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DILJA/094: Srebrenica oder die Zerschlagung Jugoslawiens - Teil 11 (SB)


Das "Massaker von Srebrenica" - nachgelieferte Letztbegründung für die gewaltsame Zerschlagung Jugoslawiens und Präzedenzfall der humanitär bemäntelten Kriegführung westlicher Hegemonialmächte


Teil 11: Sommer 1995 - Am 11. Juli rücken bosnisch-serbische Verbände in Srebrenica ein. Die anschließend begangenen Verbrechen können mit dem Tempo ihrer Entdeckung, Verbreitung und Sanktionierung kaum Schritt halten

Am 16. November 2005 wurde Sefer Halilovic, ehemaliger General und Oberkommandierender der muslimischen Truppen im bosnischen Bürgerkrieg, von dem Den Haager Tribunal freigesprochen. Ihm waren eine Mitverantwortung an in zwei Dörfern begangenen Massakern sowie der Mord an einem Kriegsgefangenen zur Last gelegt worden, eine Verurteilung erfolgt jedoch nicht. Durchaus aufschlußreich sind gleichwohl die Aussagen, die Halilovic als Zeuge vor dem Tribunal gemacht hat. So bestätigte der ehemalige Befehlshaber der Armee Bosnien-Herzegowinas, daß 5.500 Soldaten der 28ten Division seiner Armee vor der Einnahme Srebrenicas in der Stadt stationiert gewesen waren. Halilovic bekannte freimütig, daß er, obwohl dies eine grobe Verletzung der in den UN-Resolutionen zu Srebrenica festgelegten Entmilitarisierungsbestimmungen darstellte, acht Hubschrauberladungen mit Munition von Tuzla nach Srebrenica und Zepa geschickt hatte.

Doch warum geschah all dies? Warum erhielten im Juni 1995, also einen Monat vor den Ereignissen, die als "die Massaker von Srebrenica" in die Geschichtsbücher eingehen sollten, 18 höhere Offiziere der in Srebrenica stationierten 28ten Division der bosnisch-muslimischen Armee den Befehl, sich zurückzuziehen? Und warum erhielten die in der Stadt verbliebenen, von ihrer eigenen militärischen Führung alleingelassenen Verbände wenige Tage vor der dann am 11. Juli erfolgten Einnahme der Stadt den Befehl, das militärisch eigentlich unwichtige serbische Dorf Visnica anzugreifen? Sefer Halilovic bekannte später in Den Haag sogar, daß "es eine große Zahl von Befehlen für Sabotageoperationen von den Schutzzonen aus gab" (*). Der Oberkommandierende der Armee Bosnien-Herzegowinas bestätigte auch, daß Srebrenica von einer kleinen Streitmacht, bestehend aus 200 serbischen Soldaten und fünf Panzern, eingenommen worden war.

Allein diese Fakten reichen aus, um aufzuzeigen, daß Srebrenica der bosnisch-serbischen Armee wie auf einem Präsentierteller zur Einnahme angeboten worden war und die bosnisch-muslimische Armee zuvor sogar weitgehend abgerückt war, um dies ihren erbitterten Feinden zu ermöglichen. Und wieder wäre die Frage nach den Gründen dieses keineswegs unwesentlichen Bestandteils der Vorgeschichte Srebrenicas zu stellen. Dies umso mehr, weil die "Massaker von Srebrenica", die ungeachtet der bis heute vorherrschenden Losung, es hätten sieben- bis achttausend Morde an den muslimischen Bewohnern der Stadt, begangen von der bosnisch-serbischen Armee, stattgefunden, keineswegs als eine widerspruchsfrei belegte historische Tatsache behandelt werden können. Der Einwand, daß die Armee Bosnien-Herzegowinas, die, wie Halilovic bestätigte, mit 5.500 Soldaten in Srebrenica gewesen war, im Vertrauen auf die personell schlecht bestückten UN-Truppen vor der serbischen Armee geflohen wäre, um diesen den Schutz der zurückgelassenen, auf rund 40.000 geschätzten Flüchtlinge zu überlassen, mutet nachgerade grotesk an. Für Verwunderung, um nicht zu sagen nachhaltige Irritation hatte dieses militärische Vorgehen der bosnischen Muslime bei internationalen Beobachtern schon damals gesorgt. Auch die höchsten Kommandeure dieser Armee, der berüchtigte Stadtkommandant Naser Oric und Zulfo Tursunovic, hatten aus Sarajewo den Befehl erhalten, die Stadt zu verlassen. Wäre es nicht folgerichtig gewesen, die kampffähigen muslimischen Männer in der Stadt zu belassen, zumal den anrückenden Serben alles Schlechte nachgesagt wurde und sich wenige Wochen zuvor, als die muslimischen Truppen die von Serben besiedelte, in Kroatien liegende UN-Schutzzone Westslawonien einfach überrannt und die Zivilbevölkerung gewaltsam vertrieben hatten, herausgestellt hatte, daß auf den versprochenen Schutz der Blauhelmsoldaten kein Verlaß sein konnte? Warum erhielten in einer solchen Situation die wehrfähigen muslimischen Männer Srebrenicas aus Sarajewo den Befehl, sich auf einen Fußmarsch durch die Wälder in Richtung der von Muslimen gehaltenen Stadt Tuzla aufzumachen und Frauen, Kinder und wehrlose Alte in Srebrenica zurückzulassen?

Nach Angaben niederländischer Militärbeobachter flohen die meisten der wehrtauglichen Männer ab dem 9. Juli, also zwei Tage vor der Einnahme Srebrenicas, aus der Stadt, obwohl sie eine weitaus größere Streitmacht darstellten als die sich auf die Stadt zubewegenden serbischen Verbände. Die zurückgelassenen Zivilisten gerieten ihrerseits in Panik und begannen mit einer relativ kopflosen Flucht in das nahegelegene Potocari. Dort fanden Verhandlungen mit dem UN-Personal statt mit dem Ergebnis, daß die muslimischen Zivilisten von Potocari aus unter Geleitschutz der UN in die muslimische Stadt Tuzla eskortiert wurden. Die Busse, in denen diese Transporte stattfanden, waren von der Armee der bosnischen Serben zur Verfügung gestellt worden. Das Bild dieser Armee, von westlichen Medien in allerstärksten Farben als das einer Killertruppe gemalt, die nichts anderes als einen Völkermord an der in der Enklave Srebrenica eingeschlossenen muslimischen Zivilbevölkerung beabsichtigt habe, läßt sich hier nicht bestätigen.

Der Verhalten der bosnisch-muslimischen Armee erweckte in den den Massakern unmittelbar vorausgegangenen Tagen das Mißtrauen westlicher Beobachter. So schrieb Tim Ripley (*), ein britischer Militärexperte, daß die niederländischen UN-Truppen vor der Einnahme Srebrenicas bosnische Truppen gesehen hätten, die

aus Srebrenica fliehend, an ihren Beobachtungsposten vorbei marschierten und nagelneue Antitankwaffen mit sich führten. Dies und ähnliche andere Berichte weckten das Misstrauen vieler UN-Offiziere und internationaler Journalisten.

Einer der UN-Offiziere, der Portugiese Carlos Martins Branco, wurde noch deutlicher und stellte Überlegungen an zu der sich aufdrängenden Frage, welche militärische und/oder politische Ratio zu der allem Anschein nach in Sarajewo gefällten Entscheidung, Srebrenica den Serben kampflos zu überlassen, geführt haben könnte. Branco schrieb (*), daß

die moslemischen Streitkräfte nicht einmal versuchten, den Vorteil ihrer schweren Artillerie unter der Kontrolle der Streitkräfte der Vereinten Nationen in einem Moment auszunutzen, da sie allen Grund dazu hatten. Militärischer Widerstand hätte das Bild des "Opfers" in Frage gestellt, das so sorgfältig geschaffen worden war, und dessen Beibehaltung die Moslems für entscheidend hielten.

Zwar kamen die Befehle zum Rückzug der muslimischen Armee aus der Hauptstadt Sarajewo, weshalb Präsident Alija Izetbegovic für sie sicherlich verantwortlich zeichnet. Es darf allerdings bezweifelt werden, daß Izetbegovic diesen folgenschweren, um nicht zu sagen kriegsvorentscheidenden Befehl ohne Wissen und Wollen seiner ausländischen Verbündeten getroffen hat. So ist bekannt geworden, daß es zwei Tage vor der Einnahme Srebrenicas, am 9. Juli 1995, ein Telefonat zwischen Izetbegovic und dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton gegeben hatte, also genau zwischen den beiden Männern, die sich nach späteren Aussagen von Zeugen aus der bosnisch-muslimischen Führung im April 1993 darüber verständigt haben sollen, einen Kriegseintritt der NATO mit den von den Muslimen eingeforderten Bombenangriffen auf serbische Stellungen nur herbeiführen zu können, wenn es zuvor in Srebrenica ein Massaker mit fünftausend Toten gäbe.

Was im einzelnen vor, während und nach der Einnahme der Stadt geschehen und wer im einzelnen für die begangenen Kriegsverbrechen verantwortlich zu machen ist, bedürfte allerdings bis heute noch einer umfassenden Aufklärung. Dies mag befremdlich klingen, weil es schon zahlreiche und zum Teil sehr umfangreiche Untersuchungen gegeben hat, erklärt sich jedoch aus dem Umstand, daß das einzige sanktionsfähige Untersuchungstribunal, das vom Weltsicherheitsrat eigens zu diesem Zweck eingerichtete Den Haager Tribunal, als politisch-juristisches Instrument der in diesem Konflikt höchst aktiven westlichen Staatenwelt jeden Anspruch auf Neutralität verwirkt und mit seiner Urteilsfindung längst unter Beweis gestellt hat, daß es ihm einzig um eine nachträgliche Rechtfertigung der NATO-Kriegführung geht. Aus diesem Grund ist die einseitige Bezichtigung der serbischen bzw. jugoslawischen Seite für das Tribunal unverhandelbar.

Für die Frage, ob und wenn ja warum die Einnahme Srebrenicas von der muslimischen und mit ihr auch der westlichen Seite absichtlich herbeigeführt wurde, könnte die Stellungnahme von Miroslav Toholj, der während des Bosnienkrieges Informationsminister der Republik Srepska unter dem inzwischen von Serbien nach Den Haag ausgelieferten früheren Präsidenten der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, gewesen war, durchaus aufschlußreich sein. Dieser hatte in einem Interview (**) auf die Frage, warum die bosnischen Serben am 11. Juli 1995 Srebrenica eingenommen haben, obwohl die Stadt eine UN-Schutzzone war, erklärt:

Wir wollten die Stadt eigentlich gar nicht erobern, sondern sie wurde vom Gegner geräumt und uns sozusagen angeboten. In den Tagen zuvor war es zu Kämpfen in der Umgebung gekommen, und als wir dann mit sehr schwachen Kräften - vielleicht 200 bis 300 Soldaten - den Stadtrand erreichten, stellten wir fest, daß der Gegner weg war. In dieser Situation entschlossen wir uns zur Besetzung. Aber es gab gleich am 11. Juli einen ausdrücklichen schriftlichen Befehl von Präsident Karadzic, daß die moslemischen Zivilisten strikt zu schonen und die moslemischen Soldaten, falls man welche gefangennehmen sollte, nach den Regeln der Genfer Konvention zu behandeln sind.

Daß wir uns schließlich zu diesem Schritt entschlossen haben, erklärt sich auch aus der Vorgeschichte. Daß der UN-Sicherheitsrat die Stadt zur Schutzzone erklärt hatte, war nämlich nicht nur eine Verpflichtung für uns, sondern beinhaltete auch eine Verpflichtung für die moslemische Armee, nämlich die Verpflichtung zur Demilitarisierung Srebrenicas. Diese Verpflichtung wurde niemals umgesetzt, und mit den nicht abgelieferten Waffen wurden laufend von der Stadt aus terroristische Angriffe auf die serbischen Dörfer im Umland verübt.

Der frühere Informationsminister der bosnischen Serben erklärte in diesem Interview, daß es seiner persönlichen Einschätzung nach nach der Einnahme Srebrenicas durch die eigenen Truppen zu zwei- bis dreihundert "widerrechtlichen Exekutionen von Gefangenen" gekommen ist. Dem Einwand, dies sei doch wohl "eindeutig ein schweres Kriegsverbrechen", widerspricht Toholj keineswegs:

Aber Sie müssen auch bedenken, daß viele unserer Soldaten, die in dieser Situation die Kontrolle verloren haben, ihrerseits vorher Familienmitglieder bei den eingangs erwähnten Terrorüberfällen der Oric-Truppen verloren haben. Die ganze Geschichte, mit ihrer Tragik und mit ihren Schuldigen auf allen Seiten, wird erst geschrieben werden können, wenn alle Unterlagen auf den Tisch gelegt werden. Dazu sind wir bereit.

Zur Erläuterung: Der Tagesbefehl, den Toholj erwähnte, ist durchaus bekannt und veröffentlicht, jedoch im Rahmen der die westlichen Medien dominierenden antiserbischen und antijugoslawischen Kriegspropaganda nicht weiter aufgegriffen worden. Am 9. Juli, zwei Tage vor der Einnahme Srebrenicas, hatte der Präsident der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, einen Tagesbefehl ausgegeben, in dem unter Punkt 4 der bosnisch-serbischen Armee Direktiven für den Umgang mit Gefangenen gegeben wurden:

Alle Bürger, die am Kampf gegen die serbische Armee teilnahmen, sollen als Kriegsgefangene im Geist der Gesetze und der internationalen Abkommen behandelt werden, während die übrigen die freie Wahl ihres Aufenthalts und ihrer Wiederansiedlung haben.

Ein Befehl zu Völkermord und Kriegsverbrechen läßt sich aus diesen Worten ganz gewiß nicht herauslesen. Das weiß natürlich auch die westlich-muslimische Seite, die deshalb argwöhnt, es habe einen geheimen Killerauftrag neben oder hinter diesem zwar offiziellen, aber doch nur zu Täuschungszwecken ergangenen Befehl gegeben. Ein solcher Befehl ließ sich aber selbst bei akribischster Suche nicht nachweisen. Das Niederländische Institut für Kriegsdokumentation (NIOD) stellte in seinem im April 2002 vorgelegten Untersuchungsbericht zu Srebrenica zu der Frage, ob die bosnisch-serbische Führung um Präsident Karadzic und den Armeechef, General Ratko Mladic, für die Massaker verantwortlich gemacht werden könnte, fest (***):

Ein schriftlicher Befehl wurde nicht gefunden ... Es ist unwahrscheinlich, daß (das Massaker) lange vorher in dieser spezifischen Form und in diesem Ausmaß geplant worden war ... Besonders angesichts der großen Anzahl von Gefangenen verloren die bosnischen Serben die Selbstkontrolle.

Einer der Wissenschaftler, der an dieser auf der Befragung von 900 Zeugen beruhenden und 3496 Seiten umfassenden Studie mitgearbeitet hatte, war Cees Wiebes, der sich zu der Frage, ob denn Slobodan Milosevic in diese Vorgänge involviert gewesen sei, folgendes antwortete (***):

In unserem Bericht ... kommen wir zum Schluß, daß Milosevic keine Vorabkenntnis über die folgenden Massaker hatte. Was wir fanden, waren Beweise für das Gegenteil. Milosevic war empört, als er von den Massakern erfuhr.

Vor dem Den Haager Tribunal wurde gleichwohl der Versuch unternommen, eine Befehlskette bis zur bosnisch-serbischen Führung beweiskräftig nachzuzeichnen. In dem Verfahren gegen den serbischen General Radislav Krstic wurden im Jahre 2001 Funksprüche als Beweismittel vorgelegt, die die bosnisch-serbische Führung ganz im Gegensatz zu den Feststellungen des NIOD-Berichtes schwer belasteten. In dem Krstic-Verfahren trug das Sachverständigengutachten Richard Butlers wesentlich zur Belastung des angeklagten Generals bei. Da Butler sich in der Einfädelung des Irakkriegs später einen denkbar schlechten Namen machte, indem er im Jahre 1998 als Chef einer UN-Kommission in Bagdad Beweise für die Existenz irakischer ABC-Waffen vorgefunden zu haben behauptete, ist er als Sachverständiger nicht im mindesten glaubwürdig. Die aufgefangenen Funksprüche aus dem Bosnienkrieg könnten aus derselben Feder bzw. Werkstatt stammen wie die von Butler, der einräumte, in Bagdad intensiv mit der CIA zusammengearbeitet zu haben, im Irak angeblich gefundenen Beweise für die Existenz von Waffen, die es inzwischen erwiesenermaßen nie gegeben hat.

Doch zurück zu Srebrenica und den dort nach Ansicht der NATO-Staaten von den bosnischen Serben verübten Massenmorden. Die Stimmen der Zweifler an dieser Version sind durchaus zahlreich. So argumentierte der UN-Offizier Carlos Martins Branco (*):

Wenn es einen vorsätzlich gefassten Plan für einen Völkermord gegeben hätte, hätten die Serben, anstatt nur aus einer Richtung, von Süden nach Norden, anzugreifen, was eine Flucht nach Norden offen ließ, eine Belagerung aufgebaut, um sicher zu gehen, dass niemand entkam.

Der BBC-Journalist Jonathan Rooper vertrat sogar die Ansicht, daß die Prämisse, daß die serbisch-bosnische Armee sieben- bis achttausend Menschen exekutierte, nie im Bereich der realen Möglichkeiten gelegen habe. Die Frage, wieviele Menschen in und um Srebrenica im Juli 1995 ums Leben gekommen sind, ist bis heute nicht unumstritten geklärt und eine der heikelsten Fragen im öffentlichen Diskurs, da jeglicher Einwand, der, wie begründet und plausibel auch immer, Zweifel an der offiziellen Zahl von 7000 bis 8000 Massakertoten zum Ausdruck bringt, in den westlichen Medien als faktische Parteinahme für Massenmörder interpretiert wird oder als der Versuch, einen Völkermord zugunsten der Täter zu bagatellisieren. Ob auch der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Henry Wieland, in solch einen Ruch gestellt wurde? Immerhin hatte dieser am 27. Juli 1995, also wenige Wochen nach den "Massakern", gegenüber der Londoner Zeitung "The Daily Telegraph" erklärt (*):

Wir haben nicht einen gefunden, der mit eigenen Augen das Verüben irgendeiner Gräueltat gesehen hätte.

Henry Wieland hatte zuvor fünf Tage lang mit seinem Team unter den rund 20.000 Flüchtlingen auf dem Flugplatz von Tuzla Überlebende aus Srebrenica befragt. Selbstverständlich bedeutet diese Aussage keineswegs, daß keine Massaker stattgefunden haben. Es ist jedoch bezeichnend, daß zu diesem Zeitpunkt die Beschuldigung, um nicht zu sagen Vorverurteilung der bosnisch-serbischen Führung ungeachtet des eigentlich unklaren Informationsstandes bereits auf vollen Touren lief. Am selben Tag war der UN-Menschenrechtsbeauftragte Tadeusz Mazowiecki, der drei Tage zuvor noch erklärt hatte, er habe nach einer einwöchigen Untersuchung festgestellt, daß sieben- der insgesamt 40.000 Einwohner Srebrenicas "verschwunden" seien, von seinem Amt zurückgetreten.

Zu diesem Zeitpunkt standen Karadzic und Mladic als mutmaßlich verantwortliche Täter bereits fest. Das Den Haager Tribunal kündigte am 30. Juli 1995 an, gegen beide Anklage wegen Völkermordes zu erheben. Einer der Richter des Tribunals, Antonio Cassesse, bezeichnete diese Anklagen als "ein wichtiges politisches Ereignis", da sie bedeuteten, daß "diese beiden Herren" an den Friedensverhandlungen (von Dayton) nicht würden teilnehmen können. Das Paradoxon, daß schwerste Kriegsverbrechen wie Völkermord zur Anklage gebracht werden mit offen bekundeten politischen Absichten, noch bevor sie überhaupt vollständig erfaßt und ihre Zusammenhänge und Hintergründe durch unbeteiligte Ermittler hätten untersucht werden können, läßt sich auflösen unter der Annahme, daß hier von langer Hand eine Entwicklung eingefädelt und betrieben wurde, die dann mit dem Etikett "Massaker von Srebrenica" versehen wurde. So schrieb der "Boston Globe" am 30. Juli 1995 (*):

Die Clinton-Regierung verfügt nicht über eine unabhängige Bestätigung von Gräueltaten (in Srebrenica), hat aber keinen Zweifel, dass sie sich ereignet haben. ... "Es ist von der Tatsache auszugehen, dass diese Burschen als Kriegsverbrecher angeklagt sind", sagte ein Sprecher des State Department.

Richard Holbrooke, US-Unterhändler im bosnischen Bürgerkrieg, sprach dankenswerterweise eine nicht minder deutliche Sprache. Gegenüber der BBC erklärte er seinerzeit (*), daß ihm bewußt sei, "dass das Kriegsverbrechertribunal ein sehr wertvolles Instrument ist". "Wir benutzten es, um die beiden meistgesuchten Kriegsverbrecher in Europa aus dem Dayton-Prozess herauszuhalten, und wir benutzten es, um alles zu rechtfertigen, was folgte."

"Wir benutzten es, um alles zu rechtfertigen, was folgte" - diese Worte können gar nicht langsam genug wiederholt werden. Es folgte im August des Jahres 1995 nicht nur die Bombardierung serbischer Stellungen. Es folgte, wenn auch Jahre später, so doch mit der in Anschlag gebrachten Behauptung, ein "zweites Srebrenica" verhindern zu wollen, der NATO-Bombenkrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien.

(*) zitiert aus: Srebrenica und die Politik der Kriegsverbrechen,
eine Analyse von George Bogdanich, vom 17. Juni 2005,
www.free-slobo.de/notes/050617gb.pdf

(**) zitiert aus: "Sarajevo versucht, Beweise zu manipulieren", Interview mit Miroslav Toholj, von Jürgen Elsässer, erschienen in der jungen Welt vom 11. Juli 2005

(***) zitiert aus: "Entlastung für Milosevic", von Jürgen Elsässer, junge Welt vom 16. Juni 2005


(Fortsetzung folgt)

22. September 2008