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NEUZEIT/133: Der Weg zum brandenburgischen Territorialstaat (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 7-9/2007

Im Schatten der preußischen Geschichte
Der lange Weg zum brandenburgischen Territorialstaat

Von Peter-Michael Hahn, Historisches Institut


Wenn in diesen Tagen unter Hinweis auf die Eroberung der Brandenburg durch Albrecht den Bären vor 850 Jahren die Traditionen des heutigen Landes Brandenburg eifrig gefeiert werden, dann dominiert in dem bei einem solchen Anlass präsentierten Geschichtsbild historische Kontinuität. Sie schafft eine Aura von Legitimität und Würde.

Lange sorgte der preußische Blick auf die kriegerischen Erfolge der Jahre 1866 und 1871 dafür, dass diese auf die ältere Vergangenheit Brandenburg-Preußens zurückprojiziert wurden. Brüche, Zäsuren und gegenläufige Entwicklungen wurden dagegen ausgeblendet, weil sie den erwünschten Eindruck verdunkelten.

So führte von der Eroberung eines slawischen Fürstensitzes und seines Herrschaftsbezirkes kein direkter Weg zur Formierung eines brandenburgischen Territorialstaates. Es bedurfte vieler damals nicht abzusehender Faktoren, damit sich in einem komplizierten Prozess personale Herrschaft flächenhaft zu verdichten vermochte. Der Weg zur Verstaatung seit dem späten 14. Jahrhundert erweist sich bei näherem Hinsehen als äußerst verschlungen. Erbteilungen, Verkäufe und Verpfändungen von Teilen dieses Territoriums, die aus dynastischen Motiven erfolgten, waren zu überwinden. Oft geschah dies unter Bedingungen, auf die Brandenburgs Akteure keinen oder nur geringen Einfluss hatten. All dies trug im Ergebnis jedoch dazu bei, der Mark Brandenburg die Gestalt zu verleihen, die vom späten 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts Bestand hatte.

Mit dem territorialen Ausgreifen der Hohenzollern nach Preußen und an den Rhein um 1600 wurde die Mark zu einem einzelnen Baustein im Herrschaftsgefüge einer Dynastie.

Der Umstand, dass diese dort ihre Residenz unterhielt, sollte nur für einen kleinen Teil Brandenburgs zum Vorteil ausschlagen. Es gehörte zu den europäischen Merkmalen der Verstaatung, dass man seine sämtlichen Ressourcen im Umfeld der Residenz konzentrierte. Von dort übertrug man oft verwaltungstechnische Neuerungen auf die übrigen Teile der Monarchie. Für die Bewohner zog dies oft aber keinen sozialen oder ökonomischen Fortschritt nach sich.

Die höfische Landschaft um Berlin und Potsdam, zu der noch ein vom Hofadel bewohntes Umland zu rechnen ist, bildete fortan das Kerngebiet der Monarchie, während die übrige Mark zur tiefen Provinz mutierte. Verstärkt wurde dies noch durch den konfessionellen Gegensatz zwischen diesen Gebieten. Mit dem Untergang des Alten Reiches verschwand auch die Mark Brandenburg von der politischen Landkarte. Nach Preußens totaler Niederlage gegen Napoleon erstand eine Provinz Brandenburg, die durch das Herauswachsen Berlins aus seinem agrarischen Umland, die Abgabe großer Gebiete im Westen (Altmark) und Osten sowie die Einbeziehung okkupierter sächsischer Gebiete (unter anderen die Niederlausitz) politisch neu vermessen wurde.

Nach den tiefgreifenden räumlichen und administrativen Veränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts und der Preußenfixierung der Öffentlichkeit um die Mitte dieses Jahrhunderts war es symptomatisch für die geschwundene Bedeutung und Eigenständigkeit Brandenburgs im Gefüge des preußischen Staates, dass ein Literat, Theodor Fontane, zumindest vordergründig die Mark als eine historische Landschaft wieder entdeckte. In seinen Wanderungen verlieh er jedoch vor allem der höfischen Kernlandschaft um Berlin als Mark Brandenburg historische Identität. Denn schaut man ein wenig genauer hin, welche Gebiete er mit seinen historischen Erzählungen vor dem Auge des Lesers mit Geschichte erfüllte, dann bemerkt man rasch, dass die Alt- und Neumark, aber auch große Teile der Uckermark und Prignitz nicht Gegenstand seiner dichten Beschreibungen waren.

Auch die Historiographie ignorierte weitgehend das historische Brandenburg und seine Teillandschaften, sieht man von den Heimatforschern ab. Der Blick konzentrierte sich auf preußische Vergangenheiten. Aus dem Rahmen fiel daher Reinhold Kosers gedrängte Geschichte der brandenburgischen Politik bis 1648 aus dem Jahre 1913. Eine solide Gesamtgeschichte der Mark Brandenburg sollte jedoch noch ein halbes Jahrhundert auf sich warten lassen, ehe Johannes Schultze diesem Mangel abhalf. Sie spiegelte allerdings nur einen Teil der Geschichte des heutigen Bundeslandes Brandenburg wider, denn dessen Lausitzer und altsächsische Landesteile blicken auf andere historische Wurzeln zurück.


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Integration von Einwanderern

Historische Migrationsprozesse zwischen Brandenburg und Mecklenburg am Beispiel des kleinen brandenburgischen Dörfchens Zootzen im Landkreis Oberhavel untersuchte Mario Huth, Student an der Universität Potsdam. Mario Huth zeigt, welchen Einfluss vom ausgehenden Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert Einwanderer aus dem mecklenburgischen Nachbarland auf die Entwicklung dieser westuckermärkischen Siedlung hatten und wie sich Brandenburg-preußische Bedingungen auf den weiteren Lebensweg der Einwanderer auswirkten. Im Mittelpunkt steht dabei die soziale Schicht der einfachen Bürger. Historische Quellen belegen beispielsweise die Motive für die Auswanderung aus Mecklenburg, aber auch die Fremdwahrnehmung der Einwanderer in ihrer neuen Heimat. Insbesondere die Fragen nach historischen Fakten zur Toleranz gegenüber Fremden, nach Integration von Einwanderern und Entwicklungschancen durch Migration zeigen die aktuellen Bezüge der regionalgeschichtlichen Studie. Der Student der Geschichte, Biologie und Umweltwissenschaften wurde für seine Studie mit dem Jugendförderpreis der Neubrandenburger Annalise-Wagner-Stiftung ausgezeichnet.


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 7-9/2007, Seite 18-19
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2007