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DILJA/073: Südafrika - Statthalterstaat des Imperiums - Teil 12 (SB)


Statthalter westlicher Hegemonialmächte auf dem schwarzen Kontinent - Südafrika vor, während und nach der Apartheid


Teil 12: Die Wahrheitskommission II: Schuldendienst vor Entschädigung - Mandelas ANC bezahlt die Auslandsschulden des Folterregimes und läßt die eigene Bevölkerung sowie die Apartheidopfer weiter darben

Es spricht Bände, daß in der westlichen Welt die (Apartheid-) Geschichte Südafrikas so dargestellt und behandelt wird, als hätte der Kapstaat genausogut an seinen Rändern ausgeschnitten und auf den Mond versetzt werden können und als hätte der (vermeintliche) Rassenkonflikt nicht das geringste mit der internationalen Auseinandersetzung konträrer Systeme zu Zeiten des sogenannten "Kalten Krieges" zu tun gehabt. Dabei läßt die Tatsache, daß das Apartheidregime ein ausschließlich von Weißen geführtes Herrschaftssystem war, keineswegs zwingend den Rückschluß zu, daß Unterschiede in der Hautfarbe tatsächlich kausaldeterminierend waren für die politische Verfolgung und systematische Drangsalierung der Bevölkerungsmehrheit Südafrikas, für Verschleppungen, Folterungen und politisch begründete Morde.

Die heimlichen Finanzspritzen aus dem befreundeten Ausland, die seit dem UN-Embargo vom 4. November 1977 in der Illegalität organisierten Militärhilfen sowie die überaus gedeihliche Zusammenarbeit des Regimes mit westlichen Staaten auf geheimdienstlicher Ebene erfolgten schon gar nicht aus "rassistischen" Motiven heraus. Der Begriff "Rassismus" erfüllt hier eine Verschleierungsfunktion, weil er es den Drahtziehern und Nutznießern des sogenannten Apartheid-Regimes ermöglichte, von der ordnungspolitischen und - wenn man so will - klassenkämpferischen Natur dieses Konfliktes vollständig abzulenken. Dies gelang umso leichter, da die "Apartheid" in der Tat die Vormachtstellung der von ihr zugleich auch profitierenden "Weißen" Südafrikas sicherstellte zu Lasten der schwarzen Bevölkerungsmehrheit. Daß eine Beendigung der durch das "weiße" Apartheidsystem repräsentierten, kapitalistischen und fest in die westliche Staatenwelt eingebundenen Republik Südafrika den Weg freigemacht hätte für eine wie auch immer ausgestaltete sozialistische Entwicklung, wird dabei geflissentlich außer acht gelassen.

Und so hatte es sich die westliche Welt im engsten Wortsinn einiges kosten lassen, in Südafrika, dem nach ihren Maßstäben industriell und technologisch mit Abstand am weitesten entwickelten Staat Afrikas, das kapitalistische "Apartheid"-Regime am Leben zu erhalten. Spätestens in den 1980er Jahren wurde diese Situation für die führenden westlichen Staaten jedoch immer prekärer, drohten sie doch weltweit ihrer beanspruchten Rolle als Hüter von Demokratie, Frieden und Menschenrechten verlustig zu gehen und durch ihre klammheimliche Kumpanei des Schreckens mit einem Gewaltsystem, das sie offiziell längst politisch geächtet und wirtschaftlich isoliert hatten, vollständig entlarvt zu werden. Inzwischen wird kaum noch jemand bestreiten wollen und können, daß der Apartheidstaat in jenen Jahren ohne die klammheimliche, aber tatkräftige Unterstützung aus dem befreundeten Ausland längst nicht mehr hätte überleben können. Die Implosion des Sowjetsystems 1989/90 schien der Zeitpunkt X gewesen zu sein, bis zu dem dieser Zustand nach Ansicht westlicher Strategen aufrechterhalten werden mußte. Danach wurde schnellstens eine Abwicklung gesucht und mit der ab 1994 regierenden ANC-geführten Einheitsregierung auch gefunden, die einen nahtlosen Übergang Südafrikas als integraler Bestandteil der westlichen Staatenphalanx von der "Apartheid" zur "Demokratie" sicherstellte.

Bis 1993 hatte sich das Apartheidregime im In- und Ausland mit 13 Mrd. Euro verschuldet. Da Südafrika auch wirtschaftlich boykottiert werden mußte, lag eine offizielle Beendigung der Apartheid nicht nur im politischen, sondern durchaus auch im wirtschaftlichen Interesse der westlichen Freunde des alten Regimes. Die Europäische Union war 1986 nicht umhingekommen, Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika zu verhängen. Hätte sie diesen eigentlich längst überfälligen Schritt noch weiter hinausgezögert, wäre sie - was nicht in ihrem Interesse liegen konnte - als "Kumpan des Schreckens" identifiziert worden. Im Zuge der Abschaffung der Apartheidgesetze - im Juni 1990 hatte das südafrikanische Parlament die Aufhebung der Rassentrennungsgesetze im öffentlichen Bereich beschlossen, die übrigen Apartheidgesetze wurden 1991 aufgehoben - hatte die EU ihre Wirtschaftssanktionen schrittweise wieder außer Kraft setzen können.

Ein Wechsel in der politischen Führung Südafrikas, der die internationale Ächtung hätte beenden, nicht jedoch die Einflußmöglichkeiten des Westens auf ein ihren Interessen zweckdienliches System hätte beschneiden können, lag im ureigensten Interesse der ausländischen Unterstützer und Kreditgeber. Aufgrund der weltweit isolierten Lage des vermeintlichen Paria-Staates Südafrika war die zuletzt von de Klerk angeführte Apartheid-Regierung nicht in der Lage, ihre Auslandsschulden zurückzuzahlen und hätte durch immer weitere, in den westlichen Staaten politisch längst nicht mehr zu vermittelnde Finanzspritzen am Leben erhalten werden müssen. Der Wahlsieg des ANC von 1994 sowie die nach der Apartheid regierende "Regierung der Nationalen Einheit" boten dem Westen die von diesem gewünschten Voraussetzungen, sich aus dem Dilemma zu befreien, die Apartheid inoffiziell zu stützen und offiziell zu verurteilen. Der nach 27 Jahren aus der Haft entlassene ANC-Präsident Nelson Mandela wurde in jener Zeit nicht müde, stereotyp zu wiederholen: "Laßt die Vergangenheit Vergangenheit sein, und laßt uns an die Gegenwart und die Zukunft denken."

Im April 1994 war der ANC bei den ersten "freien" Wahlen mit großer Mehrheit (62,7%) gewählt worden. Er bildete gleichwohl zusammen mit der zuvor regierenden Partei des Apartheidstaates, der Nationalen Partei (NP, 20,4%), und der Inkatha-Freiheitspartei (IFP, 10,5%) eine "Regierung der Nationalen Einheit". In dem Verhandlungspaket, das Nelson Mandela und mit ihm der ANC mit de Klerk geschnürt hatte, war offensichtlich auch enthalten gewesen, daß das "neue" Südafrika die Auslandsschulden der Apartheid (!) zurückzahlen würde. Im Klartext bedeutete dies, daß die schwarze Bevölkerungsmehrheit im nachhinein für ihre Unterdrückung und Entrechtung auch noch zur Kasse gebeten oder vielmehr gezwungen wurde - und zwar mit Zustimmung und im Namen des Afrikanischen Nationalkongresses und seiner Galionsfigur Nelson Mandela -, die finanziellen Forderungen jener "Geber"-Länder bzw. internationalen Konzerne zu befriedigen, die zuvor mit dem Apartheid-Regime so profitträchtige Geschäfte gemacht bzw. dessen Überleben durch Kredite ermöglicht hatten.

Mit der Rückzahlung war noch im Jahr der ersten freien Wahlen - 1994 - begonnen worden. Diese Zahlungen umfaßten 20 Prozent des Staatshaushaltes Südafrikas, was zur Folge hatte, daß dringend erforderliche Finanzierungen zurückgestellt wurden. In den Townships mußten viele Menschen infolgedessen noch länger auf eine ausreichende Wasser- und Stromversorgung, auf die Einrichtung von Schulen und Gesundheitsstationen und eine Versorgung mit Aids-Medikamenten warten. Neville Gabriel, Sprecher der Entschuldungskampagne "Jubilee South Africa", führte dazu aus, daß die "Geberländer" Südafrika fest im Griff und durchgesetzt hätten, daß die neue Regierung dem Schuldendienst den Vorrang vor allem anderen einräumt. Da auf diese Weise bis 2003 ein großer Teil der Auslandsschulden zurückgezahlt worden war, forderte die Kampagne zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Streichung der Restschulden, sondern neben der Rückerstattung der bereits zurückgezahlten Schulden auch Entschädigungen für die Profite, die ausländische Konzerne und Banken zur Zeit der Apartheid mit Südafrika gemacht hatten. Über diese Zusammenhänge mußte sich die ANC-Regierung vollkommen im klaren gewesen sein. Abdul Minty, einst führender Aktivist der britischen Anti-Apartheid-Bewegung und späterer Direktor im Außenministerium Südafrikas, hatte die Verbindungen zwischen dem Apartheidregime und der Wirtschaft einst folgendermaßen charakterisiert:

Von 1960 bis zum demokratischen Übergang in Südafrika hat die Wirtschaft mit dem Apartheidregime kollaboriert. Sie war direkt daran beteiligt, seine Kriegsmaschinerie zu entwickeln und auszubauen. So war Apartheidsüdafrika in der Lage, seine Gesellschaft zu militarisieren und sich systematisch vom Polizeistaat der 60er Jahre zum Militärstaat der 70er und 80er Jahre zu entwickeln. In dieser ganzen Zeit spielte die Wirtschaft eine zentrale Rolle in der militärischen und nuklearen Aufrüstung. Als die Welt wirksame humanitäre Aktionen forderte, gab es in der Wirtschaft immer eine tödliche Stille.

(zit. aus: Die Wahrheit ans Licht. Schuld und Sühne in Südafrika, von Birgit Morgenrath und Gottfried Wellmer, in "Blätter des iz3w", Nr. 270, Juli/August 2003, S. 29)

Spätestens nach 1994 forderte niemand mehr "humanitäre Aktionen"; schließlich war, so der damalige und heutige allgemeine Konsens, das Apartheidsystem beendet und eine nicht-rassistische Demokratie installiert worden. Dieser "friedliche Wechsel" wurde in der westlichen Welt frenetisch als geradezu idealtypisches Beispiel für "Vergebung" gefeiert. In diese Jubelgesänge stimmten die in Südafrika lebenden Menschen allerdings schon sehr bald nicht mehr ein. Viele mußten - mit Ausnahme der Angehörigen einer nun nicht mehr ausschließlich aus Weißen bestehenden privilegierten Minderheit - bitter erleben, daß sie nicht nur vom Apartheidregime, sondern auch von der ANC-geführten Nachfolgeregierung über den Verhandlungstisch gezogen wurden. Der Schulterschluß mit dem alten Regime bedeutete für sehr viele von politischer Verfolgung und brutalster Repression Betroffene, tatenlos mitansehen zu müssen, wie sich ihre Peiniger durch die ihnen bestenfalls unangenehme Prozedur der Amnestierung durch die "Wahrheitskommission" reinwaschen und ihre angestammten gesellschaftlichen Positionen inklusive ihrer selbstverständlich unangetasteten Vermögensverhältnisse weiterhin wahrnehmen konnten, während sie selbst noch immer in bitterster Armut leben mußten.

Die zwischen Mandela und de Klerk vermutlich unter Moderation westlicher Repräsentanten ausgehandelte "friedliche" Lösung muß eine Selbstverpflichtung der späteren ANC-Regierung beinhaltet haben, einen absolut pro-westlichen Kurs in der Wirtschafts-, Innen- und Außenpolitik fortzusetzen. So war es den sogenannten "Geberländern" sogar möglich, auf die Wirtschaftspolitik Südafrikas nach 1994 Einfluß zu nehmen um sicherzustellen, daß das neue Regime im Gegensatz zu den Apartheidregierungen auch tatsächlich in der Lage und willens sein würde, unter allen Umständen den Schuldendienst zu bedienen. Nationale Umverteilungs- und Wiederaufbauprogramme wurden unter dem Druck des Auslands schnell wieder eingestampft. An ihre Stelle trat mit GEAR ein neoliberales Wachstumsprogramm, das nicht darauf abstellte, die dringendsten sozialen Aufgaben zu bewältigen und durch Investitionen in die heimische, arbeitsintensive Wirtschaft Arbeitsplätze zu schaffen.

Nein, die politische, wann und vom wem auch immer ausgehandelte und demokratisch keineswegs legitimierte Entscheidung, die Zukunft Südafrikas voll und ganz unter das Diktat einer neoliberalen Sachzwangslogik zu stellen, weil nur dann die internationalen Kräfte, die hinter der Apartheid gestanden hatten, einen "Machtwechsel" zulassen würden, hatte zur Folge, daß die westlichen Kreditgeber einen noch besseren Schnitt machten als zu Apartheidzeiten. Südafrika wurde aus seiner embargobedingten Isolation herausgelöst. Die Geschäfte florierten besser denn je, zumal die ANC-Regierung äußerst getreulich die ihr abgerungenen Vereinbarungen einhielt. So "mußten" die Auslandskredite in Devisen zurückgezahlt werden, weshalb die neue Regierung alles andere tat, als mit oberster und einziger Priorität die Lage der eigenen Bevölkerung zu verbessern. Sie setzte auf den Export des Bodenschatzes Nr. 1, des Goldes.

Von Gold wird jedoch niemand satt, und während die erwirtschafteten Devisen in den Schuldendienst flossen, verschlimmerte sich die Armut im Lande. 2004, zehn Jahre nach dem Ende der Apartheid, zeigte sich ein erschreckendes oder vielmehr endgültig entlarvendes Bild, das die ANC-Regierung noch immer nicht zu einer wenn auch späten Zäsur bewog. Sie setzte, durchaus mit Unterstützung der kommunistischen Partei SACP sowie des Gewerkschaftsbundes COSATU, unverdrossen ihren pro-westlichen Kurs auf der Basis einer bedingungslosen Akzeptanz kapitalistisch-"demokratischer" Verhältnisse fort mit dem Resultat, daß in den seitdem vergangenen Jahren zehntausende Arbeitsplätze im Bergbau zerstört wurden, die Arbeitslosigkeit in manchen Regionen bis auf 40 Prozent anstieg und über die Hälfte der Bevölkerung in krasser Armut lebt. So müssen fast zehn Prozent mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen.

Heute trägt dieses keinesfalls allein in Südafrika anzutreffende System einer sehr kleinen, über immer größer werdende Werte verfügenden Elite, der eine immer größer werdende Menschenmenge gegenübersteht, die über immer weniger - fast nichts - verfügen kann, nicht mehr den Stempel "Apartheid". Wenn die jahrzehntelange Herrschaft der "Weißen" spätestens 1994 beendet wurde, wieso sind dann immer noch dieselben schwarzen Menschen arm und noch ärmer geworden? Hier liegen nicht zuletzt auch die Gründe, warum die Akzeptanz der sogenannten "Wahrheitskommission" in Südafrika so gut wie unter dem Nullpunkt liegt, während der Westen nicht müde wird, sie noch immer als weltgeschichtlich einmaliges und gelungenes Beispiel einer "friedlichen" Konfliktlösung anzupreisen. Daß viele Betroffene anfangs ihre Hoffnungen auf die Arbeit der Kommission gesetzt hatten, muß allerdings in den Kontext ihrer materiellen Nöte gestellt werden.

"Ich war am Anfang so begeistert, daß die Kommission uns helfen würde", beschrieb viele Jahre später Catherine Mlangeni ihre damaligen Beweggründe. Es habe gut getan, sich bei den Anhörungen den Schmerz von der Seele zu reden, meinte sie. Ihr Sohn Bheki Mlangeni, ein engagierter Menschenrechtsanwalt, der sich für politische Gefangene eingesetzt hatte, war durch eine in seinem Walkman versteckte Bombe umgebracht worden. "Das soll kein Verbrechen gewesen sein?" fragt seine Mutter, die nicht weiß, wie sie die drei Kinder ihres Sohnes ernähren kann, voller Verzweiflung. Doch die Perfidie der von der ANC-Regierung seit 1994 betriebenen Politik der Übernahme und Rückzahlung der aus der Apartheidära stammenden Auslandsschulden gipfelte darin, daß selbst den von der Wahrheitskommission anerkannten "Apartheidopfern" die ihnen in Aussicht gestellten Entschädigungsleistungen erst viele Jahre vorenthalten und dann nur zu einem geradezu peinlich geringen Teil ausgezahlt wurden.

Als im November 2002 der US-amerikanische Anwalt Michael Hausfeld für Apartheidopfer vor einem New Yorker Gericht eine Sammelklage gegen 22 Konzerne, darunter auch fünf deutsche (DaimlerChrysler und Rheinmetall sowie die Deutsche, die Dresdner und die Commerzbank), einreichte, wurde von seiten Washingtons offen Druck auf die südafrikanische Regierung ausgeübt. Ein US-Unterhändler nahm es sich offen heraus, Pretoria davor zu "warnen", die Klage zu unterstützen und drohte für diesen Fall an, daß weitere "Investitionen" aus dem Ausland ausbleiben würden. Die heimlichen Herrscher Südafrikas gingen sogar noch einen Schritt weiter. Auf US-Kongreßabgeordnete wurde "eingewirkt", damit sie mit dem "Alien Tort Claims Act" das Gesetz streichen, das Ausländern das Recht einräumt, US-amerikanische oder internationale Konzerne in den USA zu verklagen, wenn sie - wie im Fall der Apartheid - internationales Recht verletzen. Hausfeld hatte seine Klage damit begründet, daß es "ohne die integrale Teilhabe der ausländischen Wirtschaft" die Apartheid "nicht in gleicher Weise gegeben" hätte.

Die Trennung zwischen Politik und Wirtschaft ist ein Trick, dessen sich auch bundesdeutsche Apartheidkollaborateure zu bedienen wußten. Von Regierungsseite aus wurde erklärt, mit etwaigen Entschädigungsforderungen solle sich die Entschuldungskampagne an die Konzerne und Banken direkt wenden; diese wiederum verweigerten jeglichen Dialog mit der Begründung, sich an geltendes (deutsches) Recht gehalten zu haben. Am 22. Mai 2002 brachte Rolf-E. Breuer, scheidender Vorstandssprecher der Deutschen Bank, diesen Standpunkt auf der Hauptversammlung gegenüber kritischen Aktionären folgendermaßen auf den Punkt: "Wir verstehen Ihre Anfragen nicht. Wir verschwenden Ihre Zeit. Reden - nein, reden wollen wir mit Ihnen nicht." Dabei ist die Verflechtung der deutschen Wirtschaft und der drei Großbanken - auch der Deutschen Bank - mit dem Apartheidsüdafrika seit langem ausreichend dokumentiert. Der Vorsitzende der Wahrheitskommission, Desmond Tutu, appellierte vergeblich an Banken und Konzerne, ihre Unterstützung des Regimes einzugestehen.

Die Drohungen aus Washington fielen in Südafrika auf fruchtbaren oder vielmehr furchtbaren Boden. Am 15. April 2003 lehnte Thabo Mbeki, der Nelson Mandela 1999 im Amt des Staatspräsidenten beerbt hatte, in einer Ansprache vor dem Parlament die in den USA erhobenen Zivilklagen gegen das Aparteidsregime strikt ab. Es sei, so Mbeki, "völlig unakzeptabel, daß Angelegenheiten, die für die Zukunft unseres Landes sehr wichtig sind, von ausländischen Gerichten entschieden werden sollen". Dabei läßt er geflissentlich außer acht, daß der zivilgerichtliche Klageweg, der im Namen vieler Opfer in den vergangenen Jahren in den USA beschritten wurde, aus der Not der in Südafrika selbst herrschenden Verhältnisse geboren wurde. Hätte sich die ANC-Regierung für die Interessen der Apartheidopfer oder vielmehr der gesamten, durch die Apartheid drangsalierten schwarzen Bevölkerung eingesetzt, wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, in den USA Anwälte mit dieser Angelegenheit zu betrauen.

Seit 2000 wurden im Haushalt Südafrikas 800 Millionen Rand (rund 100 Millionen Euro), die für an die Apartheidopfer auszuzahlende Entschädigungen vorgesehen waren, ausgewiesen. Im Mai 2001 wurde die letzte Amnestieentscheidung gefällt. Seit 1998 lagen die ersten fünf Bände des Abschlußberichtes der "Wahrheits- und Versöhnungskommission" vor, die letzten beiden wurden am 21. März 2003 veröffentlicht. Bei der feierlichen Übergabe an Präsident Mbeki erklärte der Kommissionsvorsitzende Tutu, die Opfer hätten viel zu lange auf ihre Entschädigungen warten müssen. Und Präsident Mbeki versprach, fast ein Jahrzehnt nach dem formalen Ende der Apartheid, daß die Entschädigungsempfehlungen der Kommission nun so schnell wie möglich umgesetzt werden würden, wozu die Regierung nach Ansicht der Kommission auch verpflichtet sei.

Dies sollte sich jedoch alsbald als ein weiteres leeres Versprechen herausstellen. Die Kommission hatte für die rund 20.000 Menschen, die sie in ihrem Bericht wegen der zwischen 1960 und 1994 verübten Verbrechen als Apartheidopfer anerkannt hatte, Entschädigungen in Höhe von insgesamt 3 Milliarden Rand (280 Millionen Euro) empfohlen. Die Kommission hatte für alle registrierten Opfer für sechs Jahre jährliche Zahlungen von 23.000 Rand (ca. 2500 Euro) vorgeschlagen, was gemessen am Steueraufkommen Südafrikas sehr wohl zu realisieren gewesen wäre. Präsident Mbeki hielt jedoch am 15. April 2003, nur wenige Wochen nach der feierlichen Übergabe der letzten beiden Bände des Abschlußberichtes der Wahrheitskommission, bei der er noch zügige Auszahlungen der Gelder versprochen hatte, eine Ansprache vor dem Parlament, in der er anstelle der von der Kommission empfohlenen Entschädigungen einmalige Zahlungen in Höhe von 30.000 Rand (ca. 3.500 Euro) versprach.

Dieses Blutgeld stellte nur noch ein Fünftel des zuvor in Aussicht gestellten Betrages dar und trug nicht das Geringste zur Befriedung der in Südafrika bis heute angespannten Lage bei. Diesen Köder, den die Parlamentarier des "neuen" Südafrikas, die sich nicht "trauen", gegenüber ausländischen Konzernen und/oder Regierungen Entschädigungsforderungen für aus der Apartheid resultierende Profite auch nur zu erheben, haben die Menschen im Nachapartheidstaat keineswegs geschluckt, und so gärt es im Kapstaat in demselben Maße, wie die ohnehin grassierende Armut noch weiter zunimmt.

(Fortsetzung folgt)

3. Januar 2008