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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/295: Iran-Report Nr. 7 - Juli 2013


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 7 - Juli 2013
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.


INNENPOLITIK

• Überraschender Wahlsieg Rohanis
• Die Fernsehdebatten
• Reaktionen auf den Sieg Rohanis
• Erste Pressekonferenz Rohanis
• Chatami dämpfte Erwartungen
• Ahmadinedschad, der scheidende Präsident
• Redeverbot für Ahmadinedschad
• Fußball: Teilnahme von Frauen bei Siegesfeiern verboten


ÜBERRASCHENDER WAHLSIEG ROHANIS

Die Überraschung wirkte wie ein Beben: Der moderate konservative Geistliche Hassan Rohani gewann bei den Präsidentschaftswahlen im Iran am 14. Juni bereits in der ersten Runde mit knapp 51 Prozent die Wahl und ließ seine fünf konservativen und ultrarechten Konkurrenten weit hinter sich.

Die Wahlbeteiligung war so hoch wie selten, 72 Prozent der 50 Millionen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Davon knapp 51 Prozent für Rohani, gefolgt vom Teheraner Bürgermeister Mohammad Ghalibaf mit 17 Prozent und der Chefatomunterhändler Said Dschalili, Wunschkandidat der Ultrakonservativen, mit 13 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Als das endgültige Ergebnis durch den Innenminister Mostafa Mohammad Nadschar bekannt gegeben wurde, brach im ganzen Land Jubel aus. Allein in der Hauptstadt Teheran versammelten sich Hunderttausende auf den Straßen und feierten mit Musik und Tanz den Sieg ihres Kandidaten. Sie riefen: "Bye-bye, Ahmadinedschad", "Rohani, kümmere dich um das Wohl des Landes" und "Die Grüne Bewegung lebt". Auf Plakaten hieß es: "Ich habe meine Stimme zurückbekommen" oder "Der Sieg ist unser". Polizei und Sicherheitskräfte mischten sich nicht ein, die Jubelfeier lief friedlich ab.

Die Wahl Rohanis bedeutet eine eindeutige Absage an die Politik der vergangenen acht Jahre der Regierung Ahmadinedschad, mehr noch aber eine unmissverständliche Ablehnung der Führung des geistlichen Oberhaupts Ali Chamenei. Zwar ist Rohani kein erklärter Gegner Chameneis - er zählt weder zu den Regimegegnern noch zu den Reformern. Doch seine gemäßigte Haltung in der Außen- und Innenpolitik und die programmatischen Ankündigungen im Wahlkampf stehen im krassen Gegensatz zu der radikalen, ideologisch verbrämten Politik, die Chamenei vertritt und die von Ahmadinedschads Regierung befolgt wurde.

Das war auch der Grund, der die gesamte Reformbewegung dazu veranlasste, Rohani zu unterstützen. Nachdem der Wächterrat, der für die Zulassung der Kandidaten zuständig ist, unter 686 Bewerbern lediglich acht für qualifiziert erklärt hatte, von denen sechs zu treuen Anhängern des Revolutionsführers Chamenei zählten, hatten viele Reformer zunächst zum Wahlboykott aufgerufen. Denn der einzige zugelassene Bewerber, der sich als Reformer bezeichnete, Mohammad Resa Aref, gehört eigentlich dem rechten Rand der Reformbewegung an, er ist wenig bekannt und hatte keine Chance, gewählt zu werden.

Ausschlaggebend für die Reformer, sich hinter Rohani zu stellen, waren wohl die drei gemeinsamen Fernsehdebatten der Bewerber, bei denen Rohani ähnliche Positionen vertrat wie die Reformer. Er wurde zum letzten Strohhalm, an den sich alle Gegner der Konservativen und Ultrarechten klammerten. Als die beiden ehemaligen Staatspräsidenten Mohammad Chatami und Haschemi Rafsandschani für Rohani Partei ergriffen und ihre Anhänger zur Unterstützung aufriefen, kam unter den Wählern, ähnlich wie bei der letzten Präsidentenwahl 2009, Stimmung auf. Den Reformern schloss sich auch ein Großteil jener Schichten an, die unter der wirtschaftlichen Krise zu leiden haben.

Doch es wäre verfehlt, von Rohani zu viel zu erwarten. Der heute 64-jährige Geistliche stand schon vor der Revolution von 1979 Ayatollah Chomeini ebenso wie Rafsandschani nahe. Nach der Revolution machte er eine rasche Karriere, zunächst im militärischen Bereich, wo er während des iranisch-irakischen Kriegs (1980 - 1988) ranghohe Posten bis hin zum Stellvertreter des Oberkommandierenden der Streitkräfte übernahm. Dann wechselte er in den Bereich der Sicherheit. Hier wirkte er als eine der starken Figuren hinter den Kulissen. So wurde nachträglich bekannt, dass er während des Kriegs im Auftrag Rafsandschanis geheime Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung führte. Zuletzt übernahm er politische Aufgaben. In zwei Wahlperioden war er Mitglied des Parlaments, dann über lange Jahre Sekretär des Obersten Sicherheitsrats und etwas mehr als zwei Jahre Chefunterhändler im Atomkonflikt. Zurzeit ist er sowohl Mitglied des Expertenrats als auch des Schlichtungsrats und Beauftragter des Revolutionsführers im Nationalen Sicherheitsrat.

Als Atomunterhändler während der Regierung Chatami erwies er sich bei den Verhandlungen mit der Troika aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich als kompromissbereit. Nach der Übernahme der Regierung durch Ahmadinedschad legte er sein Amt aus Protest gegen den radikalen Kurswechsel nieder.

Die Millionen, die Rohani gewählt haben, erwarten nun einen großen Wandel. Es ist fraglich, wieweit er die Erwartungen erfüllen kann. Vor ihm liegen zahlreiche Baustellen. Die iranische Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise, nicht nur wegen der Sanktionen, sondern noch mehr wegen der achtjährigen Misswirtschaft der Regierung Ahmadinedschad und wegen der weit verbreiteten Korruption. Um dagegen vorzugehen, bedarf es einer grundlegenden Reform der gesamten Verwaltung. Dazu müssen alle Experten und Technokraten, die von Ahmadinedschad entlassen und durch Militärs ersetzt wurden, wieder eingesetzt werden. Auch in der Außenpolitik ist ein deutlicher Kurswechsel erforderlich. Es ist nicht nur der Atomkonflikt, der beigelegt werden muss. Es sind auch die Rolle Irans in der Region, die bedingungslose Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, die Zusammenarbeit mit militanten Organisationen wie der libanesischen Hisbollah oder mit den palästinensischen Organisationen Hamas und Dschihad Islami, die einer Revision bedürfen. Schließlich geht es um eine Neugestaltung der getrübten Beziehungen zu den Staaten am Persischen Golf bzw. zu der Türkei. All dies ist jedoch nicht möglich, ohne direkte Verhandlungen mit den USA.

Um diese schweren Aufgaben zu meistern, braucht die neue Regierung ein klar durchdachtes Programm und ausreichende Machtbefugnisse. Die hat Rohani aber nicht. Ihm stehen mächtige radikale Instanzen gegenüber, die nun schockiert von dem überraschenden Sieg der Reformer alles daran setzen werden, um die Arbeit der Regierung zu torpedieren. Da ist der Revolutionsführer, der laut Verfassung mit unbegrenzten Befugnissen ausgestattet ist und da sind die Revolutionsgarden, die inzwischen nicht nur militärisch, sondern auch politisch und vor allem wirtschaftlich die wichtigste Macht im Land bilden. Im Parlament haben die Konservativen die absolute Mehrheit und der Wächterrat sowie die Justiz befolgen die Anweisungen des Revolutionsführers.

Das Einzige, was Rohani nun dieser geballten Macht entgegensetzen kann, sind die Millionen, die ihn gewählt haben. Der Reformpräsident Chatami hatte es seinerzeit versäumt, diese Kraft einzusetzen, er versuchte, die Probleme von oben durch Konsens mit den Radikalen zu lösen. Sollte Rohani denselben Weg gehen, wird er scheitern.


DIE FERNSEHDEBATTEN

Die Fernsehdebatten, die in den letzten zwei Wochen vor der Wahl veranstaltet wurden, scheinen für den Sieg Rohanis wenn vielleicht nicht die entscheidende, so doch zumindest eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Jedenfalls hätten sich die Reformer, die zahlreich die Wahl zu boykottieren beabsichtigten, ohne diese Debatten nicht am Ende für die Teilnahme und für Rohani entschieden. Die erste Debatte, die über Wirtschaftsfragen ging, löste viel Kritik aus. Denn keinem der Kandidaten wurde die Gelegenheit gegeben, sein Konzept für die brachliegende Wirtschaft darzulegen. Dabei ist die Wirtschaft gerade das Thema, das die unter Misswirtschaft, Korruption und Sanktionen leidende Bevölkerung in Iran am meisten interessiert. Selbst die rechte Presse kritisierte das Format der TV-Sendung, das kaum Raum ließ für kontroverse Debatten unter den Kandidaten. Schon während der Sendung hatten mehrere Kandidaten das Format kritisiert, insbesondere die sekundengenaue Redezeit. Für Unmut sorgte auch, dass die Politiker Multiple-Choice-Fragen beantworten sollten. Einer der Kandidaten, der Reformer Mohammad Resa Aref, drohte sogar, er werde, sollte das Format beibehalten werden, an den nächsten Debatten nicht mehr teilnehmen.

Die allgemeine Kritik, der sich sogar ultrarechte Zeitungen anschlossen, blieb offenbar nicht ohne Wirkung. Die zweite TV-Debatte wurde wesentlich besser und die dritte übertraf alle Erwartungen. Der heftige Disput zwischen den Kandidaten, bei dem die ungeschrieben festgesetzten Grenzen des islamischen Staates weit überschritten wurden, veränderte mit einem Schlag die politische Atmosphäre im ganzen Land. Laut Angaben des staatlichen Fernsehens schauten über 45 Millionen der dritten Debatte zu. Es kam vieles zur Sprache, worüber bisher öffentlich zu reden verboten war: Hausarrest und Gefängnisstrafen für die aktiven Teilnehmer der Grünen Bewegung, Folterungen in den Gefängnissen, die Zensur der Presse und der Meinungsäußerung oder das Verbot der Organisationen der Zivilgesellschaft. Einige Kandidaten kritisierten die Militarisierung der Politik und die polizeistaatlichen Maßnahmen. Die in der Verfassung verankerten Rechte und Freiheiten müssen geachtet werden, forderten sie.

Aref übte scharfe Kritik an der politischen Führung des Landes und Rohani sagte: "Ich bin kein General und werde die Menschen nicht wie Soldaten in der Kaserne behandeln." Er kritisierte radikale Positionen und trat für Kompromisse ein. Sogar der Teheraner Bürgermeister Mohammad Ghalibaf, der früher als Chef der Polizei Studentenproteste niederschlagen ließ, verteidigte die Rechte der Studenten und der frühere Außenminister Ali Akbar Welayati forderte einen nationalen Konsens.

Einzig die beiden ultrarechten Kandidaten Said Dschalili und Haddad Adel versuchten propagandistisch, die Reformer und die Grüne Bewegung als "Verschwörer" zu denunzieren.

Nicht weniger überraschend war die zweite Debatte, die die Außenpolitik zum Thema hatte, insbesondere die Atompolitik Irans. Obwohl in der islamischen Republik Diskussionen über die Nuklearpolitik nicht über eine eng gezogene rote Linie hinausgehen dürfen, schien es, dass gerade dieses Thema bei den Wählern eine ausschlaggebende Rolle spielen würde. Interessant war, dass von den acht Kandidaten (später zogen zwei ihre Bewerbung zurück) drei - Rohani, Welayati und Dschalili - als Chefunterhändler im Atomkonflikt gedient hatten. Niemand erwartete, dass diese drei aus der Schule plaudern und sich gegenseitig entlarven würden. Sie taten es doch. Welayati, der erste Verhandlungsführer, sagte, unter seiner Verhandlungsführung sei man einer Einigung mit dem Westen ganz nahe gewesen, doch die Ultrarechten (zu denen er selbst gehört) hätten es verhindert. An Dschalili gerichtet sagte Welayati, Diplomatie sei nicht der geeignete Platz zum Philosophieren und um Predigten zu halten. Welayati ist seit Jahren erster außenpolitischer Berater Chameneis und damit für Entscheidungen im Atomkonflikt mitverantwortlich.

Die Debatte zeigte in aller Deutlichkeit, wie kontrovers und widersprüchlich die Positionen zur Atompolitik innerhalb der Staatsführung sind. Dass Welayati seinen Fraktionskollegen Dschalili in aller Öffentlichkeit bloßstellte, deutete daraufhin, dass das Lager der Konservativen und Ultrarechten, die sich als "Prinzipientreue" bezeichnen, zerrüttet ist. Die vierstündige Debatte wurde so heftig, dass Mohammad Gharasi zur Vorsicht mahnte und die Teilnehmer aufforderte, die Debatte zu beenden. Alle und nicht zuletzt die Zuschauer waren sich darüber im Klaren, dass die jeweiligen Verhandlungsführer den Anweisungen und Entscheidungen des Revolutionsführers gefolgt waren und dass die Kritik sich letztendlich gegen Chamenei richtete. Diese Fernsehdebatten, der gesamte Wahlvorgang und schließlich die Wahl Rohanis geben zahlreiche Rätsel auf über die Machtkonstellationen in Iran, die die Kommentatoren noch lange beschäftigen werden.


REAKTIONEN AUF DEN SIEG ROHANIS

Zwei Tage vor der Wahl meldete sich Revolutionsführer Chamenei noch einmal mit einem Appell zu Wort. "Das Allerwichtigste ist die Teilnahme der Mehrheit an der Wahl", sagte er und fügte einen Satz hinzu, der nicht nur in Iran, sondern auch im Ausland großes Erstaunen hervorrief: "Möglicherweise wird jemand die islamische Staatsordnung nicht unterstützen wollen, aber sicherlich sein eigenes Land. Deshalb müssen alle zur Wahl kommen." Früher hatte Chamenei des Öfteren erklärt, die Wahlen seien eine Bestätigung des Systems. Und nun gestand er, dass es Menschen gibt, die die islamische Staatsordnung nicht unterstützen wollen und trotzdem zur Wahl gehen. So gesehen ist die hohe Wahlbeteiligung nicht gleich zu setzen mit der Zustimmung zum System. Die Äußerung zeigte auch, wie sehr Chamenei befürchtete, die Wahlbeteiligung werde beschämend gering ausfallen. "Das starke Auftreten des iranischen Volkes (bei der Wahl) wird dazu führen, dass der Feind resigniert, den Druck auf das Land mildert und andere Wege einschlägt", fügte der Revolutionsführer hinzu.

Die Fernsehdebatten zwischen den Kandidaten hätten jene "beschämt", die behaupteten, in Iran seien die Wahlen nicht frei, sagte Chamenei. Zugleich kündigte er an, nach den Wahlen zu den Debatten Stellung zu nehmen. Genaueres sagte er nicht.

Zu den Themen, über die bei den Debatten heftig diskutiert wurde, gehörte auch die Atompolitik der letzten Jahre (s. S. 19). Ohne auf Stellungnahmen der Kandidaten einzugehen, sagte Chamenei, auf der internationalen politischen Bühne seien "Höflichkeitsfloskeln" (heißt Diplomatie) nicht angebracht. Je mehr man Schwäche zeige und nachgebe, desto dreister werde der Feind. "Wir sind gelegentlich Kompromisse eingegangen, der Feind hat dagegen seine Vereinbarungen nicht eingehalten und hat noch mehr gefordert. Daher muss man den unberechtigten Forderungen der Feinde gegenüber starken Widerstand leisten", fuhr Chamenei fort.

Nach der Wahl erhielt Rohani sowohl von seinen politischen Gegnern als auch von Freunden Glückwünsche. Sämtliche seiner Konkurrenten im Wahlkampf wünschten ihm viel Erfolg. Chamenei hob die Rolle des Volkes hervor, durch die hohe Beteiligung an der Wahl seinen Willen und seine Staatsloyalität bekundet zu haben.

Die Revolutionsgarde erklärte ihre "allseitige Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der künftigen Regierung". Die "blendend starke und kluge Teilnahme" der Bevölkerung an der Wahl habe die vom Revolutionsführer erwünschte "politische Heldentat" erfüllt. Nun werde durch die neue Regierung "die wirtschaftliche Heldentat" folgen.

Das Parlament begrüßte den Sieg als Beginn einer "neuen Epoche zum Aufbau des Landes auf dem Fundament von Vernunft und Wissen" und als eine "neue Chance für das Land". Die am 17. Juni veröffentlichte Erklärung trägt die Unterschrift von 225 der insgesamt 290 Abgeordneten des Parlaments.

Die Wahl Rohanis sei ein politisches Ereignis von großer Tragweite, was nur möglich gewesen sei durch die kluge Wegweisung des Revolutionsführers, Selbstbewusstsein aller Gruppen, Fraktionen und Bevölkerungsschichten in den Städten und Provinzen und durch das Vertrauen, das dem Auserwählten des Volkes entgegengebracht wurde." Nun werde eine neue Epoche beginnen, "eine Epoche des Aufbaus auf der Basis von Vernunft und Wissen, unter Einsatz aller politisch gemäßigten Kräfte in der großen Familie der islamischen Revolution, denen das Wohl des Islam und Irans am Herzen liegt", heißt es in der Erklärung. Die Abgeordneten äußerten die Hoffnung, dass durch den neu entstandenen Optimismus und das Vertrauen insbesondere bei der Jugend alle Hürden auf dem Wege einer raschen Entwicklung überwunden werden. Die Abgeordneten, die mehrheitlich der Fraktion der Konservativen angehören, versicherten, zur Realisierung von Rohanis Plänen ihre ganze Kraft einzusetzen.

Rohani hat einen Tag nach seinem Wahlsieg Parlamentspräsident Ali Laridschani besucht und sich mit ihm über die Zusammensetzung der künftigen Regierung beraten.

Rohani hat sich am 18. Juni mit dem noch amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad getroffen. Ziel des Gesprächs sei eine inhaltliche "Abstimmung" zwischen den beiden gewesen, berichtete IRNA. Dabei wurde vereinbart, dass Vertreter beider Seiten in den nächsten Wochen den Regierungswechsel vorbereiten. Die Regierungsübergabe erfolgt voraussichtlich am 3. August.


ERSTE PRESSEKONFERENZ ROHANIS

"Ich erkläre hiermit dem großartigen iranischen Volk, dass ich meine Wahlversprechen nicht vergessen werde." Mit diesem Satz begann Rohani seine erste Pressekonferenz am 17. Juni in Teheran. Die Wahl sei im Vergleich zu den Wahlen davor das Signal zum Beginn einer neuen Epoche gewesen, einer Epoche des Vertrauens und des allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Engagements. Als hätten alle übereinstimmend gesagt, die Zeit der Sorgen und Befürchtungen seien vorbei. Das Wahlergebnis sei von allen Seiten gefeiert worden, denn alle hätten gesiegt. Das iranische Volk stehe nun erhobenen Hauptes da. Seine Regierung werde sich nach den Regeln der Vernunft richten, die Wirtschaft retten, international eine konstruktive Zusammenarbeit anstreben und dabei die nationalen Interessen verteidigen, sagte Rohani.

Er werde radikale Standpunkte vermeiden. Statt sich überall einzumischen, werde seine Regierung in allen Bereichen Berufsverbänden und Expertengruppen die Arbeit überlassen.

Auf dem Gebiet der Wirtschaft werde er zunächst durch einen Sofortprogramm versuchen, die Versorgung der Bevölkerung mit den wichtigsten Gütern zu sichern. Seine Regierung werde zwar erst in 44 Tagen die Geschäfte übernehmen. Er werde jedoch versuchen, gemeinsam mit der amtierenden Regierung die ersten Schritte einzuleiten.

Außenpolitisch werde er, insbesondere in Anbetracht der gegenwärtigen Lage, in erster Linie eine enge und freundschaftliche Zusammenarbeit mit den fünfzehn Nachbarstaaten Irans, allen voran mit Saudi-Arabien, anstreben. Die Beziehung zu den Staaten am Persischen Golf sei für Iran von herausragender Bedeutung.

Zu der Lage in Syrien meinte Rohani, die Entscheidung über die Zukunft des Landes liege allein beim syrischen Volk. "Wir sind selbstverständlich gegen den Bürgerkrieg und gegen die Einmischung anderer Staaten in die inneren Angelegenheiten Syriens. Wir hoffen, dass mit Hilfe der Staaten in der Region und anderer Staaten Ruhe und Frieden in Syrien einkehrt und der Wille des Volkes realisiert wird", sagte Rohani. Auf die Frage nach militärischer Hilfe Irans an das Regime in Syrien sagte Rohani: "Ich sage noch einmal, das Schicksal Syriens muss vom syrischen Volk bestimmt werden. Die derzeitige Regierung muss von anderen Staaten akzeptiert werden. Erst 2014 werden die Wähler über die künftige Regierung entscheiden."

Das Problem der Arbeitslosigkeit, das zu den wichtigsten Belangen der Bevölkerung gehöre, sei nur dann gründlich zu lösen, wenn ein wirtschaftlicher Aufschwung komme. Die Regierung werde dafür entsprechende Pläne vorlegen. Er hoffe, dass bereits im ersten Jahr spürbare Ergebnisse erzielt werden. Ein Erfolg könne jedoch nur dann gefeiert werden, wenn die Arbeitslosigkeit prozentual eine einstellige Zahl erreicht.

Zu den Sanktionen sagte Rohani, diese seien ein großes Problem, mit dem die Regierung konfrontiert sei. Selbstverständlich seien die Sanktionen ungerecht und Iran habe sie nicht verdient. Sie seien sogar für den Westen nachteilig. "Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Sanktionen Schritt für Schritt reduziert werden. Wir müssen der internationalen Gemeinschaft klar machen, dass Iran sich im Rahmen der internationalen Vereinbarungen bewegt und zu allen Staaten Vertrauen herstellen möchte. In erster Linie werden wir zu verhindern versuchen, dass neue Sanktionen verhängt werden." Auf die Frage, ob er bereit wäre die Urananreicherung einzustellen, sagte Rohani; "Die Zeiten sind vorbei. Wir befinden uns jetzt in einer besonderen Lage und ich denke, dass wir viele Möglichkeiten haben, um das Vertrauen der Weltgemeinschaft herzustellen. Wir hatten uns bereits 2005 mit Herrn Chirac über den Weg geeinigt, wie man Vertrauen herstellen und gleichzeitig die Urananreicherung fortsetzen kann. Damals hat auch Deutschland zugestimmt. Aber leider haben die Briten unter dem Druck der USA unseren gemeinsamen Vorschlag abgelehnt." Iran werde die Verhandlungen mit der 5+1-Gruppe intensiver als bisher fortsetzen. "Wir sind der Meinung, dass die Probleme sich einzig durch Verhandlungen lösen lassen, Sanktionen und Drohungen bringen nichts", sagte Rohani. Irans Atomprogramm sei zwar klar, doch er werde für mehr Transparenz sorgen.

Über die bilateralen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten sagte Rohani: "Die Beziehung zwischen Iran und den USA ist kompliziert. Es ist eine alte Wunde, die mit Bedacht und Vernunft geheilt werden muss. Wir werden jedenfalls die bisherigen Auseinandersetzungen nicht fortsetzen und sie nicht verschärfen. Doch jeder Dialog mit den Vereinigten Staaten muss auf der Basis des gegenseitigen Respekts erfolgen und bestimmte Voraussetzung einhalten." Die Vereinigten Staaten müssten versichern, sich nicht in innere Angelegenheiten Irans einzumischen. Zudem müssten sie die Rechte Irans, darunter auch das der Urananreicherung, anerkennen. "Alle sollten wissen, dass Iran niemals auf seine Rechte verzichten wird."

Auf die indirekte Frage zum Schicksal der Politiker, die sich im Hausarrest bzw. Gefängnis befinden, sagte Rohani, man müsse Geduld haben. Solche Probleme könnten nicht allein von der Exekutive gelöst werden. Er hoffe jedoch, dass die Atmosphäre sich ändern werde und die Voraussetzungen zu der Erfüllung der Forderungen hergestellt werden.


CHATAMI DÄMPFTE ERWARTUNGEN

Der frühere Staatspräsident Mohammad Chatami, der bei der Wahl Rohanis eine wichtige Rolle gespielt hat, warnte vor "Ungeduld" und "zu großen Erwartungen". Die neue Regierung könne nicht Wunder bringen. Man könne nicht erwarten, dass "schon morgen" die Inflation reduziert, die Arbeitslosigkeit beseitigt und die Außenbeziehungen in Ordnung gebracht werden. Gleichzeitig forderte Chatami einen Kurwechsel.

Die Positionen Rohanis, die er im Wahlkampf vertreten habe, seien "sehr gut", seine Gedanken und Vorstellungen zeugten von Reife. Sie entsprächen den Forderungen der Reformer. Chatami kritisierte, dass sich Mir Hossein Mussavi, seine Frau Sahra Rahnaward sowie Mehdi Karrubi weiterhin im Hausarrest befinden. Man müsse den berechtigten Forderungen nach Gerechtigkeit nachkommen, sonst werde sich wieder Resignation in der Bevölkerung verbreiten.

Chatami forderte Rohani auf, sich unter allen Umständen an die Verfassung zu halten. Die neue Regierung müsse all die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Probleme, die die Vorgängerregierung hinterlassen habe, Schritt für Schritt lösen. "Rohani muss versuchen, den Zug auf seine Gleise zu bringen und die vergangenen acht Jahre zu überwinden", sagte Chatami.


AHMADINEDSCHAD, DER SCHEIDENDE PRÄSIDENT

Acht Jahre lang war er an der Macht. Acht Jahre lang hat er polarisiert. Im Dezember 2005 bezeichnete er den Holocaust als Mythos. Im Juli 2009 sorgten Berichte über Folter, Morde und Vergewaltigungen festgenommener Demonstranten im Gefängnis von Kahrisak für Empörung. Im April 2011 versuchte er den Geheimdienstminister zu ersetzen, scheiterte aber am Veto des Revolutionsführers Ali Chamenei. Er legte die Arbeit für elf Tage nieder. Danach geriet er in Ungnade, leistete Widerstand und scheiterte am Ende.

Mahmud Ahmadinedschad hat sich wohl in seinen kühnsten Träumen nie vorstellen können, irgendwann in seinem Leben weltweit berühmt zu werden. Stammt er doch aus einfachen Verhältnissen. Geboren in einem kleinen Dorf nahe der im Norden Irans gelegenen Stadt Garmsar, zog die Familie nach seiner Geburt nach Teheran und führte hier im Süden der Stadt ein bescheidenes Leben.

Als 1979 die Revolution ausbrach, studierte Ahmadinedschad. Begeistert vom Charisma des Revolutionsführers Ayatollah Chomeini meldete er sich bei Ausbruch des iranisch-irakischen Kriegs als Freiwilliger und trat der Revolutionsgarde bei.

Dieser Krieg, der acht Jahre dauerte, prägte eine ganze Generation. Chomeini hatte den Krieg zum Heiligen Krieg erklärt. Millionen Jugendliche folgten seinem Ruf und gingen an die Front, bereit für den Islam den Märtyrer-Tod zu sterben. Sie waren es, die unter unzähligen Opfern das Land verteidigten, im Landesinnern die Opposition liquidierten, die Gefängnisse überwachten, Massendemonstrationen veranstalteten, die Sicherheitsorgane, die Polizei und die Milizenorganisation Basidsch aufbauten. Keine der Generationen vor noch nach ihnen hat die von Chomeini gepredigte Ideologie so sehr verinnerlicht wie diese. Sie war zutiefst davon überzeugt, dass der Islam die einzige Rettung sei aus der Rückständigkeit, für die sie vor allem den Westen verantwortlich machte. Ahmadinedschad ist ein Sprössling dieser Zeit.

Im Krieg stieg er bis zum Kommandeur einer technischen Einheit auf, danach wurde er Bürgermeister kleinerer Städte und zuletzt Gouverneur in Ardebil. Als der Reformer Mohammad Chatami 1997 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, war Ahmadinedschad mit dem Abschluss seiner Dissertation beschäftigt. Acht Jahre später wurde er sein Nachfolger.

Seine steile Karriere ist in der Islamischen Republik einmalig. 2003 wurde er zum Teheraner Bürgermeister gewählt, zwei Jahre später zum Staatspräsidenten. Der bescheidene, klein gewachsene Mann im grauen Anorak, der im Süden der Stadt in einer Drei-Zimmer-Wohnung hauste und einen 30 Jahre alten Peugeot fuhr, schien aus der Sicht Chameneis wie kaum ein anderer für das Amt geeignet. Ideologisch verlässlich, materiell anspruchslos, politisch radikal und über jeden Verdacht erhaben, mit dem Revolutionsführer zu rivalisieren, ihm Widerstand leisten oder gar seine unbegrenzte Macht antasten zu wollen.

Der neue Präsident trat als Anwalt der Armen und Barfüßigen auf. Er wolle dafür sorgen, dass der Reichtum des Landes den Habenichtsen zugute komme. Er reiste von Stadt zu Stadt, ging in kleine Dörfer, verteilte Geschenke und genoss den Jubel der Massen. Er habe den Auftrag, die Rückkehr des Imam Mahdi, des Messias, vorzubereiten, verkündete er und schien tatsächlich davon überzeugt zu sein.

Diese Überzeugung vertrat er auch bei seinen häufigen Auslandsreisen. Bei seinem ersten großen Auftritt 2005 vor der UN-Vollversammlung verwirrte er seine Zuhörerschaft, indem er zum Schluss sagte: "O allmächtiger Herr, ich bete zu dir, das Erscheinen deiner letzten Quelle, des versprochenen, des perfekten und reinen menschlichen Wesens zu beschleunigen, dem einen, der diese Welt mit Gerechtigkeit und Frieden füllen wird."

Als er nach Hause zurückkehrte, schilderte er im Kabinett, wie es ihm ergangen war: "Einer von uns sagte mir, als ich begann zu sagen ,Im Namen Gottes des Allmächtigen und Barmherzigen' da sah er ein Licht um mich und ich befand mich innerhalb dieser Aura. Ich spürte es selbst. Ich fühlte, wie sich die Atmosphäre plötzlich veränderte und diese 27 oder 28 Minuten lang zwinkerten die Führer der Welt nicht einmal ... Und sie hielten den Atem an. Es schien, als ob eine Hand sie dort festhielt und ihre Augen geöffnet hätte, um die Botschaft der Islamischen Republik zu erhalten."

Je radikaler Ahmadinedschad auftrat, desto mehr Publicity bekam er. Seine Verbalattacken gegen Israel und die USA, seine unnachgiebige Haltung im Atomstreit und die Leugnung des Holocaust lösten in der gesamten arabisch-islamischen Welt Bewunderung und Anerkennung aus. Er wurde als Held gefeiert, als einziger Politiker, der den Mut aufbrachte, den Mächtigen die Stirn zu bieten.

Als er dank der uneingeschränkten Unterstützung Chameneis und eines eklatanten Wahlbetrugs nach vier Jahren wieder gewählt wurde, fühlte sich Ahmadinedschad auf der Höhe seiner Macht, was ihn übermutig werden ließ. Er forderte seinen Gönner, den mächtigen Revolutionsführer, heraus. Er habe einen direkten Draht zu Mahdi, dessen Auftrag er zu erfüllen verpflichtet sei. Damit deutete er an, dass die Geistlichkeit, die selbsternannten Stellvertreter Gottes auf Erden, überflüssig seien. Strebte er eine Islamische Republik ohne den Klerus an?

Damit nicht genug, wandte er sich dem Nationalismus zu, pries die großartige alte iranische Kultur. Der Islam, der damals nach Iran gebracht wurde, sei gemäß der kaum entwickelten arabischen Kultur unterentwickelt gewesen, sagte er. Erst durch die Vermischung mit der weit höher entwickelten iranischen Kultur habe er seine Größe erreicht. Daher müssten die Iraner den "iranischen Islam" verbreiten. Der traditionelle Islam sei längst passe.

Diese Position, mit der er die iranische Mittelschicht für sich zu gewinnen trachtete, bedeutete eine Kampfansage an Chamenei und den gesamten Klerus. Sie setzten gegen ihn alle Hebel der Macht in Bewegung. Eine ganze Reihe seiner engsten Mitarbeiter wurde unter dem Vorwurf der Korruption in Haft genommen. Er wehrte sich, veranstaltete in der Provinz große Kundgebungen, drohte geheimes Beweismaterial über korrupte Machenschaften der Gegenseite zu veröffentlichen. Aber er hatte seine Macht weit überschätzt. Sein letzter Versuch, seinen Wunschkandidaten Rahim Maschai als seinen Nachfolger durchzusetzen, scheiterte an dem Veto des Wächterrats.

Seitdem ist es um den aufmüpfigen Präsidenten merkwürdig still geworden. Warum macht er seine Drohungen nicht wahr, warum wehrt er sich nicht, fragen die Leute. Aber Ahmadinedschad schweigt. Wer hätte sich vorstellen können, dass dieser Unruhe stiftende Präsident am Ende die politische Bühne schweigend und einsam verlässt?


REDEVERBOT FÜR AHMADINEDSCHAD

Staatspräsident Ahmadinedschad wurde zur Gedenkfeier aus Anlass des Todestages des Gründers der Islamischen Republik Ayatollah Chomeini am 4. Juni nicht als Redner eingeladen. Seit dem Tod Chomeinis 1980 war es das erste Mal, dass der amtierende Staatspräsident bei dem Gedenktag nicht reden durfte. Offizieller Veranstalter ist ein Enkel Chomeinis.

Bislang haben die beiden früheren Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani und Mohammad Chatami jeweils acht Mal und der amtierende Präsident Ahmadinedschad sieben Mal an diesem Gedenktag, der am Grab Chomeinis neben dem Teheraner Friedhof Behescht-e Sahra stattfindet, als Redner teilgenommen. Hauptredner ist stets Revolutionsführer Ali Chamenei.

Offiziell gab es keine Begründung für die Streichung Ahmadinedschads aus der Rednerliste. Eine den Nachkommen Chomeinis nahe stehende Webseite hatte eine Woche zuvor erklärt, wegen Bauarbeiten werde in diesem Jahr der Gedenktag kleiner veranstaltet.

Der Leiter des Organisationsteams, Mohammad Ali Ansari, erklärte, die Einschränkungen hätten nichts mit den bevorstehenden Wahlen zu tun. In den letzten zwei Jahren war die Rede Ahmadinedschads des Öfteren von Protestrufen unterbrochen worden.


FUßBALL: TEILNAHME VON FRAUEN BEI SIEGESFEIERN VERBOTEN

Für die Iraner gab es im Juni neben dem Wahlausgang einen weiteren Anlass zum Jubeln. Iran hatte beim entscheidenden Qualifikationsspiel für die Weltmeisterschaften gegen Südkorea mit 1:0 gewonnen und kann damit als Gruppen-Erster nächstes Jahr am Wettkampf in Brasilien teilnehmen. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff brach im ganzen Land Jubel aus. Hunderttausende begaben sich auf die Straßen. Dabei wurden auch politische Parolen gerufen und vor allem Freiheit für politische Gefangene und die Aufhebung des Hausarrests für Mir Hossein Mussavi, seine Frau Sahra Rahnaward und Mehdi Karrubi gefordert.

Obwohl an den Feiern auf den Straßen mindestens so viele Frauen teilnahmen wie Männer, wurden Frauen bei dem Festakt, der am gleichen Tag im Azadi-Stadion stattfand, nicht zugelassen. Die Agentur Fars meldete: "Die Siegesfeier wird im Azadi-Stadion stattfinden. Für Frauen ist der Zutritt verboten."

Doch die Frauen ließen sich nicht zurückhalten. Bereits eine Stunde vor Beginn der Feier versammelten sich Augenzeugen zufolge bis zu fünfhundert Frauen vor dem Eingang des Stadions. Die Facebook-Seite "Mann gleich Frau" schrieb, ein Polizeioberst habe erklärt, er könne die Frauen nicht durchlassen, weil keine Polizistinnen da seien, die die Kontrolle übernehmen könnten.

Viele Männer zeigten sich mit den Frauen solidarisch und forderten ihren Einlass. Ein Kommandeur der Revolutionsgarde forderte diese Männer zunächst höflich auf, sich zu entfernen. Als es nichts nützte, drohte er: "Wenn ihr nicht abhaut, werden wir euch festnehmen und ihr könnt euch vorstellen, wohin wir euch bringen werden."

Laut Augenzeugenberichten wurden die Frauen schließlich mit Gewalt auseinander getrieben.

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WIRTSCHAFT

• Drastischer Verfall der Devisenpreise
• Generatorenproblem in Atomreaktor gemeldet
• Unklarheit über Cyber-Angriffe Auf Iran und Israel
• Waffendeal mit Moskau geplatzt
• Bis zu fünf Milliarden Dollar Hilfe für Syrien
• Weltraumwarte eröffnet
• Google beklagt Hacker-Angriffe vor der Wahl
• Kanada stellt Handel mit Iran fast komplett ein
• USA: Iraner dürfen iPhones kaufen
• Total zahlt im Korruptionsverfahren 398 Millionen Dollar
• Geschäfte in Kuwait boykottieren Nahrungsmittel aus Iran


DRASTISCHER VERFALL DER DEVISENPREISE

Berichte aus dem Teheraner Devisenmarkt weisen auf einen drastischen Fall der Wechselkurse. In den ersten neun Tagen seit der Wahl des neuen Präsidenten Hassan Rohani fiel der Preis für einen US-Dollar um 690 Tuman und der für eine Goldmünze um fast 270 Tuman. Am 13. Juni, d. h. am Vortag der Wahl, kostete ein US-Dollar auf dem Devisenmarkt 3640 Tuman, am 23. Juni nur noch 2950 Tuman. Dementsprechend fielen auch die Preise der Wechselkurse für Euro und britische Pfund. Während ein Euro vor der Wahl 4880 Tuman kostete, fiel der Preis zehn Tage danach um 930 Tuman auf 3950 Tuman. Auch das britische Pfund fiel im selben Zeitraum um 880 Tuman auf 4800 Tuman.

Eine Goldmünze (zum Gedenken an den ersten Frühling nach der Revolution "Frühling der Freiheit" genannt) kostete vor der Wahl 1,310 Million, verbilligte sich nach der Wahl um 270000 und wurde zehn Tage später für 1,04000 angeboten.

Die Agentur Fars berichtete, dass viele Menschen, die in den vergangenen Monaten Goldmünzen gekauft hätten, nun fürchteten, dass der Trend sich fortsetzen könnte und daher versuchten ihre Münzen loszuwerden. Dadurch wurde der Devisenmarkt im Vergleich zu den Wochen davor weit stärker belebt. "Allerdings", schreibt die Agentur, "wollen sich die meisten Kunden, die zu den Wechselstuben gehen, über die neuesten Wechselkurse erkundigen oder ihre Devisen verkaufen." Käufer von Devisen gebe es kaum noch.

Der rapide Fall der Wechselkurse ist durch keine neue Maßnahme begründet. Die neue Regierung ist längst noch nicht im Amt und die alte hat keine neuen Schritte zur Bekämpfung des Falls der heimischen Währung unternommen. Es ist anzunehmen, dass der neue Trend psychologisch begründet ist. Daher ist nicht zu erwarten, dass er sich auch in den nächsten Tagen und Wochen fortsetzen wird.

Alle bisherigen Anstrengungen der Regierung Ahmadinedschad, die Abwertung der eigenen Währung gegenüber Dollar und Euro zu stoppen, sind bisher fehlgeschlagen. Experten begründen den rapiden Fall der Landeswährung damit, dass die starke Inflationsrate, die in den vergangenen Jahren bei fast 100 Prozent lag, einfach ignoriert worden sei, indem der Dollarkurs künstlich konstant gehalten wurde. Und nun hätten die Sanktionen den Rahmen gesprengt und zum rapiden Preisanstieg der Devisen und Sturz der heimischen Währung geführt. Einer der Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl, Mohsen Rezai, zeigte zur Demonstration der miserablen Lage einen 1000-Tuman-Schein und sagte: "Dieser Schein war noch vor einem Jahr tausend Tuman wert, heute liegt sein Wert nur noch bei 300 Tuman."

Iran befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise, die nicht nur auf die Sanktionen zurückzuführen ist, sondern noch mehr auf die Misswirtschaft und weit verbreiteten Korruption. Alle Kandidaten hoben in ihrem Wahlkampf die Brisanz der Lage hervor und erklärten die Bewältigung der Krise zur wichtigsten Aufgabe der neuen Regierung. Doch keiner von ihnen hatte konkrete Lösungen anzubieten. Auch Rohani beschränkte sich auf allgemeine Aussagen. Allerdings hat Rohani einen wichtigen Schlüssel in der Hand. Er ist Vorsitzender des Zentrums für strategische Forschung. Es wird erwartet, dass er die in diesem Zentrum versammelten Experten zur Mitarbeit heranzieht.


GENERATORENPROBLEM IN ATOMREAKTOR GEMELDET

Laut einem ranghohen Diplomaten ist am iranischen Atomreaktor in Bushehr eine Generatorenstörung aufgetreten. Der Defekt sei nicht durch die jüngsten Erdbeben verursacht worden, sagte der iranische Botschafter in Russland, Mahmud Resa Sajjadi, laut der Nachrichtenagentur ITAR-Tass am 10. Juni.

Der Atomreaktor Bushehr wurde mit russischer Unterstützung gebaut und im September 2011 in Betrieb genommen. Seitdem gibt es immer wieder Störungen. Sajjadi sagte weiter, iranische Experten arbeiten derzeit gemeinsam mit ihren Kollegen aus Russland an einer Lösung des Problems. Wann der Störfall auftrat, wollte er indes nicht sagen. Im Dunkel blieb ebenfalls, ob die Atomanlage nun stillgelegt wurde.

Experten machen sich Sorgen um die Sicherheit des Reaktors. Erst eine Woche davor hatten zwei Diplomaten der Internationalen Atombehörde von langen Rissen am Gebäudekomplex berichtet, die allerdings nicht auf Höhe des Reaktors gelegen hätten. Die ganze Region ist stark erdbebengefährdet. Allein in diesem Jahr ereigneten sich unweit von Bushehr heftige Erdbeben. Auch iranische Nachbarstaaten am Persischen Golf bringen immer wieder ihre Sorgen über mögliche Gefahren durch radioaktive Strahlung zum Ausdruck.

Irans Außenminister Ali Akbar Salehi bezeichnete die Warnungen als "feindliche Propaganda". Die Sorgen entbehrten jeder Grundlage. Der Reaktor sei völlig sicher. Zur Sicherung der Bewohner der Region sei beim Bau des Reaktors Technik auf höchstem Niveau verwendet worden. Demnach bestehe überhaupt kein Grund zur Sorge.

Auch der Vize-Chef der iranischen Atombehörde, Mohammad Ahmadian, versuchte die Sorgen zu zerstreuen. Der Reaktor sei gegen Erdbeben bis zur Stärke 8 auf der Richterskala sicher.

Am 11. Juni dementierte Iran Berichte über eine Fehlfunktion des Kraftwerks in Bushehr. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte den Medien, die Arbeiten am AKW verliefen normal. Demnach muss die Anlage im Rahmen von Sicherheitstests mehrfach hoch- und heruntergefahren werden, bevor die maximale Kapazität des Kraftwerks erreicht werden könne. Sajjadi sei offenbar missverstanden oder falsch übersetzt worden, sagte der Sprecher.


UNKLARHEIT ÜBER CYBER-ANGRIFFE AUF IRAN UND ISRAEL

Eine staatliche Agentur, die in Iran für den Kampf gegen Sabotage zuständig ist, hatte am 22. Juni zunächst berichtet, die staatliche Ölfirma National Iranian Oil Company und das Ölministerium seien Opfer eines Cyper-Angriffs geworden. Doch unmittelbar danach dementierte der Internetchef der Ölgesellschaft, Ahmad Tavallali, die Nachricht. Er teilt über die Homepage des Ölministeriums mit, ein technisches Problem habe zeitweise zum Zusammenbruch des Netzwerks geführt.

Zuvor hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einen "deutlichen Anstieg" von iranischen Cyber-Attacken auf Computersysteme seines Landes beklagt. Iran und seine Verbündeten Hisbollah und Hamas griffen immer wieder die Computer wichtiger Systeme in Israel an, darunter die Wasserversorgung, das Stromnetz, Züge und Banken, sagte Netanjahu am 9. Juni bei einer Sicherheitskonferenz.

Iran und Israel werfen sich seit langem gegenseitige Cyber-Angriffe vor. Nachgewiesen ist bislang lediglich die Attacke auf das Computer-Netz iranischer Atomanlagen mit dem Virus Stuxnet vor knapp drei Jahren.


WAFFENDEAL MIT MOSKAU GEPLATZT

Nach einem 2010 annullierten Waffengeschäft zwischen Iran und Russland hat Teheran eine alternative Lieferung von Boden-Luft-Raketen vom Typ "Tor" abgelehnt. Die "Tor"-Raketen könnten nicht die Funktion der ursprünglich zugesagten S-300-Raketen erfüllen, sagte der iranische Botschafter in Moskau, Mahmud Resa Sajjadi, am 10. Juni der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Der 2007 geschlossene Vertrag zur Lieferung der S-300 war 2010 von Russland wegen einer UN-Resolution zu neuen Sanktionen gegen Iran wegen des umstrittenen Atomprogramms aufgehoben worden.

Die S-300-Raketen haben laut RIA Nowosti eine Reichweite von 200 Kilometern, die "Tor"-Raketen hingegen nur eine Reichweite von zwölf Kilometern. Die S-300 sind zudem in der Lage, Flugzeuge auf Lenkflugkörpern im Flug abzufangen. Die EU, die USA und Israel hatten sich gegen die Lieferung der russischen S-300-Raketen an Iran ausgesprochen. Damit wäre Teheran in der Lage gewesen, seine Atomanlagen im Fall von Luftangriffen zu schützen.

Teheran hatte die Aufhebung des Waffengeschäfts in Höhe von 800 Millionen Dollar scharf kritisiert und Moskau vorgeworfen, sich dem Druck der USA und Israels gebeugt zu haben. Iran rief nach dem Platzen des Geschäfts den internationalen Schiedsgerichtshof in Genf an und forderte von Moskau eine Entschädigung von vier Milliarden Dollar. Der Chef des russischen Technologiekonzerns Rostec, Sergej Tschemesow, hatte Ende Mai erklärt, Russland habe nur eine geringe Chance, den Prozess zu gewinnen und setze auf eine einvernehmliche Lösung.


BIS ZU FÜNF MILLIARDEN DOLLAR HILFE FÜR SYRIEN

Teheran hat Damaskus Kredite von bis zu fünf Milliarden Dollar zugesagt. Das Land unterstütze Syrien "weiterhin" und habe zwei Kreditlinien im Umfang von jeweils einer Milliarde Dollar gewährt, um den Bedarf Syriens an Erdöl und ähnlichen Gütern zu decken, sagte der Chef der syrischen Zentralbank, Adib Majale, der Zeitung "Tischrin" vom 27. Mai.

Ein weiterer geplanter Kredit für das mit internationalen Sanktionen belegte Land im Umfang von drei Milliarden Dollar solle die Wirtschaft ankurbeln, sagte Majale. Im Januar hatte die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtet, dass Iran und Syrien eine Vereinbarung zur Breitstellung von Krediten für das Bürgerkriegsland unterzeichnet hätten.

Majale kündigte im Gespräch mit der Zeitung außerdem Maßnahmen der Zentralbank an, um die syrische Währung vor "Spekulanten" zu schützen und sicherzustellen, dass genügend Gelder für den Import von Material für die syrische Industrie vorhanden sind.


WELTRAUMWARTE ERÖFFNET

Iran hat nach eigenen Angaben sein 1. Zentrum zur Weltraumbeobachtung in Betrieb genommen. Mit der neuen Warte werde das Land "Aktivitäten von Satelliten" und anderen Flugobjekten beobachten können - auch in den Weiten des Alls, sagte Präsident Ahmadinedschad laut der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA vom 9. Juni. Die Weltraumwarte befindet sich in der Nähe der Stadt Delidschan, rund 200 Kilometer von Teheran entfernt.

Zugleich kündigte Iran an, eigene Satelliten ins All bringen zu wollen. Ziel sei eine bessere Absicherung gegen Naturkatastrophen in dem erdbebenanfälligen Land sowie ein Ausbau der Telekommunikation und der Militärüberwachung in der Region.

Die USA und ihre Verbündeten beobachten die Entwicklung mit Sorge. Sie befürchten, dass die gleiche Technologie zur Entwicklung von Langstreckenraketen genutzt werden könnte.

Das neue Weltraumzentrum diene vor allem der Sicherheit Irans, sagte Verteidigungsminister Ahmad Wahidi. Im Übrigen sei Teheran auch bereit, erfasste Daten mit anderen Ländern zu teilen, zitierte ihn IRNA weiter.

Iran verfolgt mit seinem Raumfahrtprogramm seit langem ehrgeizige Ziele. Immer wieder sprach die Regierung in Teheran von technologischen Durchbrüchen. Erst im Februar hatte sie verkündet, einen Affen ins All geschossen zu haben. Die Angaben konnten jedoch von unabhängiger Seite nicht bestätigt werden.


GOOGLE BEKLAGT HACKER-ANGRIFFE VOR DER WAHL

Der US-Internetkonzern Google hat kurz vor der iranischen Präsidentenwahl eine Serie von Hackerangriffen auf Mail-Accounts von Nutzern in Iran abgewehrt. Eric Grosse, Google-Vizepräsident für Sicherheitstechnik, erklärte im Blog der Firma am 13. Juni, dass es sich um zahlreiche Phishing-Versuche gehandelt habe, die ihren Ursprung in Iran gehabt und sich gegen User dort gerichtet hätten. Unter Phishing versteht man Versuche, über gefälschte Internet-Seiten oder E-Mails an Daten eines Internet-Benutzers zu gelangen. Grosse erklärte, der Zeitpunkt und die Ziele deuteten darauf hin, dass die Kampagne politisch motiviert sei und im Zusammenhang mit der Präsidentenwahl stehe.


KANADA STELLT HANDEL MIT IRAN FAST KOMPLETT EIN

Als Reaktion auf die starre Haltung Irans bei seinem Atomprogramm hat Kanada den Handel mit Iran nahezu vollständig gestoppt. Außenminister John Baird erklärte am 30. Mai, Kanada sei sehr besorgt, Iran habe bislang nur "falsche Versprechungen und leere Gesten" produziert, was das Programm angehe. Deswegen habe man 30 Personen sowie 82 Unternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt. Bereits im vergangenen September hatte Kanada seine Botschaft in Teheran geschlossen und iranische Diplomaten des Landes verwiesen. Die Islamische Republik stelle eine der größten Gefahren für den Weltfrieden dar, hieß es in der Begründung.


USA: IRANER DÜRFEN IPHONES KAUFEN

Die USA haben die Sanktionen gegen Iran im Bereich der Telekommunikation gelockert. Die US-Firmen dürfen Mobiltelefone, Software und andere Technologien für den privaten Gebrauch wieder in Iran verkaufen, teilte das US-Finanzministerium am 31. Mai mit. Damit haben Iraner beispielsweise nun Zugriff auf das neueste iPhone von Apple. Viele Telefone oder Computerprogramme waren seit Einführung der Sanktionen vor gut zwanzig Jahren nur über den Schwarzmarkt erhältlich.

Zuletzt hatten die USA die Wirtschaftssanktionen gegen Iran deutlich verschärft. Die Lockerung der Sanktionen im Technologiebereich könnte im Zusammenhang mit den Wahlen gestanden haben. Da die iranische Regierung die Bürger des Landes zum Schweigen bringen wollte, indem sie Kommunikationswege abschnitt, wollten die Vereinigten Staaten den Iranern dabei helfen, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung auszuüben, hieß es in der Mitteilung des Finanzministeriums. Soziale Medien spielten bei den Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl Ahmadinedschads 2009 sowie beim arabischen Frühling eine entscheidende Rolle. Manche politische Beobachter glauben aber auch, dass bei dieser Entscheidung wirtschaftliche Aspekte eine Rolle gespielt hätten. Immerhin bildet Iran mit nahezu 80 Millionen Einwohnern einen beachtlichen Markt.

Wenige Tage später verhängten die USA weitere Sanktionen gegen Iran, die sich nun gegen die Automobilindustrie und gegen die iranische Währung Rial richteten. Dies teilte die Regierung in Washington am 4. Juni mit. Mit dem mittlerweile neunten Iran-Erlass von Präsident Barack Obama seien nun Strafen gegen ausländische Banken möglich, die Überweisungen in Rial ausführten oder Konten in Rial auswiesen. Die Sanktionen sollen am 1. Juli in Kraft treten.

Zuvor hatten die USA die Sanktionen gegen die iranische Ölindustrie verschärft. Damit solle die wichtigste Einnahmequelle des Landes weiter reduziert und der Druck im Atomstreit erhöht werden, teilte das US-Finanzministerium mit. Acht weitere iranische Petrochemiefirmen wurden demnach auf die Sanktionsliste gesetzt und Strafmaßnahmen gegen mehrere ausländische Unternehmen verhängt, die laut der US-Regierung mit am iranischen Atomprogramm beteiligten Firmen kooperieren. Betroffen war eine Firma in Dubai, die Joghurteis und andere Süßspeisen vertreibt. Laut dem US-Finanzministerium erhält sie aber Zahlungen einer iranischen Petrochemiefirma, die auf der Sanktionsliste steht. Betroffen waren auch zwei Fluggesellschaften in Kirgistan und der Ukraine, da sie Ölprodukte aus Iran kauften.

"Wir sind entschlossen, den Druck auf Iran zu verstärken, nicht nur durch die Annahme neuer Sanktionen, sondern auch durch die Durchsetzung unserer Sanktionen und die Verhinderung ihrer Umgehung" hieß es in einer Erklärung des Finanzministeriums. Iran verurteilte die neuen Sanktionen. Vizeölminister und Leiter der Nationalgesellschaft der iranischen petrochemischen Industrie, Abdolhossein Bayat, sagte der Agentur "Mehr": "Trotz verstärkter Sanktionen gegen Iran in den vergangenen zwei Jahren hat der Export petrochemischer Produkte keinen Schaden erlitten." Sein Ministerium sei dabei, durch neue Maßnahmen den Sanktionen entgegenzuwirken. Iran exportiere in 65 Staaten und fünf Kontinente petrochemische Produkte. "Wir versuchen, den Markt zu erweitern." Zurzeit seien trotz strenger Sanktionen selbst EU-Staaten bereit, iranische Produkte zu importieren. Im vergangenen Jahr habe Iran fast 16 Millionen Tonnen petrochemische Produkte im Werte von rund 12 Milliarden Dollar exportiert.


TOTAL ZAHLT IM KORRUPTIONSVERFAHREN 398 MILLIONEN DOLLAR

Der französische Öl-Konzern Total zahlt den USA 398 Millionen Dollar, um ein Korruptionsverfahren im Zusammenhang mit Iran-Geschäften beizulegen. Die US-Regierung wirft den Franzosen vor, für Öl- und Gas-Aufträge aus Iran den örtlichen Behörden Schmiergelder gezahlt zu haben. "Total muss nun die Gewinne aus dem korrupten Vorgehen der Firma zurückzahlen", sagte Andrew Calamari, Direktor der US-Börsenaufsicht SEC, am 29. Mai. Zusätzlich würden Strafzahlungen erhoben.

Unabhängig davon forderte die Pariser Staatsanwaltschaft, Total-Chef Christophe de Margerie müsse sich wegen derselben Vorwürfe vor Gericht verantworten. Eine Entscheidung darüber obliege dem zuständigen Richter. In dem Verfahren, das 2006 eröffnet wurde, hätten französische und amerikanische Behörden zusammengearbeitet. Margerie war früher Totals Produktionschef für den Nahen Osten.

Ein Total-Sprecher sagte, sollte es zum Prozess kommen, würde das Unternehmen und Margerie beweisen, dass ihr Verhalten legal gewesen sei. Zur Beilegung des Verfahrens in den USA hatte Total bereits im zweiten Quartal des vergangenen Jahres 316 Millionen Euro zurückgelegt.

Total hatte den Öl-Import aus Iran im vergangenen Jahr ausgesetzt, als die USA und die Europäische Union aufgrund des iranischen Atomprogramms Sanktionen gegen das Land verhängt hatten.


GESCHÄFTE IN KUWAIT BOYKOTTIEREN NAHRUNGSMITTEL AUS IRAN

Wie die Medien in Kuwait berichteten, haben mehrere Verkaufsketten des Landes Waren aus Iran boykottiert. Die Maßnahme wurde mit der Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien durch Iran begründet. Sieben große Verkaufsketten für Nahrungsmittel haben in einem gemeinsamen offenen Brief am 12. Juni erklärt, der nächste Schritt sei die Entlassung aller iranischen Mitarbeiter in Kuwait. Auch deren Aufenthaltserlaubnis solle beendet werden.

Rund 50 Tausend Iraner arbeiten in Kuwait, die meisten von ihnen sind einfache Arbeiter oder Dienstleistende ohne besondere fachliche Qualifikation. Aus dem Iran werden hauptsächlich Meeresprodukte importiert.

Die sieben Verkaufsketten, die die Erklärung unterzeichnet haben, beherrschen weitgehend den gesamten Nahrungsmarkt in Kuwait. Der offene Brief wurde veröffentlicht, als sich eine parlamentarische Delegation aus Kuwait zu einem offiziellen dreitägigen Besuch in Teheran aufhielt.

Die Kuwaiter sind mehrheitlich sunnitisch. Kuwait unterstützt die Rebellen in Syrien. Einige Scheichs in Kuwait hatten kürzlich die Regierung aufgefordert, zwölftausend kuwaitische Kämpfer zur Unterstützung der Aufständischen nach Syrien zu schicken.

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AUSSENPOLITIK

• Internationale Reaktionen auf Rohanis Wahlsieg
• Atomkonflikt
• Neues Atomteam
• Gesteuertes Terrornetzwerk zerschlagen
• Frankreich hält Iran die Tür zur Syrienkonferenz offen
• Iran verhandelt mit Taliban
• Keine Einmischung in innere Angelegenheiten der Türkei
• Einstiger Schah-Palast wird Welterbe


INTERNATIONALE REAKTIONEN AUF ROHANIS WAHLSIEG

International wurde der Sieg des moderaten Rohani mit Erleichterung aufgenommen. Einzig Israel forderte mehr Druck auf Iran.

Die US-Regierung bekräftige ihr Interesse an direkten Verhandlungen mit Teheran und der diplomatischen Lösung des Atomkonflikts. Die USA seien weiterhin zu direkten Kontakten mit der iranischen Regierung bereit, hieß es in einer Erklärung der Weißen Hauses vom 16. Juni.

US-Präsident Barack Obama bezeichnete in einem Fernsehinterview am 18. Juni das Wahlergebnis als Wille des iranischen Volkes nach Veränderung der bisherigen Politik. Er glaube, dass die Menschen in Iran sich in "eine andere Richtung bewegen" wollen. Positiv beurteilte Obama auch den Verlauf der Wahlen, bei denen im Vergleich mit den Wahlen von 2009 mit den darauf folgenden Gewaltanwendungen eine "andere Atmosphäre" geherrscht habe. Die Iraner hätten die Meinung der Radikalen abgelehnt, niemals und zu keinem Zeitpunkt Kompromisse einzugehen. Im Iran sei auch die "Sehnsucht nach mehr Verständigung mit der internationalen Gemeinschaft" zu spüren.

Zu der Person Rohanis sagte Obama, er denke, dass Rohani oft genug seine Neigung zu einer neuen Sichtweise Irans auf internationale Fragen gezeigt habe. Zugleich erinnerte Obama warnend daran, das wichtige Entscheidungen vom iranischen Revolutionsführer getroffen werden. Daher müsse man die Entwicklung der nächsten Wochen und Monaten genau beobachten. Trotz allem glaube er, dass die Iraner wahrscheinlich die Vorschläge der USA zur grundsätzlichen und substanziellen Verständigung und Zusammenarbeit akzeptieren werden.

Die Forderung seiner Regierung an Iran sei es gewesen, internationale Vereinbarungen zu achten und die Gewissheit zu vermitteln, dass das Land nicht den Bau von Atombomben plane. Es gäbe große Möglichkeiten, die Beziehungen Irans zur internationalen Gemeinschaft zu normalisieren, sagte Obama. "Nur, wir wissen nicht, ob sie mit unseren Vorschlägen einverstanden sind." Er habe in der ersten Periode seiner Amtszeit glaubwürdig das Gespräch mit Iran gesucht, aber die Gegenseite habe keine Neigung dazu gezeigt. Auf die Frage, ob seine Regierung bereit sei, sofort Gespräche mit Teheran aufzunehmen, sagte der Präsident: "Wir sind zu Gesprächen bereit, sei es im Rahmen der 5+1-Gruppe (Vetomächte im Sicherheitsrat plus Deutschland) oder potenziell direkt und bilateral." Gefragt, zu welchen Ergebnissen diese Gespräche führen könnten, sagte Obama, er sei sich dessen bewusst, dass man nicht die Lösung aller Probleme als Bedingung zur Aufnahme der direkten Gespräche aufstellen könne. Zugleich müsse die Realität registriert werden, "dass die Sanktionen, die wir über Iran verhängt haben - die schwersten, die wir bislang gegen Iran eingesetzt haben - nicht aufgehoben werden" könnten, solange Iran keine Schritte unternommen habe, die Weltgemeinschaft vom friedlichen Charakter seines Atomprogramms zu überzeugen.

Auch das US-Außenministerium veröffentlichte am 15. Juni, wenige Stunden nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses eine Stellungnahme zu der Wahl Rohanis. Darin wurde "dem Votum des iranischen Volkes Respekt" gezeugt und das iranische Volk zu der Wahl beglückwünscht. Der Mut, den die Menschen in Iran aufgebracht hätten, habe dem Volk Gehör verschafft. Die Wahl sei ein Protest gewesen gegen Mangel an Transparenz, Zensur der Presse, des Internets und SMS-Botschaften und die polizeistaatliche Atmosphäre, die die freie Meinungsäußerung stark eingeschränkt habe. Die Iraner hätten sich entschlossen, sich für die Gestaltung ihrer Zukunft einzusetzen.

In einer gesonderten Erklärung schrieb Außenminister John Kerry, er habe die Wahlen genau verfolgt. "Der Mut der Iraner, sich unter scharfen Kontrollen und stark eingeschränktem Recht der Meinungsäußerung und Versammlung für Veränderungen einzusetzen, ist bewundernswert", schrieb Kerry am 15. Juni. "Wir sind weiterhin über mangelnde Transparenz bei Wahlen, Zensur und die Einschränkung der Pressefreiheit in den Medien und dem Internet besorgt. Die Iraner haben trotz allem in aller Klarheit ihren Willen für eine bessere Zukunft bekundet."

Gerichtet an Rohani sagte Kerry, der gewählte Staatspräsident habe mehrmals in seinem Wahlkampf größere Freiheiten für alle Iraner in Aussicht gestellt. Er habe nun die Gelegenheit, sein Versprechen einzulösen. Zum Schluss äußerte Kerry die Hoffnung, dass Iran internationale Vereinbarungen achten und "Befürchtungen der internationalen Gemeinschaft über das iranische Atomprogramm" ausräumen werde.

Die britische Regierung forderte den Sieger der Präsidentschaftswahl auf, das Land auf einen "anderen Kurs" zu bringen. Wahlsieger Hassan Rohani solle "die Gelegenheit nutzen, Iran für die Zukunft auf einen anderen Kurs zu setzen", erklärte das Außenministerium in London am 15. Juni. Das Ministerium nannte unter anderem die Besorgnis angesichts des iranischen Atomprogramms, die Beziehungen Irans zur internationalen Gemeinschaft und die Menschenrechtspolitik Teherans.

Frankreich nahm die Wahl Rohanis "zur Kenntnis" und erklärte sich bereit zur Zusammenarbeit. Die internationale Gemeinschaft hege große Erwartungen an die iranische Führung vor allem im Hinblick auf das Atomprogramm und seine Haltung zu Syrien, erklärt Außenminister Laurent.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle wertete den Sieg des moderaten Geistlichen Rohani als "Votum der Menschen für Reformen und eine konstruktive Außenpolitik". Es sei zu hoffen, dass die neue Führung in Teheran an Lösungen bei internationalen und regionalen Fragen mitarbeite, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am 15. Juni.

Kanadas Außenminister John R. Baird hatte in einer ersten Reaktion auf den Wahlausgang erklärt, Wahlen in Iran seien "bedeutungslos", weil es in Iran keine Wahlfreiheit gebe. Diese Stellungnahme erzeugte heftigen Protest, vor allem bei in Kanada ansässigen Iranern. Sie forderten den Minister auf, sich bei Millionen Iranern, die zur Wahl gegangen seien, zu entschuldigen. Auch einige Parlamentarier des Landes kritisierten die als undifferenziert bezeichnete Stellungnahme.

Baird korrigierte daraufhin seine Position. In einem in der Presse am 22. Juni veröffentlichen offenen Brief brachte er seine Bewunderung für "das beachtliche Engagement der Iraner bei der Wahl" zum Ausdruck und gratulierte ihnen zum Wahlergebnis. "Die Iraner haben mit ihrem Votum dem Radikalismus eine klare Absage erteilt", schrieb Baird und fügte hinzu, über die Frage, welchen Sinn diese Wahl gehabt habe, entscheide allein das iranische Volk. Er versicherte, dass er die Stimme aller Iraner, sowohl jener, die gewählt, als auch jener, die nicht gewählt hätten, hören werde. Mit strengen Worten forderte er zugleich den gewählten Präsidenten auf, die Rechte der Menschen in Iran zu achten. Schließlich schrieb er, die iranische Staatsführung solle zur Lösung des Atomkonflikts konstruktiv mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu verlangte in einer ersten Stellungnahme ein Ende des umstrittenen iranischen Atomprogramms. "Iran muss der Forderung der internationalen Gemeinschaft nachkommen und sein Atomprogramm sowie die weltweiten terroristischen Aktivitäten stoppen", teilte Netanjahus Sprecher Ofir Gendelman am 15. Juni auf Twitter mit. Israel betrachte Iran als größte Bedrohung seiner Existenz.

Ungeachtet der Wahl eines gemäßigten Präsidenten sagte der israelischen Minister für strategische Angelegenheiten, Juval Steinitz, am 16. Juni dem israelischen Rundfunk, die Sanktionen gegen Iran müssten weiter verschärft werden. Eine glaubhaft Drohung mit militärischen Schritten sowie eine klare "rote Linie" im Atomstreit mit Teheran seien weiterhin notwendig. Solange es vor Ort noch keinen echten Wandel gebe, müsse man davon ausgehen, dass Teheran weiter am Bau einen Atombombe arbeite, sagte Steinitz. Er warnte davor, "zu früh zu feiern". Rohani sei zwar der moderateste unter den Kandidaten, aber keinesfalls eine gemäßigte Figur. Die internationale Gemeinschaft dürfe sich keinen Illusionen hingeben. Teheran werde in sehr kurzer Zeit in der Lage sein, eine Atombombe zu bauen, erklärte Steinitz. Die Wahlergebnisse zeigten zwar den Willen des iranischen Volkes zum Wandel, sagte der Minister. Die iranische Außen-, Sicherheits- und Atompolitik bestimme jedoch weiterhin der oberste Führer, Ayatollah Chamenei. Dessen harte Positionen seien weithin bekannt.

Die israelischen Zeitungen kommentierten den Wahlausgang ausführlich. Manche Zeitungen fragten, was Israel nun tun solle, ohne seinen nützlichen "Buhmann" Ahmadinedschad. Manche Experten sprachen sogar von einem "vergifteten Geschenk", das Chamenei in Person von Rohani dem Westen beschert habe. "Was machen wir bloß ohne den Buhmann, den Fanatiker Ahmadinedschad? Was wird aus uns ohne den persischen Hitler", schreibt die meist gelesene Zeitung Israels "Jediot Ahronot". Die Antwort: "Entweder müssen wir zur Wirklichkeit zurückkehren oder ganz schnell einen neuen Satan finden."

"Mit Rohani als neuem Gesicht Irans, der auf die Aufhebung der internationalen Sanktionen hinarbeitet und sich nicht zur demagogischen Holocaustleugnung seines Vorgängers hinreißen lässt, wird es für Netanjahu schwieriger werden, die Welt von der Notwendigkeit zu überzeugen, die iranischen Nuklearanlagen anzugreifen", schreibt Amos Harel, verteidigungspolitischer Experte der linksliberalen "Haaretz". Zwar treffe zu, dass Ahmadinedschad keine führende Rolle in der Atompolitik innehätte, doch "machten seine etwas skurrile Persönlichkeit und seine irrsinnigen Erklärungen es für Israel leichter, die Gefahren aufzuzeigen, die einem mit Massenvernichtungswaffen ausgerüsteten extremen Ayatollah-Regime innewohnen würden", schreibt Harel. Und Ehraim Kam vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv meint: "Das gemäßigte Image des neuen iranischen Präsidenten wird nicht nur den internationalen Druck auf Iran mindern, sondern vielleicht sogar auch eine Übereinkunft in der Nuklearfrage begünstigen, die für Israel nicht hinnehmbar sein wird." Freddy Eitan vom Jerusalemer Zentrum für Öffentliche Staatsangelegenheiten (CAPE) pflichtet ihm bei: "Mit diesem vergifteten Geschenk, das Ajatollah Chamenei dem Westen beschert hat, wird unsere Arbeit komplizierter. Und wir werden praktisch alleine stehen in unserem Überlebenskampf."

(Die Zitate aus den israelischen Medien sind einer AFP-Meldung vom 17. Juni entnommen.)


ATOMKONFLIKT

Im Wahlkampf spielten der Atomkonflikt und die damit verbundenen Sanktionen eine wichtige Rolle. Während die meisten Kandidaten sich für mehr Transparenz aussprachen, beharrte der noch amtierende Chefunterhändler Said Dschalili weiterhin bei seinem radikalen Standpunkt. "Widerstand im Atomprogramm ist für mich wie Widerstand, wenn es um die Existenz des Landes geht", sagte er am 30. Mai bei einer Wahlversammlung in der Stadt Arak. Das Nuklearprogramm sei das Werk junger iranischer Wissenschaftler und das Volk lasse sich nicht mit Drohungen und Sanktionen von diesem legitimen Recht abhalten.

In den Wochen vor der Wahl wurde Dschalali als Geheimfavorit gehandelt, da er sowohl von den Konservativen als auch von den Anhängern Ahmadinedschads anerkannt wurde und daher Stimmen beiden Lager bekommen könnte. Mit dem Slogan "Widerstand ist unser letztes Wort" und "Weder Kompromiss noch Nachgiebigkeit" kam er bei den Radikalen gut an.

Indes übte die Internationale Atombehörde (IAEA) ungewöhnlich scharfe Kritik an der iranischen Führung. Zehn Verhandlungsrunden über das umstrittene Atomprogramm hätten bislang zu keinem Ergebnis geführt, sagte IAEA-Chef Yukia Amano zu Beginn der Sitzung des Gouverneursrats am 3. Juni in Wien. "Um ehrlich zu sein, wir drehen uns jetzt schon seit einiger Zeit im Kreis. Wir brauchen ohne weitere Verzögerung konkrete Ergebnisse, um das internationale Vertrauen in den friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms wiederherzustellen." So lange sich Iran nicht bewege, könne seine Behörde eine militärische Dimension des Nuklearprogramms nicht ausschließen.

Zuletzt waren mehrere Verhandlungsrunden auf internationaler und IAEA-Ebene ergebnislos verlaufen. Dem Gouverneursrat gehören Vertreter aus 35 Staaten an. Einer der offenen Punkte zwischen IAEA und Iran ist der Zugang zu einer Militäranlage in Parchin. Dort vermuten westliche Geheimdienste Atomexperimente, was Iran bestreitet. Bisher ließ Teheran trotz wiederholter Forderung keine Atomkontrolleure in die Anlage und führte dort in den vergangenen Monaten umfangreiche Um- und Abbauarbeiten durch. "Selbst wenn wir nun Zugang zu Parchin bekämen, würden wir dort möglicherweise nichts mehr finden", sagte Amano. Er betonte, dass die Vorgänge dort dennoch von großem Interesse für die IAEA seien.

Erstaunen riefen Äußerungen Präsident Ahmadinedschads im Zusammenhang mit dem Atomprogramm hervor. Bei der Eröffnung einer Zugverbindung zwischen der Hauptstadt Teheran und der im Nordwesten gelegenen Großstadt Tabris am 8. Juni sagte er, manche Leute hätte von Anbeginn die Wirkung der Sanktionen geleugnet und jetzt sagten dieselben Leute, die Regierung sei dafür verantwortlich. Eigentlich gehörte er selbst zu jenen, die die Sanktionen als völlig unbedeutend darstellte. Viele werden sich daran erinnern, dass Ahmadinedschad Sanktionen als einen "Fetzen Papier" bezeichnete, den man getrost in den Mülleimer werfen könnte.

Dann fuhr der Präsident fort: "Ich will jetzt nicht über das Nuklearprogramm diskutieren, ich habe damit auch nichts zu tun. Auch ist für das Programm eine andere Person verantwortlich. Dennoch müssen wir die Hürden überwinden."

Es war zwar hinlänglich bekannt, dass die Entscheidungen über das Atomprogramm vom Revolutionsführer gefällt werden und die Verantwortung dafür bei ihm liegt. Dennoch ist es erstaunlich, dass Ahmadinedschad dies so offen ausspricht und jede Schuld von sich weist. Hatte er doch immer wieder den Westen damit attackiert und die Erfolge als "große Errungenschaften" gefeiert.

Am 9. Juni gab Teheran bekannt, dass das Land bei seinem Atomprogramm entscheidend vorangekommen sei. Medienberichten zufolge wurde an dem im Bau befindlichen Schwerwasserreaktor in der zentraliranischen Stadt Arak in Anwesenheit von Präsident Ahmadinedschad erfolgreich ein Reaktorbehälter angebracht. Der Leiter der iranischen Organisation für Atomenergie, Fereidun Abbasi Dawani, sprach von "einem großen Schritt nach vorn". Bis 2014 solle der Reaktor getestet werden, sagte er der Nachrichtenagentur ISNA.

Teheran teilte der Internationalen Atombehörde am 9. Juni mit, dass der Reaktor Ende 2014 betriebsbereit sein werde. Nach offizieller Darstellung soll er für die Herstellung von Plutonium zu medizinischen Zwecken verwendet werden.

Indes erklärte der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi am 9. Juni, die Präsidentenwahl werde die iranische Atompolitik nicht ändern. Es möge unterschiedliche Herangehensweisen geben, aber der prinzipielle Kurs in der Atompolitik werde beibehalten, zitierte die Nachrichtenagentur ISNA Salehi. Auch am grundlegenden Kurs der Außenpolitik werde sich nichts ändern, unabhängig davon, was die Kandidaten während des Wahlkampfs sagten.

Auslöser war eine Fernsehdebatte, bei der einige der acht Kandidaten schwere Vorwürfe gegen die Regierung Ahmadinedschad erhoben. Sie warfen ihm und Atomhändler Said Dschalili vor, für Sanktionen des Westens und die Wirtschaftskrise verantwortlich zu sein.

Am 13. Juni erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin, Iran verfolge mit seinem Atomprogramm ausschließlich zivile Ziele. Er habe keinen Zweifel, dass sich die Führung in Teheran an die Bestimmungen des Atomwaffen-Sperrvertrags halte. Dennoch dürften die Sorgen in der Region und in der Weltgemeinschaft nicht ignoriert werden. So seien iranische Drohungen, Israel könne zerstört werden, inakzeptabel. Iran sei Teil einer sehr schwierigen Region und derartige Warnungen seien nicht hilfreich.

Drei Tage nach den Wahlen in Iran hieß es aus Washington, die USA planten keine neuen Angebote an Iran bei den Atomverhandlungen. Es sei an Teheran, einen Kompromiss zu suchen, erklärte das Außenministerium am 13. Juni.

Zwar seien die Vereinigten Staaten offen für weitere Atomgespräche mit Iran, sagte Außenamtssprecherin Jen Psaki. Doch erwarte man zunächst eine Antwort auf das Angebot vom April, die Sanktionen gegen Iran zu lockern, falls das Land beim Atomprogramm Zugeständnisse mache.

Russland dagegen setzte sich nach der Wahl des moderaten Rohani für einen Abbau der Sanktionen gegen Iran ein. Es sei "erforderlich" über "die mögliche allmähliche Abschwächung der Sanktionen nachzudenken", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am 18. Juni der kuwaitischen Nachrichtenagentur Kuna. Lawrow forderte die 5+1-Gruppe dazu auf, die Verhandlungen mit Iran über dessen Atomprogramm mit "gutem Willen" und "Flexibilität" fortzusetzen.

Indes hat Iran die Fortsetzung der Atomgespräche vor August, das heißt vor der Regierungsübernahme Rohanis, ausgeschlossen. Das teilte ein Sprecher des Außenministeriums in Teheran am 18. Juni mit. Es gebe auch noch keinen offiziellen Termin für neue Gespräche mit der Internationalen Atombehörde, sagte Abbas Arakchi.

Sollte die IAEA ein solches Treffen vereinbaren, sei Iran dazu aber auch vor dem Amtsantritt Rohanis bereit.


NEUES ATOMTEAM

Irans neu gewählter Präsident Hassan Rohani hat bereits ein neues Atomteam zusammengestellt, das demnächst mit dem Westen über den Atomkonflikt verhandeln soll. Das sagte der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi.

"Dieses Team wird das Thema (Atomstreit) in allen seinen Dimensionen überprüfen", sagte Salehi. Inhalt und Form der Verhandlungen seien nun "Angelegenheit von Rohani und seinem Team". Das Land sei in Bezug auf Atomverhandlungen in einer "nicht einfachen Übergangsphase". Daher müsste alles im Vorfeld geregelt werden, bevor es zu einem neuen Treffen komme, sagte Salehi.

Es gab keine Details, aber sicher ist, dass der noch amtierende Atomchefunterhändler Said Dschalili keine Rolle im neuen Team spielen wird. Es gibt Spekulationen, dass der ehemalige Außenminister Ali Akbar Welayati oder der ehemalige UN-Botschafter Mohammad Dschawad Sarif von Rohani zum neuen Atomchefunterhändler ernannt werden.


GESTEUERTES TERRORNETZWERK ZERSCHLAGEN

Wie der staatliche Sender IRIB am 3. Juni berichtete, hat Iran ein vom Ausland gesteuertes Terrornetzwerk zerschlagen. Dem Bericht zufolge hatten die mutmaßlichen Terroristen die Absicht, die Mitte Juni stattgefundenen Wahlen zu stören. Die Zelle sei vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad gesteuert gewesen.

"Das Geheimdienstministerium hat die Mitglieder dieses Terrornetzwerks identifiziert und festgenommen sowie ihre Waffen beschlagnahmt", zitierte IRIB auf einer Webseite aus einer Erklärung der Behörde. Die Zelle habe "terroristische Taten insbesondere am Wahltag verüben" sowie "ethnische und religiöse Spannungen" schüren sollen.

Der Zelle gehörten zwölf Mitglieder an, hieß es in dem Bericht. Angaben zu deren Identität wurden nicht gemacht. Sie stammten aus einem "regionalen arabischen Land", wurde lediglich mitgeteilt. "Der Hauptbeschuldigte stand in Kontakt mit einem Hauptquartier in Großbritannien", wurde die Behörde zitiert.

Es kommt nicht selten vor, dass vor den Wahlen solche Meldungen verbreitet werden. Es ist fraglich, ob sie tatsächlich zutreffen oder ob sie nicht viel mehr eine Handhabe liefern, um die Kontrollen zu verschärfen.


FRANKREICH HÄLT IRAN DIE TÜR ZUR SYRIENKONFERENZ OFFEN

Nach der Wahl Hassan Rohanis zum neuen iranischen Präsidenten erklärte der französische Präsident Francois Hollande, er werde Rohani nur dann mit offenen Armen auf der geplanten Syrien-Konferenz begrüßen, "wenn er von Nutzen sein kann". "Lasst uns auf die Erklärungen des neuen Präsidenten warten", schlug Hollande nach Abschluss des G-8-Gipfels in Nordirland am 18. Juni vor. "Meine Position ist: Wenn er von Nutzen sein kann, ist er willkommen." Frankreich hatte bislang eine Beteiligung Irans an der Konferenz mit der Drohung, die eigene Teilnahme abzusagen, abgelehnt. Auch andere EU-Staaten hatten sich gegen die Teilnahme Irans ausgesprochen, mit der Begründung, Iran gehöre zu den engen Verbündeten Syriens und leiste sogar Finanzhilfen und militärische Unterstützung an das Regime in Damaskus.

Nach zähen Verhandlungen hatten sich die acht großen Industriestaaten im nordirischen Enniskillen zu einer gemeinsamen Erklärung durchgerungen, schnellstmöglich eine Syrien-Konferenz einzuberufen, bei der eine Übergangsregierung für Syrien gebildet werden soll. In der gemeinsamen Erklärung wurde eine Stellungnahme zu Präsident Assad vermieden. Es heißt lediglich, eine Übergangsregierung solle "im gegenseitigen Einverständnis" gebildet werden und Assads Truppen "erhalten oder wiederaufgebaut werden" müssten. Russland schloss weitere Waffenlieferungen an das Assad-Regime nicht aus.


IRAN VERHANDELT MIT TALIBAN

Die Taliban bestätigten eine entsprechende Meldung der iranischen Agentur Fars, dass ihre Vertreter bei einem Besuch in Iran mit der Staatsführung Verhandlungen geführt haben. Yussef Ahmadi, ein Sprecher der Taliban, teilte der islamisch-afghanischen Nachrichtenagentur, die ihren Sitz in Pakistan hat, am 3. Juni mit, dass eine politische Delegation aus dem Büro der Taliban in Katar nach Iran gereist sei. Auch habe eine Gruppe der Taliban an einer Konferenz in Teheran teilgenommen. Das Büro der Taliban nehme jede Einladung zu Gesprächen an, die der Herstellung des Friedens in Afghanistan dienen könnten.

Die Agentur Fars hatte berichtet, dass unter den Delegationsmitgliedern ein ehemaliger Minister sowie ein Provinzgouverneur gewesen seien.

Der Sprecher des Teheraner Außenministeriums, Abbas Araghtschi sagte, er könne die Nachricht über den Besuch der Taliban-Delegation nicht bestätigen.

Die pakistanische Zeitung Express Tribune schrieb unter Berufung auf einen nicht genannten Politiker der Taliban, bei dem Gespräch hätten die Taliban versichert, dass nach dem Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan sämtlich politische Gruppen in Afghanistan frei arbeiten könnten. Im Gegenzug verlangten die Taliban, Iran solle ihre Gegner, die Nordkoalition, in Afghanistan nicht unterstützen, um den Ausbruch eines Bürgerkriegs zu vermeiden. Iran habe sich besorgt gezeigt über das Schicksal der Schiiten in Afghanistan, die unter der Herrschaft der Taliban starken Repressionen ausgesetzt gewesen sein. Die Zeitung schrieb, die pakistanische Staatsführung sei über den Besuch informiert gewesen.


KEINE EINMISCHUNG IN INNERE ANGELEGENHEITEN DER TÜRKEI

Iran sprach sich gegen jede Einmischung in die Auseinandersetzungen in der Türkei aus. "Die Entwicklungen in der Türkei sind eine interne Angelegenheit und wir hoffen, dass beide Seiten bei der Lösung des Problems Besonnenheit und Zurückhaltung zeigen", sagte Außenamtssprecher Abbas Arakchi am 18. Juni in Teheran. Eine ruhige und sichere Türkei sei für Iran wichtig. "Einmischung von anderen Ländern betrachten wir als nicht hilfreich", fügte er hinzu.

Die Beziehungen zwischen Teheran und Ankara sind seit dem Ausbruch der Unruhen in Syrien getrübt. Während die Türkei die Rebellen unterstützt, versucht Iran, das Assad-Regime an der Macht zu halten.


EINSTIGER SCHAH-PALAST WIRD WELTERBE

Der einstige Sitz des Schahs in der Hauptstadt Teheran wird Weltkulturerbe. Das beschloss das Welterbekomitee der UN-Kulturorganisation (Unesco) am 23. Juni in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh. Die Grundmauern des Palastes gehen auf das 16. Jahrhundert zurück. Der 1979 vertriebene Schah Mohammad Reza Pahlavi wurde dort 1941 gekrönt.

Das Komitee verwarf Bedenken des Denkmalpflegebeirats Icomos. Der hatte empfohlen, den Antrag zurückzustellen, aus Sorge, dass in der Nähe gebaut werde und dass dies den visuellen Eindruck der einstigen Zitadelle stören könnte. Die iranische Delegation stellte klar, dass die Pufferzone um den Palast mit strikten Bauauflagen bereits ausgeweitet worden sei.

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Impressum:
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Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Vera Lorenz
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12. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 7/2013 - Juli 2013 / 12. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2013