York und erklärte: "Das Mittelmeer ist ein christliches Meer, das nicht durch den atheistischen Kommunismus mit seiner tödlichen Faust rot gefärbt werden darf". Für die Ausschaltung der Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung sagte Präsident Truman der Regierung in Rom 250 Millionen US-Dollar zu. [11] Im von Außenminister George C. Marshall nach ihm benannten European Recovery Programm erhielt Italien von den für 1948 bis 1952 zugesagten 15 Milliarden Dollar dann elf Prozent. Am 31. Mai folgte De Gasperi der US-Order und bildete eine Regierung ohne IKP und ISP, die durch die Unterstützung der inzwischen von Saragat gebildeten Sozialdemokratischen Partei (Partito Socialista Democratico Italiano - PSDI) [12] im Parlament eine Mehrheit erhielt.

In seiner Rede vor dem Parlament gestand De Gasperi den massiven Druck aus Washington unverblümt ein, indem er die USA in Italien (nach Christdemokraten, Liberalen und Republikanern) eine "vierte Partei" nannte, die "in der Lage ist, jede Anstrengung, die wir unternehmen, zu lähmen und vergeblich zu machen, indem sie Kreditsabotage und Kapitalflucht, Preissteigerungen und Skandalkampagnen organisiert." Man könne Italien "heute nicht regieren, ohne in der einen oder anderen Form die Repräsentanten dieser vierten Partei, die über das Geld und die ökonomische Macht verfügt, in die Regierung einzubeziehen." [13]


Intervention geplant

Um bei den für April 1948 angesetzten ersten Parlamentswahlen nach Kriegsende einen linken Wahlsieg zu verhindern, griffen die USA aktiv in den Wahlkampf ein. Eine von der 500.000 Mitglieder zählenden ultrarechten italienischen Emigrantenvereinigung "Sons of Italy" initiierte Briefflut von rund sechs Millionen Italo-Amerikanern an Angehörige in Italien rief dazu auf, Christdemokraten zu wählen, um einen "roten Machtantritt" zu verhindern. 20.000 Bürgerkomitees der "Azione Cattolica" trommelten hasserfüllt, es gehe um Christ oder Antichrist, Gläubige oder Gottlose, Rom oder Moskau. Die Pfarrer sprachen in ihren Predigten von "mongolischen Lagern im Schatten des Kolosseums". Unter einem linken Regime sei ein wirtschaftlicher Bankrott zu erwarten, während eine christliche Regierung mit der Hilfe Amerikas rechnen könne. Präsident Truman sprach unverblümt von einer militärischen Intervention: "Wenn Freiheit und Unabhängigkeit direkt oder indirekt bedroht sind, (werden wir sie) in geeigneter Weise verteidigen". Für den Fall eines linken Wahlsieges kündigte Außenminister Marshall den Entzug der "Wiederaufbauhilfe" an. Zahlreiche US-Kriegsschiffe in den italienischen Häfen untermauerten die Drohgebärden. [14]

Nach der Freigabe von Geheimdokumenten für Forschungszwecke durch die Clinton-Administration im November 1994 wurde bekannt, dass das Pentagon "für den Fall, dass die Kommunisten in Italien mit legalen Mitteln an die Macht kommen" sollten, eine sofortige Intervention geplant hatte, welche die Abtrennung Sardiniens und Siziliens und die Organisation eines Guerillakrieges einschloss. Die USA könnten "es den Kommunisten nicht gestatten, mit legalen Mitteln an die Macht zu kommen", weil die "psychologischen Erschütterungen gewaltig wären", hieß es. Als Alternative erwog man in Washington, "das Wahlergebnis zu fälschen". [15] Bei den Wahlen erreichte die DC 48,5 Prozent. IKP und ISP kamen auf einer gemeinsamen Liste auf 31 Prozent.


Attentat auf Togliatti

Da es nicht gelungen war, Kommunisten und Sozialisten eine Niederlage beizubringen, inszenierte man in Washington einen Mordanschlag auf Togliatti. Er sollte die IKP und ihre Anhänger zum bewaffneten Aufstand provozieren, um sie per Blutbad liquidieren zu können. Am 14. Juli 1948 gab ein Faschist namens Antonio Pallante vor dem Montecitorio (Abgeordnetenkammer) mit einem Revolver vier Schüsse auf Togliatti ab, während er mit seiner Lebensgefährtin Nilde Jotti in der gegenüberliegenden Bar "Da Giolitti" in der Via Uffici del Vicario einen Kaffee nehmen wollte. Er wurde in Brust, Nacken und Herzgegend getroffen.


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Palmiro Togliatti nach dem Attentat im Krankenhaus mit dem Chirurgen Pietro Valdoni, der ihm das Leben rettete
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Fast schien die Rechnung aufzugehen. Zwar gab es den Aufstandsplan nicht, von dem in die bürgerliche Presse lancierte Berichte schrieben, die außerdem eine "Invasion von Titos Volksarmee" erfanden, wohl aber die Bereitschaft Hunderttausender, auf die Provokation mit bewaffnetem Widerstand zu antworten. Während vor der Klinik, in welcher der lebensgefährlich verletzte KP-Chef operiert wurde, 200.000 Menschen schweigend vorbeizogen und im alten Stadtteil Trastevere Frauen vor Heiligbildern für Togliattis Genesung beteten, formierte sich in der Innenstadt eine riesige Menschenmenge zu einer Kundgebung, auf der das Mitglied der IKP-Leitung Edoardo D'Onofrio sprach. Als der Rundfunk die Nachricht verbreitete, Togliatti liege im Sterben, riefen Sprechchöre dem Redner zu: "Gib uns das Startzeichen!"

Gleichzeitig begann, ohne dass es dazu seitens der Partei einen Aufruf gab, ein Generalstreik, wie ihn das Land bis dahin nicht gesehen hatte. Nicht nur Mitglieder und Sympathisanten der IKP, sondern auch Sozialisten und viele andere Kräfte der Resistenza, darunter der linken Basis der Christdemokraten, drängten zum Aufstand. Angehörige der aufgelösten Partisanenarmee holten ihre Waffen aus Verstecken und traten den gegen die Streikenden und Demonstranten vorgehenden Armee- und Polizeieinheiten entgegen. In Genua stoppten sie Panzerwagen und nahmen ihre Besatzungen gefangen. In Hunderten Städten und Gemeinden übernahmen Streikleitungen die Macht. Bei FIAT in Turin besetzten die Arbeiter die Fabrik und nahmen den Direktor Vittorio Valletta, unter der Mussolini-Diktatur ein verhasster Wirtschaftsführer, sowie über ein Dutzend Mitglieder der Konzernleitung fest. Bei den bewaffneten Zusammenstößen gab es 20 Tote und über 600 Verletzte. Die IKP-Leitung rief am zweiten Tag dazu auf, den Generalstreik zu beenden. Es gelang der Parteiführung, ihre Basis vom Aufstand abzuhalten, vor dem der schwerverletzte Togliatti, bevor er operiert wurde, eindringlich gewarnt hatte. [16]

Eine bewaffnete Erhebung hätte in einen blutigen Bürgerkrieg übergehen und mit einem Eingreifen der US-Truppen zu einer reaktionären Wende führen können. Eine physische Abrechnung mit der IKP wäre die Folge gewesen. Die faschistische Entwicklung hätte unausweichlich einen stärkeren Auftrieb erhalten.

Dem Attentat folgte eine Welle massiver Repression. Opfer waren vor allem Mitglieder der IKP und ihre Anhänger. Ministerpräsident Alcide De Gasperi kündigte unmittelbar nach Beginn des Generalstreiks den "Einsatz sämtlicher staatlicher Machtmittel" an. Polizei und Armee gingen rücksichtslos vor. 92.169 Personen wurden verhaftet, darunter 73.780 Kommunisten, in erster Linie Arbeiter. Von den über 70.000 davon später vor Gericht Gestellten waren ebenfalls die meisten Kommunisten. 19.306 der Angeklagten, darunter 15.429 Kommunisten, wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Bis Mitte 1950 gab es bei Auseinandersetzungen mit Großagrariern, Faschisten und Zusammenstößen mit der Polizei 62 Tote, darunter 48 Kommunisten. 3.126 Personen wurden verletzt, davon 2.367 Kommunisten. Togliatti charakterisierte das als einen "Übergang von dem auf einer demokratischen Verfassung begründeten Regime zu einem Regime der Willkür und der Repressalien gegen die Staatsbürger". [17]

Einen in der Kampagne zum NATO-Beitritt von IKP und ISP verfassten Aufruf, ihn abzulehnen, unterschrieben acht Millionen Italien. De Gasperi musste bei der Abstimmung die Vertrauensfrage stellen, bei der in der Kammer 342 dafür, 170 dagegen stimmten, im Senat waren es 183 zu 112.

Der Nationale Sicherheitsrat der USA legte danach im Herbst 1950 vorsorglich ein weiteres Mal fest, in Italien militärisch zu intervenieren, falls es zu einer Beteiligung der Kommunisten an der Regierung kommen sollte. [18]


Italien militärisch besetzen

1963 vollzog der linke DC-Führer Aldo Moro eine Apertura a Sinistra (Öffnung nach links) und nahm die Sozialisten wieder in die Regierung auf. Obwohl es um keine sozialistischen Ziele mehr ging, wollten die USA mit Pentagon, CIA und italienischen Diensten der Linksöffnung mit einem faschistischen Staatsstreich begegnen. Botschafter Frederick Reinhardt bildete in Rom einen Krisenstab, der "die Linie des Eingreifens" erörterte. Die militärische Leitung übernahm der Militärattaché, Oberst Vernon Walters, der während des Zweiten Weltkrieges Adjutant bei General Mark Clark war. [19] Er stellte klar, dass "die Vereinigten Staaten ohne zu zögern das Land militärisch besetzen müssten". [20]

Mit der Vorbereitung der Operation wurde der militärische Geheimdienst SIFAR beauftragt, dessen Chef General Giovanni De Lorenzo den Staatsstreichplan ausarbeitete. De Lorenzo war ein Monarchist und faschistisch orientierter General, der später auch offiziell zum MSI überwechselte. Er übernahm das Kommando über das Carabinieri-Korps, mit dem er zusammen mit Faschisten und Gladio-Einheiten den Putsch durchführen sollte. Der SIFAR-Oberst Renzo Rocca fabrizierte für die führenden Politiker, die gegenüber einer "harten Unterdrückungspolitik" gegen Gewerkschaften und Linke Vorbehalte hegten, Berichte, die "ein so schweres Bild vor Augen führten, das jede Gewaltaktion rechtfertigen konnte". Er erfand Informationen über "gefährliche Aktivitäten" der Kommunisten und der Gewerkschaften, darunter einen Bericht über eine "Sitzung der kommunistischen Führer", auf welcher "der Krieg gegen die Regierung", die Vorbereitung der "Revolution und die Machtübernahme in den Regionen und im ganzen Land" beraten worden sei.

Für den geplanten Staatsstreich ließ De Lorenzo "schwarze Listen" von "verdächtigen" Funktionären der linken Parteien, Gewerkschaftsführern, Antifaschisten und Politikern bürgerlicher Parteien anlegen. Unter der unglaublichen Zahl von 157.000 Personen befanden sich selbst der Vorsitzende der Sozialdemokratie, Saragat, Minister und hohe Regierungsbeamte, als "unzuverlässig" eingestufte Offiziere und sogar Bischöfe. Die Personen sollten im Falles des Staatstreiches verhaftet und auf zwei Sardinien vorgelagerten Inseln in Konzentrationslager gesperrt, manche nach dem in den Gladio-Einheiten herrschenden faschistischen Geist auch gleich umgebracht werden. [21]

Moro gelang es noch zu Lebzeiten Kennedys, sich bei ihm eine bestimmte Unterstützung zu sichern. Er verdeutlichte, dass sich die ISP von der IKP getrennt hatte und von einem bevorstehenden Machtantritt der Kommunisten keine Rede sein konnte. Die Company blies den Plan De Lorenzos zunächst ab. Anlass dazu war nicht zuletzt, dass im Juni 1964 Indiskretionen darüber an die Öffentlichkeit gelangten.


Foto: Leffler, Warren K., photographer, Public domain, via Wikimedia Commons

John F. Kennedy (Vierter von rechts) mit Vertretern der Bürgerrechtsbewegung im Oval Office im August 1963, wenige Monate vor seiner Ermordung am 22.11.1963
Foto: Leffler, Warren K., photographer, Public domain, via Wikimedia Commons


Die Anni di Piombo

Trotz praktizierter Repression stiegen die Stimmen der Kommunisten im Parlament von 22,7 Prozent 1958 auf 25,3 Prozent 1963, um 1972 auf 27,2 und 1976 auf 34,4. Parallel entstand eine außerparlamentarische Linke mit Gruppen wie Lotta Continua (Ständiger Kampf), Potere Operaio (Arbeitermacht) und der Autonomia Operaia (Arbeiterunabhängigkeit), die gewaltsam und auch bewaffnet Widerstand gegen die wachsende faschistische Gefahr leisteten. Gegen das Anwachsen des linken Widerstandes inszenierte die CIA ihre "Strategie der Spannung", der sogenannten Anni di Piombo (bleiernen Jahre), deren Kern darin bestand, für faschistische Terroranschläge die Linken als Täter hinzustellen. Ihre Geburtsstunde war das faschistische Attentat auf die Mailänder Landwirtschaftsbank auf der Piazza Fontana (16 Tote, über 100 Verletzte), für das sofort 300 außerparlamentarische Linke und Anarchisten verantwortlich gemacht und verhaftet wurden. Faschisten und Polizeiagenten gründeten selbst "linke" Gruppen; in linksextreme Organisationen wie die 1969 entstehenden Roten Brigaden wurden Agenten eingeschleust, die sie zu Anschlägen anstachelten, die sie meist selbst planten oder inspirierten.

Der zuständige Ausschuss des US-Repräsentantenhauses hatte bereits 1968 allen Geheimdiensten empfohlen, bei ihren Aktionen stärker linksextremistische Kräfte zu nutzen. Am 8. November 1970 erließ der damalige Generalstabschef der US-Army, General W. C. Westmoreland, ein streng geheimes Field Manual (Feldhandbuch) 30-31 über "Geheimdienst-Sondereinsätze". Die USA waren sich dabei sehr wohl ihres illegalen Vorgehens und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der betreffenden Länder bewusst. Denn das FM 30-31 legte ausdrücklich fest: "Solche Spezialoperationen sind strikt geheim zu halten, da sich eine Verwicklung des US-Militärs in Angelegenheiten des Gastlandes allein auf die Kooperation bei der Niederschlagung oder der Androhung von Aufständen beschränkt. Die Tatsache, dass die Beteiligung von US-Militärs weitaus tiefer greift, darf unter keinen Umständen bekannt werden." Unter dem Abschnitt "Unterwanderung der Rebellenbewegung" wurde der Schwerpunkt auf die Einbeziehung "der Geheimdienste des Gastlandes" gelegt, die diese "durch das Einschleusen von Agenten unterwandern" sollten. 1975 wurde bekannt, dass dazu auf dem NATO-Stützpunkt Capo Marrargiu auf Sardinien die CIA Geheimdienstagenten ausbildete, die in die linksextremen Brigate Rosse (BR) eingeschleust wurden. Die Ausbildung leitete der Geheimdienstoberst Camillo Guglielmi, der später vor Ort die Entführung Aldo Moros beaufsichtigte. [22]


"Ein gutes Modell"

Im Ergebnis der Spannungsstrategie stiegen die Terrorakte von 150 1969 auf fast 2.400 im Jahre 1978 an. Im Herbst 1970 begannen die Faschisten in Reggio Calabria bewaffnete Auseinandersetzungen, die das Land an den Rand eines Bürgerkrieges brachten. In dieser Zeit kamen Hunderte Menschen ums Leben, wurden Tausende verletzt. Von 1969 bis 1984 fielen der Spannungsstrategie allein in der roten Emilia 140 Tote und ein Vielfaches mehr an Verletzten zum Opfer. 85 Tote und 200 Verletzte gab es bei nur einem Attentat auf dem Hauptbahnhof in Bologna im August 1980. Ziel der Anschläge war, eine Situation zu schaffen, in der die Armee als "Ordnungshüter" auf den Plan treten und ein entsprechendes Regime errichten konnte. Der ein Jahr nach dem Anschlag auf der Piazza Fontana in Szene gesetzte Versuch des Faschistenführers und früheren Mussolini-Militärs Valerio Borghese belegte es augenscheinlich. Der "Los Angeles Herald Examiner" schrieb 1972 in seiner Juni-Ausgabe ganz unverblümt, dass das Obristenregime von Athen "ein gutes Modell" für Rom sei. Das Problem bestehe doch darin, ob die italienische Regierung in der Lage sei, "allein gegen eine rote Revolution ungeahnten Ausmaßes vorzugehen, oder ob die Situation nicht besser von den Carabinieri, den bewaffneten Kräften der Armee, in die Hand genommen werden sollte."


MSI-Faschist NATO-Befehlshaber

Nur am Rande sei hier erwähnt, dass führende US-Kreise mit NATO, CIA und ihren italienischen Komplizen, toleriert von den rechten regierenden DC-Kräften, im Rahmen der Spannungsstrategie nach dem Borghese-Putsch 1970 nochmals 1973/74 versuchten, mit Kräften der Faschisten die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen und ein faschistisches Regime an die Macht zu bringen. In der NATO hatte man keine Hemmungen, einem früheren Mussolini-Militär, Kommandeur der Kampfschwimmer der bereits erwähnten Decima MAS und früherem Mitglied der Führung der faschistischen MSI-Partei, Flottenadmiral Gino Birindelli, lange Jahre das Kommando des Oberbefehlshabers der NATO-Seestreitkräfte Europa Süd zu übertragen. Es störte sie nicht im Geringsten, dass dieser zu seiner Vergangenheit von sich gab: "Ich glaube an die faschistischen Ideale. Ich bekenne mich dazu und ich bereue es nicht. Und wenn ich mein Leben nochmals von vorn beginnen könnte, würde ich es wieder so leben. Nein, ich habe keine Gewissensbisse."

Der NATO-Militär verteidigte offen die Verbrechen der Spannungsstrategie und nannte zum Beispiel den Sprengstoffanschlag auf eine Gewerkschaftskundgebung in Brescia, bei dem sieben Menschen ermordet wurden, "eine unbedeutende Episode". In einem Interview für den "Europeo" [23] erklärte er, "die Diktatur ist dasselbe wie Aspirin gegen Kopfschmerzen". Er verherrlichte die Militärjunta in Griechenland und gab von sich: "Ich begrüße den Umsturz in Chile, und nicht weniger positiv urteile ich über Pinochet." Während seiner Zeit als NATO-Befehlshaber ließ er sich in Neapel am Sitz seines Kommandos als "Vizekönig des Mittelmeerraumes" feiern und sagte, wenn er als neuer "Duce" an die Macht komme, werde er diese "mit großer Härte" gebrauchen. Unter der Losung einer "starken nationalen Rechten" trat der Admiral dafür ein, alle Rechtskräfte um die Sozialbewegung zum "Kampf gegen den Kommunismus" zu sammeln.

Und dieser Birindelli war kein Einzelfall. Es würde Seiten über Seiten füllen, sie aufzuzählen. Betrachten wir als Letztes das gegen Aldo Moro inszenierte Mordkomplott, mit dem 1978 der geplante Regime Change eingeleitet wurde. Hier einige Fakten, wie die offene Mordhetze gegen den linksliberalen DC-Politiker geführt wurde.


Der Allende Italiens

Moro knüpfte am gesamtnationalen Handeln während der Resistenza an und wollte durch die Einbeziehung zunächst der Sozialisten und danach der Kommunisten seiner Partei und damit dem kapitalistischen Gesellschaftssystem eine stabile Regierungsmehrheit verschaffen. Als Gegner der NATO hatte er als Staatssekretär im März 1949 demonstrativ nicht an der Parlamentssitzung, die den Beitritt beschloss, teilgenommen.

Als die Kommunisten bei den Parlamentswahlen 1976 mit 34,4 Prozent hinter der DC (38,7 Prozent) den 2. Platz belegten, konnte das Land, so Moro, nicht mehr gegen die von 12,6 Millionen Italienern gewählte IKP regiert werden. [24] Er war ein entschiedener Gegner der massiven Einmischung Washingtons in die italienischen Angelegenheiten. Eine seiner gemeinsamen Interessenlinien mit dem IKP-Vorsitzenden Enrico Berlinguer war, die italienischen Entscheidungen in der IKP unabhängig von Moskau zu treffen, und die in der DC unabhängig von Washington. [25] Seine Öffnung zu den Kommunisten stieß in den USA auf entschiedene Ablehnung. Die erbitterten Angriffe führten zu einer regelrechten Mordhetze. Während er sich 1974 als Außenminister in Begleitung von Staatspräsident Giovanni Leone in Washington befand, wurde offen gedroht, "Italien in ein zweites Chile" zu verwandeln.


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US-Präsident Gerald Ford und Außenminister Henry Kissinger am 16. August 1974 auf dem Gelände des Weißen Hauses
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Präsident Gerald Ford erinnerte an die Unterstützung für den Militärputsch Pinochets und erklärte, die Vereinigten Staaten hätten dort "ihre Interessen" verteidigt. [26] Moros Frau Eleonore sagte während der parlamentarischen Untersuchung zum Mord an ihrem Mann aus, dass ihm in Washington gedroht worden war, wenn er seine Zusammenarbeit mit den Kommunisten nicht aufgebe, werde er es "teuer bezahlen". Ein hoher Beamter habe in Anspielung auf die Ermordung John F. Kennedys und seine Witwe gedroht, dass es sonst "eine Jaqueline in der Zukunft (Italiens) geben" werde. [27] Außenminister Kissinger äußerte nach der Abreise der Italiener unmißverständlich, dass die CIA "Realitäten zu schaffen" habe. Deren früherer Vize-Direktor und Leiter des zum Geheimdienst gehörenden Center of Strategic and International Studies, Ray Cline, bekräftigte in der "New York Times", dass die "Situation in Italien durch die Geheimaktivitäten der CIA gelöst werden wird". Wie später ans Licht kam, war sich eine Tagung des Instituts im April 1976 einig, dass es höchste Zeit sei, "entschiedener in Italien einzugreifen", um einen Regierungseintritt der Kommunisten zu verhindern. [28] Kissinger verschärfte seine Angriffe auf Moro, der als "Allende Italiens" das Land "in kommunistische Abhängigkeit" steuere. Kissingers Botschafter in Rom, Richard Gardner, nannte Moro noch nach dessen Entführung den "gefährlichsten Politiker Italiens". [29]


Der Mord an Aldo Moro

Genau in dem Augenblick, da Moro und Berlinguer am 16. März ihren Historischen Kompromiss mit der Bildung einer Regierung mit IKP-Beteiligung verwirklichen wollten, wurde dessen Verhinderung mit dem seit langen geplanten Komplott gegen den DC-Vorsitzenden mit dessen Entführung eingeleitet und am 9. Mai mit seiner Ermordung vollendet. An seiner Inszenierung und Ausführung wirkten neben Außenminister Kissinger der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti, die CIA und die NATO-Geheimtruppe Gladio mit italienischen Geheimdienst- und Armee-Kreisen in Komplizenschaft mit den Faschisten des Landes mit. Als Werkzeug dazu ließen sich die von Polizei- und Geheimdienst-Agenten unterwanderten und entsprechend manipulierten linksextremen Brigate Rosse missbrauchen. [30]

Die Zentrale der CIA-Operation war die persönlich von NATO-Oberbefehlshaber General Alexander Haig und Außenminister Henry Kissinger 1969 mit dem Chef der CIA für verdeckte Operationen, Ted Shackley, gebildete Geheimloge P2, die der Altfaschist Licio Gelli leitete. Haig hatte Gelli für den Aufbau eine Liste mit 400 hohen italienischen NATO-Offizieren übergeben. Die Loge zählte über 2.500 eingeschriebene Mitglieder. Das Mitglied der Parlamentskommission zur Untersuchung des Mordes an Aldo Moro, Sergio Flamigni, belegte, dass 47 Großindustrielle, 119 Bankiers und Leute der Hochfinanz, 30 Universitätsprofessoren, 43 Generäle, darunter die gesamte Führungsspitze der Geheimdienste der letzten 30 Jahre, der komplette Generalstab des Heeres, etwa 400 hohe Offiziere, drei Minister der amtierenden Regierung, drei Staatssekretäre, 18 hohe Regierungsvertreter, 22 Spitzenjournalisten der P2" angehörten. Im Rahmen der Kollaboration mit der Mafia waren auch eine große Zahl Chefs der "Ehrenwerten Gesellschaft" in die Loge eingetreten, darunter die ganze Führungsspitze der Cosa Nostra. [31]

Nach der Entführung Moros bremste die P2 über ihre Mitglieder in den Schlüsselpositionen des Sicherheitsapparates "die offizielle Fahndung, die das 'Gefängnis' der Brigadisten aufspüren und den DC-Vorsitzenden befreien sollte und legte falsche Spuren". Das P2-Mitglied, Geheimdienst-Oberst Camillo Gugliemi, beaufsichtigte am Ort der Entführung in der Via Fani den Ablauf des Kommandounternehmens. Der Oberst war auf dem NATO-Stützpunkt Capo Marragiu auf Sardinien verantwortlich für die Ausbildung verdeckter Agenten in den BR.

In einigen Fällen gab es Widerstand in den Reihen des Sicherheitsapparates, versuchten verfassungstreue Mitarbeiter, die Öffentlichkeit zu informieren. So spielte ein Offizier der "Repubblica" eine Nachricht zu, welche die Zeitung bereits zwei Tage nach der Entführung veröffentlichte. Sie besagte, dass die Entführung und Ermordung des Begleitkommandos Moros "eine militärische Aktion" war, ein "Glanzstück an Perfektion", die nur "von Militärs mit ausgetüftelter Spezialausbildung oder von Zivilisten, die in für Kommandounternehmen spezialisierten Militärstützpunkten einem langen und methodischen Training unterzogen wurden, durchgeführt werden konnte". Der langjährige Kommandeur der Gladio-Division, General Gerardo Serravalle, bestätigte später, der Schütze, der das Begleitkommando liquidierte, habe über eine derartige Fähigkeit verfügt. [32] Als Gladio am 23. Oktober 1990 in Italien aufgedeckt wurde, bestätigten auch die Geheimdienstexperten Giovanni Bellu und Mario D'Avanzo, dass die Truppe in das Mordkomplott gegen Moro einbezogen und dieser zeitweise auf einem Gladiostützpunkt bei Rom untergebracht war. [33]


Foto: Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons

Aldo Moro mit seiner Ehefrau Eleonora Chiavarelli
Foto: Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons


Eine "schwarze Regierung"

Mit dem Mord an Moro wurde eine reaktionäre Wende eingeleitet, die 1994 den Regime Change zu dem Mitglied des Dreierdirektoriums der faschistischen Putschloge P2 Silvio Berlusconi und seiner Forza Italia (FI) einleitete. Es war "eine schwarze Regierung aus Faschisten und Monarchisten, Lega-Leuten [34] und christdemokratischem Schrott, Industriellen, Anwälten und Managern der Fininvest". [35] US-Präsident Clinton eilte nach Rom, um für die schwarze Regierung ein Staatsbankett auszurichten. Er hatte nichts dagegen einzuwenden, dass der Chef der MSI-Faschisten, Vize-Premier Gianfranco Fini, [36] den "Duce" als "größten Staatsmann des Jahrhunderts" feierte und seine Rehabilitierung forderte, der frühere SS-Offizier Mirko Tremaglia die "Heimkehr" des Jugoslawischen Istriens, Damaltiens und der Hafenstadt Fiume in den italienischen Staatsverband verlangte oder der Postminister Giuseppe Tartarella zur Ehrung des Mussolini-Ideologen Giovanni Gentile eine Sonderbriefmarke herausgab.


Heute regiert Draghi mit Faschisten

Mit Unterbrechungen blieb der Medien-Diktator bis 2011 im Amt. 2008 wurden die gespaltenen Linken aus dem Parlament vertrieben. Seit 2021 bildete Mario Draghi - was Mussolini schon 1922 verfolgte - eine so genannte Regierung der "nationalen Einheit", der Lega-Faschisten und wieder Berlusconis FI zusammen mit dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) und der pseudolinken Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) angehören. Kaum nötig zu erwähnen, dass der frühere EZB-Chef sie voll auf EU-Kurs gebracht hat.


Anmerkungen:

[1] Valentin Falin (1926-2008), Diplomat der UdSSR, darunter von 1971-1978 Botschafter in Bonn. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion siedelte er in die BRD über und lebte in Hamburg, war von 1992-2000 Mitarbeiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, kehrte danach nach Moskau zurück, wo er eine Dozentur am Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen (das er absolviert hatte) annahm.

[2] Valentin Falin: Zweite Front. Die Interessenkonflikte in der Anti-Hitler-Koalition. München 1995, S. 208 ff.

[3] Die Äußerungen sowohl Trumans als auch Churchills werden bereits in dem Buch von D. F. Fleming: The Cold War and his Origins, 1917-60, Bd. I (London 1961) erwähnt.

[4] Die kampfstarke Partisanenarmee zählte bei Kriegsende 256.000 Kämpfer, von denen die IKP 155.000 stellte. Weitere etwa 200.000 Mitglieder zählten die Gruppi di Azione Patriottica (GAP), die überwiegend aus Kommunisten bestanden. Bereits Anfang 1944 musste die Wehrmacht gegen die Partisanen in den besetzten Gebieten 15 Divisionen einsetzen.

[5] Sophie G. Alf: Leitfaden Italien. Vom antifaschistischen Kampf zum Historischen Kompromiß, S. 52.

[6] Alf, S. 50 ff. Ihre Aussage ging sinngemäß von der zitierten Haltung Churchills aus.

[7] Bradley F. Smith/Elena Agarossi: Unternehmen "Sonnenaufgang", Kiepenheuer & Witsch, Köln 1981.

[8] Im April 1944 waren auf Initiative der IKP Kommunisten, Sozialisten und die bürgerlichen Oppositionsparteien (ausgenommen die Republikaner) mit der Democrazia Cristiana (DC) an der Spitze in die von Marschall Pietro Badoglio nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 gebildete Regierung eingetreten, die damit eine antifaschistische Ausrichtung erhielt.

[9] Giuliano Procaci: Geschichte Italiens und der Italiener, München 1983, S. 386.

[10] I Giorni della Storia d' Italia. Cronaca quotidiana dal 1815. Novara 1991, S. 516 f.

[11] Marcella e Maurizio Ferrera: Cronache di Vita Italiana 1944-1958, Rom 1960, S. 141 ff.

[12] Bis 1952 nannte sie sich Partito Socialista dei Lavoratori Italiani (PSLI).

[13] Zit in: Sophie G. Alf, S. 84 f.

[14] Giorni, S. 525 ff.; Roland Flamini: Papst, Premier, Präsident, New York, 1985.

[15] Das vom 5. März 1948 datierte Dokument veröffentlichte das Blatt am 17. September 1994.

[16] Massimo Caprara: L'Attentato a Togliatti, Venezia 1978.

[17] Die Kommunistische Partei Italiens. Kurzer geschichtlicher Abriß. Dietzverlag Berlin (DDR) 1952, S. 148.

[18] "Repubblica", Rom, 31. Okt. 1977.

[19] Danach wurde er eine Schlüsselfigur der Defense Intelligence Agency (Militärische Aufklärung) und avancierte unter Präsident Richard Nixon im Generalsrang zum stellvertretenden CIA-Direktor und war an der Ausarbeitung des Szenariums für den Putsch gegen Allende (Centauroplan) beteiligt. Er galt als ein Meister der Geheimdiplomatie, den die Medien "The lone Wolf" nannten. Die US-Intervention in Vietnam, bei der allein im Süden drei Millionen Menschen umgebracht wurden, nannte er in seinen Memoiren Silent Missions, einen "der nobelsten und selbstlosesteten Kriege" der Vereinigten Staaten. Walter beendete seine Geheimdienstkarriere im Diplomatenanzug 1990/91 in Bonn, wo er als Botschafter das Kommando übernahm, um, wie er es formulierte, "die letzte Ölung zu geben, bevor der Patient (die DDR) stirbt", oder anders ausgedrückt, "dem sowjetischen Sicherheitssystem das Herz herauszureißen" (Klaus Eichner/Ernst Larock: Der Drahtzieher. Vernon Walters - Ein Geheimdienstgeneral des Kalten Krieges, Berlin 2005).

[20] Roberto Faenza: Il Malafare, Mailand 1978, S. 310.

[21] Antonio e Gianni Cipriano: Sovranità limitata. Storia dell' Eversione atlantica in Italia, Rom 1991, S. 31 f.

[22] Antonio e Gianni Cipriano, S. 201 ff.

[23] Zit in: Harald Irnberger: Die Terrormultis, Wien/München 1976, S. 208.

[24] Berlinguer hatte Moro danach vorgeschlagen, gegen die faschistische Gefahr einer vom MSI betriebenen "chilenischen Lösung" einen Compromesso storico zu schließen und auf Regierungsebene zusammenzuarbeiten.

[25] La Rocca, S. 37 ff.; "Espresso", 6. Sept. 1978.

[26] Sergio Flamigni: La Tela del Ragno. Il Delitto Moro, Mailand 1993, S. 11 f.; "Unita", 28. Sept. 1974.

[27] "Osservatore Politico", Rom, 13. Sept. 1975; Flamigni a. a. O., S. 112.

[28] Regine Igel: Andreotti. Politik zwischen Geheimdienst und Mafia. München 1997, S. 155.

[29] Flamigni, a. a. O., S. 114 ff.

[30] Vom Autor liegt dazu vor: Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro. Rote Brigaden und CIA. PapyRossa Köln 2000.

[31] Sergio Flamigni: Trame atlantice. Storia della Loggia Massonica secreta P2, Mailand 1996, S. 425 ff., 365.

[32] Gerardo Serravalle: Gladio, Rom 1991.

[33] Giovanni Bellu/Mario D'Avanzo: I Giorni di Gladio, Rom 1991.

[34] Die rassistische Lega Nord nennt sich heute (da gesamtnational ausgerichtet) nur noch Lega. Entstand im Februar 1991 aus sechs regionalen Ligen. Vertreterin führender Wirtschaftskreise des reichen Nordens, in deren Interesse sie lange Zeit einen norditalienischen Separatstaat Padanien bilden wollte.

[35] "Manifesto", 15. Mai 1994

[36] Seit 1987 Nachfolger Almirantes.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 21. Mai 2022

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