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MEMORIAL/253: Von der eigenen Klasse umgebracht - vor 45 Jahren wurde Aldo Moro ermordet (Gerhard Feldbauer)


Von der eigenen Klasse umgebracht
Vor 45 Jahren wurde Aldo Moro ermordet

Vermächtnis eines Reformers

von Gerhard Feldbauer - März 2023



Inhalt:

Prolog

 1. Soziale Herkunft und politische Haltung
 2. Gegner der DC-Rechten
 3. Enrico Mattei, ein Großindustrieller gegen Washington
 4. Apertura a Sinistra
 5. Die faschistische Gefahr
 6. Partner des Compromesso storico
 7. Berlinguers Rolle
 8. Der "Allende Italiens"
 9. Die Attentäter
10. Moros Vermächtnis

Epilog

Anhang

Verwendete Literatur
Publikationen des Autors (eine Auswahl)

*


Prolog

Aldo Moro ist als führender Repräsentant des linken DC-Flügels mit seiner Regierungszusammenarbeit zunächst mit Sozialisten, später mit Kommunisten zweifelsohne der bekannteste bürgerliche Reformer der Nachkriegszeit. Am 9. Mai 1978 fiel er einem Mordkomplott zum Opfer, dessen Drahtzieher reaktionäre Kreise in Washington und Rom waren, die damit seine Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei (PCI) unter Generalsekretär Enrico Berlinguer auf Regierungsebene zum Scheitern brachten. Die Erinnerung an den 45. Todestag Aldo Moros wird dieses Jahr in Italien besondere Aufmerksamkeit finden, weil es im "Compromesso storico" mit Berlinguer um die Bildung einer breiten Volksfront - der Kommunisten, Sozialisten und katholischen Volkskräfte - zur Verhinderung eines faschistischen Machtantritts ging. Nach dem Scheitern dieser antifaschistischen Einheitsfront gelang es 1994 den Faschisten der Forza Italia (FI) des Medien-Tycoons Berlusconi, mit dem 1946 als Nachfolger der Mussolini-Partei gebildeten Movimento Sociale Italiano (MSI) und der rassistischen Lega eine Regierung zu bilden, die mit Unterbrechungen bis 2011 währte. Im September 2022 haben dieselben Kräfte in Gestalt der von den aus dem MSI hervorgegangenen Brüdern Italiens (FdI) von Giorgia Meloni geführten faschistischen Allianz aus derselben FI und der Lega erneut die Parlamentswahlen gewonnen und am 22. Oktober - 100 Jahre nach dem Marsch Mussolinis im Oktober 1922 auf Rom, der Errichtung der faschistischen Diktatur, die bis 1945 dauerte - eine Regierung gebildet. [1]

In jüngster Zeit melden sich Kommunisten und Linke zu Wort, um die Erfahrungen Berlinguers im Kampf gegen den Faschismus aufzugreifen, um sie im Widerstand gegen die faschistische Regierung unter Meloni zu nutzen. Er sei ein Kommunist gewesen, der für "eine Gesellschaft, in der Arbeiter und Arbeiterinnen entscheiden, was und wie produziert wird", kämpfte und Kommunisten und andere Linke sollten an seiner "demokratischen Alternative" - einer Zusammenarbeit und Verständigung der Volkskräfte kommunistischer und sozialistischer mit denen katholischer Inspiration - anknüpfen, schrieb das kommunistische Magazin Contropiano zu seinem 38. Todestag am 13. Juni 2022. Denn die Aufgabe könne nur darin bestehen, ein - wie vor 45 Jahren von Berlinguer und Moro verfolgtes - ähnliches Bündnis aller Volkskräfte gegen den Faschismus zu bilden. Dies umso mehr, als derzeit die Möglichkeiten bzw. die Bereitschaft dazu in Italien kaum gegeben zu sein scheinen.

Ähnlich ist die Lage in Deutschland mit der in der DKP bekannten Situation, einer weiteren Splitterpartei KPD und linken Grüppchen mit kommunistischem Anspruch und einer Partei Die Linke, die aus dem opportunistischen Chaos keinen Ausweg findet und in der trotzdem die KPF nicht aufgibt und eine Hoffnung darstellt. Auch hier kann die Schlussfolgerung nur darin bestehen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, auf die Arbeiterkämpfe, die Friedensbewegung, den antifaschistische Widerstand, aber auch auf das Festhalten an demokratischen Traditionen unter den verschiedensten Vertretern der Intelligenz und bürgerlicher Kräfte zu setzen. Auch wenn viele von ihnen keine entschiedenen antikapitalistischen Positionen beziehen, vermitteln sie letztendlich die Hoffnung, dass sie die Zukunft ihres Landes so wie bisher nicht hinnehmen werden. Diese Hoffnung hat ihre Basis in der Mehrheit der arbeitenden Menschen, die sich nicht ewig damit abfinden wird, dass von Vertretern des Kapitals, ob aus der SPD mit Liberalen und Grünen oder CDU-Bündnissen regiert, immer mehr von ihnen zur Armut verdammt werden.

Es wird der Tag kommen, an dem sie dem menschenfeindlichen System ein Ende bereiten und eine sozial gerechte Gesellschaftsordnung errichten werden. Der 1997 verstorbene DDR-Wissenschaftler Jürgen Kuczynski sagte dazu in seinen Spätschriften "Asche für Phönix" über Aufstieg, Untergang und Wiederkehr neuer Gesellschaftsordnungen: Wir bleiben "der Idee des Sozialismus treu". Und zwar nicht nur, "weil wir Marxisten sind", sondern weil uns die Erfahrungen der Geschichte die Erkenntnis vermitteln, die durch die heutige gesellschaftliche Entwicklung bestätigt wird, dass "nur eine sozialistische Lösung der sozialen Frage in unserer Epoche existiert". Diese Gesellschaftsformation werde, wenn möglicherweise unter einem anderen Namen, "den Sieg davontragen". Darauf zielte auch der Titel "Asche für Phönix" ab, mit dem er der Gewissheit Ausdruck verlieh, dass der Sozialismus aus seiner Asche hervorsteigen wird. [2]

Ein weiterer Gesichtspunkt ist, und auch das dürfte nicht nur auf Italien zutreffen, zu verfolgen, wie die reaktionärsten Kräfte des Imperialismus schon immer auf den Faschismus setzten, um ihre Herrschaft zu sichern und Kommunisten und Linke, selbst Sozialdemokraten und Reformer auf den Positionen des Kapitals, auszuschalten.

Kommunisten haben - entgegen anderslautenden Unterstellungen - Reformen immer große Bedeutung beigemessen. Und hier sollte aus dem theoretischen Reservoir Lenins geschöpft werden, der einen Verzicht "auf den Kampf für die Durchsetzung von Reformen" grundsätzlich ablehnte. Er bezeichnete sie als "ein Hilfsmittel für den Klassenkampf", betonte, sie seien nicht mit Reformismus zu verwechseln, müssten sich im Gegenteil auch "gegen die Opportunisten richten", denen man auf diesem Gebiet nicht das Feld überlassen dürfe. [3] Gleichzeitig bejahte er, dass "Anhänger der proletarischen Revolution Kompromisse oder Abkommen mit Kapitalisten schließen". Dabei komme es darauf an, "durch alle Kompromisse hindurch die revolutionäre Taktik und Organisation, dass revolutionäre Bewusstsein, die Entschlossenheit, Erfahrenheit der Arbeiterklasse und ihres organisierten Vortrupps, der kommunistischen Partei, zu bewahren, zu festigen, zu stählen, weiterzuentwickeln." [4]

Reformistische Konzepte, für die sich unter Vertretern liberaler oder flexibler Kreise der Bourgeoisie in Krisensituationen Befürworter fanden, stießen allerdings meist auf den Widerstand der rechten, vor allem der reaktionärsten Kreise des Kapitals, die sie meist verhinderten. In nicht wenigen Fällen geschah das durch die physische Liquidierung der Reformer, obwohl selbst für flexible oder liberale bürgerliche Politiker die kapitalistische Gesellschaftsordnung generell die Grundlage von Reformen darstellte. Ihr Ziel war, mit Sozialdemokraten bzw. Sozialisten oder anderen Reformisten eine Zusammenarbeit zu erreichen, um Krisen ihres Systems zu begegnen und es zu festigen oder ihm auch auf einzelnen Gebieten günstigere Bedingungen zu verschaffen. Was das Schicksal diesbezüglicher Reformer betrifft, sei an Matthias Erzberger oder Walther Rathenau in der Weimarer Republik erinnert, die in außenpolitischen Fragen versuchten, Reformen der Regierungspolitik durchzusetzen. Zu ihnen ist sicher auch John F. Kennedy zu rechnen, der einige zaghafte reformähnliche Zugeständnisse im Inneren der USA ins Auge fasste. Ein ähnliches Schicksal erlitt der bürgerlich-liberale Olaf Palme.

Der nach 1945 entstandenen faschistischen Gefahr entgegenzutreten, war wesentliches Ziel, das IKP-Generalsekretär Enrico Berlinguer und der Vorsitzende der Democrazia Cristiana (DC), Aldo Moro, verfolgten, als sie Mitte der 70er Jahre das Compromesso storico genannte Abkommen über eine Regierungszusammenarbeit schlossen. Bei seiner Wertung sind allerdings einmal historische Unterschiede zu beachten und zum anderen, dass Berlinguers Konzept der sogenannte Eurokommunismus zugrunde lag, der eine Absage an grundlegende Fragen des Leninismus und selbst des Marxismus einschloss. Die IKP gab wesentliche, für den perspektivischen Kampf einer kommunistischen Partei charakteristische Positionen auf.

Ich möchte einfügen, dass ich mit meiner Frau Irene, die als Foto-Reporterin arbeitete, für die Nachrichtenagentur ADN der DDR von 1973 bis 1979 in Rom tätig war und Aldo Moro bei zahlreichen offiziellen Anlässen wie Staatsempfängen oder als Redner in Parlamentsdebatten persönlich kennenlernte. Es war für mich menschlich sehr ergreifend, miterleben zu müssen, wie er seine Treue zu demokratischen Traditionen und sein Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit den Kommunisten mit dem Leben bezahlte. Ihm habe ich u. a. die 2003 geschriebene Schrift "Aldo Moro und das Bündnis von Christdemokraten und Kommunisten im Italien der 70er Jahre" [5] gewidmet. Aldo Moro ist auch die Hauptfigur meiner Kriminalerzählung "Warum Aldo Moro sterben musste. Die Recherchen des Commissario Pallotta", deren fiktive, handelnde Personen ebenfalls meinem Freundes- und Bekanntenkreis in Rom entnommen sind. [6]

Mit dem Mord an Moro wurde nicht nur der Linken, sondern auch der traditionell nach links tendierenden bürgerlichen Mitte jene bis in die Gegenwart reichende schwere Niederlage beigebracht, die den Vormarsch der Rechten und Faschisten bis ins 21. Jahrhundert ermöglichte, wovon der letzte Akt, die Bildung einer Regierung unter der Führerin der FdI Meloni mit Faschisten, zeugt.

Was die USA und ihre CIA betrifft, hat sich bis heute grundsätzlich nicht das Geringste geändert. Unverändert wird auf Drohungen, Gewalt, Mord und Terror gesetzt. Die Beispiele dafür reichen von der Haltung gegenüber China und Rußland über die zur Ukraine, zu Afghanistan, Syrien und den Palästinensern bis zu Kuba und Venezuela. Nicht zu vergessen, die Bundesrepublik ist immer mit dabei. [7] Es dürfte genügen, daran zu erinnern, dass in der Ukraine im Krieg gegen Rußland, von den USA gefördert und von der EU unterstützt, der am Leben erhaltene Bandera-Faschismus [8] eine aktive Rolle spielt, die 2. Panzerdivision der SS "Das Reich", die Charkow 1943 "befreite", heute in der Ukraine verehrt wird, es "starke Verbände von Rechtsradikalen", darunter das bekannte "Asow"-Regiment, gibt, insgesamt diese rechtsextremen Gruppen "ungefähr 100.000 Kämpfer stark" sind, dass die nach dem Sturz von Viktor Janukowitsch 2014 gebildete neue Regierung aus dieser "nationalistischen extremen Rechten" hervorgegangen ist, deren erste Amtshandlung das "Verbot des Russischen" war, und dass diese Gefahr "nicht einfach eine Erfindung" der Russen ist. [9]


1. Soziale Herkunft und politische Haltung

Der 1916 in der Kleinstadt Maglie im südlichen Apulien geborene Aldo Moro kam aus den einfachen Verhältnissen einer ländlichen Pädagogenfamilie. Der Vater war Schulinspektor, die Mutter Elementarschullehrerin. Der sehr begabte Schüler studierte Jura an der Universität von Bari, an der er anschließend promovierte, sich habilitierte und später eine Professur für Strafrecht übernahm. Seit 1943 gehörte er der DC an. In Moros Bewusstsein hatte sich das einheitliche nationale Handeln während der Resistenza tief niedergeschlagen. Davon ausgehend ging es ihm während seiner Regierungszeit und als DC-Vorsitzender darum, seiner Partei und damit dem kapitalistischen Gesellschaftssystem, das sie verkörperte, eine stabile Regierungsmehrheit zu verschaffen. Das hielt er nur durch die Einbeziehung zunächst der Sozialisten und später der Kommunisten für möglich. [10]

Moro reifte frühzeitig zu einem außerordentlich fähigen Politiker mit Realitätssinn für die Probleme des eigenen Landes als auch internationaler Fragen heran. Er galt als volksverbunden und war, geradezu ein Novum in der italienischen Politik, niemals in einen Bestechungsskandal verwickelt. 1946 in die Konstituante gewählt, gehörte er danach bis zu seinem Tod ununterbrochen der Abgeordnetenkammer an. Er stand fünfmal der Regierung vor, wurde 1948 das erste Mal zum Staatssekretär ernannt, danach mehrmals zum Außenminister und Chef anderer Kabinettsressorts. Für die 1979 anstehenden Präsidentenwahlen galt er als aussichtsreichster Kandidat seiner Partei.

Als Gegner der NATO blieb er am 27. März 1949 demonstrativ der Parlamentssitzung fern, die den Beitritt beschloss. De Gasperi schloss ihn deswegen aus dem Kabinett aus. Viele Politiker hielten seine Karriere für beendet. Die DC bezahlte jedoch bei den Parlamentswahlen 1953 den pro-atlantischen Kurs De Gasperis mit einer schweren Niederlage. Von 48,5 Prozent (1948) sackte sie auf 40,1 ab. Während De Gasperi abdankte, kehrte Moro in die Politik zurück und 1955 in die Regierung. Vor den Wahlen hatten die DC-Rechten einen Gesetzentwurf für eine Rückkehr zum reaktionären Mehrheitswahlrecht eingebracht, der in verblüffender Weise dem ähnelte, mit dem sich Mussolini 1924 in einer betrügerischen Scheinwahl eine Mehrheit gesichert hatte. Der Entwurf sah vor, der Parteienkoalition (die DC wollte im Bündnis mit Sozialdemokraten, Liberalen und Republikanern antreten), die über 50 Prozent erreicht, zwei Drittel aller Parlamentssitze zuzusprechen. [11] Das Gesetz scheiterte am entschiedenen Widerstand, den vor allem IKP und ISP organisierten.

Als Moro 1963 den ersten Auftrag zur Regierungsbildung erhielt, setzte er die erste apertura a sinistra (Öffnung nach links) durch und nahm die 1947 von De Gasperi mit den Kommunisten ausgeschlossenen Sozialisten wieder in das Kabinett auf. Die Parlamentswahlen 1976 stürzten die DC erneut in die Krise. Sie selbst konnte zwar ihre Stimmen halten, aber die Sozialisten, die sich in der Regierung verschlissen, erreichten nur noch 10,2 Prozent, während die der IKP sprunghaft um 7,3 auf 34,4 Prozent anstiegen. Als DC-Vorsitzender begann Moro nun, die Kommunisten in die Regierungszusammenarbeit einzubeziehen. Gegen die von 12,6 Millionen Italienern gewählte IKP konnte das Land, so Moros Meinung, nicht mehr regiert werden. Das von ihm mit Berlinguer über die Regierungszusammenarbeit geschlossene Abkommen ging als Compromesso storico in die Geschichte ein. [12]


2. Gegner der DC-Rechten

Seit der Berufung De Gasperis 1947 zum Ministerpräsidenten führte die Democrazia Cristiana (DC) als großbürgerliche Partei, bis sie 1992/93 im Korruptionssumpf unterging, fast ununterbrochen die Regierungen an. Sie entstand unter dem Namen Partito Popolare Italiano (PPI) im Juni 1919 auf Initiative des Priesters Don Luigi Sturzo, um auf der Grundlage der Verankerung im Katholizismus und eines klassenübergreifenden Konzepts eine gegen die sozialistische Arbeiterbewegung gerichtete Partei der Mitte zu schaffen. Dank der Unterstützung des Vatikans gelang es ihr, vor allem mittelständische Schichten und Bauern zu gewinnen und bei den Wahlen im November 1919 mit 20,6 Prozent den dritten Platz zu belegen. Während die Kurie, die Mussolinis Marsch auf Rom befördert hatte, auch danach eine wichtige Stütze seiner Regierung blieb, bildete sich in der PPI ein antifaschistischer Flügel heraus. Auf Betreiben des Vatikans wurde Don Sturzo entmachtet und die Volkspartei 1925 für aufgelöst erklärt. [13] Der nach dem Mord an dem Sozialistenführer Giacomo Matteotti im Juni 1924 wachsende antifaschistische Widerstand zwang den Vatikan zum Lavieren. Offiziell würdigte er "die feste Haltung des Duce", musste aber gleichzeitig verfolgten Funktionären der PPI Zuflucht gewähren. Mit De Gasperi an der Spitze existierte die Volkspartei in Rudimenten de facto weiter und wirkte unter dem Dach der legalen Azione Cattolica, in der sich unter dem bedeutendsten katholischen Sozialtheoretiker Giorgio La Pira ein starker linker Flügel herausbildete.

Im Oktober 1942 in Democrazia Cristiana umbenannt, wurde die Partei zum Sammelbecken der großbürgerlichen Politiker, die mit Hitlerdeutschland brechen wollten. Nach dem Sturz des "Duce" im Juli 1943 gehörte die DC dem Nationalen Befreiungskomitee (CLN) an und trat mit IKP, ISP und anderen Oppositionsparteien 1944 in die antifaschistische Einheitsregierung ein. Ihre Verankerung im Katholizismus, aber auch ihr antifaschistisches Image und eine bis in die 70er Jahre hinein starke linke Strömung sicherten der DC, wenn auch mit einem schrumpfenden Wähleranteil von 48,5 Prozent (1948) auf 29,2 (1992), eine Massenbasis auch unter den Arbeitern. Neben zwischen den Fronten lavierenden Strömungen bildete sich nach 1945 ein starker rechter und ein linker Flügel heraus. Durch den Übertritt zahlreicher Mussolini-Faschisten in die DC entstand ein schwarzer Rand. Vor allem, aber nicht nur, von diesem ging das Paktieren von DC-Rechten mit der 1946 als Nachfolger der Partei Mussolinis gebildeten Movimento Sociale Italiano (MSI) aus.

Der reaktionäre Kurs der DC-Rechten zeigte sich im Paktieren mit den MSI-Faschisten. 1950 empfingen Staatspräsident Einaudi und Ministerpräsident De Gasperi eine Delegation der MSI-Führung. 1953 erhielt das Kabinett Pella, eines zur DC gewechselten Mussolini-Faschisten, 1957 die Regierung Zoli und danach die von Antonio Segni nur mit den Stimmen der MSI gewählte die erforderliche Mehrheit. 1960 versicherte sich Fernando Tambroni, ein früherer Hauptmann der Miliz der Repubblica Sociale Italiana (RSI), seit 1926 Mitglied der Mussolinipartei und nunmehriger Ministerpräsident der DC, der Unterstützung seiner faschistischen Kumpane. 1962 wurde der Bewerber der DC Antonio Segni und 1972 Giovanni Leone nur mit den Stimmen des MSI zum Staatspräsidenten gewählt. Der PPI-Gründer Don Sturzo rief 1952 die DC und die anderen bürgerlichen Parteien auf, zusammen mit der MSI und den Monarchisten einen Einheitsblock gegen die "rote Machtübernahme" zu bilden. [14]

Die DC zeigte sich erkenntlich. Pella empfing 1953 eine Delegation der CISNAL-Gewerkschaft, und Zoli genehmigte der MSI, den Leichnam Mussolinis in dessen Heimatort Predappio zu überführen und dort in einem Ehrenhain beizusetzen. Die Feiern gestalteten sich zu einer Verherrlichung Mussolinis und der unter seinem Regime begangenen Verbrechen. Die Witwe des Diktators erhielt eine Rente bewilligt, während sie Antifaschisten und Verfolgten des Mussoliniregimes in unzähligen Fällen verweigert wurde. Das MSI-Blatt Secolo d'Italia bekam offizielle Staatszuschüsse.

Stärker als auf zentraler Ebene konnte die MSI in den Parlamenten der Regionen und Provinzen sowie in Städten und Gemeinden vor allem im Mezzogiorno, dem Süden des Landes, Fuß fassen. Ihre Wahlergebnisse wuchsen 1972 in vier Regionen auf 15 und mehr Prozent an. In 47 von insgesamt 100 Provinzhauptstädten war sie in den Parlamenten mit Ergebnissen zwischen zehn und 35 Prozent vertreten. In den Regionen Kampanien, Apulien, Sizilien und Sardinien regierte die DC mehrere Legislaturperioden mit der MSI oder erhielt deren Unterstützung. In fast allen Provinzstädten sowie in 1.500 Städten und Gemeinden war die MSI mit etwa 40.000 Ratsmitgliedern vertreten. In über 100 Städten und Gemeinden stellte sie die Bürgermeister und in zahlreichen weiteren wurden die Stadtoberhäupter der DC mit ihren Stimmen gewählt. [15] Auf zentraler Ebene belegte die MSI mit Stimmen zwischen 5,9 und 6,8 Prozent, zeitweise auch zirka neun Prozent [16], den vierten Platz im Parlament, ehe sie 1994 mit 13,4 Prozent den dritten erreichte. Um das Paktieren zu kaschieren, legte DC-Innenminister Mario Scelba ein Gesetz (Legge Scelba) vor, nach dem die MSI und ihre paramilitärischen Organisationen gemäß der Verfassung aufgelöst werden sollten. [17] 1952 verabschiedet, wurde es nie gegen die MSI angewendet.

Zur Wahrung eines Restes von antifaschistischem Konsens einigten sich die bürgerlichen Parteien mit der IKP und ISP darauf, die MSI an keiner zentralen Regierung zu beteiligen. Man sprach von den Parteien des Arco costituzionale, von dem die MSI ausgeschlossen blieb. Der Verfassungsbogen erwies sich - lange, bevor er im April 1994 mit der erstmaligen Aufnahme der MSI in die Regierung Berlusconis auseinanderbrach - als ein brüchiger Konsens, der dazu diente, die Gefahr des Faschismus zu verdecken.

Maßgeblicher Repräsentant des rechten DC-Flügels wurde der siebenmalige Ministerpräsident und Senator auf Lebenszeit Giulio Andreotti. Vom Image seiner Teilnahme an der Resistenza profitierend stand er mehrfach auch an der Spitze linker Zentrumsregierungen und konnte sich so lange Zeit als Mann der Mitte und des Ausgleichs vorstellen. Der Gewährsmann Washingtons, Vertraute des Vatikans und Komplize der Mafia stieg zur Schlüsselfigur des Mordkomplotts gegen Moro auf. Während seiner Amtszeit als Verteidigungsminister (1956-62) erfolgte der Aufbau der CIA-geführten geheimen NATO-Truppe Gladio, die bei allen Putschversuchen zur Errichtung eines Regimes faschistischen Typs die Fäden in der Hand hielt. Als Zentrale der Umsturzaktionen fungierte die ebenfalls von der CIA geschaffene Geheimloge Propaganda Due (P2). Während an ihrer Spitze formell der Altfaschist und Geheimdienstagent Mussolinis Licio Gelli stand, galt als ihr eigentlicher Chef Andreotti. [18]

Am 27. März 1993 wurde Andreotti wegen Komplizenschaft mit der Mafia angeklagt. Eine zweiter Prozess folgte in Perugia wegen Anstiftung zum Mord an dem von Mafia-Killern erschossenen Herausgeber des Osservatore Politico, Mino Pecorelli, der angekündigt hatte, dessen Rolle bei der Ermordung Moros zu enthüllen. U. a. wurde bekannt, dass die "Ehrenwerte Gesellschaft" auf Betreiben Andreottis der DC in Süditalien jahrzehntelang Wählerstimmen beschafft hatte, wofür angeklagten Mafiosi Straffreiheit garantiert wurde. Im Verfahren in Perugia wurde Andreotti zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt, 1999 in der Revision freigesprochen, was der Kassationshof 2003 bestätigte. In Palermo gab es einen Freispruch "zweiter Klasse" wegen Mangels an Beweisen. Der Einspruch der Staatsanwaltschaft wurde letztinstanzlich 2003 vom Kassationsgericht ebenfalls zurückgewiesen. [19]

Im Ergebnis der Resistenza entstand in der DC in Gestalt einer "Iniziativa Democratica" jedoch auch ein starker linker Flügel. Es handelte sich um eine Gruppe, die sich den antifaschistischen Traditionen verpflichtet fühlte und nach der Niederlage des Faschismus für eine soziale Erneuerung der Gesellschaft auf christdemokratischen Grundlagen eintrat. Aldo Moro gehörte von Beginn an zu ihren führenden Köpfen. Es ging den Erneuerern um antifaschistisch-demokratische Veränderungen, bei denen sie in vielen Fragen mit den Sozialisten und Kommunisten übereinstimmten. Ihre sozialen Reformen gingen von der kapitalistischen Gesellschaftsordnung aus. Damit wollten sie den in der Arbeiterbewegung vorherrschenden Sozialismusvorstellungen eine christliche Alternative entgegenstellen. Diese Kräfte wendeten sich mehrheitlich sowohl gegen den proamerikanischen und auf konservativen Grundlagen von De Gasperi beruhenden eingeschlagenen antikommunistischen Kurs der kapitalistischen Restauration als auch gegen die erbitterte Frontstellung gegen die Linke insgesamt und traten dafür ein, die Regierungszusammenarbeit mit IKP und ISP fortzusetzen.


3. Enrico Mattei, ein Großindustrieller gegen Washington

Noch vor Moro wurde der Großindustrielle des staatlichen Sektors Enrico Mattei zu einem ihrer führenden Repräsentanten. Der 1906 geborene Mattei, ein Ingenieur und Chemieunternehmer, gehörte als Kommandeur einer Partisanenbrigade zu den führenden katholischen Antifaschisten. Ferrucio Parri [20] berief ihn zum Regierungsbeauftragten für das Erdölunternehmen Agip, aus dem 1953 der staatliche Energiekonzern "Ente Nazionale Idrocarburi" (ENI) hervorging, der Mattei das Monopol sicherte. Als Präsident der ENI verfügte er über eine strategisch entscheidende Position in der Wirtschaft und als Mitglied der Abgeordnetenkammer über eine entsprechende politische Funktion.

Mattei weigerte sich, die ENI der Herrschaft der US-amerikanischen Standard Oil unterzuordnen. Um Italien aus deren Abhängigkeit zu lösen, schloss er Lieferverträge mit der Sowjetunion, die vorsahen, 30 Prozent des Landesbedarfs zu sichern. Weiteren Verbrauch deckte er durch Abkommen mit arabischen Staaten. Das berührte, von den Profiten, die der Standard Oil entgingen, einmal abgesehen, die Versorgung der in Italien dislozierten NATO-Verbände und der im Mittelmeer operierenden 6. US-Flotte, für welche die ENI zuständig war. Für Washington war Mattei einer "der gefährlichsten Feinde", seine Energiepolitik "eine Bedrohung der amerikanischen wirtschaftlichen und politischen Positionen in Italien und im Nahen Osten". [21] Mattei trat gegen den italienischen NATO-Beitritt auf und nachdem dieser erfolgt war, für den Austritt. Eine Anzahl Großindustrieller, darunter FIAT-Chef Agnelli, brachten seinem Kurs bezüglich der wirtschaftlichen Unabhängigkeit Interesse entgegen. Diese Haltung zielte darauf ab, Italien aus der Blockkonfrontation mit dem ständigen Risiko des Übergangs in eine weltweite militärische Auseinandersetzung herauszuhalten.

Der ENI-Chef, der in der IKP und der ISP, aber auch in seiner eigenen Partei als Präsidentschaftskandidat zur Diskussion stand, unterstützte nicht nur Moros Absicht, die Sozialisten wieder in die Regierung aufzunehmen, sondern plädierte bereits 1955 für eine "Lösung der kommunistischen Frage über kraftvolle soziale und ökonomische Reformen". [22] James King, Sonderbotschafter Präsident Kennedys, berichtete aus Rom, "dass Mattei eine effektive Kontrolle über die Regierung" ausübe. [23] Für die CIA war der Bericht letzter Anlass, den "Fall Mattei" auf ihre Weise "zu lösen". Bereits im Januar 1962 kam es zu einem ersten Attentatsversuch, der jedoch scheiterte. Der nächste Anschlag am 27. Oktober gelang. Mit seinem Privatflugzeug stürzte der ENI-Chef bei Pavia ab.

Der Tod Matteis brachte für Washington mit einem Schlag die Lösung aller Probleme. [24] Der Befürworter einer sozialverträglichen Lösung der "kommunistischen Frage" war ausgeschaltet. Unter dem nun wachsenden Einfluss der pro-atlantischen Kreise wurde in Rom postwendend ein ENI-Nachfolger ganz nach dem Geschmack der Standard Oil ernannt: Eugenio Cefis, Finanzier der Faschisten im Geflecht der von der CIA zur Ausschaltung der Kommunisten betriebenen Spannungsstrategie. Er unterzeichnete bereits im März 1963 ein neues langfristiges Abkommen, in dem die italienische Ölversorgung wieder ganz unter die Kontrolle der Standard Oil gestellt wurde. Als 1990 die CIA-Geheimtruppe Gladio aufgedeckt wurde, kam ans Licht, dass der Mord an Mattei ein Anschlag dieser geheimen NATO-Truppe war. Ein Offizier der Leibwache, der den Motor des Flugzeuges vor dem Start manipulierte, gehörte zu ihren Mitgliedern. [25]


4. Apertura a Sinistra

Ihren Beitritt zur NATO 1949 bezahlte die DC bei den Parlamentswahlen 1953 mit einer Niederlage. Von 48,5 Prozent 1948 sackte sie auf 40,1 ab. De Gasperi trat als Ministerpräsident zurück. Nach der Niederlage begann man in der DC darüber nachzudenken, die 1947 vertriebenen Sozialisten wieder in die Regierung einzubeziehen. Die Initiative zu dieser später apertura a sinistra genannten Linie ging von Aldo Moro aus. Während es ihm, der 1949 gegen den Beitritt zur NATO aufgetreten war, darum ging, der Vorherrschaft der USA in Italien entgegenzutreten, wollten die rechten DC-Kreise dagegen die ISP auf ihre pro-atlantische Linie festlegen. Neben der Absage an den antikapitalistischen Kurs verlangten sie, das Aktionseinheitsabkommen mit der IKP aufzugeben. [26]

Die rechten Kräfte in der ISP, die zunehmend die Parteiführung beherrschten, nahmen die Signale positiv auf und begannen, sich auf eine Regierungszusammenarbeit mit der führenden Partei des Großkapitals hin zu orientieren. Als Anstöße, die zum Bruch mit der IKP führten, werden gern der XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956, auf dem Chruschtschow zu den Folgen des Personenkults um Stalin sprach, und das militärische Eingreifen der UdSSR in Ungarn im Oktober 1956 angeführt. Ohne die tiefgehenden Auswirkungen der beiden Ereignisse zu negieren, ist festzuhalten, dass der Ausgangspunkt des Umschwenkens der ISP auf den Kurs der Zusammenarbeit mit der DC weiter zurück bei zwei innenpolitischen Ereignissen liegt. Bereits auf dem XXXI. ISP-Parteitag im März 1955 hatte Pietro Nenni eine Offerte der DC vom "Wechsel des Bündnisses" offiziell aufgegriffen und empfohlen, sich "gegenüber den Katholiken zu öffnen". Als Giovanni Gronchi vier Wochen später zum Staatspräsidenten gewählt wurde, gab er in seiner Antrittsrede vor dem Parlament eine für die aus der Arbeiterklasse kommenden Mitglieder und Anhänger der ISP bestimmte Erklärung ab, in der er verbrämt von der Notwendigkeit sprach, "die arbeitenden Massen, die das allgemeine Wahlrecht bis an die Schwelle des Staates geführt hat, auch effektiv an der politischen Leitung des Landes zu beteiligen" und so "die Versöhnung zwischen Volk und Staat" zu verwirklichen. [27] Im Oktober 1956 erfüllten die Sozialisten die entscheidende Bedingung für eine Regierungsbeteiligung: Sie kündigten das 1934 im antifaschistischen Widerstand mit den Kommunisten geschlossene Aktionseinheitsabkommen. Der XXXIII. ISP-Parteitag im Januar 1959 billigte den Rechtsschwenk. Die Delegierten bestätigten Nenni, den viele an der Basis noch immer für einen Linken hielten, an der Parteispitze, was es ermöglichte, die mehrheitlich rechte Ausrichtung zu kaschieren. [28]

Aufgrund des Widerstandes der DC-Rechten und des massiven Drucks der USA gegen ein Regierungsbündnis mit den Sozialisten kam es im Juli 1960 zunächst nur zur Tolerierung der DC-geführten Regierung durch Stimmenthaltung der ISP im Parlament. Die Sozialisten erhielten danach ein Mitspracherecht bei der Ausarbeitung eines neuen Regierungsprogramms. Das konzipierte Reform-Projekt sah die Verstaatlichung der gesamten Energieversorgung, Maßnahmen der Industrialisierung des Südens, Mindestlöhne und Verbesserungen im Gesundheitswesen vor. Als Gegenleistung verzichtete die ISP auf ihre Forderung nach einem gesellschaftlichen Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln und billigte offiziell die NATO-Mitgliedschaft Italiens. Außer der Verstaatlichung des Energiesektors zur Enel, die zu einer lukrativen Korruptionsquelle von DC und ISP wurde, fielen später alle übrigen Programmpunkte unter den Tisch. [29]

Als nach den Parlamentswahlen im April 1963 die Stimmen der DC nochmals auf 38,3 Prozent sanken, brachte die DC keine regierungsfähige Mehrheit mehr zustande. Die MSI ins Kabinett zu nehmen, lehnte Saragat ab. Der erstmals mit der Regierungsbildung beauftragte Moro bot nunmehr den Sozialisten den Eintritt in sein erstes Centro-Sinistra-Kabinett an. Auf ihrem XXXV. Parteitag stimmten diese zu. [30] Der Regierungseintritt stärkte den reformistischen Kurs in der ISP. Ausdruck war die Vereinigung mit den Sozialdemokraten unter der Bezeichnung "Partei der Sozialistischen Einheit" (PSU) mit Nenni an der Spitze. Die reformistische Einheit währte allerdings nur knapp drei Jahre. Als bei den Parlamentswahlen 1968 die PSU mit nur 14,5 Prozent gegenüber dem Ergebnis von 1963 - 13,8 (ISP) und 6,1 (PSDI) -eine schwere Niederlage erlitt, kehrte die ISP 1969 zu ihrer Eigenständigkeit zurück. Nenni trat als Parteichef ab. Nachfolger wurde Francesco De Martini. Die Stimmenverluste waren vor allem darauf zurückzuführen, dass die linken Sozialisten 1966 die ISP verlassen und die Sozialistische Partei der Proletarischen Einheit (PSIUP) gegründet hatten, die auf 4,2 Prozent kam.

Auf den Rechtskurs in der ISP wirkte sich der Druck der Sozialistischen Internationale aus, die die Partei im Mai 1949 ausgeschlossen hatte. Ausdrücklich hatte die SI gefordert, die Zusammenarbeit mit den Kommunisten und insbesondere das Aktionseinheitsabkommen zu beenden. Eine entscheidende soziale Grundlage für den in der ISP einsetzenden Kurs hin zu einer Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie bildete die mit dem Machtantritt des Faschismus 1922 unterbrochene Herausbildung einer Schicht der Arbeiteraristokratie. Die stärksten Konzerne hatten ihre Kriegsgewinne in modernste Industrieanlagen investiert, die eine hoch intensive Ausbeutung der Arbeitskraft ermöglichten. Einen Teil der erreichten Höchstprofite nutzten führende Unternehmen wie FIAT, Olivetti, Montecatini, aber auch staatliche Gesellschaften wie ENI und IRI, um einen Teil der Arbeiter zu korrumpieren. Es entstand der sogenannte Paternalismus, das Leitbild der Ergebenheit und Treue des Arbeiters zum Unternehmen, die entsprechend belohnt wurden. Dazu gehörte ein ganzes System von Zuschlägen für treue Dienstjahre, überdurchschnittlich hohe Arbeitsleistungen und lückenlose Anwesenheit (was hieß, nicht an Streiks teilzunehmen), die Vergabe von unter der üblichen Miete liegenden Werkswohnungen, Betriebskindergärten und billiges Kantinenessen, lange Zeit teilweise kostenlos. In den Verhandlungen über höhere Löhne und und bessere Arbeitsbedingungen zeigten sich die Unternehmer nachgiebig. Die von den Reformisten ausgegebenen Theorien von der möglichen Kontrolle der Unternehmer erhielten Auftrieb. Die Kampfbereitschaft der Arbeiter ging zeitweilig spürbar zurück. Die Zahl der Streikstunden sank von 44,9 Millionen in den Jahren 1953 bis 1955 auf 34,5 Millionen von 1956 bis 1958. Bei FIAT gab es bis 1962 überhaupt keine Streiks. [31]

Obwohl Moros Apertura entgegen seiner Zielsetzung vor allem den Forderungen der DC-Rechten entsprach, wollten in den USA Pentagon und CIA ihr mit einem faschistischen Staatsstreich begegnen. Führende Leute der Wirtschaft, der Politik, Militär- und Geheimdienstkreise drängten darauf, in Italien einzuschreiten. Botschafter Frederick Reinhardt bildete einen Krisenstab, um "die Linie des Eingreifens im Falle einer Öffnung nach links zu erörtern". Die militärische Leitung vor Ort übernahm der Militärattaché Oberst Vernon Walters. Er kannte Italien bereits aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, während der er Adjutant bei General Mark Clark gewesen war. Nach seinem Italieneinsatz wurde er eine Schlüsselfigur der Defense Intelligence Agency (Militärische Aufklärung) und avancierte unter Präsident Richard Nixon im Generalsrang zum stellvertretenden CIA-Direktor und war an der Ausarbeitung des Szenariums für den Putsch gegen Allende (Centauroplan) beteiligt. Er galt als ein Meister der Geheimdiplomatie, den die Medien "The Lone Wolf" nannten. Die US-Intervention in Vietnam, bei der drei Millionen Menschen umgebracht wurden, nannte er in seinen Memoiren "Silent Missions" einen "der nobelsten und selbstlosesteten Kriege" der Vereinigten Staaten.

Walters beendete seine Geheimdienstkarriere im Diplomatenanzug 1990/91 in Bonn, wo er als Botschafter das Kommando übernahm, um, wie er formulierte, "die letzte Ölung zu geben, bevor der Patient (die DDR) stirbt", oder, anders ausgedrückt, "dem sowjetischen Sicherheitssystem das Herz herauszureißen". [32] Walters forderte, dass "die Vereinigten Staaten ohne zu zögern das Land militärisch besetzen müssten". [33] Mit der Vorbereitung der Operation wurde der militärische Geheimdienst SIFAR beauftragt, dessen Chef General Giovanni De Lorenzo dazu einen Staatsstreichplan ausarbeitete. De Lorenzo war ein Monarchist und faschistisch orientierter General, der später auch offiziell zur MSI überwechselte. Er übernahm das Kommando über das Carabinieri-Korps, mit dem er zusammen mit Faschisten und Gladio-Einheiten den Putsch durchführen sollte. Zur Begründung fabrizierte er Berichte über "gefährliche Aktivitäten" der Kommunisten, darunter über eine "Sitzung der kommunistischen Führer", auf welcher "der Krieg gegen die Regierung", die Vorbereitung der "Revolution und die Machtübernahme in den Regionen und im ganzen Land" beraten worden sei. Details aus solchen "Berichten" wurden an verschiedene Zeitungen lanciert, in denen von der CIA bezahlte Redakteure sie unterbrachten. [34] Moro gelang es noch zu Lebzeiten Kennedys, sich bei ihm eine bestimmte Unterstützung zu sichern. Er verdeutlichte, dass sich die ISP von der IKP getrennt hatte und von einem bevorstehenden Machtantritt der Kommunisten keine Rede sein konnte. Die Company blies den Plan De Lorenzos zunächst ab. 1966 drangen Details an die Öffentlichkeit und eine Parlamentskommission musste sich damit befassen. [35]


5. Die faschistische Gefahr

An die gespenstige Kulisse erinnere ich mich noch heute. Es war Mitte Januar 1977, als im luxuriösen Midas-Hotel der 11. Parteitag der MSI stattfand. MSI-Führer Giorgio Almirante erging sich in wüsten antikommunistischen Ausfällen, griff die Gewerkschaften an und diffamierte den DC-Vorsitzenden Moro als einen Filokommunisten, der das Land den Roten ausliefere. Als er Pinochet zu feiern begann, brachen die 1.200 Teilnehmer in frenetischen Beifall aus, sprangen von den Plätzen, rissen den rechten Arm zum Führergruß empor, schrien das "Eja eja alalà", mit dem Mussolini sich einst begrüßen ließ, und skandierten "Pinochet, Pinochet". Es dauerte Minuten, bis die tobende Menge einhielt und Almirante, immer wieder von tosendem Beifall unterbrochen, weitersprach. Der neue "Duce" forderte eine "chilenische Lösung" für Italien und rief zum Studium der Erfahrungen Pinochets auf.

Pino Rauti, die Nummer zwei der Bewegung und Chef der nach SS-Vorbild aufgebauten Terrororganisation "Ordine Nuovo" [36], verlangte, die politische und wirtschaftliche Krise "zum Sturz der Regierung" und "zur Erhebung gegen das Regime" zu nutzen. Das Massenelend in Süditalien, die Ausweglosigkeit der Arbeitslosen und das Schicksal der perspektivlosen Jugendlichen sollten als "Pulverfass" dienen, "in das man ein Streichholz werfen" müsse. Er verwies auf die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen 1969 in Reggio di Calabria, die einem faschistischen Putsch des Kriegsverbrechers Valerio Borghese den Weg bereiten sollten. Damals "konnten wir früh, mittags und abends in aller Ruhe jeden umbringen", führte er unter erneuten Beifallsstürmen aus und fügte hinzu, "solche Beispiele müssen wiederholt werden". In seinem Schlusswort erteilte Almirante Pressestimmen, die solche Ausführungen als "Übertreibungen" verharmlosen wollten, eine klare Absage. "Wir haben nicht gescherzt, und wir werden auch in Zukunft nicht scherzen", erklärte er. Zeitungen antifaschistischer Orientierung wie Il Messaggero oder La Repubblica als auch das DC-Parteiblatt Popolo verurteilten den MSI-Kongress, auf dem "klar eine faschistische Strategie entworfen" worden sei, wie Popolo schrieb. Konsequenzen gab es seitens der zuständigen Staats- oder Justizorgane nicht. An der Spitze der Regierung stand zu dieser Zeit Giulio Andreotti. [37]

Wie ernst die Drohungen zu nehmen waren, hatten die vorangegangenen Putschversuche bewiesen, in welche die Faschisten in und außerhalb der MSI stets integriert waren. Dass CIA und Pentagon gegen die Links-Öffnung militärisch intervenieren wollten, wurde bereits dargelegt. Der Ehrenvorsitzende der MSI, der Kommandeur der berüchtigten Decima Flottiglia MAS, der unter Mussolini in der RSI [38] zur Partisanenbekämpfung eingesetzten 10. Torpedobootflottille, Valerio Borghese, hatte im Dezember 1970 zusammen mit rund 400 hohen Militärs, darunter die Kommandeure von drei Panzerdivisionen, gedeckt vom Oberbefehlshaber der NATO-Seestreitkräfte Südeuropa, Admiral Birindelli, in einem bewaffneten Putsch versucht, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen und ein faschistisches Regime wiederzuerrichten. Borghese war 1950 wegen wenigstens 800fachen Mordes an Partisanen von einem italienischen Gericht als Kriegsverbrecher verurteilt, auf Betreiben der USA danach sofort begnadigt worden. Nach dem Putsch in Chile im September 1973 wollten Ende 1973 und 1974 erneut führende Kreise von Armee und Geheimdiensten in Absprache mit CIA und NATO zusammen mit Faschisten ein Regime nach "chilenischem Vorbild" installieren.


6. Partner des Compromesso storico

Gegen die faschistische Gefahr schlug IKP-Generalsekretär Enrico Berlinguer Aldo Moro vor, einen "Compromesso storico" zu schließen und seine Partei an der Regierung zu beteiligen. [39] Die Konzeption des Historischen Kompromisses wurde nicht erst, wie manchmal behauptet, nach dem Putsch Pinochets entworfen, sondern bereits auf dem 13. Parteitag der IKP im März 1972. [40] Als Anlass diente, dass die DC wiederum über keine Mehrheit verfügte, das von Giulio Andreotti gebildete Kabinett nicht die Zustimmung des Parlaments erhielt und der Staatspräsident vorzeitige Neuwahlen ausschrieb. Bereits auf der ZK-Tagung im November 1971 erklärte Berlinguer, man müsse "aus der endemischen Krise der Regierungen des linken Zentrums herauskommen" und eine Regierung der "demokratischen Wende" bilden und "die Überwindung der Klassenschranken anstreben". [41] Auf dem 13. Parteitag im März 1972 präzisierte er dann, die "demokratische Wende" durch die Zusammenarbeit der drei großen "politischen Volkskräfte" - Kommunisten, Sozialisten und Christdemokraten - herbeizuführen. Nach dem faschistischen Militärputsch Pinochets in Chile, der Allende stürzte, erklärte Berlinguer: "Selbst wenn die Linksparteien und Linkskräfte 51 Prozent der Stimmen und Sitze im Parlament erringen könnten (...), wäre es völlig illusorisch, anzunehmen, dass allein diese Tatsache den Fortbestand einer Regierung der Linksparteien und Linkskräfte garantieren würde." Eine "demokratische Erneuerung" könne sich nur vollziehen, wenn sich die Regierung und das Parlament auf eine breite Mehrheit stützten, die stark genug sei, das Land vor jedem reaktionärem Abenteuer zu schützen. [42] Als die IKP 1976 bei den Wahlen 34,4 Prozent erreichte, trat der Kompromiss in sein konkretes Stadium. Den offiziellen Vorschlag unterbreitete Berlinguer, um den Symbolcharakter hervorzuheben, in Salerno. [43]

Für die Verhandlungen befand sich die IKP in einer starken Position. Als zweitstärkste Fraktion belegte sie in der Abgeordnetenkammer 227 Sitze und stellte den Präsidenten, im Senat den Stellvertreter. Sieben Kommunisten leiteten Parlamentsausschüsse. In den Regionen beteiligte sich die Partei an fast der Hälfte der Regierungen. In allen Großstädten von Mailand über Rom bis nach Neapel stellte sie die Mehrheit in den Stadtparlamenten und regierte mit den Sozialisten zusammen. In 1.362 von 8.068 Städten stellte sie den Bürgermeister und in 929 von 2.754 Provinzen den Regierungspräsidenten. Die Vertretung der IKP und der ISP auf der Ebene von den Gemeinden bis zu den Landesparlamenten entsprach 52,8 Prozent der Wähler. [44]

Mit dem Eintritt in die bürgerliche Regierung konnte einem Erfordernis zur Abwehr der faschistischen Gefahr entsprochen werden. Auf die Gestaltung der Regierungszusammenarbeit nahm jedoch die seit Ende der 1960er Jahre in der IKP entstandene sozialdemokratische Strömung bestimmenden Einfluss. Ihre politisch-ideologische Grundlage bildete der sogenannte Eurokommunismus, der grundlegende kommunistische Positionen aufgab. Er war in einigen KPs der westlichen Länder (vor allem Italiens, Spaniens, Frankreichs, in Schweden in der Linkspartei Kommunisten) entstanden. Während Spaniens PCE unter dem späteren Sozialdemokraten Santiago Carrillo kaum über Deklarationen hinauskam und Frankreichs PCF unter Georges Marchais bald wieder auf Distanz ging, wurde die IKP unter Berlinguer zu seinem Protagonisten. Die sozialdemokratische Strömung profitierte davon, dass die Partei einen beträchtlichen Zuwachs an Mitgliedern aus der katholischen Arbeiterschaft, aus Handwerkern und Angestellten sowie anderen städtischen Zwischenschichten der Dienstleistung und Bildung erhalten hatte. Im Parteiapparat der mittleren Ebene hatte sich ein neuer Funktionärstyp durchgesetzt, der im Alter zwischen 20 und 30 Jahren überwiegend aus Hochschulabsolventen oder Personen bestand, die dabei waren, ein Diplom zu erwerben. Nur 26 Prozent der Funktionäre kamen noch aus der Arbeiterklasse. Bei den Parlamentariern betrug der Arbeiteranteil nur noch 8,7 Prozent. Viele Parteimitglieder erhielten auch Zugang zu dem großen Sektor der staatlichen und kommunalen Betriebe oder wurden Staatsbedienstete. Sie gerieten damit zugleich in den Bereich des berüchtigten Klientelismus. Hinzugerechnet die Arbeit in der CGIL-Gewerkschaft, im umfangreichen Genossenschaftswesen und anderen gesellschaftlichen Institutionen entstand ein Sektor der Parteibürokratie, der bereits zur Zeit des Entstehens der Sozialdemokratie vor dem Ersten Weltkrieg einen fruchtbaren Nährboden des Reformismus gebildet hatte. Es bestehe "die Gefahr, dass die Partei in den Institutionen aufgeht, dass sie diese quasi zum ausschließlichen Terrain ihres Engagements macht", hieß es in der Rinascita. [45]

Die Reformvorhaben sahen eine Förderung der Privatindustrie bzw. Reprivatisierungen, die Behebung des Nord-Süd-Gefälles durch Belebung der Landwirtschaft und Investitionen im Süden sowie die Steigerung der Produktivität vor. Es wurde, wie schon so oft, die Schaffung neuer Arbeitsplätze vor allem für Jugendliche versprochen, was der Förderung des sozialen Konsums dienen sollte. Interessen der Arbeiter wurden nicht berücksichtigt. Ebenso spielte die Mitbestimmung der Gewerkschaften in den Betrieben, vor allem in den staatlichen Unternehmen, generell keine Rolle. Die IKP stellte keine Forderungen, die Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen zu verbessern, sondern fand sich im Gegenteil bereit, rigide Sparmaßnahmen der Regierung mitzutragen und mäßigend auf den Widerstand der Gewerkschaften dagegen einzuwirken. Die IKP beugte sich dem Druck der DC-Rechten mit Ministerpräsident Andreotti an der Spitze und machte schwerwiegende politische und sozialökonomische Zugeständnisse. Sie proklamierte auf der Grundlage der Anerkennung der "Spielregeln der bürgerlichen Demokratie" und ihrer Integration in deren Parteiensystem einen eigenen "Weg zum Sozialismus", übernahm das bourgeoise Staatsmodell, für das sie lediglich eine "demokratische Transformation" forderte und erkannte die kapitalistische Marktwirtschaft an. [46] Berlinguer erklärte, nicht nur die Bündnisverpflichtungen Italiens zu respektieren, sondern bekundete, die NATO eigne sich unter bestimmten Voraussetzungen als "Schutzschild" eines italienischen Weges zum Sozialismus. [47] Hier hatte jedoch auch Chruschtschow den Weg geebnet. Bei seinem Besuch 1959 in den USA hatte er Eisenhower in einer Rede "einen Mann, der das absolute Vertrauen seines Volkes genießt" und "die Initiative ergriffen hat, die darauf zielt, die Sache des Friedens zu stärken", gewürdigt. [48] An der Basis der IKP, aber auch in der Führung und im Parteiapparat wuchs der Unmut gegen die Zugeständnisse an die "Austeritätspolitik" der Regierung. Luigi Longo kritisierte auf der ZK-Tagung im Oktober 1976, die Entscheidungen "von oben" zu treffen. Man verliere "den Kontakt mit der Basis", die "Partei wird geschwächt".

Auf dem Mitte März tagenden Zentralkomitee sprach Politbüromitglied Giancarlo Pajetta "von Gefahren und Schwierigkeiten", die Regierung Andreotti sei "unangemessen für die Bedürfnisse des Landes". Er forderte, die Arbeiterbewegung "in eine bewusste und einheitliche Schlacht" zu führen. Giorgio Napolitano [49], führender Exponent der sozialdemokratischen Strömung, ignorierte in seinem Schlusswort die Kritik und verlangte, so schnell wie möglich das System der Stimmenthaltung im Parlament aufzugeben und die Zusammenarbeit mit der DC zu vertiefen, auch wenn das noch nicht zum direkten Eintritt in die Regierung führe. [50]

Im Januar 1978 kam das Regierungsabkommen zustande. Die Gespräche fanden geheim und zwischen den Parteichefs statt. Den von Berlinguer gewünschten Bezug auf das "Modell einer sozialistischen Gesellschaft" lehnte Moro ab, da er Widerstand in seiner Partei befürchtete. Berlinguer war zunächst gegen Andreotti als Regierungschef, lenkte aber auf Drängen Moros, der hoffte, damit die Amerikaner zu beruhigen, ein. Moro hatte große Schwierigkeiten, im Parteirat der DC eine Mehrheit für das Abkommen zu erhalten. Andreotti war als Ministerpräsident in die Verhandlungen nicht einbezogen und unternahm auch keinerlei Schritte, das Abkommen zu verwirklichen. Nach der Entführung und Ermordung Moros fehlte damit seitens der DC die Garantieperson. [51]

Am 16. März stellte sich die Regierung Andreotti zur Vertrauensabstimmung im Parlament. Noch vor der Eröffnung der Sitzung wurde Moro entführt. Von der CIA und ihren italienischen Komplizen von Agenten infiltriert und manipuliert gaben sich dazu die Brigate Rosse als Instrument her. [52] Andreotti wurde ohne Debatte mit den Stimmen der IKP das Vertrauen ausgesprochen. Obwohl noch nicht im Kabinett vertreten, erhielt sie ein Mitspracherecht in der Regierungspolitik. Für einen späteren Zeitpunkt war der direkte Eintritt in die Regierung vorgesehen. [53]

Andreotti brachte nicht nur das Regierungsabkommen zum Scheitern, sondern lieferte auch den von den BR entführten Moro dem sicheren Tod aus. Sicher hat es eine gewisse Berechtigung zu fragen, ob der Historische Kompromiss anders verlaufen wäre, wenn Moro ihn seitens der DC hätte weiter gestalten können. Der Mord wurde aber eben deshalb inszeniert, um damit die Regierungszusammenarbeit zu verhindern. Das bestätigte die DC-Politikerin Tina Anselmi, eine Anhängerin Moros und in der Regierung Andreotti Ministerin für Gesundheitswesen, als sie erklärte: "Aldo Moro aus dem politischen Leben zu eliminieren hieß, den wichtigsten Bezugspunkt dieser Zeit auszuschalten. Danach war nichts mehr wie früher." [54]

Im Januar 1979 verließ die IKP die rechte Regierungskoalition. Der Historische Kompromiss war, wie Berlinguer auf dem Parteitag im März 1979 eingestand, gescheitert. [55] Es gab keinerlei soziale oder ökonomische Reformen. Statt einer Zurückdrängung der faschistischen und rechten Gefahr kam es zu einer Verschiebung der Regierungsachse nach rechts. In der DC erhielten rechte und mit den Faschisten paktierende Kräfte den bestimmenden Einfluss auf die Politik. Bezeichnend dafür war, dass der zur Führung der P2 gehörende Silvio Berlusconi in dieser Zeit mit Hilfe der Bankiers der Putschloge sein marktbeherrschendes privates Fernsehimperium aufbauen konnte, das zum entscheidenden Instrument auf seinem Weg zum Premier der ersten 1994 und der zweiten 2001 gebildeten profaschistischen Regierung wurde. [56]


7. Berlinguers Rolle

Am 7. Juni 1984 erlitt Berlinguer, während er auf einer Kundgebung seiner Partei in Padua sprach, einen Herzinfarkt. Kurz darauf, am 11. Juni, starb er. Bei den Wahlen zum Europaparlament sechs Tage später erreichte die IKP mit 33,3 Prozent noch einmal ihre Spitzenergebnisse von 1975/76, diesmal knapp vor der DC, die mit 33 Prozent den zweiten Rang belegte. Mit Berlinguer verlor die italienische kommunistische und Arbeiterbewegung als auch die Linke und die traditionell linke Mitte eine herausragende Führerpersönlichkeit und hat bis heute keine vergleichbare hervorgebracht, was über ihre Rolle im Geschichtsprozess bzw. der Konsequenzen ihres Fehlens nachdenken lässt. [57]

Sein Großvater war mit Garibaldi und Mazzini befreundet gewesen. Der Vater, der als Sozialist unter Mussolini verfolgt wurde, war Abgeordneter der 1946 gewählten Verfassungsgebenden Versammlung und danach mehrere Jahre Mitglied des Senats. Berlinguers Frau Letizia war eine praktizierende Katholikin. Sie hatten drei Töchter und einen Sohn. In der Öffentlichkeit wurde das gern "Compromesso in famiglia" genannt. Berlinguer nahm seit 1937 an der Resistenza teil und wurde zu mehreren Monaten Gefängnis verurteilt. 1943 trat er in die IKP ein und organisierte auf Sardinien in der Regionalhauptstadt Sassari den kommunistischen Jugendverband Fronte della Gioventù. 1945 wurde er Nationalsekretär der Region. Es war ein auch in der KP Italiens typischer Werdegang, sich im Jugendverband, der "Kaderschmiede der Partei", zu bewähren. In dieser Funktion war er bereits Mitglied des Zentralkomitees. 1948 wurde er Direktor der Zentralen Parteischule. Zwei Jahre später übernahm er bis 1953 die Präsidentschaft des Weltbundes der Demokratischen Jugend. Seit 1958 war er im Sekretariat für Organisationsfragen zuständig, 1962 wurde er ins Politbüro gewählt, war Stellvertreter Luigi Longos und stieg auf dem 13. Parteitag 1972 zu dessen Nachfolger als Generalsekretär auf.

Eine anderer Charakterzug Berlinguers, und der stand durchaus nicht seiner Persönlichkeit entgegen, war seine Konsequenz, die eiserne Disziplin, mit der er seine Linie durchsetzte. Hier stand er zweifelsohne in der Tradition Palmiro Togliattis, der in der Komintern Stellvertreter Georgi Dimitroffs gewesen war. Und wenn Berlinguer einerseits kritisierte, dass und wie rigoros die KPdSU ihre Linie in der kommunistischen Weltbewegung verfolgte, dann war andererseits sein Vorgehen in der IKP bei der Verfolgung des Compromesso storico nicht selten mit der Moskauer Linie vergleichbar.

An der Schwelle zu den 1970er Jahren war Berlinguer bei den revolutionären Massenkämpfen in der FIAT-Metropole Turin vor Ort. Die dort errungenen Erfolge trugen zum wachsenden Masseneinfluss der IKP bei und begründeten sein hohes Ansehen an der Basis. Während die Reformisten in der Zeit des Compromesso storico die IKP bereits in eine sozialistische Partei umwandeln wollten, hatte Berlinguer unter eurokommunistischen Vorzeichen auf den Erhalt der revolutionären Potenzen und ihre Nutzung in der Regierungszusammenarbeit mit der DC gesetzt. Wenn die Basis der Partei sich in den 70er Jahren mit vielen Vorbehalten letzten Endes dem reformistischen Kurs unterordnete, geschah das im Vertrauen darauf, dass Berlinguer sich auf diese kämpferischen Potenzen stützte.

Wie Giorgio Galli in seiner "Storia del PCI" schrieb, litt Berlinguer schwer unter der Niederlage, welche die IKP mit dem Scheitern des Historischen Kompromisses einstecken musste. Er fühlte sich dafür persönlich verantwortlich, was auch in seinem sich verschlechternden Gesundheitszustand zum Ausdruck kam. Wenn er seine wiederholt geäußerten Rücktrittsabsichten nicht verwirklichte, dann vor allem deshalb, weil kein befähigter Nachfolger zur Stelle war. Man darf annehmen, dass Berlinguer den von seinen Nachfolgern Achille Occhetto und Massimo D'Alema eingeschlagenen Weg der Umwandlung der IKP in eine sozialdemokratische Partei und der Aufgabe nicht nur kommunistischer, sondern auch sozialistischer Traditionen nicht gegangen wäre. Die PRC-Zeitung Liberazione schätzte ein, er habe den Ausgleich zwischen dem linken und dem rechten Flügel gesucht, sei ein "Mann der Vermittlung" und als solcher ein "Zentrist" [58] gewesen. [59]

Nach Berlinguers Tod bekam die von ihm gezügelte opportunistische Strömung freie Hand für die weitere Sozialdemokratisierung. Als Gorbatschow 1985 das Amt des Generalsekretärs der KPdSU antrat, setzte sie sich endgültig als die Partei beherrschende Fraktion durch. Bereits auf dem 17. Kongress im April 1986 in Florenz schlug Nachfolger Alessandro Natta den Sozialisten vor, sich mit den Kommunisten zu einer neuen linken Partei zu vereinigen. ISP-Chef Bettino Craxi lehnte jedoch ab. Am 31. Januar trat in Rimini der 20. Parteitag der IKP zusammen. Zehn Tage vorher, am 21. Januar, war die einst in Livorno von Antonio Gramsci gegründete Partei 70 Jahre alt geworden. Der Kongress, der am 3. Februar zu Ende ging, wurde ihr letzter. Eine Zweidrittel-Mehrheit beschloss ihre Umwandlung in die sozialdemokratische Linkspartei. Faktisch handelte es sich um eine Auflösung. Die Prozedur der Umbenennung wurde vor allem aus juristischen Gründen gewählt, um den Organisatoren der angekündigten KP-Neugründung die Nachfolgerechte auf das beträchtliche Parteivermögen und die Parteiinsignien Hammer und Sichel zu verwehren. [60]

In jüngster Zeit melden sich Kommunisten und Linke zu Wort, um die Erfahrungen Berlinguers im Kampf gegen den Faschismus aufzugreifen. Hintergrund ist das Anwachsen der faschistischen Gefahr, die im Oktober in der Bildung einer Regierung unter der Führerin der Brüder Italiens (FdI), einer Nachfolgerin der MSI, gipfelte. Der PCI [61] würdigte ihn anlässlich seines 38. Todestages als einen Kommunisten, der für "eine Gesellschaft, in der Arbeiter und Arbeiterinnen entscheiden, was und wie produziert wird", kämpfte. Das kommunistische Magazin Contropiano betonte die Bewahrung von Berlinguers Erbe für den Kampf der Linken in der Gegenwart. Kommunisten und andere Linke sollten an seiner "demokratischen Alternative" - einer Zusammenarbeit und Verständigung der Volkskräfte kommunistischer und sozialistischer mit denen katholischer Inspiration - anknüpfen und Lehren für die Gegenwart sehen. [62]


8. Der "Allende Italiens"

Moros zweite Öffnung nach links stieß in den USA auf unvergleichlich stärkeren Widerstand als die erste gegenüber den Sozialisten. Er war erbitterten Angriffen ausgesetzt, die immer öfter in einer regelrechten Mordhetze gipfelten. Während er sich 1974 als Außenminister in Begleitung Staatspräsident Giovanni Leones in Washington befand, wurde offen gedroht, "Italien in ein zweites Chile" zu verwandeln. Präsident Gerald Ford verteidigte die Rolle der USA beim Militärputsch Pinochets, dessen Diktatur die Faschisten in Rom als "Vorbild für Italien" feierten. "Wir haben dort getan, was die Vereinigten Staaten tun, um ihre Interessen im Ausland zu verteidigen", erklärte Ford. Außenminister Kissinger rechtfertigte zur gleichen Zeit vor dem Kongress die Maßnahmen zur Verhinderung der "Beteiligung der Kommunisten an der Machtausübung in Italien oder anderen Ländern Westeuropas". [63]

Moros Frau Eleonore sagte während der parlamentarischen Untersuchung zum Mord an ihrem Mann aus, dass ihm in Washington gedroht worden war, wenn er seine Zusammenarbeit mit den Kommunisten nicht aufgebe, werde er es "teuer bezahlen". Ein hoher Beamter habe in Anspielung auf die Ermordung John F. Kennedys und seine Witwe gedroht, dass es sonst "eine Jaqueline in der Zukunft (Italiens) geben" werde. [64] Kissinger äußerte nach der Abreise der Italiener unmißverständlich, dass die CIA "Realitäten zu schaffen" habe. Deren früherer Vize-Direktor und Leiter des zum Geheimdienst gehörenden Center for Strategic and International Studies, Ray Cline, bekräftigte in der New York Times, dass die "Situation in Italien durch die Geheimaktivitäten der CIA gelöst werden wird". Wie später ans Licht kam, war eine Tagung des Instituts im April 1976 sich einig, dass es höchste Zeit sei, "entschiedener in Italien einzugreifen", um einen Regierungseintritt der Kommunisten zu verhindern. [65] Kissinger verschärfte seine Angriffe auf Moro, wertete dessen Politik als "äußerst negativ", nannte ihn den "Allende Italiens", der "Italien in kommunistische Abhängigkeit" steuere. Immer öfter war gezielt von Italien als einem "zweiten Chile" die Rede. Kissingers Botschafter in Rom, der Großindustrielle John Volpe, bezeichnete eine Regierungsbeteiligung der IKP als "in grundsätzlichem Widerspruch zur NATO" stehend. Volpes Nachfolger Richard Gardner nannte Moro noch nach dessen Entführung den "gefährlichsten Politiker Italiens". [66]


9. Die Attentäter [67]

In unserem ADN-Büro in Rom erwarteten wir am 16. März 1978 im Montecitorio, dem Sitz der Abgeordnetenkammer, ab 9 Uhr die Debatte über die Amtseinführung der von Berlinguer und Moro vereinbarten Kompromiss-Regierung. Es war etwa gegen 9.30 Uhr, als über unseren Fernschreibempfänger die Nachrichtenagentur ANSA noch vor der Rundfunk- und Fernsehanstalt RAI die erste Meldung über die Entführung Aldo Moros brachte. Der Konvoi aus zwei Fahrzeugen des DC-Führers war auf der Fahrt von seiner Wohnung in der Via del Forte trionfale zum Montecitorio an der im Norden der Stadt liegenden Kreuzung Via Fani Via Stresa gestoppt und von einem Kommando der Brigate Rosse überfallen worden. Weitere Nachrichten informierten, dass sich der Überfall etwa zwischen 9.05 und 9.15 Uhr abgespielt hatte und an ihm etwa neun bis elf Täter beteiligt waren. Vier von ihnen hätten Uniformen der Fluggesellschaft "Alitalia" getragen und von einer geschlossenen Bar aus zahlreiche Salven auf das aus fünf Personen bestehende Begleitkommando Moros abgegeben. Nur einem war es gelungen, seine Pistole zu ziehen und das Feuer zu erwidern, er habe aber niemanden getroffen. Vier der Polizisten waren sofort tot. Später wurde gemeldet, dass der fünfte während der Operation im Krankenhaus verstarb. Der DC-Vorsitzende war aus seinem Wagen gezerrt und in einen Pkw der Entführer, einen FIAT 130, gestoßen worden, der sich vom Tatort entfernte. Wie ANSA weiter berichtete, hatten um 10.05 Uhr mehrere Zeitungen eine mit "Brigate Rosse" unterzeichnete Mitteilung erhalten: "Heute Morgen haben wir den Vorsitzenden der Democrazia Cristiana entführt und seine Eskorte, die 'Ledernacken' Cossigas [68], eliminiert. Ein Kommunique folgt."

Der Anschlag gegen Aldo Moro war Höhepunkt der von der CIA inszenierten "Spannungsstrategie", der Anni di piombo (bleiernen Jahre), die mit allen Mitteln eine Regierung mit den Kommunisten verhindern sollte. Beginnend mit der Entführung am 18. März 1978 und 55 Tage später der Ermordung Moros wurde dieses Mordkomplott in die Tat umgesetzt. Eine aktive Rolle spielte darin MSI-Führer Giorgio Almirante, der die DC des Paktierens mit den Kommunisten beschuldigte und erklärte, dass diese Regierung unfähig sei, "Sicherheit und Ordnung" zu garantieren und dass das Land "den Kommunisten" ausgeliefert werde. Er forderte den Rücktritt des Staatspräsidenten, die Errichtung eines Präsidialregimes, die Aufnahme von Militärs in die Regierung, die Verhängung des Ausnahmezustandes und den Erlass von Notstandsgesetzen. [69] Zur gleichen Zeit gaben sich in Washington die MSI-Vertreter die Klinke in die Hand. General Vito Miceli vom Parteivorstand beriet während eines einwöchigen Aufenthaltes allein zwei Tage mit führenden Politikern, hohen Militärs und dem früheren CIA-Direktor William Colby, wie die IKP "mit faschistischer Unterstützung" aus der Regierung "zu werfen" sei, schrieb der Espresso in seiner Nr. 17/1978. Man stimmte überein, den NATO-Mechanismus "der geheimen politischen und militärischen Klauseln des Paktes" für Italien "in Gang zu setzen". [70]

Nach Miceli reiste Almirante an den Potamac. Er rief, wie Secolo d'Italia groß aufgemacht am 30. April berichtete, zum "globalen Kampf gegen den Kommunismus" auf und propagierte für Italien die Errichtung eines Regimes, das wie unter Hitler und Mussolini "den Klassenkampf beseitigt". Die regierungsamtliche Nachrichtenagentur ANSA meldete am 27. April, Almirante habe seine Konzeption "zur Lösung der italienischen Krise" nach "chilenischem Vorbild" vorgelegt und sei auf einem "antikommunistischen Kongress" "mit großer Ehrerbietung" gefeiert worden. Während einer von der MSI organisierten Tagung einer "Europäischen Rechten", zu der die französische Forces Nouvelles und die spanische Fuerza Nueva gehörten, sprach Almirante über den Kampf, um "den Vormarsch des Kommunismus aufzuhalten". Die MSI-Jugendfront klebte Plakate mit Aufschriften wie "Moro verrecke" oder "Moro, es ist Zeit, dass du stirbst". [71]

Für den Mord an Aldo Moro werden bis heute die linksextremen Brigate Rosse (BR - Roten Brigaden) verantwortlich gemacht. Die historische Wahrheit ist, dass der DC-Vorsitzende Opfer des von der CIA und italienischen Komplizen inszenierten Mordkomplotts wurde, in dem die BR durch eingeschleuste Agenten zum Werkzeug manipuliert wurden.

Am 9. Mai 1978 gegen zehn Uhr wurde in der Via Gaetano in Rom ein roter Renault R4 abgestellt. Seit dem frühen Morgen hatte ein Kradfahrer für ihn eine Parklücke freigehalten. Es dauert noch über drei Stunden, bis man im Polizeipräsidium durch einen anonymen Anruf erfuhr, dass sich im Kofferraum des Renaults die Leiche Aldo Moros befand. Er war in den Kofferraum gezwängt und erschossen worden. Moro trafen elf Kugeln, neun aus einer Maschinenpistole Skorpion mit Schalldämpfer, zwei aus einer Coltpistole 9 mm ohne Schalldämpfer. Die letzten beiden Kugeln aus der Pistole waren laut Autopsie Gnadenschüsse. Die Obduktion ergab weiter, dass Moro elf Kilo an Gewicht verloren hatte, aber entgegen wiederholten offiziellen Verlautbarungen weder gefoltert noch unter Drogen gesetzt worden war.

Die Via Gaetano liegt im Zentrum von Rom. Nur wenige hundert Meter von dem abgestellten R4 entfernt befand sich die DC-Zentrale. Bis zur Abgeordnetenkammer und zum Senat waren es etwa ein Kilometer, und auch der Quirinal, der Amtssitz des Staatspräsidenten, lag nicht weit davon entfernt. Dieses immer schon gut bewachte Viertel war seit der Entführung Moros von einem dichten Polizeikordon umgeben und durch zahlreiche Straßensperren abgeriegelt. Hier sollte der Motorradfahrer unbemerkt etwa drei Stunden in der Nähe seiner Maschine auf den R4 gewartet haben? Der als gestohlen gemeldete Renault sollte unbehelligt sein Ziel erreicht und auch noch drei Stunden dort gestanden haben, ohne Aufsehen zu erregen?

Schon das musste neben zahlreichen bereits unmittelbar nach der Entführung bekannt gewordenen Fakten verdeutlichten, dass die BR nicht die alleinigen Täter waren, sondern hinter ihnen mächtige Hintermänner agierten. Ihre Rolle kam ans Licht, als 1981 die von dem früheren Mussolini-Faschisten Licio Gelli in Zusammenarbeit mit der CIA und den italienischen Partnern gebildete Freimaurerloge P2 aufgedeckt wurde. Sie war die Zentrale, die das Komplott gegen Moro inszenierte und leitete. Im Rahmen der Spannungsstrategie war in die Operation die 1990 enttarnte geheime NATO-Truppe Gladio (Kurzschwert) einbezogen. Mit der Liquidierung des christdemokratischen Reformpolitikers wollte die P2 einen Golpe bianco (kalten Staatsstreich) einleiten und ein Regime faschistischer Prägung installieren. Hauptmotiv der Beseitigung Moros war, dass er - gegen die von den Faschisten für Italien betriebene "chilenische Lösung" - ein Regierungsabkommen mit den Kommunisten, die 1976 bei den Parlamentswahlen 34 Prozent erreichten, geschlossen hatte. Obwohl diese Zusammenarbeit die IKP geschwächt und politisch-ideologisch der Großbourgeoisie unterworfen hätte, hatten führende US-Kreise panische Angst, sie könnte insbesondere die NATO und ihre Strategie des "Rollback des Sozialismus" durcheinanderbringen. Denn Moro wollte mit Moskau den Austritt Polens aus dem Warschauer Vertrag verhandeln und als Gegenleistung Italiens Ausscheiden aus der NATO bewerkstelligen. Flaminio Piccoli, sein Nachfolger als DC-Vorsitzender, schrieb bereits am 6. August 1978 in der Südtiroler Zeitung Alto Adige, dass Moro "ausgeschaltet wurde, weil er in den letzten drei Monaten in Gesprächen mit Amerikanern und den Russen seine Fähigkeit gezeigt hat, Initiativen zur Herstellung des nationalen Ausgleichs zu ergreifen".

Bei der Untersuchung des Attentats durch eine Parlamentskommission kam ans Licht, dass Mitglieder der P2 "in den hohen Rängen des Militärs, der Geheimdienste, der Pressewelt, der Finanzen, der Politik" saßen, darunter 43 Generäle, die gesamte Führungsspitze der Geheimdienste, der komplette Generalstab des Heeres, etwa 400 hohe Offiziere, drei Minister und drei Staatssekretäre der Regierung Andreotti. Die Kommissionsvorsitzende, Tina Anselmi, stellte fest, dass in den mit der Fahndung befaßten Stäben 57 P2-Mitglieder saßen, darunter fünf direkt im Krisenstab von Innenminister Cossiga, die alle Maßnahmen, welche zur Befreiung des DC-Vorsitzenden hätten führen können, verhinderten. Vertuscht wurde, dass 39 der am Tatort gefundenen Patronenhülsen aus Beständen der Spezialmunition für Gladio-Einheiten stammten. Schon am 18. März verbreitete die römische Repubblica die Information eines Geheimdienstoffiziers, dass es sich bei dem Überfall und der Ermordung der Eskorte um "eine militärische Aktion" handelte, die "ein Glanzstück an Perfektion" darstellte, die nur "von Militärs mit ausgetüftelter Spezialausbildung" durchgeführt werden konnte. Der langjährige Kommandeur der geheimen NATO-Truppe Gladio, General Gerardo Serravalle, bestätigte 1990 nicht nur diese Fakten, sondern enthüllte auch, dass Gladio-Einheiten an der Umsetzung des Komplotts beteiligt waren, Moro von Gladio zeitweise auf einem Stützpunkt bei Rom versteckt worden war. [72] Auch der offizielle Chef der Brigate Rosse, Mario Moretti, räumte ein, in den BR habe es "keine herausragenden Schützen" gegeben. [73]

Den Entführern war die Fahrstrecke Moros bekannt, die täglich wechselte und dem Chef der Eskorte jeweils erst am Morgen mitgeteilt wurde. Am Tatort befand sich der Gladio-Oberst Camillo Guglielmi, der den Ablauf beobachtete. Er war der für die Ausbildung der Stay-behind-Einheiten auf dem NATO-Stützpunkt Cap Marrargiu auf Sardinien verantwortliche Kommandeur. Dort wurden, wie der Chefredakteur der Zeitschrift Tempo Livio Januzzi bereits am 14. Juni 1976 auf einer Pressekonferenz in Rom enthüllte, Undercoveragenten für Einsätze in den BR ausgebildet, die Brigadisten anleiteten, wie Kommandounternehmen zur Entführung und Ermordung von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Justiz wie das gegen Moro durchzuführen sind. Der leitende Staatsanwalt Luciano Infelisi Infilesi bildete keine Sonderkommission, sondern ermittelte allein, 14 Tage verschleppte er die kriminaltechnische Rekonstruktion am Tatort; Fotos von den unmaskierten Attentätern und ihren Fahrzeugen, die der Leiter einer Kfz-Werkstatt, der gerade ein Unfallauto fotografierte, geistesgegenwärtig gemacht hatte, ließ er verschwinden; Hinweisen auf einen BR-Stützpunkt, die sich später als richtig erwiesen, wurde nicht nachgegangen. Die Druckmaschine, auf der die BR ihre Kommuniqués vervielfältigten, stammte aus einer Geheimdienstabteilung; der diensthabende Offizier im Polizeipräsidium verschleppte die Auslösung der Fahndung; der Direktor des römischen Fernsprechamtes sorgte nach dem Überfall eine Stunde für den Ausfall der Telefonverbindungen, was die Koordinierung der Fahndung erschwerte; in den Hosenaufschlägen des ermordeten Moro wurde Sand gefunden, der von den Tolfa-Hügeln nördlich von Rom stammte, wo sich ein Gladio-Stützpunkt befand. Ministerpräsident Andreotti lehnte Verhandlungen mit den Entführern - bis dahin und danach auch wieder gängige Praxis - ab und lieferte seinen Parteivorsitzenden so dem angedrohten Tod aus.

Das Mitglied der Moro-Kommission Senator Sergio Flamigni [74] schrieb in seinem Buch "Das Spinnennetz", dass die Untersuchungen ergaben, dass "der tatsächliche Chef der Brigate Rosse" der CIA-Agent Corrado Simioni war, der möglicherweise auch für den vatikanischen Geheimdienst Pro Deo arbeitete. Jedenfalls wurde der Agent nach der Beseitigung Moros bei der von Lech Walesa geführten Solidarnosc in Polen für die Untergrundarbeit gegen die kommunistische Regierung eingesetzt. Wie der Corriere della Sera am 14. März 1993 schrieb, wurde Simioni zusammen mit dem führenden Pro-Deo-Mann Abbé Pierre nach der Rückkehr aus Polen von Johannes Paul II. in Privataudienz empfangen.

Die Unterwanderung der BR durch die Geheimdienste war nicht allen ihren Mitgliedern, darunter auch denen, die Moro im "Gefängnis" bewachten, bekannt. Das ging aus einer später bekannt gewordenen Äußerung der Brigadistin Laura Braghetti hervor, nach der sie die Aktion abbrechen, den DC-Führer freilassen und einfach abhauen wollten. [75] BR-Chef Moretti setzte in dieser Situation durch, dass Moro umgebracht wurde. Werner Raith, langjähriger Italienkorrespondent und für deutsche Landeskriminalämter häufig als Gutachter tätig, schätzte ein, dass der Mord durch Agenten, die sich "im innersten Kern der Roten Brigaden" befanden, bewerkstelligt wurde. "Ihr Zugriff auf die Entscheidungen geschah nicht mehr auf Umwegen, sondern direkt, nur so ließen sich die Aktionen ständig unter Kontrolle halten." [76]

Im Oktober 2007 enthüllte Giovanni Galloni, zur Zeit der Affäre Moro dessen Vizesekretär, dass "die Vereinigten Staaten wußten, wo Aldo Moro gefangen gehalten wurde. Und Innenminister Francesco Cossiga darüber viel mehr wußte, als er in diesen Jahren berichtete". Galloni bestätigte ebenso die Infiltration der Brigate Rosse, von denen fünf Mitglieder, mehr oder weniger verantwortlich, die Kulisse der geheimdienstlichen Operation bildeten.

Das Verbrechen ist bis heute juristisch nicht aufgeklärt worden, die meisten Ermittlungen verliefen im Sande. Gravierender Fakt, der Ort, in dem Moro 55 Tage versteckt wurde, ist bis heute unbekannt. Der langjährige Herausgeber des Manifesto, Luigi Pintor, hielt dazu im dritten Prozess gegen die BR im Oktober 1983 fest, dass im Ergebnis fünfjähriger Ermittlungen, der Verhöre, Gegenüberstellungen, Geständnisse und von 59 Schuldsprüchen nicht herausgefunden worden ist, "wo der Abgeordnete Moro 55 Tage eingesperrt war". Die Untersuchungsbehörden haben auch hier alle aussagekräftigen Indizien und Beweise unbeachtet gelassen. Es musste sich um ein für die Fahndung "unantastbares" Versteck gehandelt haben, untergebracht auf exterritorialem Gebiet, im Gebäude einer diplomatischen Vertretung, das keiner Überwachung unterlag. Raith schrieb: Es habe "nur einen winzigen Kern Eingeweihter um Moretti (gegeben), die das oder die Verstecke kannten". [77] Der sozialistische Abgeordnete und Mitglied der Moro-Kommission Luigi Covatta erklärte, dass sie alle schweigen, "kann nur eins bedeuten, dass mit dem Gefängnis der gesamte Hintergrund des Falles Moro aufkommen würde". Das bestätigte auch die Aussage des SISMI-Generals Romeo vor der Moro-Kommission: Wenn etwas bekannt würde, "müssten sie es teuer bezahlen". Offensichtlich aus Angst um ihr Leben gaben sich auch BR-Chef Moretti und seine Anhänger gemäß dieser Linie als die alleinigen Täter aus.

Am 28. März hatte der Herausgeber des Osservatore Politico, Mino Pecorelli, darauf verwiesen, dass am Tatort einer der Brigadisten getroffen wurde. Der Schütze musste der Begleitpolizist Iozzini gewesen sein, dem als einzigem gelungen war, seine Waffe zu ziehen. In den Berichten vom Tathergang hatte es geheißen, er traf niemanden. Das wurde offensichtlich verschwiegen, weil es auch zur Fahndung, wo der Verletzte medizinisch versorgt wurde, hätte führen müssen. Brisanter noch war, was Pecorelli über den Fluchtweg der BR mit Moro schrieb. Von der Via Trionfale fuhren die Entführer über die Via Carlo Belli, eine Privatstraße, deren Einfahrt durch eine Metallkette mit Vorhängeschloß gesichert war, die sie mit einem mitgeführten Bolzenschneider aufbrachen. Ein Zeuge habe in dem 132er Fiat Moro erkannt, der mit einem schottischen Plaid bedeckt war. Ebenfalls in dem Fahrzeug habe der angeschossene Brigadist gesessen. Einige Zeit später bog der Fiat 132 in die Via Licinio ein, wo er von einem weiteren Zeugen gesehen wurde, diesmal ohne Moro in dem Fahrzeug.

Zu meinen Partnern in Rom gehörte der frühere Kommandant einer Partisanenbrigade Filippo (Pippo) Frassati, leitender Mitarbeiter am Gramsci-Institut der IKP, der mir bei einem Treffen die komplizierte Situation erläuterte. Zwischen der Via Belli und der Via Calvo, die die Brigadisten passiert hatten, befand sich die Via Massimi und in dieser die Residenz des Erzbischofs Marcinkus. Gleich nebenan befanden sich zwei kleine Paläste des Istituto per le Opere di Religione, des Instituts für religiöse Werke (IOR), wie die Bank des Vatikans sich sinnigerweise nennt. Die Vatikanbank aber, die Marcinkus viele Jahre leitete, gehörte zum Geflecht von Gellis P2 und der Mafia. Es war deshalb keineswegs Spekulation, sondern reale Möglichkeit, dass die Fahrt des Entführungskommandos bereits an diesem Ort endete und sich das "Volksgefängnis" zumindest vorübergehend dort befand oder dass da auch nur ein Fahrzeugwechsel vorgenommen wurde, meinte Pippo. Zumal sich der Eingang zur Garage des IOR in der Villa Massimi befand und die Fahrzeugkolonne oder wenigstens das Entführungsfahrzeug rasch verschwinden konnten. Pecorelli hatte geschrieben, dass das betreffende Gebiet Meter für Meter durchkämmt, Moro aber nicht gefunden worden war. Doch ausgenommen von der Durchsuchung waren natürlich auch die unter diplomatischer Immunität stehenden Gebäude des Vatikans.

Pippo unterhielt, offensichtlich aus seiner Partisanenzeit, einen Draht in die Questura, das Polizeipräsidium von Rom, und hatte so erfahren, dass der Konvoi der Entführer in der Via Bitossi an der Ecke zur Via Massimi auf eine Sicherheitspatrouille hätte stoßen können. Zwei Polizisten waren dort als ständige Eskorte des Untersuchungsrichters Walter Celentano, der als besonders sicherheitsgefährdet eingestuft war, postiert. Sie hätten sich stets unmittelbar bei dem Richter aufgehalten. Am Morgen der Entführung waren sie jedoch abgezogen und in die Via Fani beordert worden, die die Brigadisten aber bereits verlassen hatten. [78] Die Entführer hätten so die Via Massimi mit ihrer Geisel ohne Gefahr passieren können. [79]

Als Verstecke Moros wurden neben der Residenz des Erzbischofs Marcinkus die amerikanische und die israelische Botschaft in Betracht gezogen. In aufgefundenen BR-Dokumenten war weiter der Palazzo Orsini des Adelssprosses Onorato Caetani vermerkt, der sich im hebräischen Viertel befand. Die Caetanis gehörten dem Orden der Cavalieri di Malta an, von dem wiederum 27 Ordensbrüder in der P2 organisiert waren, darunter der Chef des SISMI, Giuseppe Santovito, und dessen Leiter für den Nahen Osten, Oberst Stefano Giovannone, zuständig für Israel. In der Via Caetani, in welcher der R4 mit der Leiche Moros abgestellt wurde, befand sich die Residenz des Botschafters des Ordens der Ritter von Malta, des Prinzen Johannes Schwarzenberg. Der Botschafter und seine Frau kamen kurze Zeit nach dem Mord an Moro bei einem Autounfall ums Leben. Der Diplomat hatte sich mit dem Gedanken getragen, sich zu den Ereignissen zu äußern. [80]

Die BR hatten angekündigt, Moro in ihrem "Volksgefängnis" zu verhören, das auf Tonband aufzunehmen und der Öffentlichkeit zu übergeben, was nie geschah. Ein halbes Jahr nach seinem Tod wurde bei einer Razzia in Mailand lediglich die angebliche Abschrift des "Verhörs" in Maschinenschrift gefunden, vom dem Tonband fehlt bis heute jede Spur. Den "Verhörern" musste eine "Panne" unterlaufen sein. Das Band musste bei der Aufnahme zunächst nicht wahrgenommene Töne, Vibrationen, typische Nebengeräusche enthalten, die sich nicht entfernen ließen, die aber das - für die Fahndungskräfte so unauffindbare - Versteck identifiziert hätten.

Das sogenannte Memoriale Moros fand der Carabinieri-General Alberto dalla Chiesa nach Informationen eines V-Mannes im Oktober 1978 bei einer Razzia in einer BR-Wohnung in der Via Monte Nevoso in Mailand. Der General, ein verfassungstreuer Mann, dürfte die Dokumente, bevor er sie weitergab, nicht nur gelesen, sondern sich auch eine Kopie gefertigt haben. Die Seiten, die daraus verschwanden, gaben ihm einen Einblick in die Rolle des Geflechts von P2, Mafia und Staatsapparat bei der Ermordung Moros, machten ihn aber für die Drahtzieher auch zum gefährlichen Mitwisser. Um weitere Ermittlungen anstellen zu können, übernahm dalla Chiesa im April 1982 den Posten des Anti-Mafia-Präfekten für Sizilien. Am 3. September wurde er mit seiner zweiten Frau, die er gerade geheiratet hatte, und seinem Fahrer in Palermo auf offener Straße erschossen. In seinem Haus wurden aus einem Safe alle Unterlagen entwendet.

Im Januar 1979 verließ die IKP die rechte Regierungskoalition. Der Historische Kompromiss war, wie Berlinguer auf dem Parteitag im März 1979 eingestand, gescheitert. [81] Es gab keinerlei soziale oder ökonomische Reformen. Statt einer Zurückdrängung der faschistischen und rechten Gefahr kam es zu einer Verschiebung der Regierungsachse nach rechts, erhielten in der DC rechte und mit den Faschisten paktierende Kräfte den bestimmenden Einfluss auf die Politik. [82] Der politische Einfluss der IKP ging spürbar zurück. In den folgenden Jahren verlor sie etwa ein Drittel ihrer 2,2 Millionen Mitglieder. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni 1979 war ihre Stimmenzahl zum ersten Mal seit Kriegsende rückläufig. Sie verlor gegenüber 1976 mit einem Schlag fast vier Prozent ihrer Wähler, bis 1987 rund acht. Das war auch ein Ergebnis der antikommunistischen Hetze, in der die Partei als Urheberin des Terrors der BR diffamiert wurde. Der DC gelang es erst drei Monate nach den Wahlen im August 1979, mit den Liberalen eine rechte Zentrumsregierung zu bilden, die von den Sozialisten durch Stimmenthaltung gestützt wurde.

Es folgte eine Welle der Repression. Sie richtete sich mit aller Wucht vor allem gegen linke und als linksradikal apostrophierte Intellektuelle. Der Jagd auf sie fielen ganze Universitätsfakultäten zum Opfer. In Padua befand sich darunter fast der gesamte Lehrkörper für politische Wissenschaften, in Mailand der Direktor der Katholischen Universität, Maro Borromeo. Der angesehene Professor Antonio Negri wurde angeklagt, Chef der BR zu sein und die Entführung Moros organisiert zu haben. Tausende Linksradikale, viele von ihnen, ohne sich eines Vergehens strafbar gemacht zu haben, wurden in die Gefängnisse geworfen, zirka 100.000 Personen von den polizeilichen Ermittlungen erfasst, rund 40.000 angeklagt, etwa 15.000 verurteilt. Es war ein Enthauptungsschlag, von dem sich die Linke bis heute nicht erholt hat, da die Opportunisten ein Jahrzehnt später die IKP in ihrer Mehrheit mit der Umwandlung in die sozialdemokratische Linkspartei PDS beseitigten. Die Versuche, in Gestalt der Rifondazione Comunista (PRC) eine starke Nachfolgepartei aufzubauen, scheiterten ebenfalls an opportunistischen Eingriffen und führten zur Spaltung in heute vier kommunistische Parteien. [83]


10. Moros Vermächtnis

Moro war 55 Tage den Todesdrohungen seiner Entführer ausgesetzt, die ihn zwingen wollten, seine Politik der Zusammenarbeit mit der IKP zu widerrufen. Nach allem, was bekannt wurde, stand Moro für seine Überzeugungen ein, hat nicht nachgegeben und das mit dem Tode bezahlt. Aus einem Brief, den er einen Tag vor seiner Ermordung an seine Frau Eleonore schrieb, geht hervor, dass er von seinem bevorstehenden Ende wusste. Im BR-Gefängnis hat Moro um seine Befreiung, um sein Leben gekämpft, gleichzeitig seine zeitlebens verfolgte Politik der Zusammenarbeit mit Sozialisten und Kommunisten verteidigt, mit der er versuchte, der faschistischen Gefahr entgegenzutreten. Als fünfmaliger Ministerpräsident und mehrmaliger Außenminister besaß Moro natürlich, wenn auch nicht im Detail, Kenntnisse über die Rolle der CIA und der italienischen Geheimdienste, wusste, dass es die NATO-Truppe Gladio gab, und er erinnerte sich gut der Drohungen, die man in Washington immer wieder gegen ihn ausgestoßen hatte. Es war für ihn nicht schwer zu erkennen, dass die Stunde für ihn geschlagen hatte, er jetzt, wie ihm hohe Beamte aus Kissingers State Department drei Jahre vorher ins Gesicht gesagt hatten, für seine Zusammenarbeit mit den Kommunisten "teuer bezahlen" musste. Und er kannte den Mann, der das Todesurteil über ihn verhängt hatte: Giulio Andreotti, den zuverlässigsten Erfüllungsgehilfen, den die Amerikaner in Rom hatten.

Den Tod vor Augen rechnete Moro unerbittlich mit dem Rechtskurs seiner Partei, der Regierung und allen, darunter selbst dem Papst, ab, die ihn dem Tod auslieferten. Das geschah in den Briefen, die er aus der Geiselhaft "nach draußen" übermittelte, in den Gesprächen mit den Entführern (von den BR als "Verhör" bezeichnet) und in den Aufzeichnungen, die er zu Papier brachte und die später "Il memoriale di Aldo Moro" genannt und in zensierter Weise veröffentlicht wurden. [84] An DC-Sekretär Benigno Zaccagnini schrieb er, dass er "keinem vergeben und niemanden entschuldigen" werde. Die DC solle nicht glauben, dass sie ihr Problem mit seiner Liquidierung gelöst hätte. "Ich werde ein unumstößlicher Bezugspunkt für den Protest und das Suchen nach Alternativen bleiben, um zu verhindern, dass man aus der DC das macht, was heute aus ihr gemacht wird." In einem Brief formulierte er: "Mein Blut wird über Euch kommen." [85] Moro verlangte, dass an seinem "Begräbnis weder Vertreter des Staates noch Parteifunktionäre teilnehmen". [86] Er hielt fest, dass die DC "mit dem Rücken zur Wand steht" und "das Regime sich mehr und mehr korrumpiert". Der "Wille der Kommunisten nach Klarheit und Sauberkeit (könne) nicht mehr durch die Democrazia Cristiana blockiert werden." Moro führte die Strategie der Spannung an, "die Italien jahrelang mit Blut überzogen" hatte, verwies auf die "Nachsicht und stillschweigende Duldung durch Staatsorgane und einige Sektoren der Democrazia Cristiana", um dann mit den "außerhalb Italiens liegenden Verantwortlichkeiten" die Rolle der USA zu erwähnen. "Man kann annehmen, dass mit unserer Politik eng verbundene Länder, die an einer gewissen Richtung der Dinge interessiert sind, auf bestimmte Weise mit ihren Geheimdiensten aktiv sind." Deutlich benannte Moro, dass seine Politik der Regierungszusammenarbeit zuerst mit den Sozialisten, dann mit den Kommunisten das Hauptangriffsziel der Spannungsstrategie war. "Die sogenannte Strategie der Spannung hatte das Ziel, auch wenn sie es glücklicherweise nicht erreicht hat, Italien nach den Angelegenheiten von 1968 und dem heißen Herbst 1969 wieder auf die Gleise der Normalität zurückzubringen." Vielleicht hoffte Moro, als er das niederschrieb, noch auf ein gutes Ende seiner Geiselhaft. Denn mit seiner Ermordung wurde dieses Ziel dann, zumindest teilweise, erreicht.

In verhüllter Form sprach Moro die verfassungswidrige Rolle an, welche die geheime NATO-Truppe Gladio nicht zuletzt auch in seinem Fall spielte, wenn er festhielt: "Es ist gewiss eine schwierige Intrige, die es hier zu entwirren gilt und deren Schlüssel vermutlich in einer spezialisierten Organisation, wahrscheinlich jenseits der Grenzen liegt." Er verwies darauf, "welchen Anteil unsere Politiker daran haben". Ein vernichtendes Urteil fällte Moro in diesem Zusammenhang über Andreotti, der "zum Unglück unserer Landes (...) an der Spitze der Regierung" stehe. Er zeigte dessen zwielichtige Beziehungen zur Mafia auf, seine Mitwisserschaft an faschistischen Terroranschlägen und - auch hier unter sichtlicher Anspielung auf Gladio - seine schändlichen Machenschaften als Verteidigungsminister. Er betonte, dass Andreotti "am längsten die Geheimdienste leitete und über die besten Beziehungen zur CIA verfügt". Schonungslos fasste Moro zusammen: "Ein kalter Regisseur, undurchdringlich, ohne Zweifel an seinem Tun, ohne Herz, ohne jemals einen Funken menschlichen Mitleids. Das ist der Ehrenwerte [87] Andreotti, demgegenüber die anderen nur gehorsame Ausführende seiner Befehle waren." Dann traf Moro eine prophetische Voraussage, die 14 Jahre später mit der Anklage gegen Andreotti wegen Anstiftung zum Mord und Komplizenschaft mit der Mafia eintraf: "Sie werden sich eine Weile halten können, dann etwas weniger und schließlich werden Sie in den traurigen Teil der Geschichte eingehen."

Enttäuscht äußerte sich der DC-Vorsitzende über seinen Partner im Historischen Kompromiss, IKP-Generalsekretär Enrico Berlinguer. Er klagte ihn an, dass er ihn, "der sich (schon Jahre zuvor) der Kommunistischen Partei zugewandt hatte, der als einziger Verständnis zwischen Christdemokraten und Kommunisten realisiert hat, welches zur anerkannten und vertraglichen parlamentarischen Mehrheit geführt hat (...) jetzt dem Tod ausliefert". Es war ein Vorwurf, der Berlinguer, auch wenn er sich dazu nie öffentlich äußerte, schwer getroffen und bis zu seinem frühen Tod 1984 belastet hat. Der Pragmatiker Moro erkannte den Pragmatismus Berlinguers (dessen Verteidigung der Fermezza und Intransigenza ihm die BR in Zeitungsausschnitten zugänglich gemacht hatten), der ihn opferte und nun mit Andreotti als Partner versuchte, die Regierungsbeteiligung der IKP zu sichern.


Epilog

Die Ereignisse um den bis heute offiziell nicht aufgeklärten Mord an Aldo Moro rückten wieder einmal in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, als am 17. Januar 2023 der frühere Boss der Bosse der sizilianischen Mafia "Cosa Nostra" Matteo Messina Denaro, der seit seiner Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe 1992 flüchtig war, von den Carabinieri in Palermo in einer Privat-Klinik, in der er sich wegen eines Krebsleidens behandeln ließ, verhaftet wurde. Die faschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eilte nach Palermo und feierte das als "einen großen Erfolg des Staates". Dass der Super-Mafioso 30 Jahre der Fahndung entging und sich die letzten zwei Jahre unbehelligt unter falschem Namen in dieser Klinik aufhalten konnte, scheine vielmehr an den "nie beendeten Staatsmafia-Beziehungen zu liegen", schrieb das linke Contropiano einen Tag später in seinem Online-Portal. Das Magazin forderte "Klarheit darüber, was in diesen dreißig Jahren passiert ist und wie es möglich war, dass der letzte prominente Name der alten Cosa-Nostra-Führung erst jetzt schwerkrank (mit laut Aussagen der Ärzte nur noch einer kurzen Lebenserwartung) aufgespürt wurde". Würde dem, was kaum zu erwarten ist, nachgekommen, wäre das ein Stich ins Wespennetz der faschistischen Vergangenheit von Giorgia Meloni und ihren Kumpanen. Um das zu verhindern, begann neben einer Suche nach versteckten Schätzen und Geld auch eine nach vertraulichen Dokumenten Denaros. [88]

Denn unter den über 30 Morden, die Denaro selbst verübte oder anordnete, befanden sich die an dem Untersuchungsrichter Giovanni Falcone am 13. Mai 1992 und an Paolo Borsellino am 19. Juli 1992. Beide wurden umgebracht, weil sie dem Geflecht der Mafia mit der Democrazia Cristiana (DC), den MSI-Faschisten und Geheimdiensten auf der Spur waren. Meloni wollte mit ihrer Gratulation vergessen machen, dass sie mit ihren aus der MSI, deren Jugendfront sie 1992 beitrat und deren Leiterin sie später wurde, hervorgegangenen Brüdern Italiens knietief in diesem Sumpf steckt. Was sagen die Fakten dazu aus:

Der Mafia-Coup unter Denaro gelang zunächst nur teilweise. Denn gegen die Schlüsselfigur dieses Geflechts, den mehrmaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, erhob der Staatsanwalt von Palermo Gian Carlo Caselli am 27. März 1993 auf der Grundlage der Ermittlungen Falcones und Borsellinos Anklage wegen Komplizenschaft mit der Mafia. In einem zweiten Prozess in Perugia wurde Andreotti der Anstiftung zum Mord an dem Herausgeber des Osservatore Politico Mino Pecorelli angeklagt. Der wollte seine Rolle im Mordkomplott gegen Aldo Moro, an dem die MSI entscheidend beteiligt war, enthüllen und wurde deshalb von Mafia-Killern, die Andreotti laut Anklage dazu angestiftet hatte, getötet. Zu den Enthüllungen Pecorellis hätte gehört, dass Andreotti, wie der römische L'Europeo später, am 15. Oktober 1983, aufdeckte, der geheime Chef der faschistischen Putschloge Propaganda Due (P2) war, der Zentrale des Mordkomplotts gegen Moro, in der Silvio Berlusconi, der Chef der faschistischen Forza Italia (FI), die heute in Melonis Regierung sitzt, Mitglied des Dreierdirektoriums war.


Anmerkungen:

[1] Feldbauer, Gerhard: "Giorgia Meloni und der Faschismus in Italien", PapyRossa Verlag, Köln 2023.

[2] Kuczynski, Jürgen: Asche für Phönix - Oder: Vom Zickzack der Geschichte. Aufstieg, Untergang und Wiederkehr neuer Gesellschaftsordnungen, Köln 2019.

[3] Lenin, W. I.: Das Militärprogramm der proletarischen Revolution, Werke, Bd. 23, Berlin/DDR, 1957, S. 80, Siebente Gesamtrussische Konferenz der SDAPR (B), Werke, Bd. 24, Berlin/DDR, 1959, S. 235, Vorschläge des Zentralkomitees der SDAPR an die zweite Sozialistische Konferenz, Werke, Bd. 36, Berlin/DDR, S. 362.

[4] Lenin, W. I.: Über Kompromisse, Werke, Bd. 30, Berlin/DDR, S. 485, Bd. 30, S. 485, Der "linke Radikalismus", die Kinderkrankheit im Kommunismus, Werke, Bd. 31, Berlin/DDR, 1959, S. 22.

[5] Neue Impulse Verlag, Essen 2003.

[6] Schriftenreihe "Konkret" der DKP Berlin, Heft 1/2011.

[7] Siehe Vincent Bevins: Die Jakarta Methode. Wie ein mörderisches Programm Washingtons unsere Welt bis heute prägt, PapyRossa, Köln 2023. Rezension von Gerhard Feldbauer in "junge Welt", 20.02.2023.

[8] Stepan Bandera gründete während des Überfalls der Hitlerwehrmacht auf die UdSSR die Ukrainische Aufstandsarmee (OUN) und andere Formationen, die an der Seite der Wehrmacht gegen die UdSSR eingesetzt wurden.

[9] Der Schweizer Militärexperte und frühere Oberst Jacques Baud in der Schweizer Zeitschrift "Zeitgeschehen im Fokus" (Ausgabe Nr. 4/5 vom 15. März 2022) zu den Hintergründen des Krieges in der Ukraine. Der Oberst war für den Schweizer Strategischen Nachrichtendienst tätig, Leiter der Abteilung "Friedenspolitik und Doktrin" der UNO für friedenserhaltende Operationen in New York (2009-2011) und nahm an weiteren militärischen UN-Missionen teil.
https://zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/newspaper-ausgabe/nr-4-vom-15-maerz-2022.html#article_1306

[10] Moro, Aldo: Scritti e discorsi. Rom 1990, S. 458 f. La Rocca, Felice: L'eredità perduta. Aldo Moro e la crisi italiana. Catanzaro 2001, S. 23 ff.

[11] I giorni della storia d'Italia. Cronaca quotidiana dal 1815. Novara 1997, S. 552 ff.; La Rocca, S. 24.

[12] Moro, S. 3160; "La Repubblica", Rom; 14. Okt. 1978.

[13] Don Sturzo war bis Ende 1922 ihr Generalsekretär, danach bis zur Auflösung Mitglied des Dreierdirektoriums.

[14] Giorni, passim; Alighiero Tondi: Vatikan und Neofaschismus, Berlin/DDR 1955, S. 46.

[15] Giorni, passim.

[16] 1972 nach der Vereinigung mit der monarchistischen Partei.

[17] Legge 20 giugno 1952, "Gazetta Ufficiale", Roma; 23. Juni 1952, Nr. 143.

[18] "L'Europeo", 15. Oktober 1982.

[19] Pecorelli, Francesco / Sommella, Roberto: I veleni di "Op" (Die giftigen Nachrichten des "OP"), Mailand 1995.

[20] Vorsitzender der Aktionspartei, von Juni bis Dezember 1945 Premier der antifaschistischen Einheitsregierung.

[21] Faenza, Roberto / Fini, Marco: Gli americani in Italia, Mailand 1976, S. 295, 321.

[22] "Panorama", 2. Dez. 1990.

[23] Faenza, S. 278.

[24] "New York Times", 28. Okt. 1962.

[25] Faenza, Roberto: Il malaffare. Dall' America di Kennedy all' Italia, a Cuba, al Vietnam, Mailand 1978, S. 295, 321.

[26] Das im Kampf gegen die Mussolini-Diktatur 1934 geschlossene, 1937 in Spanien auf antiimperialistischen Positionen vertiefte Abkommen hatten beide Parteien 1946 zur Durchsetzung einer antifaschistischen-demokratischen Umgestaltung bestätigt.

[27] Sophie G. Alf: Leitfaden in Italien. Vom antifaschistischen Kampf zum Historischen Kompromiss, Berlin 1977, S. 165.

[28] 33° Congresso, Rom 1959; S. 468 ff.

[29] Sablowski, Thomas: Italien nach dem Fordismus, München 1965, S. 80 ff.

[30] 35° Congresso, 1963, S. 584 ff.

[31] Sablowski, S. 113 ff.; Galli, Giancarlo: Gli Agnelli, Mailand 1997, S. 122 ff.

[32] Eichner, Klaus / Langrock, Ernst: Der Drahtzieher. Vernon Walters - ein Geheimdienstgeneral des Kalten Krieges, Berlin 2005.

[33] Faenza, S. 310.

[34] Cipriano, Antonio e Gianni: Sovranità limitata. Storia dell'eversione atlantica in Italia, Rom 1991, S. 31 ff.

[35] Bellu, Giovanni Maria / D'Avanzo, Giuseppe: I giorni di Gladio, Rom 1991, S. 201 f.

[36] In demagogischer Weise führte die "Neue Ordnung" den Namen der von Antonio Gramsci 1919 geschaffenen kommunistischen Organisation und Zeitung, des Vorläufers der IKP-Gründung.

[37] Bericht von Gerhard Feldbauer in "Neues Deutschland", 25. Jan. 1977.

[38] Repubblica Sociale Italiana (RSI), nach dem Sturz Mussolinis von diesem unter der Besatzung der Hitlerwehrmacht im Herbst 1943 als Rumpfitalien gegründeter Marionettenstaat.

[39] "Compromesso storico. Der Historische Kompromiss der IKP und die heutige Krise der Linken", Schrift von Gerhard Feldbauer, Reihe "Konsequent" der IKP Berlin, Heft 2/2013.

[40] Auf dem Parteitag löste Berlinguer Luigi Longo als Generalsekretär ab. Für den schwerkranken Longo wurde des Amt des Parteivorsitzenden geschaffen.

[41] "L'Unità", 12. November 1971, Enrico Berlinguer: Für eine demokratische Wende, Referat zur Vorbereitung des XIII. Parteitages, in: Ausgewählte Reden und Schriften, Berlin/DDR, 1975, S. 75 ff.

[42] "Rinascita", 28. September, 5. und 12. Oktober 1973.

[43] "Liberazione", 11. Juni 1999. In Salerno hatte Togliatti 1944 die Konzeption des Eintritts in die Regierung Badoglio (Wende von Salerno) vorgelegt.

[44] Almanacco PCI, Rom 1976, S. 30.

[45] Il partito oggi, "Rinascita", 6. Jan. 1978.

[46] Galli, Giorgio: Storia del PCI, Mailand 1993, S. 258 ff.

[47] Ebd., S. 267, "Corriere della Sera", 15. Juni 1976.

[48] Presse der Sowjetunion, Nr. 118/1959, zit. In: Kurt Gossweiler, Wider den Revisionismus, München 1997, S. 116.

[49] Die Niederlage der Linken in Italien und der Renegat Napolitano, Schrift von Gerhard Feldbauer, Reihe "Konsequent" der DKP Berlin, Heft 1/2015.

[50] "L'Unità", 16./17. März 1977.

[51] Aldo Moro: Scritti e discorsi, S. 3738 ff.

[52] Feldbauer, Gerhard: Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA. Papyrossa Köln 2000.

[53] Galli, S. 269 ff.

[54] Zit. in: In höherem Auftrag, S. 190.

[55] "L'Unità", 31. März bis 3. April 1979.

[56] Sergio Flamigni: Il tela del ragno, Il delitto Moro, Mailand 1993.

[57] Ich konnte Berlinguers Politik während meiner Arbeit in Rom von 1973 bis 1979 persönlich verfolgen.

[58] Wobei die Rolle des Zentrismus in Italien auch unter positiven Aspekten gesehen wird.

[59] "Liberazione", 11. Juni 1999; 13. Sept. 2003.

[60] Zur Neugründung als Partito della Rifondazione Comunista (PRC) siehe die "Geschichte Italiens vom Risorgimento bis heute" von Gerhard Feldbauer, 2. aktualisierte Auflage, PapyRossa Köln 2015, S. 251 ff.

[61] Der PCI spaltete sich 1998 vom PRC als Partei der Kommunisten Italiens (PdCI) ab und nahm 2006 den alten Namen PCI an. Die Italienischen Kommunisten sind heute in vier Parteien zersplittert. Neben PRC und PCI existieren noch eine Kommunistische Partei (PC) und eine Kommunistische Arbeiterpartei (PCL).

[62] Kampf um Berlinguers Erbe. In Koalition mit Christdemokraten wollte der KP-Chef eine "chilenische Lösung" verhindern. "junge Welt, 8. Juni 2022.

[63] Flamigni, a. a. O., S. 11 f.; "L'Unità", 28. Sept. 1974.

[64] "L'osservatore politico", Rom, 13. Sept. 1975; Flamigni, a. a. O., S. 112.

[65] Regine Igel: Andreotti. Politik zwischen Geheimdienst und Mafia, München 1997, S. 155, 136.

[66] Flamigni, a. a. O., S. 114 ff.

[67] Diese meine mit handfesten Quellen belegte Darstellung hat ein gewisser Henning Böke in der Zeitschrift "analyse & kritik" (Ausgabe vom 18.10.2002) nach Erscheinen meines Buches "Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA" (PapyRossa, Köln 2000) u. a. als "Verschwörungstheorien" diffamiert. Ich habe seinerzeit alle seine Verleumdungen zurückgewiesen. Die Wikipedia-Enzyklopädie Deutschland hindert das nicht, sie weiter zu verbreiten und zu schreiben, Feldbauer betreibe "als 'Italien-Experte' eine Fortsetzung seines alten DDR-Journalismus".

[68] Des Innenministers.

[69] MSI-Parteiblatt "Il Secolo d'Italia", 19. März 1978.

[70] "Panorama", 662/1978.

[71] "Il Popolo d'Italia", 22. April 1978.

[72] Serravalle, Gerardo: Gladio, Rom 1991.

[73] Mario Moretti: Brigate Rosse, Interview von Carla Mosca und Rossana Rossanda, Hamburg 1996, S. 143 f.

[74] Sergio Flamigni, Mitglied der IKP, später der PDS, hat zum Thema fünf Bücher geschrieben:
- La tela del ragno. Il delitto Moro. Mailand 1993.
- Trame atlantiche. Storia della loggia massonica segreta P2. Mailand 1996.
- Il mio sangue ricadrà su di loro. Gli scritti di Aldo Moro prigioniero delle Br. Mailand 1997.
- Convergenze parallele. Le Brigate Rosse, i servici segreti e il delitto Moro. Mailand 1998.
- Il Covo di Stato. Via Gradoli 96 e il delitto Moro. Mailand 1999.

[75] "Der Spiegel", 11/1998; Anna Laura Braghetti: Il prigioniero, Mailand 1998.

[76] Raith, Werner: In höherem Auftrag. Der kalkulierte Mord an Aldo Moro, Berlin 1984, S. 150.

[77] Ebd., S. 163.

[78] Feldbauer, Gerhard: Umbruchsjahre in Italien. Als Auslandskorrespondent in Rom 1973 bis 1979, S. 118 f.

[79] Bei der parlamentarischen Untersuchung der Rolle der P2 nach 1981 wurde bekannt, dass die Weisung vom diensthabenden Polizeikommissar Esposito, der Mitglied der P2 war, in der Questura kam.

[80] Flamigni: Convergenze parallele, S. 135 ff.

[81] L'Unità, 31. März bis 3. April 1979.

[82] Flamigni, 1996, passim.

[83] Das sind der Partito della Rifondazione Comunista (PRC), der Partito Comunista Italia (PCI), der Partito Comunista dei Lavoratori (PCL) und der Partito Comunista (PC). Siehe Feldbauer: Giorgia Meloni, a. a. O., Anhang.

[84] Biscione, Francesco (Hg.): Il memoriale di Aldo Moro rinvenuto in via Monte Nevoso a Milano, Rom 1993.

[85] Flamigni hat sie als Titel der Herausgabe der Briefe Moros genommen. "Il mio sangue ricadrà su di loro".

[86] Doni, Gino: Mein Blut komme über euch. Moro oder die Staatsraison, München 1978, S. 133.

[87] Ehrenwerter (onorévole), Anrede für Abgeordnete.

[88] "ANSA", 18. Januar 2023.

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Anhang

Verwendete Literatur

Bellu, Giovanni Mario; D'Avanzo, Giuseppe: I giorni di Gladio (Die Tage von Gladio), Rom 1991.

Biscione, Francesco M. (Hg.): Il Memoriale di Aldo Moro rinvenuto in via Monte Nevoso a Milano (Die in der Monte Nevoso-Straße in Mailand gefundenen Aufzeichnungen Aldo Moros), Rom 1993.

Braghetti, Anna Laura; Tavella, Paola, Il prigioniero (Der Gefangene), Mailand 1998.

Cipriano, Antonio e Gianni: Sovranità limitata (Beschränkte Souveränität), Rom 1991.

Curcio, Renato: Mit offenem Blick, Berlin 1997.

Dalla Chiesa, Nando: Delitto imperfetto. Il generale. La Mafia. La società italiana (Das unvollkommene Verbrechen. Der General, die Mafia, die italienische Gesellschaft), Mailand 1984.

De Lutiis, Giuseppe:
- I servizi segreti in Italia (Die Geheimdienste in Italien), Rom 1991.
- Il golpe di Via Fani (Der Überfall in der Via Fani), Mailand 2007.

Doni, Gino: Mein Blut komme über euch. Moro oder die Staatsräson, München 1978.

Faenza, Roberto; Fini, Mario: Gli Americani in Italia (Die Amerikaner in Italien), Mailand 1976.

Faenza, Roberto: Il malaffare (Die verrufenen Geschäfte), Mailand 1978.

Flamigni, Sergio:
- La tela del ragno (Das Spinnennetz), Mailand 1993.
- Trame atlantiche. Storia della loggia massonica segreta P2 (Atlantische Dramen. Die Geschichte der geheimen Freimaurereloge P2), Mailand 1996.
- Il mio sangue ricadrà su di loro (Mein Blut komme über euch), Mailand 1997.
- Il covo di Stato. Via Gradoli 96 e il delitto Moro (Das Staatsversteck. Die Gradoli-Strasse 96 und das Verbrechen an Moro), Mailand 1999.

Franceschini, Alberto: Das Herz des Staates treffen, Wien 1990.

Franco, Massimo: Andreotti. Visto da vicino (Andreotti. Aus der Nähe gesehen), Mailand 1989.

Galli, Giorgio:
- Storia del PCI, Mailand 1993.
- Staatsgeschäfte. Affären, Skandale, Verschwörungen, Hamburg 1994.

Irnberger, Harald: Die Terrormultis, Wien/München 1976.

Pecorelli, Francesco; Sommella, Roberto: I veleni di "Op". Le "Notizie risersavate" di Mino Pecorelli (Die Gifte des "OP". Die diskreten Nachrichten von Mino Pecorelli), Mailand 1995.

Raith, Werner: In höherem Auftrag. Der kalkulierte Mord an Aldo Moro, Berlin 1984.

Sciascia, Leonardo: Die Affäre Moro, Frankfurt/M. 1989.

Seifert, Stefan: Lòtta armata. Bewaffneter Kampf in Italien. Die Geschichte der Roten Brigaden, Berlin, Amsterdam 1991.

Serravalle, Gerardo: Gladio, Rom 1991.


Publikationen des Autors (eine Auswahl)

Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA. PapyRossa, Köln 2000.

Marsch auf Rom. Faschismus und Antifaschismus in Italien. PapyRossa, Köln 2002.

Aldo Moro und das Bündnis von Christdemokraten und Kommunisten im Italien der 70er Jahre. Neue Impulse, Essen 2003.

Berlusconi ein neuer Mussolini? 2. Auflage. Neue Impulse, Essen 2003.

Die Recherchen des Commissario Pallotta. Warum Aldo Moro sterben musste. Eine Kriminalgeschichte nach Tatsachen, Erich Weinert-Bibliothek der DKP Berlin, Heft 1/2011.

Compromesso storico. Der Historische Kompromiss der IKP und die heutige Krise der Linken. Schriftenreihe "Konsequent" der DKP Berlin, Heft 2/2013.

Geschichte Italiens. Vom Risorgimento bis heute. PapyRossa, Köln 2008, erweiterte und fortgeschriebene Auflage 2015.

Die Niederlage der Linken in Italien und der Renegat Napolitano. Schriftenreihe "Konsequent" der DKP Berlin, Heft 1/2015.

Geschichte Italiens. Vom Risorgimento zur Gegenwart. PapyRossa, Köln 2017 (Kurzfassung der Ausgabe von 2015).

Die Strategie Palmiro Togliattis während und nach der Befreiung Italiens vom Faschismus. Schriftenreihe "Konsequent" der DKP Berlin, Heft 1/2018.

Umbruchsjahre in Italien. Als Auslandskorrespondent in Rom 1973 bis 1979. PapyRossa, Köln 2019.

Giorgia Meloni und der italienische Faschismus. PapyRossa, Köln 2023 (erscheint in diesen Tagen).

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 9. Mai 2023

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