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DILJA/052: Krieg gegen die Sowjetunion!? Britische Pläne nach 1945 - 1. Teil (SB)


Krieg gegen die Sowjetunion!? Britische Pläne nach 1945


Teil 1

Wie in jüngster Zeit veröffentlichte offizielle Dokumente der damaligen britischen Regierung belegen, wurden auch in den ersten Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in einem Geheimprojekt des britischen Militärs Menschen interniert und gefoltert mit der Absicht, von ihnen Informationen über das sowjetische Militär sowie den sowjetischen Geheimdienst zu erlangen. Deutsche Kommunisten oder einer solchen Überzeugung Verdächtigte waren in erster Linie Opfer dieser Folterpraxis, die in ihrer Grausamkeit hinter den Praktiken der Gestapo kaum zurückstand. Für dieses dunkle Kapitel der europäischen Nachkriegsgeschichte scheint sich jedoch aus wenn auch naheliegenden Gründen bis heute kaum jemand zu interessieren. Die heutige britische Regierung, die liebend gern die Veröffentlichung der brisanten Dokumente juristisch unterbunden hätte, darin jedoch scheiterte, ist ebenfalls längst zur Tagesordnung übergegangen.

Für historisch wie politisch Interessierte werfen diese Enthüllungen allemal Fragen auf, die über die moralische Empörung über gestapoähnliche Folterpraktiken einer westlichen Siegermacht hinausgehen. Aus den jüngst veröffentlichten britischen Dokumenten geht zudem hervor, daß die damaligen Offiziellen Britanniens der Ansicht waren, der Dritte Weltkrieg stünde schon innerhalb weniger Monate bevor. Da es damals wie heute zum Kleinen Einmaleins der Kriegführung gehört, die eigenen aggressiven Akte gegenüber anderen Ländern als von diesen provozierte "Verteidigungs"-Maßnahmen darzustellen, kann nicht ausgeschlossen werden, daß die wenn auch damals geheimgehaltene Position der britischen Führung, sich auf einen Krieg gegen die Sowjetunion vorzubereiten - wozu sonst hätten unter Folter Informationen über den sowjetischen Geheimdienst sowie die Rote Armee aus deutschen Zivilisten herausgepreßt werden sollen? - auf britischen Angriffsabsichten beruhte.

Daß die britische Armee, längst verstrickt in die imperialen Kriege und Besatzungsregime der Gegenwart, nicht gerade erfreut reagiert, wenn Fotos ausgemergelter und schwer mißhandelter Menschen, für deren Folterungen die britischen Militärbehörden in den Jahren nach 1945 verantwortlich waren, durch die Presse gehen, versteht sich von selbst. Doch zu ernster Besorgnis gibt es für London keinen Anlaß, haben sich doch britische wie internationale Konzernmedien auch in diesem Punkt längst als die verläßlichen Partner erwiesen, die sie stets gewesen sind. Im übrigen sind die Greueltaten der Gegenwart, so sie denn überhaupt den Weg in die mediale Berichterstattung finden, schwerwiegend genug, um die Schrecken der Vergangenheit auch weiterhin ruhen zu lassen - einer Vergangenheit zudem, über die in der vorherrschenden Geschichtsschreibung zu Zweitem Weltkrieg und Nachkriegsgeschichte kein Wort verloren wird, weil sie - was auch gar nichts anders sein könnte - die Position der Siegermächte widerspiegelt.

Dabei darf gerade in Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg der Begriff "Siegermächte" nicht mit den Alliierten der Anti-Hitler- Koalition synonym gesetzt werden. Militärisch gesehen hatte die Rote Armee der Sowjetunion den größten Anteil am Sieg der Alliierten über Hitler-Deutschland. Deren westliche "Verbündeten" hatten sich in den ersten Kriegsjahren damit begnügt, den im Mai 1940 begonnenen deutschen Vormarsch nach Westen unter Inkaufnahme der Besetzung Frankreichs zum Stoppen zu bringen. Eine nennenswerte Gegenoffensive erfolgte mit der Landung alliierter Truppen in der Normandie erst im Juni 1944. Da auch die Rote Armee im Sommer 1944 ihre Gegenoffensive startete, könnte dies als Beleg für einen beabsichtigten Zangengriff der Alliierten gegen Deutschland gedeutet werden, wie es der im Westen etablierten Geschichtsschreibung und den in ihr manifestierten Verschleierungsabsichten auch entspricht.

Da die britische und US-amerikanische Luftwaffe bei ihren seit Januar 1943 koordinierten Luftangriffen vereinbart hatten, die deutschen Hydrierwerke als Bombardierungsziele auszusparen, muß angenommen werden, daß die westlichen Alliierten die militärische Niederlage Deutschland hinauszögern wollten, um der deutschen Wehrmacht die Gelegenheit zu geben, bei der "Operation Barbarossa", dem im Juni 1941 begonnenen Feldzug gegen die Sowjetunion, wenn nicht den Sieg, sprich die Zerschlagung des Riesenreiches, so doch dessen größtmögliche Zerstörung zu erreichen. Da die deutschen Panzer, Flugzeuge und U-Boote auf die synthetischen Treibstoffe aus den gegen Luftangriffe nicht zu schützenden Hydrierwerken angewiesen waren, fürchtete das deutsche Oberkommando nichts mehr als deren Zerstörung. Schon im März 1943 hatte der deutsche Luftmarschall Erhard Milch erklärt: "Die Hydrierwerke sind das Schlimmste, was uns treffen kann; damit steht und fällt die Möglichkeit der ganzen Kriegführung."

Im Sommer 1944 begann die Rote Armee ihre Gegenoffensive und kam dabei recht schnell voran. Die Wehrmacht konnte zum Rückzug gezwungen werden, wobei Hitlers Soldaten es nicht unterließen, ihrem Gegner nichts außer "verbrannter Erde" zu hinterlassen. Die Landung der westlichen Alliierten in der Normandie und die daraufhin von ihnen erfolgte Offensive im Westen könnte nicht nur dem offiziellen Kriegsgegner Deutschland, sondern auch der Roten Armee gegolten haben, deren mögliches Vordringen nach Westen im Falle der militärisch ohnehin bevorstehenden Niederlage Deutschlands dann von deren eigenen "Verbündeten" hätte aufgehalten werden können. Im Februar 1945 ließ sich Stalin auf der Jalta-Konferenz von seinen Verbündeten die Vereinbarung abringen, daß die Rote Armee nicht über die Linie Berlin - Dresden - Wien hinaus nach Westen vordringen würde, was die sowjetischen Truppen dann auch nicht getan haben, obwohl es ihnen möglich gewesen wäre.

Zahlreiche Anhaltspunkte ließen sich auflisten um zu belegen, daß zwischen den Alliierten der Anti-Hitler-Koalition ein Konflikt bestand, wie er tiefer und feindseliger kaum hätte sein können. Im Einflußbereich der damaligen Westalliierten ist an einer Infragestellung der von ihnen längst durchgesetzten Geschichtsschreibung zum Zweiten Weltkrieg kaum jemand interessiert. In den westlichen Ländern glaubt seit über einem halben Jahrhundert jedes Schulkind genau zu wissen, wer damals Freund und Feind waren. Nationalistische Ressentiments überdauerten das offizielle Kriegsende. Die Völker Europas hatten mit einem düsteren Erbe zu leben; schließlich glaubte in nahezu allen Ländern des Kontinents das Gros der Bevölkerungen, der Zweite Weltkrieg sei wie auch der Erste einer der jeweiligen Nationalstaaten gegen- bzw. miteinander gewesen.

Daß britische, US-amerikanische, russische bzw. sowjetische Truppen deutsche Soldaten und umgekehrt in diesen Kriegen getötet hatten, daß zwischen den miteinander im Krieg liegenden Nationalstaaten Luftkriege und Panzerschlachten ausgefochten worden waren, die das bis dahin erreichte militärtechnologische Zerstörungsmaß überschritten hatten, belegt jedoch keineswegs, daß der Haß der jeweiligen Völker gegen die Menschen der gegnerischen Nation tatsächlich Auslöser oder Zweck dieser verheerenden Gemetzel gewesen wäre. Es gehört zum Standardrepertoire jedweder Kriegführung, die für einem Angriffskrieg gegen andere Länder erforderliche "Stimmung" in der eigenen Bevölkerung herzustellen, und nicht einmal Hitler hat es unterlassen, den ersten Angriff auf Polen, der als Geburtsstunde des Zweiten Weltkriegs gilt, als Verteidigungsmaßnahme gegen angebliche Attacken von polnischer Seite ("ab 5.45 Uhr wird zurückgeschossen") darzustellen.

Kommunisten, die nicht ohne Grund in Hitler-Deutschland nach 1933 als erste verfolgt und in Konzentrationslager verbracht worden waren, haben dieser Kriegspropaganda stets die Frage entgegengehalten, warum ein französischer Bauer einen deutschen töten sollte, warum deutsche Arbeiter gegen britische in den Krieg ziehen sollten usw. Die von Kommunisten unter größten Lebensgefahren an und hinter der Front betriebene Antikriegsarbeit war denn auch nicht unmittelbar pazifistisch ausgerichtet, sondern zielte darauf ab, die Fronten zu klären in einem internationalen Krieg der Klassen, der in ihrem Verständnis längst begonnen hatte. Um ihn zu verschleiern, traten die damaligen Regenten nicht als Repräsentanten ihrer Klasse, sondern als nationale Führer in einem vermeintlich zwischen antagonistischen Nationen geführten Krieg in Erscheinung.

Dies ließ sich leicht bewerkstelligen, weil nach dem Sieg der Oktoberrevolution von 1917 in Rußland ein System etabliert worden war, das sich den "Sozialismus" auf die Fahnen geschrieben hatte. Die Sowjetunion stellte allein durch ihre bloße Existenz eine Herausforderung, ja einen Angriff auf die alteingesessene kapitalistische Staatenwelt dar nicht etwa, weil ihr tatsächlich kriegerische Absichten gegenüber anderen Ländern hätten nachgesagt werden können, sondern weil sie ein historisches Beispiel lieferte, das sozialistische und kommunistische Strömungen und Bewegungen in der kapitalistischen Staatenwelt bis zu einem kritischen Siedepunkt hätte befeuern können.

Solange die kapitalistischen Gesellschaftsordnungen alternativlos zu sein schienen, ließ sich das ihnen immanente Versprechen aufrechterhalten, Freiheit und Wohlstand seien für alle Menschen erreichbar und realisierbar, so sie nur mit ein wenig Geduld auf die segensreichen Errungenschaften des sogenannten "freien Spiels der Kräfte" vertrauten, also warteten. Sollte sich jedoch ein Staat wie die junge Sowjetunion, auch wenn sie schon sehr bald den Rückwärtsgang eingelegt hatte, gleichwohl als irgendwie fähig erweisen, unter widrigsten Umständen ihrer Bevölkerung gegenüber Versprechen in einem Maße zu realisieren, das in der alten, kapitalbestimmten Welt nicht erreicht werden konnte, könnte die Idee des Sozialismus - nicht unbedingt die Sowjetunion selbst - eine Anziehungskraft entfalten, die die Ordnungshüter der alten Welt mit gutem Grund zu fürchten hatten.

Es liegt zutiefst in der Struktur des Klassenantagonismus begründet, daß es keine friedliche Koexistenz beider Systeme geben kann. Und so versteht es sich nahezu von selbst, daß weitsichtige Strategen der westlichen Welt auf Wege sannen, die Existenz des ungeliebten Herausforderers zu beenden. Die Sowjetunion hatte von ihrer Geburtsstunde an einen Existenzkampf zu führen, sah sie sich doch vor die Aufgabe gestellt, ohne die Verbündeten, die das alte Rußland noch gehabt hatte, einen Agrarstaat in eine Industrienation zu verwandeln und eine Schwerindustrie zu entwickeln, die dem drohenden Angriff Deutschlands und damit auch deutscher Panzer und Bomber etwas entgegenzusetzen haben würde.

Der britische Premierminister Winston Churchill kann getrost als einer der westlichen Führer bezeichnet werden, der sich dieser Problemstellungen nicht nur bewußt gewesen war, sondern sie mit dem ihm nachgesagten Listenreichtum in Angriff genommen hatte. Wer die Ereignisse, die 1933 zum Amtsantritt Hitlers als Reichskanzler geführt hatten, sowie die weitere Entwicklung des jungen NS-Staates aufmerksam genug verfolgt hatte, wird kaum Zweifel daran gehegt haben, daß der NSDAP ein äußerst expansiver Imperialismus vorschwebte. Das Ziel, einen "großgermanischen Lebensraum" vorzugsweise im Osten, sprich auf dem Territorium osteuropäischer Länder sowie der Sowjetunion zu errichten, ließ sich unschwer aus Hitlers schon 1925 verfaßtem Werk "Mein Kampf" herauslesen.

Das deutsche Kapital, die deutsche Großindustrie und Bankenwelt haben diese Botschaft erfreut vernommen. Im Januar 1932 hatte Hitler vor der versammelten Wirtschaftselite der Nation in Düsseldorf eine Rede gehalten, in der er klarstellte, daß die NSDAP nicht nur strikt antikommunistisch ausgerichtet war, sondern als einzige unter den damaligen Reichsparteien die begründete Aussicht bot, in nicht allzu ferner Zukunft das kriegsmüde Deutschland erneut in einen Feldzug gen Osten zu führen. Der Spendenfluß des Großkapitals in die Parteikasse der NSDAP riß von da an nicht mehr ab. So erfolgversprechend sich diese Partei mit ihrem charismatischen Hitler zu geben verstand, wird ihre Botschaft auch außerhalb Deutschlands auf in dieser Hinsicht wohlwollende Ohren gestoßen sein.

Nicht nur das deutsche Kapital, sondern auch die Wirtschaftseliten und Regierungen der übrigen führenden kapitalistischen Staaten müssen sich in jener Zeit gefragt haben, wie der historische Unfall, als den sie den Sieg der Oktoberrevolution in Rußland von 1917 nur hatten ansahen können, zu korrigieren sei. Nach dem verheerenden Folgen des Ersten Weltkrieges, die wohl allen Menschen in Europa noch gegenwärtig waren, den eigenen Bevölkerungen einen weiteren Krieg aufzuzwingen, nur um im fernen Rußland ein System zu stürzen, daß den Regierungen der alten Welt nicht paßte, wird dabei kaum als eine realisierbare Option angesehen worden sein. Schließlich hätte ein solcher Krieg die etablierten kapitalistischen Gesellschaftsysteme in ihrem Bestand gefährden können, weil die in ihn getriebenen Menschen sich gegen ihre eigenen, nun als Aggressoren erkannten Regierungen hätten wenden können.

Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, daß nicht nur das deutsche Kapital auf die Karte "Hitler" gesetzt hatte, um seine Interessen durchzusetzen, die in einer gewaltsamen Expansion nach außen und insbesondere gen Osten ebenso lagen wie in einer Ausschaltung des inneren Feindes, sprich der damaligen Linken, sondern daß auch die führenden westlichen Staaten insgeheim darauf spekulierten, daß der "durchgeknallte" deutsche Diktator für sie die Kastanien aus dem Feuer, sprich das Problem Sowjetunion aus der Welt schaffen würde, ohne daß sie sich selbst in die Schußlinie oder offene Frontstellung hätte begeben müssen.

Diese ihm von den späteren westlichen Alliierten möglicherweise zugedachte Aufgabe konnte Hitler, der während des Krieges, wie noch nachzuzeichnen sein wird, von diesen klammheimlich unterstützt wurde, nicht vollauf erfüllen. Zwar wurde in den von Deutschland besetzten Gebieten der Sowjetunion, die mit über 20 Millionen Kriegsopfern 40 Prozent der Toten des gesamten Zweiten Weltkrieges in Europa zu beklagen hatte, eine systematische Tötungs- sowie beim Rückzug der Wehrmacht eine nicht minder systematische Zerstörungspolitik betrieben - das Rückgrat allerdings konnte der Sowjetunion nicht gebrochen werden.

Von Winston Churchill wird vorzugsweise in "rechten" Kreisen gern ein Ausspruch zitiert, den der britische Premier 1945 von sich gegeben haben soll: "Wir haben das falsche Schwein geschlachtet." Das "falsche Schwein" - Deutschland - wurde postwendend in den Kreis der westlichen Alliierten reintegriert, das "richtige Schwein" - die Sowjetunion - war, wie zu vermuten ist, als Ziel eines nächsten (Welt-) Krieges schon unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg anvisiert worden. Zumindest die Briten schienen dafür sogar Vorkehrungen getroffen zu haben. Ob diese Vorstellung tatsächlich so abwegig ist, wie sie angesichts des in der westlichen Welt vorherrschenden Geschichtsbildes zum Zweiten Weltkrieg zunächst erscheinen mag, soll im zweiten Teil dieser Erörterung diskutiert werden.

Erstveröffentlichung am 26. Mai 2006

20. Januar 2007