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NEUZEIT/201: Vor 35 Jahren wurde Saigon befreit (Irene und Gerhard Feldbauer)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 17 vom 30. April 2010
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Vor 35 Jahren wurde Saigon befreit
Die heute in Afghanistan Krieg führen, sollten an die Lehren des Vietnamkriegs denken

Von Irene und Gerhard Feldbauer


Am 30. April 1975 endete mit der Einnahme Saigons der zwanzigjährige Befreiungskampf der vietnamesischen Patrioten mit dem Sieg über die US-amerikanische Besatzungsherrschaft. Die Ketten eines fast ein Jahrhundert währenden Kolonialjochs, das einst Frankreich errichtete, wurden zerbrochen.

Am verbrecherischen Charakter des USA-Imperialismus hat sich nichts geändert, auch nicht an den verlogenen Begründungen zur Auslösung von Aggressionskriegen. Dieser Bogen spannt sich von der Provokation 1964 im Golf von Tongking als Vorwand zur Auslösung des Luftkrieges gegen die Demokratische Republik Vietnam über die Rolle der USA-Geheimdienste bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zur Anzettelung des sogenannten Krieges gegen den Terrorismus bis zu den Anschuldigungen des Besitzes von Massenvernichtungswaffen des Irak als Anlass des Überfalls auf dieses Land und den jetzigen Behauptungen gegenüber Iran. Neben der Sicherung von Rohstoffressourcen und Einflusssphären geht es unter veränderten Machtkonstellationen auch heute darum, ein Stützpunktsystem zur Sicherung der Weltherrschaftspläne vor allem gegenüber China, aber auch Russland oder Indien aufzubauen. Entscheidende Grundlagen des vietnamesischen Sieges waren die große Hilfe des damals existierenden sozialistischen Lagers, die weltweite Solidarität der Völker und ihrer Friedenskräfte, eingeschlossen die in den USA selbst. Letztlich ausschlaggebende Bedingung, dass diese Faktoren zur Geltung kommen konnten, war der nicht zu brechende Widerstandswille des Volkes, der in den historischen Traditionen des Widerstandes gegen Fremd- und Kolonialherrschaft als auch einheimische Unterdrücker wurzelte. Diese zu mobilisieren verstand eine kommunistische Partei, die der legendäre Führer Ho Chi Minh gegründet hatte.

Es handelte sich um einen nationalen Befreiungskampf und nicht, wie manchmal behauptet, um einen Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd, in dem beide Seiten Unterstützung des USA- bzw. UdSSR-geführten Lagers erhalten hätten. Zur Abwehr der Luftaggression der USA erhielt die DRV die militärische Unterstützung der UdSSR, zu der modernste konventionelle Waffen gehörten, und auch Lieferungen aus der VR China. Ohne diese Hilfe hätte Vietnam dieser Aggression nicht widerstehen und den Sieg erringen können. Zu keinem Zeitpunkt kämpften ausländische Truppen an der Seite der vietnamesischen Patrioten. Entsprechende Angebote hat die DRV stets abgelehnt. Das geschah auch, um den USA keinen Vorwand für ihren eigenen massiven Truppeneinsatz zu geben. Wohl aber befanden sich in beträchtlicher Zahl militärische Berater und Ausbilder der UdSSR in Vietnam, die sich auch in Raketen- und Artilleriestellungen befanden. Wenn einmal die Archive geöffnet werden sollten, wird man erfahren, dass viele sowjetische Militärs in diesem Kampf ihr Leben gegeben haben.

Daraus abzuleiten, es habe sich um einen Stellvertreterkrieg gehandelt, trifft ebenfalls nicht zu. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass natürlich die Militärs der UdSSR, wie die der USA, in Vietnam ihre Waffen, darunter ihre modernsten MG-Jäger-Typen und Luftabwehrraketen erprobten und der Sieg in Saigon ohne die schweren sowjetischen Waffen (Panzer und Artillerie) nicht möglich gewesen wäre. Pentagon-Militärs gaben übrigens mehrfach zu, dass die in Vietnam eingesetzten Mig-Jäger damals den gleichwertigen USA-Typen überlegen waren. Und die eingesetzten Luftabwehrraketen SAM nannte Oberst Robin Olds, ein Fliegerass des Koreakrieges, öffentlich "furchterregende Raketen". Nach dem Abschluss der Pariser Friedensabkommen 1972 zogen die USA zwar ihre regulären Truppen (537 000 Mann) aus Südvietnam ab, ließen aber 25 000 Militärberater zurück, die bis in die untersten Einheiten faktisch die Saigoner Truppen führten. Diese Marionettenarmee wurde auf über 1,2 Millionen aufgestockt und mit modernsten konventionellen Waffen ausgerüstet: 900 Kampfflugzeuge, 400 Kampfhubschrauber, 2 100 Panzer und Geschütze.


USA werden scheitern

Der Widerstand gegen heute von den USA angezettelte Eroberungskriege findet unter sehr unterschiedlichen Kräfteverhältnissen statt. Es ist keine Führerpersönlichkeit wie Ho chi Minh, keine Befreiungsfront wie sie die Patrioten Vietnams zustande brachten, in Sicht. Eins jedoch steht unter dem Gesichtspunkt der Lehren Vietnams schon heute fest: Die USA werden am Widerstandswillen, am Freiheits- und Unabhängigkeitsdrang der Völker scheitern. So wie keine Vietnamisierung 1975 die Niederlage in Saigon verhindern konnte, wird sie heute wie in der Zukunft weder eine Irakisierung noch Afghanisierung oder um was für Truppen von Marionettenregimes es sich noch handeln möge, vor dem gleichen Schicksal bewahren. Die USA verhängten nach 1975 über Vietnam sofort einen totalen Wirtschaftsboykott, um es in den ökonomischen Bankrott zu treiben. Vietnam, das im April 1976 seine beiden Landesteile wieder vereinigte und im Juli 1976 als Ausdruck des gemeinsamen Weges zum Sozialismus die Staatsbezeichnung Sozialistische Republik Vietnam annahm, brachte auch diese Pläne zum Scheitern. Während nach der sozialistischen Niederlage 1989/90 in Osteuropa der Kapitalismus restauriert wurde, überstand Vietnam erfolgreich alle Versuche, es über eine Sozialdemokratisierung seiner Kommunistischen Partei auf diesen Weg zu drängen. Mit seit 2001 jährlich 7,5, 2005 sogar 8,4 Prozent weist Vietnams Wirtschaft in Südostasien mit großem Abstand die höchsten Steigerungsraten auf und beschreitet erfolgreich den Weg einer modernen industriellen Entwicklung.


Die Autoren schrieben das Buch "Sieg in Saigon", Gerhard Feldbauer "Die Nationale Befreiungsrevolution Vietnams", beide Pahl-Rugenstein, Köln 2005/06 bzw. 2007, sowie "Damals Vietnam, heute Irak", Hannover 2007.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 42. Jahrgang, Nr. 17,
30. April 2010, Seite 11
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2010