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NEUZEIT/186: "Operation Condor" - Terror gegen Links (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 4. Mai 2009

Terror gegen Linke

Die »Operation Condor« war eine internationale! Einrichtung
zur brutalen Verhinderung demokratischer Strukturen

Von Klaus Eichner


Mit den in den letzten Tagen aufgedeckten Attentatsversuchen auf Boliviens Präsidenten Evo Morales ist die berüchtigte »Operation Condor« wieder ins Gespräch gekommen. So soll sich der getötete Anführer der extremistischen Anti-Morales-Allianz, der ehemalige kroatische Söldner Eduardo Rózsa Flores, mit dem Exmilitärgeheimdienstler und Mitglied des rechtsextremen Soldatenbundes »Caras Pintadas« Jorge Mones Ruíz aus Argentinien getroffen haben. Ruíz war in den 80er Jahren im Rahmen der »Operation Condor« in Bolivien im Einsatz. Was steckt hinter dieser kriminellen Organisation?
Das neue Buch von Klaus Eichner bringt Licht in die Sache. »Operation Condor - Eine Internationale des Terrors« erscheint in diesen Tagen im Verlag Wiljo Heinen. Für junge Welt zeichnet Eichner exklusiv die Hintergründe und Aktivitäten der »Operation Condor« in den 70er und 80er Jahren in Lateinamerika nach. Der Autor war als langjähriger leitender Analytiker in der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR zuständig für das Gebiet der US-amerikanischen Geheimdienste. (jW)  


Am 22. Dezember 1992 besuchte Richter José Fernandéz aus Paraguay die Polizeistation in Lambaré nahe Asuncion. Richter Fernandéz suchte lediglich die Akte eines früheren politischen Gefangenen und hatte einen Tip erhalten, daß er dort möglicherweise eine solche Akte finden könnte. Aber was er in dieser Polizeistation fand, verschlug ihm den Atem.

Die Akten enthielten Schriftverkehre zwischen den Polizei- und Geheimdienstapparaten der Militärdiktaturen Südamerikas aus den 70er und 80er Jahren, darunter Auslieferungspapiere, Karteikarten, Fotos, Pässe von politischen Aktivisten der Linken aus Argentinien, Paraguay, Brasilien, Pläne zur Beseitigung Verdächtiger, Berichte über Entführungen, Analysen über Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen in der Region sowie genaue Berichte über die Ermordung oppositioneller Politiker.

Richter Fernandéz hielt das »Terrorarchiv« der Operation Condor in den Händen, mit den detailliert dokumentierten Schicksalen Tausender Lateinamerikaner, die von den Geheimdiensten der beteiligten Staaten illegal entführt, gefoltert und ermordet worden waren. Das Archiv enthält Angaben über 50000 ermordete Personen, 30000 Verschwundene (desaparecidos) und 400000 Inhaftierte.

Auf dieser Grundlage hatte die Inter-Amerikanische Kommission für Menschenrechte in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in einem 191seitigen Bericht Hunderte von Fällen der Masseninhaftierungen, von Folterungen und dem Verschwinden von Menschen dokumentiert.


Die Condor-Organisation

Das staatliche Terrornetzwerk »Condor« war ein struktureller Zusammenschluß und zugleich die inhaltliche Aufgabenstellung der Geheimdienst- und Polizeiverantwortlichen der reaktionären Militärdiktatoren der südlichen Zone von Südamerika. Das betraf die Regimes von Argentinien (Jorge Rafael Videla), Chile (Augusto Pinochet), Uruguay (Juan Maria Bordaberry), Paraguay (Alfredo Stroessner), Bolivien (Hugo Banzer) und Brasilien (Ernesto Geisel). Später arbeiteten Vertreter von Ecuador und Peru in diesem System mit. Sie waren die Büttel der Diktatoren, die rund zwei Drittel der Bevölkerung Südamerikas beherrschten.

Erklärtes Ziel dieser multinationalen Organisation und Geheimoperationen war die brutale Unterdrückung jeder Form von politischer Opposition gegen die Diktatorenregimes, die gewaltsame Zurückdrängung aller linksorientierten Einflüsse und Ideen in dieser Region. Dazu gehörten umfangreiche geheimdienstliche Aufklärungs- und Unterwanderungsoperationen, intensiver Informationsaustausch zwischen den Geheimdiensten sowie militärische bzw. paramilitärische Sonderoperationen zur Liquidierung erkannter Regimegegner. Die Ziele und Opfer unter den oppositionellen Kräften waren in der Regel Emigranten, die sich vor den Verfolgungen im eigenen Land durch den Status des Asylbewerbers in einem der Nachbarländer sicher wähnten. Zu den Opfern gehörten Vertreter jeglicher Erscheinungsformen politischer Opposition, einschließlich ihrer Familienangehörigen. Das betraf neben Repräsentanten von Parteien u.a. Kirchenvertreter, demokratisch orientierte Militärs, Gewerkschafter, Künstler, Journalisten - praktisch alle, die bereit waren, die demokratischen Grundlagen ihrer Gesellschaften zu verteidigen.


DDR-Aufklärung und General Prats

Besonders bedeutsame Führungspersönlichkeiten der politischen Opposition, etwa in Chile, wurden weltweit verfolgt und fielen auch außerhalb des Kontinents Terroranschlägen zum Opfer. Das betraf z.B. die Mordanschläge gegen General Carlos Prats (1974 in Buenos Aires), Orlando Letelier (1976 in Washington) und den versuchten Mordanschlag gegen Bernardo Leighton (1976 in Rom) sowie Mordplanungen gegen Carlos Altamirano.

Im Ergebnis einer sorgfältig geplanten und vorbereiteten Aktion der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) der DDR war der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Chiles, Carlos Altamirano, wenige Wochen nach dem Putsch in Chile illegal aus dem Land nach Argentinien ausgeschleust und danach in die DDR gebracht worden.

Der Leiter der HVA, Markus Wolf, gab einige Zeit später eine dringende Information an Carlos Altamirano, daß General Prats ermordet werden solle. Nach den Worten Wolfs gehe es um Stunden, und Altamirano solle alle Möglichkeiten nutzen, um Prats zu warnen und ihn noch aus Argentinien herauszuholen. Altamirano gab diese Warnung telefonisch über einen Freund weiter. Prats erklärte dem Überbringer der Warnung, ihm sei bewußt, daß sein Leben in Gefahr sei, aber er könne das Land nicht verlassen, ehe er nicht seinen chilenischen Paß in den Händen halte.

Eine ähnliche Information erreichte Altamirano auch über den französischen Geheimdienst. Wolf und Altamirano erarbeiteten einen exakten Plan zur Rettung von Prats. Die HVA fertigte perfekt gefälschte Pässe für ihn und seine Ehefrau, Altamirano beauftragte ein junges Mitglied der Sozialistischen Partei Chiles, Waldo Fortin, mit einer kurzfristigen Reise nach Argentinien und rüstete ihn mit Geld und notwendigen Reisedokumenten aus. Fortin sollte Prats für eine schnelle Ausreise nach Paris oder einem anderen Ort seiner Wahl jede Form von Unterstützung anbieten. Fortin legte einen kurzen Zwischenstopp in Caracas ein, um Orlando Letelier von dort aus ebenfalls vor einem Mordanschlag zu warnen und ein Fluchtangebot zu unterbreiten. Nachdem er anschließend in Buenos Aires gelandet war, hörte er in den Medien von dem wenige Stunden zuvor erfolgten Terroranschlag auf Prats. Die Hilfe war nur kurze Zeit zu spät gekommen.

Die CIA war wesentlich exakter über die Mordplanungen informiert und hatte die Möglichkeiten, vor Ort entsprechende ernst zu nehmende Warnungen auszusprechen bzw. Maßnahmen zur Verhinderung der Anschläge einzuleiten oder direkt Einfluß zu nehmen auf die Verantwortlichen für diesen Terrorakt. Aber nichts davon geschah.


Geheimtreffen in Santiago

Der offizielle Beginn der Operation Condor wird auf den 25. November 1975 datiert. Zu diesem Termin lud der Chef des chilenischen Geheimdienstes DINA, Oberst Manuel Contreras, die Leiter der Nachrichtendienste bzw. Geheimpolizeien Argentiniens, Boliviens, Paraguays, Uruguays und Brasiliens nach Santiago de Chile ein.

Das Treffen fand in einem im französischen Kolonialstil erbauten Gebäude an der breitesten Straße von Santiago, der Alameda/Ecke Garcia-Reyes-Straße, statt, in dem seit 1886 die Kriegsakademie der chilenischen Streitkräfte untergebracht war. Die Konferenz firmierte als »Erstes Inter-Amerikanisches Treffen der Nationalen Aufklärungsdienste« und wurde durch Grußworte von Diktator Pinochet eingeleitet. Geheimdienstchef Contreras erklärte in seiner Grundsatzrede: »Subversion (...) akzeptiert weder Grenzen noch Länder, und deren Infiltration durchdringt jede Ebene des Lebens der Nationen. Subversion hat eine Führungsstruktur entwickelt, die internationale, kontinentale, regionale und subregionale Strukturen beinhaltet. Als Beispiele dafür können wir die Trikontinentale Konferenz in Havanna, die Revolutionäre Koordinierungs-Junta (JCR) für Südamerika und andere anführen, die alle einen freundlichen Anstrich erhalten durch die vielfältigen Arten von Solidaritätskomitees, Kongressen, Tribunalen, Meetings, Festivals und Konferenzen usw. Im Gegensatz dazu führen die davon an der militärischen, wirtschaftlichen und politischen Front (sowohl im Inneren als auch von außen) betroffenen Länder ihren Abwehrkampf höchstens auf der Grundlage bilateraler Abkommen bzw. einfach auf der Basis von 'gentlemen's agreements'.«

Im Ergebnis der Vereinbarungen wurden in jedem der beteiligten Länder hochrangige Verbindungsoffiziere der anderen Condor-Partner mit ihren Stabsmitarbeitern und technischen Kräften unter diplomatischer Abdeckung in den Botschaften stationiert und bei den Geheimdiensten des Gastlandes akkreditiert. Dazu kam Verbindungspersonal im extra dafür geschaffenen Koordinierungs- und Auswertungszentrum beim chilenischen Geheimdienst DINA in Santiago de Chile. Dieser Personaleinsatz ging über die zuvor üblichen Geheimdienststrukturen in Botschaften und im Militärattachébereich hinaus. Condor war damit ein international strukturiertes Geheimdienstsystem, dessen Wirkung weit über die beteiligten Länder, faktisch weltweit zur Geltung kam. Nicht ohne Grund wurde der von Condor-Einheiten geführte Terrorkampf gegen oppositionelle Kräfte geheimdienstintern mit dem Terminus »Weltkrieg III« belegt.

Willige Partner und Helfer fanden die Condor-Terroristen bei militanten neofaschistischen Organisationen, etwa in Italien und Spanien, und bei exilkubanischen Terrorgruppen.

Die aus den USA gelieferte technische Ausrüstung des mit der Gründung der Condor-Organisation errichteten Koordinationszentrums sollte dem für die damalige Zeit neuesten Stand der Kommunikationstechnik entsprechen, das betraf u.a. leistungsfähige Computer, Telexverbindungen, Mikrofilmeinrichtungen und Verschlüsselungstechniken. Das Kommunikationssystem erhielt die Bezeichnung »Condortel«.

Die Vereinigten Staaten stellten ein Netzwerk von Funkstationen zur Verfügung. Die zentrale Sende- und Vermittlungsstation war in der Panamakanalzone stationiert und wurde von der berüchtigten »Schule der Mörder« (US-Army School of Americas, SOA, im Fort Gulick/Panamazone) aus betrieben. Empfangs- und Sendestationen für die Condor-Verbindungen installierten US-Berater in Einrichtungen der militärischen Geheimdienste der beteiligten Länder.

Die Nutzung leistungsfähiger Computer als Basis der zu erstellenden Datenbanken und für den Informationsaustausch war für alle Condor-Partner eine neue Erfahrung und erweiterte die Fähigkeit und Effektivität des Condor-Systems außerordentlich.


Condor II und III

Die Phasen »Condor II« und »Condor III« beinhalteten die Planung und Durchführung geheimer Operationen. Das betraf sowohl Aktionen der »schwarzen Propaganda« (Desinformationskampagnen mit Hilfe von Lügen zur Diskreditierung feindlicher Kräfte), Überwachungsaktionen, Lokalisierung feindlicher Ziele und geheime Missionen zur Festsetzung feindlicher Aktivisten. Der in den meisten Fällen angestrebte Höhepunkt solcher Missionen waren Entführungen, Verhöre unter Folter und Ermordung gegnerischer Aktivisten.

In den Zeiten der Errichtung der Militärdiktaturen in Südamerika suchten Zehntausende Oppositionskräfte der betroffenen Länder Asyl in einem der Nachbarländer, meist unter dem offiziellen Schutz der Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen und - zumindest theoretisch - auf der Grundlage von progressiven rechtlichen Regelungen für Asylsuchende. In der ersten Zeit betraf das besonders Argentinien, wo zu diesem Zeitpunkt noch keine Militärdiktatur herrschte. In der Phase »Condor II« sollten diese Regelungen außer Kraft gesetzt und Emigranten schutzlos der Willkür der Repressionsapparate ihrer Herkunfts- oder ihrer Gastländer ausgeliefert werden.

Im Rahmen der Phase »Condor III« wurden spezielle Einsatzteams der beteiligten Geheimdienste weltweit, besonders in Europa und den Vereinigten Staaten, zur Identifizierung, Aufklärung und letzten Endes Liquidierung führender Regimegegner eingesetzt.

Das letzte bisher zugängliche Geheimdienstdokument zur Operation Condor stammt vom Aufklärungschef der paraguayischen Polizei, Pastor Coronel, und trägt das Datum vom 13. April 1981. Ihr offizielles Ende wurde 1983 mit dem Sturz der Militärdiktatur in Argentinien eingeleitet; jedoch erfolgten auch danach noch koordinierte Mordaktionen und andere Angriffe gegen oppositionelle Emigranten in den beteiligten Ländern. In einigen Fällen lassen sich Spuren dieser Aktionen bis in die Gegenwart verfolgen.

So verzichtete der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, aus Sicherheitsgründen auf eine Teilnahme am iberoamerikanischen Gipfel Anfang November 2008 in El Salvador. In der Presseinformation seiner Verlautbarung war zu lesen: »Er habe vor dem Gipfel beunruhigende Informationen erhalten. In Zentralamerika gebe es venezolanische Militärs, die von einigen zentralamerikanischen Regierungen sowie von CIA und FBI geschützt würden, und die es auf sein Leben abgesehen hätten.«


Die US-Army School of Americas

Eine bis in die Gegenwart hineinreichende herausragende Rolle als Kaderreservoir und Trainingsstätte der Geheimdienste und Militärs der Vereinigten Staaten für ihre subversiven Strategien in Lateinamerika spielt die bereits genannte US-Army School of Americas (SOA). Dieses Ausbildungszentrum wurde bereits 1946 in Fort Gulick als Trainingsstätte für lateinamerikanische Militär- und Polizeiangehörige eröffnet; in den Lehrplänen der verschiedenen Kurse - von vierwöchiger Ausbildung bis zum Ein-Jahres-Lehrgang für Stabsoffiziere - war auch immer das Lehrfach »Aufstandsbekämpfung« enthalten. 1984 erfolgte die Verlagerung nach Fort Benning und die Eingliederung in das US-Army Training and Doctrine Command.

Aufgrund massiver öffentlicher Proteste und kritischer Anhörungen in Ausschüssen des US-Kongresses entschied die US-Regierung, die SOA in Fort Benning/Georgia am 15. Dezember 2000 offiziell zu schließen. Parallel entstand das gleiche Projekt mit gleichen Zielstellungen unter einem anderen Namen neu. Am 17. Januar 2001 wurde die Ausbildungsstätte für lateinamerikanische Militärs unter der neuen Bezeichnung »Institut der westlichen Hemisphäre für Sicherheitskooperation« (Western Hemisphere Institute for Security Cooperation - WHISC) in Fort Benning eröffnet. Das Jahresbudget beträgt rund zehn Millionen US-Dollar.

Bei der Auswahl der Kandidaten für die Ausbildung in der School of Americas hatten die US-Botschaft und die CIA-Residentur im jeweiligen Entsendeland das entscheidende Wort mitzureden.

Die an der SOA ausgebildeten Militär- und Polizeikader, die in der Regel schnell in Führungspositionen ihrer Länder aufstiegen, spielten eine zentrale Rolle in der Strategie des US-Imperialismus zur »Befriedung« und Absicherung seines »Hinterhofs«.

Waren schon an der Auswahl der Kandidaten für die Ausbildung an der SOA die Subversionsspezialisten in der US-Botschaft und der CIA-Residentur beteiligt, wurden die Dossiers über diese Kader laufend ergänzt durch Beurteilungen und inoffizielle Personeninformationen während der Ausbildungskurse, meist auch fortgeschrieben bei späteren »Auffrischungskursen« an der SOA. Nach ihrer Rückkehr von der Ausbildung blieben diese »Kader« im ständigen Blickfeld der CIA und der militärischen Geheimdienste der USA; die Kontakte wurden gepflegt und weiter ausgebaut. Es wird von einer Gesamtzahl von zirka 60000 Absolventen der »School of Americas« ausgegangen. Damit entstand ein dichtes Netz von Einflußagenten in den Sicherheitsapparaten der Schlüsselländer in Lateinamerika.

In direkter Fortführung der Operation Centauro der CIA zur Auslösung und Unterstützung des blutigen Militärputsches 1973 in Chile waren Führungskräfte der Intelligence Community der USA von Anfang an bei der Planung und Realisierung der Condor-Operationen beteiligt. Eine zentrale Rolle spielte dabei der damalige Sicherheitsberater und spätere Außenminister der USA, der Friedensnobelpreisträger Henry Kissinger.

Wenige Wochen vor der Gründung der Condor-Organisation war DINA-Chef Oberst Manuel Contreras beim stellvertretenden CIA-Direktor General Vernon Walters zu Gast. Die darüber zur Veröffentlichung freigegebenen Dokumente zieren besonders viele Schwärzungen - ein Indiz dafür, daß auch heute noch äußerst brisante Informationen zu verbergen sind. Es besteht kein Zweifel, daß Contreras seinen Gesprächspartner über die Planungen im Detail informiert hat.

Die US-Geheimdienste bedienten die Datenbanken über mögliche Terroropfer mit eigenen Informationen und nutzten im Gegenzug Angaben aus diesen Datenbanken für ihre eigenen Operationen. Erst als in der sogenannten Phase III der Operation Terrorakte auch auf dem Territorium der Vereinigten Staaten stattfanden und selbst gegen Kongreßabgeordnete der USA Mordaktionen geplant worden waren, zogen die USA ihre offizielle Unterstützung des Condor-Netzwerkes zurück und setzten sich dafür ein, daß die Terrorakte auf die beteiligten Länder beschränkt blieben.

Einfluß- und Informationskanäle des Bundesnachrichtendienstes (BND) der BRD liefen vorrangig über die berüchtigte Sektenkolonie Colonia Dignidad in Chile. Für die historische Aufarbeitung wäre es bedeutsam zu wissen, welche Kenntnisse der BND über die Operation Condor durch seine Beziehungen zum Partnerdienst »Chinchilla« (Deckbezeichnung des BND für den chilenischen Geheimdienst) und zu anderen Geheimdienstpartnern in Südamerika erhalten hat - ein weiterer Grund für die Offenlegung der Akten des BND.


Historische Aufarbeitung

Erst Mitte der 90er Jahre begannen in Auswertung des »Archivs des Terrors« und unter dem Druck der Öffentlichkeit international wirksame Gerichtsverfahren zum detaillierten Nachweis der Menschenrechtsverletzungen in den Condor-Staaten.

Mit verschiedenen Formen von »Wahrheitskommissionen« wurden in teilweise jahrelanger Arbeit die Fakten über begangene Greueltaten rekonstruiert und damit eine verdienstvolle Arbeit zur Aufrechterhaltung der Erinnerung an die Verbrechen der Militärdiktaturen geleistet. Weniger akribisch erfolgte die Identifizierung der Täter. Nur in wenigen Fällen kam es zu einer Bestrafung, sie wurde oft mit verschiedenen Vorwänden und mit Hilfe von dubiosen Amnestie- und Schlußstrichgesetzen über Jahre verzögert oder unmöglich gemacht.

Zwar besiegelte das Ende der offenen, brutalen Militärdiktaturen in Südamerika auch das offizielle Ende der Geheimoperation Condor. Jedoch bleibt nach wie vor ungenügend geklärt, welche Strukturen, welche hochbelasteten Geheimdienstmitarbeiter im Staatsdienst oder im Bereich paramilitärischer bzw. ziviler Strukturen weiterhin nach der gleichen Philosophie des »Krieges gegen den Terror« bzw. des »Krieges gegen den Kommunismus« durch Staatsterror wirksam waren und zum Teil noch sind. Die Verschleppung bzw. Verhinderung der Aufklärung der Verbrechen diente und dient nicht zuletzt dem Ziel, derartige Täter zu schützen und für ihre weitere Verwendung zu erhalten.

Dabei ist nicht zu übersehen, daß Verbrechen, die direkt realen Condor-Operationen zugeschrieben werden konnten, nur einen Teil der massiven Menschenrechtsverletzungen in dieser Periode brutaler Militärdiktaturen darstellten. Trotzdem waren die spät anlaufenden gerichtlichen Untersuchungen zu Condor oft hilfreich, das Ausmaß der Verbrechen der Militärs aufzudecken. Aber sicherlich schlummern noch in anderen Kellern vergessene »Archive des Terrors«.


Klaus Eichner: »Operation CONDOR - Eine Internationale des Terrors«,
Verlag Wiljo Heinen, ca. 240 Seiten, 12 Euro


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Quelle:
junge Welt vom 04.05.2009
mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2009