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STANDPUNKT/009: Afrika, eine Geschichte zum Wiederentdecken - Das Reich des Kongo, Königin Nzinga und der Kampf gegen Kolonialismus und Sklaverei (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Afrika, eine Geschichte zum Wiederentdecken, Teil 6
Das Reich des Kongo, Königin Nzinga und der Kampf gegen Kolonialismus und Sklaverei

Von Valentin Mufila, 2. September 2018



Bild: unbekannter Zeichner, gescannt aus Stenseth, N. Chr. et al. (ed.). Afrika: Natur, samfunn og bistand. Oslo, 1995. Page 563, gemeinfrei

Königin Nzinga verhandelt mit dem portugiesischen Gouverneur, Illustration von 1657
Bild: unbekannter Zeichner, gescannt aus Stenseth, N. Chr. et al. (ed.). Afrika: Natur, samfunn og bistand. Oslo, 1995. Page 563, gemeinfrei

Afrika ist ein Land der inneren Emigration, wie es auf allen Kontinenten der Erde geschehen ist. Die Bevölkerung des Bakongo kam in der Region des Kongo-Flusses als Teil der ersten Migration der Bantu, die die Praxis der Landwirtschaft und Eisenverarbeitung mit sich brachten.

Die Bakongos waren fasziniert von einer Spiritualität, die auf der Verehrung ihrer Vorfahren und den Vermittlern zwischen ihnen und den Menschen beruhte. Die höchste Göttlichkeit wurde von Tata Nzambi, dem Schöpfer der Menschheit, vertreten, der sie dann ihrem Schicksal überließ, indem er sich in den Himmel zurückzog.

Der Legende nach waren sie Nachkommen von Nkaka ya Kisina. Sie hatten eine matriarchalische Organisation und nutzten den Dialog, um Konflikte zu lösen. Mani Kongo oder Mwene Kongo, der von 12 Clans gewählte König, lebte in der Hauptstadt Mbanza Kongo. Sie hatten eine auf Muscheln basierende Währung namens Nzimbu, die im Handel verwendet wurden. Der militärische Führer wurde Ntinu genannt, während der Mfumu für soziale Fragen zuständig war.

Vom XIV. bis XIX. Jahrhundert beherrschte das Königreich Kongo das Gebiet, das den heutigen Staaten Angola und der Demokratischen Republik Kongo entspricht. Formal unabhängig, wurde es ab Ende des XVI. Jahrhunderts zunehmend von Portugal beeinflusst, das die territoriale Integrität bedrohte, um seine Kolonien zu erweitern.

Der erste Europäer, der das Königreich Kongo besuchte, war der portugiesische Entdecker Diego Cão, ein Ereignis, das einen grundlegenden Wendepunkt für ganz Afrika markierte. Er kam zwischen 1482 und 1483 auf der Suche nach Sklaven an, und war von der Organisation des Bakongo sehr beeindruckt. Während seines Aufenthalts im Kongo entführte Cão Mitglieder des Adels des Königreichs und brachte sie als Gefangene nach Portugal. Im Jahre 1491, als Cão die Geiseln zurückgab, stimmte König Nzinga in Nkuwu zu, sich zum Christentum zu bekehren und wurde auf den Namen João I. getauft.

Trotz der Proteste des Königs entführten die Portugiesen die Jugendlichen, um sie als Sklaven auf die Plantagen in Brasilien zu bringen. Sie nutzten die bereits im Königreich existierenden Divisionen aus, um seinen Niedergang zu beschleunigen. Dazu schufen sie viele Vasallenreiche, versorgten sie mit minderwertigen Waffen und schlossen Allianzen mit einigen Führern, um interne Kriege anzuheizen.

Ein Wendepunkt kam mit Nzinga Mbande, Königin von Ndongo und Matamba, zwei Königreiche, die dem heutigen Angola entsprechen. Die Tochter von König Kiluanji Ngola und seiner zweiten Frau Kangela, kam 1581 mit der Nabelschnur um den Hals gewickelt zur Welt. Ein weiser Mann sagte voraus, dass sie Königin werden würde - eine absolute Neuheit für diese Zeit. Von Anfang an sah ihr Vater in ihr die Eigenschaften einer wahren Anführerin, und förderte ihre Ausbildung in verschiedenen Bereichen: er brachte ihr das Reiten und Kämpfen bei, ermutigte sie Portugiesisch und Niederländisch zu studieren und die Kunst der Diplomatie und des Handels zu erlernen.

König Kiluanji versuchte sein ganzes Leben lang, der europäischen Invasion zu widerstehen - damals hatten die Portugiesen schon seit hundert Jahren Häfen für den Sklavenhandel in verschiedenen Teilen Afrikas geöffnet. Nach seinem Tod folgte ihm sein Sohn Mbande, der 1622 Nzinga-Botschafter ernannte und sie nach Luanda, der heutigen Hauptstadt Angolas und damals Haupthafen für die Einschiffung von Sklaven, schickte, um Gouverneur João Correia de Sousa zu treffen und einen Friedensvertrag zu unterzeichnen.

Nzingas eigentlicher Plan war es jedoch, die Portugiesen zu verjagen. Als sie in Luanda ankam, empfing sie das Volk mit großer Freude. Der Gouverneur jedoch, um sie zu beleidigen, lud sie ein, sich auf den Boden zu setzen. Um zu beweisen, dass sie nicht von einer minderwertigen Position aus verhandeln würde, setzte sie sich auf den Rücken einer Magd, die sich auf Hände und Füße gestellt hatte. Sie schaffte es, eine Einigung zu erzielen, aber die Portugiesen hielten die Bedingungen nicht ein. In einem taktischen Schachzug konvertierte sie zum Christentum und nahm den Namen Ana de Souza an. 1623, nach dem Selbstmord ihres Bruders, wurde sie im Alter von 42 Jahren Königin und gab ihren christlichen Namen wieder auf.

Von da an bis zu ihrem Tod 1663, im Alter von 82 Jahren, widmete sich Nzinga dem Kampf gegen die Portugiesen und gegen die Sklaverei. Sie bot flüchtigen Sklaven Zuflucht an und richtete eine Armee ein, in der auch Frauen Platz fanden. Sie entwickelte eine neue Form der militärischen Organisation namens Kilombo, in der junge Menschen ihren Familien weggenommen wurden und in Gemeinde-Milizen aufwuchsen, und Allianzen mit benachbarten Völkern wie den Imbangalas schlossen. Sie verbündete sich auch mit den Holländern, um die Portugiesen zu bekämpfen, entdeckte aber bald, dass auch sie bereit waren, Versprechen und Verträge zu verraten, um die afrikanischen Völker zu versklaven.

Mit Stärke, Würde, Stolz, Scharfsinn und Unnachgiebigkeit wurde Nzinga zu einem Symbol des afrikanischen Widerstands gegen das Eindringen der Europäer und zu einer Quelle der Inspiration für all jene, die gegen Kolonialismus und Sklaverei kämpfen wollten.


Übersetzung aus dem Italienischen von Lorenzo Molinari


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2018

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