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MELDUNG/028: Georg-Forster-Preis für Ethik-Arbeit zum "Hirndoping" (idw)


Universität Kassel - 10.02.2012

Georg-Forster-Preis für Ethik-Arbeit zum "Hirndoping"


Für seine Untersuchung zur ethischen Bewertung geistiger Leistungssteigerung wird Dr. Roland Kipke mit dem Georg-Forster-Preis ausgezeichnet. Die Auszeichnung wird im Rahmen des Universitätstages 2012 verliehen.

Aufputschmittel zur Prüfung, Stimmungsaufheller in Krisenzeiten oder Pillen zur Konzentrationsförderung? - Mentale, also geistige Fähigkeiten des Menschen zu verbessern, ist das Ziel von Hirndoping oder Neuro-Enhancement (von englisch to enhance: verbessern, steigern). Wie solche pharmakologische Eingriffe in das Gehirn zu bewerten sind, wird derzeit breit und kontrovers diskutiert. Dr. Roland Kipke (Jg. 1972) hat zu diesem Thema an der Universität Kassel eine herausragende Dissertation vorgelegt, die am Institut für Philosophie von Prof. Dr. Dr. Kristian Köchy betreut wurde. Für die Arbeit mit dem Titel "Besser werden - Eine ethische Untersuchung zu Selbstformung und Neuro-Enhancement" erhält Roland Kipke den Georg-Forster-Preis.

Der mit 3.100 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre für hervorragende wissenschaftliche oder künstlerische Leistungen von der Universitätsgesellschaft Kassel e.V. verliehen. Ausgezeichnet werden seit 1987 Arbeiten, die nicht nur fachwissenschaftlich bedeutend sind, sondern, im Sinne des Namenspatrons Georg Forster, auch über den Horizont des eigenen Fachgebiets hinausweisen. Die Preisverleihung findet im Rahmen des Universitätstages am 10. Februar 2012 statt.

Kipke geht in seiner Untersuchung von der Frage aus, in welchem Verhältnis die neuen Möglichkeiten des Neuro-Enhancement zu klassischen Methoden der Selbstformung stehen, also zu mentaler Arbeit an sich selbst wie z. B. autogenem Training oder Konzentrationsübungen. Bestehen gravierende Unterschiede zwischen beiden Wegen der Selbstverbesserung und wenn ja, wie sind sie ethisch zu bewerten? "In der ethischen Debatte wurde der Vergleich bislang nie wirklich ausbuchstabiert", betont Köchy in seiner Laudatio.

Kipke untersucht die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Wege der Selbstverbesserung. Letztlich hält er Selbstformung für deutlich vorzugswürdig, und zwar gerade aufgrund ihrer vermeintlichen Nachteile, der Langsamkeit und Anstrengung. Denn dadurch biete sie unter anderem größere Chancen, "gewissermaßen organisch aus dem biographischen Kontext einer Person hervor zu wachsen." Die aktive Auseinandersetzung mit sich selbst neigt auch stärker zur Entwicklung von Selbsterkenntnis. Zudem ermöglicht Selbstformung das beglückende Erlebnis, sich aus eigener Kraft verändern zu können.

Kipke bringe seine Ergebnisse prägnant auf den Punkt und beziehe zugleich mögliche Einwände ein, so Köchy weiter. Die in klarer Sprache verfasste Arbeit biete eine philosophisch-ethische Reflexion auf höchstem Niveau. Vor allem der breite interdisziplinäre Ansatz sei beeindruckend. Behandelt werden aus philosophischer Perspektive lebensweltliche Phänomene, die zum Teil eine erhebliche medizinische, pharmakologische und technische Dimension haben. Diese verschiedenen Aspekte und Wissenschaftskulturen werden fruchtbar ergänzt, wobei Einsichten aus Psychologie, Soziologie und Erziehungswissenschaft integriert werden. Zudem leiste dieser Ansatz, so Köchy, einen originellen Beitrag zu einer bioethischen Debatte, die von großer gesellschaftlicher Relevanz sei. Ferner liefere die Arbeit wesentliche Bausteine zu einer Ethik der menschlichen Selbstverbesserung, die weit über das Neuro-Enhancement hinausreicht und bedeutsame Leistungen für das zu erzielen vermag, dem unser aller Streben dient: ein gelingendes Leben.

Roland Kipkes Dissertation wurde 2011 auch für den Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung nominiert und kam dort unter die Finalisten. "Sie erbringt", so Köchy zusammenfassend, "sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft eine erhebliche Orientierungsleistung."

Kipke studierte Philosophie, Politikwissenschaft und Geschichte in Göttingen, Siena und Berlin und ist seit 2009 Wissenschaftlicher Koordinator des Internationalen Zentrums für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) an der Universität Tübingen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution45


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Kassel, Dr. Guido Rijkhoek, 10.02.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2012