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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/299: Iran-Report Nr. 9 - September 2013


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 9 - September 2013
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.


INNENPOLITIK

• Rohani offiziell im Amt
• Rohanis Kabinett
• Rohani kritisierte das Fehlen von Parteien in Iran
• Mehr Frauen in den diplomatischen Dienst
• Chamenei lehnte indirekt Freilassung politischer Häftlinge ab
• Zensur soll von Verlagen übernommen werden
• Ächtung der Bahais durch Chamenei
• Ahmadinedschad zum Mitglied des Schlichtungsrats ernannt
• Mutmaßlicher israelischer Spion verhaftet
• Rückkehr iranischer Flüchtlinge umstritten


ROHANI OFFIZIELL IM AMT

Der neu gewählte iranische Präsident, Hassan Rohani, wurde am 3. August vom Revolutionsführer Ali Chamenei und am 4. August vom Parlament vereidigt.

Bei der Vereidigung durch Chamenei gab es keine großen Überraschungen. Rohani wiederholte, was er bereits mehrfach gesagt hatte: "Die Linie der Regierung wird es sein, die iranische Wirtschaft zu retten" und das Land konstruktiv in die Weltgemeinschaft zu integrieren. Er fühle sich den Wählern gegenüber verantwortlich. "Die Menschen wollen besser leben, ohne Armut, ohne Verderben, ohne Ungerechtigkeiten, ihre Würde bewahren, sie wollen sich in einer freien und vernünftigen Atmosphäre entwickeln und ihre Zukunft sichern. Diese Forderungen sind gerecht, obwohl sie nicht so rasch und auf einmal erfüllt werden können", sagte der neue Präsident.

Auffallend bei der Zeremonie war, dass Rohani sehr selbstbewusst auftrat. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger umarmte er den Revolutionsführer statt seine Hand zu küssen. Man hatte den Eindruck, als weise er die Richtung und erwarte, dass Chamenei ihm folge.

Tatsächlich konnte Chamenei nicht umhin, Rohanis Zielsetzungen zuzustimmen, wenn auch zähneknirschend und mit Warnungen. Er empfahl, sich nicht so sehr auf das Ausland zu verlassen, viel wichtiger sei, sich im Innern zu stärken. Natürlich müsse die Regierung sich in der Außenpolitik von der Vernunft leiten lassen, aber "vergesst nicht, wir haben Feinde, die die Sprache der Vernunft nicht verstehen", sagte Chamenei.

Auffallend war auch, dass unter den geladenen Gästen prominente Vertreter der Reformfraktion gänzlich fehlten. Nicht einmal der ehemalige Präsident Mohammad Chatami war da, der gewöhnlich wie alle noch lebenden Präsidenten an offiziellen Empfängen teilnimmt. Das ist ein Indiz für den ungeheuren Druck, den die Ultras seit der Wahl auf Rohani ausüben. Sie wollen verhindern, dass er Reformer in seine Regierung aufnimmt. Doch der moderate Präsident scheint entschlossen, sich von Drohungen nicht einschüchtern zu lassen. Auf der Liste seiner Minister, die er am nächsten Tage dem Kabinett vorlegte, sind Politiker, die den Reformern nahe stehen und von den Ultras als "Verschwörer" bezeichnet werden.

Im Parlament hielt Rohani eine ausführliche Rede. Die Botschaft der Wähler sei deutlich, sagte er. Das Volk habe sich für einen bestimmten Weg entschieden. Er habe nun Aufgaben übernommen, deren Bewältigung die Kraft eines Einzelnen überschreiten. Er sei auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. "Ich betrachte alle, die mich gewählt haben, auch die, die mich nicht gewählt haben oder gar überhaupt nicht zur Wahl gegangen sind, als Staatsbürger Irans und sie haben die gleichen Rechte." Die "Regierung der Vernunft und Hoffnung" fühle sich verpflichtet, alle legalen Forderungen eines jeden Einzelnen zu berücksichtigen. "Ich bin der Vertreter des gesamten iranischen Volkes", sagte Rohani.

Das Volk habe sich für einen gemäßigten Kurs und gegen radikale Positionen entschieden, fuhr Rohani fort. Mäßigung bedeutet ein Mittelweg zwischen Realität und Utopie und die Bereitschaft, nationale Interessen den Interessen der Partei vorzuziehen. Mäßigung verlange Geduld, Achtung der Gesetze, nationale Einheit und politische Kompromisse. Sie lehne illusionäre Gedanken ab und basiere auf Denken, Planung, Transparenz und dem Einsatz von Fachkräften. Mäßigung richte sich nach moralischen Grundsätzen, setze auf Dialog und Verständigung, sie achte die Rechte und Freiheiten eines jeden Individuums. Das Volk verlange Veränderung und Fortschritt.

"Die Menschen lehnen Armut und Ungleichheiten ab, sie wollen ihre Würde bewahren, sie wollen in einer freien und vernünftigen Gesellschaft leben, die Eltern wollen eine sichere Zukunft für ihre Kinder, die Jugend will Arbeit und Entfaltung der Begabungen. Mit einem Wort, alle wollen ein besseres Leben, ein Leben in Würde, sie wollen Sicherheit und einen würdigen Platz in der Gesellschaft", sagte Rohani.

Von Anbeginn der Revolution seien Frauen Schulter an Schulter mit den Männern bestrebt gewesen, als Hälfte der Gesellschaft, die sie repräsentieren, an Entwicklung und Fortschritt des Landes teilzunehmen. Die neue Regierung fühle sich verpflichtet, die Rechte der Frauen immer mehr zu realisieren, ihnen gleiche Chancen einzuräumen und ihnen die Möglichkeit zu geben, die ihnen zustehende Rolle wahrzunehmen.

Ein wichtiges Ziel der Regierung sei der Kampf gegen Korruption und Ungleichheit. Alle Gesellschaftsschichten seien aufgefordert, an diesem Kampf aktiv teilzunehmen, damit ein freier wirtschaftlicher Wettbewerb gewährleistet werden kann. Der Kampf gegen die Korruption und für Gleichberechtigung sei der Garant für wirtschaftlichen Aufschwung und führe zur Abschaffung der Armut. Ziel der Regierung sei die Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte. Auch die kulturelle Entfaltung des Landes, die Entwicklung der Wissenschaften und das Streben nach allgemeinem Wohlstand gehöre zu den wichtigsten Zielen der Regierung.

Die Regierung wolle wieder Freude in das Leben der Menschen bringen, sagte Rohani. Dazu müssen der nationale Reichtum vermehrt und die Entscheidungen vertrauensvoll an die Privatwirtschaft delegiert werden.

Die Einmischung der Regierung in Angelegenheiten der Kultur müsse reduziert werden. Für Minderheiten sei in der Vergangenheit einiges getan worden, doch es gäbe noch einige Mängel, um deren Beseitigung die Regierung sich kümmern werde.

Im Bezug auf die Außenpolitik sagte Rohani: "Als gewählter Präsident erkläre ich mit aller Entschiedenheit, dass die Islamische Republik für die gesamte Region Frieden und Stabilität anstrebt. Iran ist eine Insel der Stabilität in der Region. Wir wollen weder eine Änderung der Grenzen noch einen Wechsel der Regierungen. Die Staatsordnung eines jeden Staates richte sich nach dem Willen des betreffenden Volkes. Wir lehnen jede Veränderung durch die Einmischung von außen ab und betrachten die Anwendung der Gewalt als Angriff auf Demokratie und Selbstbestimmung. Die Ablehnung einer jeglichen Aggression und Unterdrückung, insbesondere militärische Einmischung, gehört zu unserer islamischen und revolutionären Kultur. Frieden und Stabilität in allen uns umgebenden Regionen ist ein vielseitiges Bedürfnis der Islamischen Republik. Das Bemühen um ein Ende der Unruhen, des Brudermords, der religiösen und ethnischen Aggressionen und der Ungleichheiten in der gesamten Welt ist ein Anliegen des iranischen Volkes. In der nun globalisierten Welt darf sich keine Macht erlauben, durch Drohungen, das Schüren von Angst und die Erzeugung von Unsicherheit die eigene Sicherheit und eigenen Interessen durchzusetzen. Wohlstand, Sicherheit und Entwicklung sind globale Güter, sie dürfen nicht monopolisiert werden."

Die Regierung sei bestrebt, durch Verhandlung und Vertrauensbildung die Beziehungen zu den Staaten der Region und der ganzen Welt auszubauen und die nationale und regionale Sicherheit zu festigen, sagte Rohani. "Offenheit und Transparenz sind der Schlüssel zur Vertrauensbildung. Doch diese können in bilateralen Beziehungen nicht einseitig geleistet werden und ohne praktische Konsequenzen sein. Bewältigung der Krisen, Vertrauensbildung und konstruktive Verhandlungen sind unsere Wegweiser für die Zukunft. Wir erklären offen: Iran hat nie kriegerische Absichten gehegt. Unser ganzes Bestreben richtet sich gegen Kriegstreiber. Wir haben für unsere Unabhängigkeit teuer bezahlt und messen der Würde unseres Landes einen hohen Wert bei."

"Obwohl die Sanktionen großen wirtschaftlichen Druck auf die Bevölkerung ausgeübt haben, zeigt die aktive Teilnahme an der Präsidentenwahl, dass die Iraner sehr wachsam auf ihre nationalen Interessen achten. Ein Volk, das in Ruhe und Sicherheit mit großer Mehrheit an Wahlen teilnimmt, kann nicht durch Sanktionen und Kriegsdrohungen zur Kapitulation gezwungen werden. Eine Verständigung mit Iran kann nur durch Verhandlungen auf Augenhöhe, gegenseitiges Vertrauen, gegenseitige Achtung und den Abbau der Feindseligkeiten erreicht werden."

"Auf dieser Grundlage und mit einem angemessenen Umgang werden wir uns um die Intensivierung unserer Beziehungen zu den Außenmächten bemühen. Ich sage es deutlich, wenn ihr eine angemessene Antwort haben wollt, sprecht in der Sprache des Respekts und nicht in der Sprache der Sanktionen", sagte Rohani an die Atomverhandlungspartner gerichtet.

Nach der Rede reichte Rohani gemäß der Verfassung eine Liste der von ihm vorgeschlagenen Minister ein. Zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik hatten auch ausländische Gäste an der Vereidigungszeremonie teilgenommen. Nach offiziellen Angaben waren aus den 52 vertretenen Ländern zehn Präsidenten und zwei Premierminister unter den Gästen. Die meisten Länder Europas waren durch ihre Botschafter vertreten.


ROHANIS KABINETT

Die Liste, die Rohani dem Parlament vorlegte, umfasste, wie Rohani bereits nach seiner Wahl angekündigt hatte, Vertreter aller wichtigen Fraktionen. Das forderte wie erwartet die Kritik von allen Seiten heraus. Die Konservativen und Hardliner sprachen sich gegen die Aufnahme der Reformer aus, die sie als "Verschwörer" bezeichnen, auch die Reformer zeigten sich unzufrieden, weil auch Ultrarechte im neuen Kabinett vertreten sind. Dennoch schien die Mehrheit der Parlamentarier, vermutlich auch durch einen Wink von oben und in Anbetracht der schwierigen Lage des Landes, mit der Konstellation einverstanden zu sein.

Nach einer viertägigen zum Teil heftigen Debatte fand am 15. August die Abstimmung im Parlament statt. Von den 18 vorgeschlagenen Ministern erhielten 15 die Zustimmung. Die drei abgelehnten Kandidaten für Lehre und Bildung, für Wissenschaft, Forschung und Technologie ebenso wie für Sport und Jugend standen den Reformern nahe.

Hier eine Kurzbiographie der wichtigsten Minister:

Ali Dschannati, Minister für Kultur und Islamische Führung, ist der Sohn des Ultrakonservativen Ahmad Dschannati, Vorsitzender des mächtigen Wächterrats. Doch anders als der Vater ist der Sohn eher als moderat zu bezeichnen. Er steht vor allem dem Ex-Präsidenten Haschemi Rafsandschani nahe, aber auch Rohani, mit dem er in den ersten Jahren nach der Revolution im Vorstand des staatlichen Rundfunks und Fernsehens zusammenarbeitete. Dschannati hatte bisher keinen Ministerposten inne. Er war eine Zeitlang Staatssekretär im Kultusministerium, später wurde er Büroleiter von Rafsandschani, als dieser Parlamentspräsident war. Mehrere Jahre lang war Dschannati als Botschafter in Kuwait tätig.

Ali Tajebnia, Minister für Wirtschaft, ist ein ausgewiesener Wirtschaftsexperte. Er studierte an der Teheraner Universität Wirtschaftswissenschaften und schloss sein Studium mit einer Promotion über das Thema "strukturelle Inflation in Iran" ab. Später promovierte er noch einmal in London. Zuletzt arbeitete er als Dozent an der Universität Teheran. In den vergangenen Jahren war er Mitglied verschiedener staatlicher Gremien für Planung, Wirtschaft und Finanzen. Er steht den Reformern nahe.

Mahmud Alawi, Informationsminister, Geistlicher, wuchs im irakischen Nadjaf, Sitz der schiitischen Gelehrten, auf, wo er auch seine theologische Ausbildung absolvierte. Nach der Revolution war er über mehrere Perioden Abgeordneter im Parlament. Später wurde er stellvertretender Leiter der Propagandaabteilung des Verteidigungsministeriums und von 1997 bis 2005 war er als Leiter der ideologisch-politischen Abteilung bei den Streitkräften. Zuletzt war er Mitglied der Expertenversammlung. Der moderate Konservative soll neben der Leitung des Geheimdienstes die Beziehung zwischen der Regierung und der Geistlichkeit pflegen. Er gehört zum Kreis um Rafsandschani.

Mohammad Dschawad Sarif ist der neue Außenminister. Sein Studium im Fach internationale Beziehungen absolvierte er in Denver und San Francisco. Nach dem Studium wurde er stellvertretender Rektor der Freien Islamischen Universität in Teheran, danach erster Berater des Außenministers. Unter der Regierung Chatami war Sarif eine Zeitlang Staatssekretär im Außenministerium, danach war er Botschafter Irans bei der UNO. Von 2003 bis 2005 leitete er die iranische Verhandlungsdelegation im Atomstreit. Sarif steht den Reformern nahe. Er hat sehr gute Verbindungen zu internationalen Diplomatenkreisen. Er ist der Minister, von dem die meisten Veränderungen erwartet werden.

Mostafa Purmohammadi, der neuen Justizminister, ist der zweite Geistliche im Kabinett. Sein Theologiestudium absolvierte er in der heiligen Stadt Ghom und in der Pilgerstadt Maschad. Von 1979 bis 1986 war er Staatsanwalt bei den Revolutionsgerichten in den Provinzen Chusestan, Hormosgan und Chorasan. Von 1987 an war er drei Jahre lang stellvertretender Informationsminister, danach erhielt er den Posten des Ministers. Ab 1998 war er als Stellvertreter des Informationsministers zuständig für das Ausland. 2002 wurde er Leiter des sozialpolitischen Teams im Büro des Revolutionsführers Chamenei. 2005 übernahm er in der Regierung Ahmadinedschad das Innenministerium, das er drei Jahre lang leitete. Purmohammadi ist wohl der ultraradikalste Minister in der Regierung Rohani. Er wird sowohl als Staatsanwalt als auch in seinen späteren Funktionen verantwortlich gemacht für den Tod von Hunderten von Oppositionellen.

Der neue Ölminister, Bijan Sangeneh, hat unter seinen Kabinettskollegen die längsten Erfahrungen als Minister. Er studierte in Teheran Straßenbau und Architektur, begab sich zunächst auf die akademische Laufbahn. Von 1980 bis 1982 war er Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Islamische Führung, 1983 unter Haschemi Rafsandschani Energieminister, 1997 in der achtjährigen Regierungszeit Chatamis Ölminister. Konservative, vor allem Ultraradikale, betrachten Sangeneh als Gegner. Er gehört dem Kreis um Rafsandschani an.

Zu seinem Stabschef ernannte Rohani den moderaten 58-jährigen Geschäftsmann Mohammad Nahawandian, der zu dem Kreis um Parlamentspräsident Ali Laridschani gezählt wird. Als Wirtschaftswissenschaftler promovierte Nahawandian an der George-Washington-Universität in Washington. Rohanis erster Vizepräsident wurde Eshagh Dschahangiri, der Chatami nahe steht, in dessen Regierung er den Posten des Ministers für Industrie und Bergbau inne hatte. Zuvor war er in zwei Perioden Abgeordneter im Parlament und eine Zeitlang Provinzgouverneur von Isfahan.

Die einzige Frau in Rohanis Mannschaft ist die 49-jährige Juristin Elham Aminsadeh, die er zur Vizepräsidentin für juristische Angelegenheiten ernannt hat. Elham ist der Öffentlichkeit im Iran kaum bekannt. Sie hat an der gleichen Universität wie Rohani in Glasgow promoviert. Danach arbeitete sie als Lektorin an der Juristischen Fakultät der Teheraner Universität. 2004 wurde sie Mitglied des Parlaments und engagierte sich dort im Ausschuss für Außenpolitik und nationale Sicherheit. Sie gehört eher den moderaten Konservativen an.

Zum Chef der iranischen Atombehörde ernannte Rohani den bisherigen Außenminister Ali Akbar Salehi, der zwar Rohanis Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad nahe stand, aber gute Voraussetzung für seinen neuen Job mitbringt. Er hat einen Doktortitel in Atomwissenschaften vom Massachusetts Institute of Technology. Zudem war der heute 64-jährige von 1997 bis 2005 Botschafter Irans bei der Internationalen Atombehörde. 2009 wurde er dann Vizepräsident und Leiter der iranischen Atomorganisation, bevor er zum Außenminister berufen wurde. Er ist sowohl Atomexperte als auch Diplomat und daher nach Rohanis Meinung wohl sehr geeignet für seinen neuen Posten.

Offenbar will sich Rohani von den Ultras und den rechten Konservativen im Parlament nicht einschüchtern lassen. Nachdem drei seiner vorgeschlagenen Minister von der Mehrheit abgelehnt wurden, weil sie den Reformern nahe standen, ernannte Rohani an ihrer Stelle drei kommissarische Minister, die zum Kreis der Reformer gezählt werden. Demnach übernimmt Dschafar Tofighi das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Technologie, Resa Salehi Amiri das Ministerium für Sport und Jugend und Ali Asghar Fani das Ministerium für Lehre und Bildung. Schließlich ernannte Rohani Mohammad Ali Nadschafi, der für das Ministerium für Lehre und Bildung vorgesehen war und vom Parlament abgelehnt wurde, zu einem seiner Vizepräsidenten für den Bereich Kulturerbe, Handwerk und Tourismus.

Zum Regierungssprecher wurde Mohammad Bagher Nobacht ernannt. Nobacht ist Generalsekretär der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, die 1999 unter Teilnahme ehemaliger Minister und Mitarbeiter Rafsandschanis gegründet wurde. Er unterstützte bei den Wahlen 2009 Mir Hossein Mussavi und 2013 Rohani. Er gehört eindeutig zum Kreis um Rafsandschani. Nobacht ist promovierter Ökonom. Er war an der Ausarbeitung von Rohanis Wirtschaftsplänen aktiv beteiligt.

Insgesamt betrachtet, scheint der Einfluss Rafsandschanis im Kabinett dominant. Er gilt nun als eigentlicher Drahtzieher hinter den Kulissen der neuen Regierung. Auch die Reformer sind bei der Auswahl der Minister gebührend berücksichtigt worden. Die Ultrakonservativen haben dagegen mit dem neuen Justizminister und dem neuen Verteidigungsminister ein größeres Gewicht in der inneren Ordnung bekommen.


ROHANI KRITISIERTE DAS FEHLEN VON PARTEIEN IN IRAN

Bei der Einführung des neuen Innenministers, Rahmani Fasli, am 19. August kritisierte Präsidenten Hassan Rohani das Fehlen von Parteien in Iran. Vor einer Versammlung der Mitarbeiter des Innenministeriums sagte Rohani: Leider haben wir keine Parteien in Iran, es gibt auch keine wirklichen Fraktionen. Die Auseinandersetzungen gleichen denen zwischen Stämmen oder Sippen. Möglicherweise gibt es Gruppen, die ihre Jalousien herunterlassen. Bei Wahlen werden die Jalousien geöffnet, die Lichter eingeschaltet und wenn die Wahl vorbei ist, werden die Jalousien wieder heruntergelassen."

Neben dieser Kritik forderte der Präsident den vollen Einsatz von ethnischen und religiösen Minderheiten in der Verwaltung der Provinzen. "Diese Kräfte müssen eingesetzt werden. Die Einheit des Volkes entsteht nicht durch Parolen, sondern durch Taten", sagte er. Niemand in seiner Regierung, insbesondere die Verantwortlichen im Innenministerium, dürfe Ungleichheiten zwischen "verschiedenen Ethnien und offiziell anerkannten Religionen" zulassen. Alle Bürger hätten gleiche Rechte, es gäbe keinen Unterschied zwischen Belutschen, Türkemanen, Aseries, Kurden. "Wir habe in Iran keinen Staat der Perser, Türken oder Araber. Unser Staat ist iranisch. Iran ist unser gemeinsamer Schirm", sagte Rohani.


MEHR FRAUEN IN DEN DIPLOMATISCHEN DIENST

Künftig würden mehr Frauen in den diplomatischen Dienst aufgenommen werden, gab der Sprecher des Außenministeriums, Abbas Araghtschi, bekannt. Anfang September werde der Außenminister die neue Sprecherin für das Außenministerium vorstellen, auch mehrere Botschaften Irans sollen von Frauen geleitet werden.

Es gab seit der Gründung der Islamischen Revolution keine Frau als Botschafterin. Offenbar will die neue Regierung den Forderungen der Frauen, hohe staatliche Positionen zu bekleiden, schrittweise entgegen kommen.

Am 29. August stellte Außenminister Sarif die neue Sprecherin seines Ministeriums vor. Marsieh Afcham verfüge über eine lange Erfahrung in außenpolitischen Angelegenheiten. Sie sei seit mehr als dreißig Jahren im Ministerium beschäftigt, sagte der Minister.

Afcham war zur Regierungszeit Präsident Chatamis Leiterin der Presseabteilung des Außenministeriums, zurzeit leitet sie die Abteilung für allgemeine Diplomatie.


CHAMENEI LEHNTE INDIREKT FREILASSUNG POLITISCHER HÄFTLINGE AB

Vor einer Versammlung von Studenten am 28. Juli lehnte Revolutionsführer Ali Chamenei die Forderung nach Freilassung politischer Häftlinge indirekt ab.

Nachdem sich in Iran durch die Wahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani eine politische Wende abzeichnete, hofften viele, dass die von Rohani angekündigte Öffnung nach außen und innen auch die Freilassung all jener, die bei den Unruhen von 2009 festgenommen wurden, zur Folge habe würde. Damals hatte es landesweit neun Monate lang Protestdemonstrationen gegen die Wahlfälschung gegeben. Mehrere Tausend Demonstranten wurden verhaftet und zum Teil schwer misshandelt. Nun wird erwartet, dass diese politischen Häftlinge, insbesondere die führenden Politiker Mir Hossein Mussavi und seine Frau Sahra Rahnaward sowie Mehdi Karrubi, die sich seit Februar 2011 im Hausarrest befinden, freigelassen werden.

Chamenei kam während seiner Rede auf die Ereignisse von 2009 zu sprechen und sagte: "Privat geben sie (die Reformer) zu, dass es keine Wahlfälschung geben hat. Warum habt ihr dann soviel Unheil angerichtet und das Land an den Rand des Abgrunds gebracht?" "Wir haben nicht öffentlich, sondern in einer Weise, die eine Antwort leichter machen würde, die Frage gestellt, warum sie nicht dazu Stellung nehmen, warum sie nicht Reue üben."

Chamenei wies auf die blutigen Ereignisse in der Region hin und sagte: "Können Sie sich vorstellen, was geschehen wäre, wenn Gott uns nicht geholfen hätte und die Gruppen aufeinander losgeschlagen hätten?" Das Problem habe darin bestanden, dass eine Gruppe Gesetze missachtet und sich unehrenhaft verhalten und damit dem Land Schaden zugefügt habe. "Warum und mit welchem Recht haben jene, die behaupteten, die Wahlen seien gefälscht worden, Unruhen auf den Straßen veranstaltet?"

Es ist so gut wie sicher, dass weder Mussavi und seine Frau Rahnaward noch Karrubi Reuebekenntnisse ablegen würden. Bliebe es bei der Bedingung, die Chamenei gestellt hat, müssten sie noch Jahre im Hausarrest und andere im Gefängnis verbringen. Aber der öffentliche Druck ist groß und auch die neue Regierung kann nicht umhin, in dieser Angelegenheit tätig zu werden.

Selbst im iranischen Parlament werden Forderungen nach Freilassung der Gefangenen laut. Der Abgeordnete Ali Mottahari forderte am 18. August im Parlament den Justizchef auf, "ohne den Druck der Geheimdienste zu scheuen" jene Häftlinge, die lediglich die Wahlen kritisiert hätten, frei zu lassen und ebenso über die Hausarreste der Politiker Klarheit zu bringen. (Bislang hat es gegen Rahnaward, Mussavi und Karrubi weder ein Gerichtsurteil noch einen Prozess gegeben. Sie befinden sich praktisch in Geiselhaft des Regimes.)

Jetzt, wo durch die jüngsten Wahlen der nationale Frieden hergestellt sei, sollten auch die Folgen der Ereignisse von 2009 ausradiert werden, sagte Mottahari. Die meisten Gefangenen hätten sich nichts zu Schulden kommen lassen, außer Kritik geübt zu haben. Bevor Karrubi und Mussavi Reue üben, müsste Ahmadinedschad, der das Feuer schürte, sich für seine Taten entschuldigen. Das Mindeste, was man den gefangenen Politikern zugestehen müsste, wäre, ihnen Gelegenheit zu geben, sich öffentlich zu verteidigen. Wie auch immer, Strafe und Aberkennung der persönlichen Rechte ohne ein Gerichtsurteil sei weder religiös und moralisch noch vernünftig vertretbar, sagte Mottahari.

Wie die Internetseite Kalameh am 30. August berichtete, sagte Ex-Präsident Mohammad Chatami, er hoffe, mit der Amtsübernahme der neuen Regierung würden die willkürlichen Verhaftungen ein Ende finden und alle, die im Gefängnis oder Hausarrest seien, freikommen. Auch Ex-Präsident Haschemi Rafsandschani sagte in einer Rede am selben Tag: "Angst zu erzeugen, die Menschen unter Druck zu setzen und eine polizeistaatliche Atmosphäre zu erzeugen nutzt dem Staat nichts." Sicherheit bedeute die Sicherung der freien Meinungsäußerung. Das heutige Schweigen der Menschen könne sich morgen in "unangenehme Ereignisse" verwandeln.


ZENSUR SOLL VON VERLAGEN ÜBERNOMMEN WERDEN

Der neue Minister für Kultur und Islamische Führung, dem auch die Zensurbehörde untersteht, sagte in einem längeren Interview mit der Zeitschrift "Aseman" am 19. August, er wolle künftig die Zensur von Büchern auf die Verlage übertragen. Diese Äußerung brachte dem moderaten Minister Ali Dschannati viel Kritik ein.

Wenn ein Verleger dreitausend Exemplare von einem Buch veröffentliche, werde er, wenn er den festgelegten Rahmen überschreitet und nach der Veröffentlichung das Buch verboten werde, große Verluste hinnehmen müssen. Daher werde er sehr sorgfältig auf die Rahmenbedingungen achten.

Kritiker weisen zu Recht darauf hin, dass bei diesem Verfahren nicht nur die Verleger, sondern auch die Autoren zur Selbstzensur gezwungen würden, was für die Literatur verheerende Folgen haben würde. Mahmud Amusgar, Vorsteher des Verbands der Verleger, sagte am 20. August der Agentur ILNA, die Verleger "lehnen die Verantwortung ab". Sollte dieses Verfahren eingeführt werde, werde es dem Verlagswesen einen beachtlichen Schaden zufügen. Denn das Risiko, dass ein Buch nach der Veröffentlichung verboten werde, sei groß. Die Grenzen, die die Zensurbehörde setze, seien sehr verschwommen, man könne nicht ahnen, welche Worte und Begriffe der Behörde genehm seien und welche nicht.

Die Verlegerin Schahla Lahidschi sagte, das neue Verfahren könne das Problem nicht lösen. Es sei nicht nur die Zensurbehörde, die sich einmische. Oft würden einflussreiche Personen außerhalb der Behörde, denen das eine oder andere Buch nicht gefalle, ein Verbot erzwingen.

Genau dies wolle der neue Minister nach eigenen Angaben ausschließen, betonte er. Überhaupt müsse die Kultur dem Zugriff der Politik und der Sicherheitsdienste entzogen werden, sagte er. Zudem sollte die Zensurbehörde unter Einbeziehung von Experten den genauen Rahmen, der nicht überschritten werden dürfe, festlegen. Persönliche Aversionen dürften keine Rolle spielen. Verleger, Autoren, Künstler und Filmemacher müssten sich ebenso wie die Zensoren an die Kriterien halten.

Dschannati fügte hinzu, wenn die Zensurbehörde die Erlaubnis für ein Buch erteilt habe, müsse sie zu dieser Entscheidung stehen. Ein rückwirkendes Verbot oder ein Verbot bei der zweiten und dritten Auflage, wie es bisher häufig der Fall war, dürfe es nicht mehr geben.

Der Minister nahm auch zum "Haus des Kinos" Stellung, dem einzigen unabhängigen Verband der Filmemacher. Das Haus wurde im Juli von der alten Regierung geschlossen. Es müsse wieder den Filmemachern zur Verfügung stehen, sagte der Minister. Es seien großen Fehler gemacht worden. Er jedenfalls wolle das Problem so rasch wie möglich lösen.


ÄCHTUNG DER BAHAIS DURCH CHAMENEI

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei griff die Anhänger der Bahais scharf an und erklärte, der Umgang mit ihnen sei nicht erlaubt. Zugleich behauptete er, Berichte über die Übergriffe der Verantwortlichen gegen die Bahais seien, sollten sie zur Schwächung der islamischen Staatsordnung führen, eine Sünde, berichtete die Nachrichtenwebseite Tasnim am 1. August.

Die Bahais, eine religiöse Minderheit in Iran, sind zunehmenden Repressionen ausgesetzt. Viele von ihnen befinden sich im Gefängnis, darunter der gesamte Vorstand der Bahai-Gemeinde in Iran.

Die Äußerungen Chameneis wurden offiziell als Fatwa (religiöser Erlass) bezeichnet. Er betonte, jede Äußerung oder Handlung, die von Feinden der Islamischen Republik ausgenutzt werden oder im Innern Zwietracht unter den Muslimen erzeugen könnte, sei religiös verboten. Die Bahais bezeichnete Chamenei als eine "schädliche und abartige Sekte".

Die Bahai-Gemeinde in Deutschland gab in einer Presseerklärung vom 29. August bekannt, dass der bekannte Bahai Ataollah Rezwani am 24. August in der südiranischen Stadt Bandar Abbas in seinem Auto ermordet aufgefunden worden sei. Er sei durch einen Schuss in den Hinterkopf gestorben. Sein Körper sei an einem Bahnhof außerhalb der Stadt tot im Auto aufgefunden worden.


AHMADINEDSCHAD ZUM MITGLIED DES SCHLICHTUNGSRATS ERNANNT

Revolutionsführer Chamenei ernannte am 5. August den scheidenden Präsidenten Ahmadinedschad zu neuen Mitglied im Schlichtungsrat. "In Anbetracht Ihrer wertvollen Verdienste in Ihrer achtjährigen Tätigkeit als Präsident und der wertvollen Erfahrungen, die Sie während dieser Zeit gesammelt haben, ernenne ich Sie zum Mitglied des Schlichtungsrats", hieß es im Ernennungsschreiben.

Chamenei hatte in der ersten vier Jahre der Regierungszeit Ahmadinedschad vehement unterstützt. Nach seiner Wiederwahl gab es zunehmend Unstimmigkeiten zwischen beiden.

Der Schlichtungsrat wurde 1987 von Ayatollah Chomeini einberufen und zwei Jahre später als eine neue Instanz in die Verfassung aufgenommen. Aufgabe des Rats ist die Schlichtung der Differenzen zwischen dem Parlament und dem Wächterrat. Der Rat hat 44 Mitglieder, die alle fünf Jahre vom Revolutionsführer ernannt werden. Auch die Chefs der Exekutive, Judikative und Legislative gehören automatisch zu den Mitgliedern des Rats. Der Vorsitzende des Rats ist seit Jahren Haschemi Rafsandschani. Ahmadinedschad und Rafsandschani sind Erzfeinde.


MUTMAßLICHER ISRAELISCHER SPION VERHAFTET

Wie die Agentur "Mehr" am 5. August berichtete, gab der Vorsitzende des Revolutionsgerichts in der südlich gelegenen Stadt Kerman bekannt, dass eine Person mit der Anschuldigung, für Israel spioniert zu haben, verhaftet worden sei.

Der Richter Dadkhoda Salari sagte, der Angeklagte trieb in den südasiatischen Staaten Handel und machte zuletzt eine Touristenreise nach Thailand. Hier habe er einem israelischen Geheimdienstoffizier geheime Informationen zur Verfügung gestellt.

Nach Aussagen Salaris beabsichtigte der Mann bei einem zweiten Treffen mit dem Offizier eine ganze Reihe wirtschaftliche, geographische und sogar geheime Informationen über den Bergbau in der Region zur Verfügung zu stellen. Doch dazu sei es nicht gekommen, weil er zuvor verhaftet worden sei.

Der Richter warnte alle, die ins Ausland reisen wollen, wachsam zu sein, denn "sie könnten in die Falle der Geheimdienste und Feinde der Islamischen Republik geraten und ungewollt diese unterstützen".

Der festgenommene Mann habe am Anfang seine geheimdienstliche Tätigkeit gestanden. Es sei sicher, dass er bewusst und freiwillig seine Spionagetätigkeit aufgenommen habe und daher "bald in einem Prozess seine gebührende Strafe" festgelegt werde. Die Höchststrafe in der Islamischen Republik für Spionage ist die Todesstrafe.


RÜCKKEHR IRANISCHER FLÜCHTLINGE UMSTRITTEN

Mehdi Taeb, Kommandant des "Garargah-e Ammar" (Organisation zur Bekämpfung des sanften Kriegs) kritisierte die Äußerungen des neuen Informationsministers, Mahmud Alawi, zu einer möglichen Rückkehr iranischer Dissidenten aus dem Ausland. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Fars vom 23. August sagte der Geistliche Taeb, der zu den ultrarechten Islamisten gehört: "Die Einladung und die Bitte an Personen, die keine Straftat begangen haben, nach Iran zurückzukehren, ist unsinnig." "Seit wann besteht ein Rückkehrverbot und eine Unsicherheit für Personen, die nach den Ereignissen von 2009 (Protestdemonstrationen nach der Wahlfälschung und Wiederwahl Ahmadinedschads) ins Ausland gereist sind und sich nichts haben zuschulden kommen lassen, dass der Minister gerade jetzt es für nötig hält, sich in dieser Frage zu positionieren?"

Der Informationsminister hatte gesagt: "Wir werden das Problem der unnötigen Angst bei rückkehrwilligen Iranern, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, lösen."

Taeb kritisierte, der Minister bestätige damit die Berichte der Auslandsmedien, die behaupteten, in der Islamischen Republik herrschen Repression und Angst. Solche Äußerungen seien völlig überflüssig und hätten mit einer von der Regierung erklärten Politik der Mäßigung und des Ausgleichs nichts gemein.

Taeb betonte zudem, es gebe in der Islamischen Republik eine Gewaltentrennung und der Umgang mit Schuldigen sei eine Angelegenheit der Justiz, in die die Exekutive sich nicht einmischen sollte. Er empfahl dem neuen Kabinett und dem Präsidenten, die Minister und insbesondere der Informationsminister sollten sich aus Angelegenheiten, die von Experten beurteilt werden müssen, herauszuhalten.

Seit den Unruhen von 2009 haben Zehntausende aus Angst von Repressionen Iran verlassen.

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WIRTSCHAFT

• Rohani: In wenigen Monaten kein Mangel mehr an wichtigen Gütern
• Neuer Direktor der Zentralbank
• Teheran kritisiert Beschluss des US-Kongresses
• Zwanzigprozentig angereichertes Uran eingeschränkt
• Iran verfügt über tausend moderne Zentrifugen
• Präsens der Militärs in der Wirtschaft umstritten
• Syrien Kredite für Ölprodukte gewährt


ROHANI: IN WENIGEN MONATEN KEIN MANGEL MEHR AN WICHTIGEN GÜTERN

Nach der ersten Sitzung des neuen Kabinetts erklärte Präsident Rohani, alle Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Gütern würden in wenigen Monaten gelöst werden.

"Die Versorgung der Bevölkerung ist unser oberstes Ziel", sagte der Präsident. Das Kabinett habe bei seiner ersten Sitzung bereits Beschlüsse gefasst, die sämtliche Probleme der Versorgung lösen werden.

Auch der neue Wirtschaftsminister, Ali Tajebnia, erklärte, dass die Regierung für die nächsten hundert Tage Pläne zur Überwindung der Versorgungsengpässen erstellt und beschlossen habe.

Rohani will sich zur Koordinierung der Pläne wöchentlich einmal mit allen Ministern, die mit Wirtschaft und Finanzen zu tun haben, treffen.

Am Ende der Kabinettssitzung leisteten die Minister einen Eid auf eine "ethisch-moralische Charta", in der es unter anderem heißt: "Mein erstes Ziel ist der Schutz der Staatsordnung der Islamischen Republik ... Meine Beschlüsse richten sich nach der Vernunft, meine Taten nach den Gesetzen ... Ich werde nicht übereilt und radikal handeln und jede Willkür vermeiden."


NEUER DIREKTOR DER ZENTRALBANK

Die Vollversammlung der iranischen Zentralbank hat am 25. August in einer Sondersitzung den erfahrenen Bankfachmann Waliollah Seyf zum neuen Direktor der Zentralbank gewählt. Der Beschluss wurde von Präsident Rohani und den Ministern für Wirtschaft, Öl, Handwerk, Bergbau und Handel sowie vom Staatssekretär im Amt für Planung und Kontrolle unterzeichnet.

Seyf ist promovierter Finanzexperte und war bereits Geschäftsführer verschiedener Banken, wie Saderat, Sepah und Melli. Er übernimmt die Zentralbank in einer Zeit schwerer Wirtschaftkrise. Innerhalb des vergangenen Jahres hat die Landeswährung drastisch an Wert verloren. Die Inflation hat im gleichen Zeitraum ständig zugenommen.


TEHERAN KRITISIERT BESCHLUSS DES US-KONGRESSES

Das iranische Fernsehen veröffentlichte am 1. August auf seiner Webseite die Äußerungen des iranischen Außenamtssprechers, Abbas Araghtschi, der die neuen Sanktionsbeschlüsse des US-Kongresses scharf kritisierte. "Wir haben keinen Zweifel daran, dass Sanktionen eine gescheiterte Politik sind", sagte Araghtschi. Er wundere sich, warum die USA und ihre Verbündeten eine Politik verfolgten, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sei. Die neuen Sanktionen bezeichnete Araghtschi als "Fortsetzung der bereits beschlossenen Sanktionen". Diese seien vor sechs Monaten geplant worden. "Es geht also nicht um eine Entscheidung der letzten Tage", fügte er hinzu.

Eine Verstärkung der Sanktionen werde keine Lösung bringen, sagte der Sprecher. Demgegenüber könne eine Aufhebung der Sanktionen, die vertrauensbildend wäre, für den Erfolg der Atomverhandlungen hilfreich sein. Im Übrigen seien viele der getroffenen Maßnahmen mit den Ansprüchen des Westens nicht vereinbar. Als Beispiel nannte er die Sperrung der iranischen Auslandssender.

Auch China protestierte gegen den Beschluss des US-Kongresses. In einer Erklärung des Außenministeriums vom 2. August heißt es: "Die chinesische Regierung hat stets auf die Beilegung des Konflikts um das iranische Atomprogramm durch Verhandlungen und diplomatische Maßnahmen gedrängt. Sie lehnt einseitige Sanktionen, die auf Gesetzen eines einzelnen Staates basieren, grundsätzlich ab."

China, das auf den Import iranischen Öls angewiesen ist, hat Sanktionen, die vom UN-Sicherheitsrat gegen Iran beschlossen wurden, zwar zugestimmt, einseitige Sanktionen der USA und der EU jedoch stets abgelehnt.


ZWANZIGPROZENTIG ANGEREICHERTES URAN EINGESCHRÄNKT

Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge ist Iran dabei, seine Reserven von zwanzigprozentig angereichertem Uran in Brennstäbe zu verwandeln. Dieses höher angereicherte Uran gehört zu den strittigen Themen bei Atomverhandlungen mit der Gruppe 5+1 (ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland). Die Reduzierung der Reserven könnte sich bei künftigen Verhandlungen positiv auswirken.

Reuters beruft sich auf Äußerungen von Diplomaten der Internationalen Atombehörde (IAEA), die nicht genannt werden wollen. Iran hatte 2010 mit der 20-prozentigen Anreicherung von Uran begonnen, was den Protest westlicher Staaten sowie Israels herausgeforderte. Sie warfen Iran vor, mit dem höher angereicherten Uran den Bau von Nuklearwaffen anzustreben.

Einem Bericht der IAEA zufolge verfügt Iran inzwischen über 240 bis 250 Kilogramm 20-prozentig angereicherten Urans. Nach Einschätzung von Experten ist diese Menge für die Herstellung von Atombomben ausreichend. Israel bezeichnete diese Menge als "rote Linie". Doch die Umwandlung in Brennstäbe reduziert die Reserven und damit auch die Gefahr einer nuklearen Bewaffnung. Die nicht genannten Diplomaten äußerten die Vermutung, dass Iran in den nächsten Monaten noch weitere Reserven in Brennstäbe umwandeln werde. Westliche Staaten fordern von Iran seit langem, die 20-prozentige Anreicherung vollständig einzustellen und die vorhandenen Reserven ins Ausland zu exportieren. Demgegenüber erklärt Teheran, das höher angereichte Uran sei für den Forschungsreaktor in der Nähe der Hauptstadt nötig und müsse im Land bleiben.


IRAN VERFÜGT ÜBER TAUSEND MODERNE ZENTRIFUGEN

Der scheidende Chef des iranischen Atomprogramms, Freidun Abbasi, sagte laut iranischen Medien vom 18. August, Iran verfüge in seinen Atomanlagen über tausend moderne Zentrifugen. In den Urananreicherungsanlagen Natans und Fordo seien 9700 Zentrifugen in Betrieb. Insgesamt verfüge Iran über 18000 Zentrifugen.

Der ehemalige Verteidigungsminister, Ahmad Wahidi, sagte am 18. August der Nachrichtenagentur Fars, Iran verfüge über das sechstgrößte Raketenarsenal der Welt und sei im Nahen Osten in der Herstellung von Raketen führend. Über die Anzahl der Raketen gab Wahidi keine Auskunft. Iran sei heute bereits in der Lage Langstreckenraketen und Boden-Boden-Raketen, die mit festem Brennstoff betrieben werden, herzustellen. Diese Informationen sind noch von keiner unabhängigen Stelle bestätigt worden.

Auch die Internationale Atombehörde (IAEA) bestätigte in ihrem jüngsten Quartalsbericht, dass Iran durch Einsatz hunderter neuer Zentrifugen seine Kapazitäten zur Urananreicherung deutlich erhöht habe. Es handele sich um moderne Zentrifugen des Typs IR-2, die in den Anlagen in Natanz und Isfahan installiert worden seien, heißt es in dem am 28. August veröffentlichten Bericht.

Dennoch hätten die Reserven von 20-prozentig angereichertem Uran nicht sonderlich zugenommen, berichtet die IAEA.

"Der jüngste Bericht der IAEA weist lediglich auf die Anzahl der Zentrifugen und weitere Details zum friedlichen Atomprogramm des Landes hin", sagte der neue Atomchef Ali Akbar Salehi am 29. August der Agentur ISNA. Den Vorwurf, Iran habe in der Militäranlage Parchin die Spuren verwischt, wies Salehi entschieden zurück. "Das sind unwissenschaftliche Bemerkungen, denn jeder mit ausreichendem technischem Wissen weiß, dass man eine Anlage von radioaktiven Spuren nicht säubern kann."

Wie Reuters unter Berufung auf einen Sprecher der IAEA berichtete, sollen die nächsten Verhandlungen mit Iran am 27. September stattfinden. Es ist die 11. Verhandlungsrunde seit 2011 und die erste seit der Amtsübernahme Rohanis. Dabei geht es immer noch um dieselben Probleme, vor allem um eine Inspektion der Militäranlage Parchin. Die IAEA vermutet, dass dort Nuklearwaffen getestet worden seien, was Iran bestreitet. "Iran wird mit der IAEA seinen nuklearen Verpflichtungen ernsthaft, mit gutem Willen und ergebnisorientiert nachkommen", sagte Außenamtssprecher Araghtschi am 30. August der Agentur ISNA.


PRÄSENS DER MILITÄRS IN DER WIRTSCHAFT UMSTRITTEN

Der Abgeordnete Ahmad Tawakoli warnte vor der Präsens der Militärs in der Wirtschaft. "Der Staat muss entschieden dagegen vorgehen", sagte er. "Wenn nicht, werden die Militärs ihre Macht in der Wirtschaft ausbauen und schließlich nach der politischen Macht greifen."

In einem Interview am 3. August mit der Zeitschrift "Tejarat" (Handel) betonte Tawakoli, dieser Trend lasse sich mit Demokratie nicht vereinbaren. Der Paragraph 147 der Verfassung, der dem Staat erlaubt, in Friedenszeiten das Militär für Aufbauprojekte einzusetzen, sei falsch interpretiert worden, sagte Tawakoli. So sei der Markt für die Militärs geöffnet worden. "Wenn wir den Militärs erlauben, Staudämme zu bauen, müssen wir auch hinnehmen, dass sie auch Investitionen tätigen."

Nach dem iranisch-irakischen-Krieg setzte Rafsandschani die Revolutionswächter zum Wiederaufbau des Landes ein und erlaubte ihnen den Zugang zu der Wirtschaft. In der achtjährigen Regierungszeit Ahmadinedschads besetzten ehemalige Kommandeure der Revolutionswächter (Pasdaran) Schlüsselpositionen in der Politik, sie sorgten dafür, dass die Pasdaran die meisten Konzessionen für lukrativste staatliche Projekte bekamen. Inzwischen sind die Pasdaran zur größten Wirtschaftsmacht des Landes geworden. Zeitweise sprach man sogar von einer klerikalen Militärdiktatur.

"Wir haben versucht, den Einfluss der Militärs in der Wirtschaft zu unterbinden, doch die anderen Kräfte haben sich durchgesetzt", sagte Tawakoli. Nun ließen sie sich nicht mehr so einfach zurückdrängen. In der Konkurrenz mit der Privatwirtschaft seien sie weitaus stärker und können im Wettbewerb um jedes Projekt als Gewinner hervorgehen.

In der Regierungszeit von Ahmadinedschad sei die Privatisierung staatlicher Unternehmen erheblich beschleunigt worden. Dabei hätten Tarnfirmen der Pasdaran in erster Linie davon profitiert.


SYRIEN KREDITE FÜR ÖLPRODUKTE GEWÄHRT

Die Regierung Ahmadinedschad gewährte kurz vor Toresschluss Syrien einen Kredit in Höhe von 3,6 Milliarden Dollar. Das Geld soll für den Kauf von Ölprodukten verwendet werden. Die Vereinbarung wurde am 31. Juli offiziell bekannt gegeben. Zugleich wurde für Iran der Weg geebnet, sich an Investitionen in Syrien zu beteiligen. Ferner wurde ein Kredit von einer Milliarde Dollar für Tauschgeschäfte zur Verfügung gestellt. Damit soll Syrien unter anderem aus Iran Produkte zur Energieerzeugung erhalten und im Gegenzug Textilprodukte und landwirtschaftliche Güter an Iran liefern.

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AUSSENPOLITIK

• Direkte Verhandlungen mit den USA
• Großbritannien bereit zur Verbesserung der Beziehungen zu Iran
• Ein falsches Zitat sorgte für Aufruhr
• Irans neue Atompolitik und die Reaktionen des Westens
• Stimmen aus Deutschland
• Chamenei kritisiert Nahost-Initiative
• CIA gesteht den Putsch gegen Mossadegh
• Die neue Entwicklung in Syrien
• Die Entwicklung in Ägypten


DIREKTE VERHANDLUNGEN MIT DEN USA

Irans Außenamtssprecher, Abbas Araghtschi, dementierte am 28. Juli einen Bericht der New York Times, Teheran strebe direkte Verhandlungen mit den USA an. Er empfahl den US-Medien, unmittelbar vor einem Regierungswechsel nicht Nachrichten zu verbreiten, die die "politische Atmosphäre trüben und Zwietracht erzeugen könnten".

Die New York Times hatte berichtet, dass der irakische Ministerpräsident Nuri al Maleki bei seinem Besuch in Washington der amerikanischen Regierung eine Botschaft aus Iran brachte, in der Iran den Wunsch nach direkten Verhandlungen mit den USA bekundet habe. Dabei soll er betont haben, dass der neu gewählte Präsident Irans, Hassan Rohani, diesen Wunsch ernsthaft durchzusetzen versuchen werde.

Präsident Rohani erklärte auf seiner ersten Pressekonferenz nach seiner Wahl am 6. August, wenn seine Regierung in der Politik der Vereinigten Staaten einen guten Willen feststellen und das Gefühl haben würde, dass direkte Verhandlungen mit Washington iranischen Interessen dienlich sein könnten, wäre sie zu direkten Gesprächen bereit.

Iran werde weiterhin auf seine international verankerten Rechte zur Fortsetzung seines Atomprogramms bestehen, sagte Rohani. Die Behauptung, man könne durch Sanktionen das Nuklear- und Raketenprogramm Irans verhindern, sei falsch. Ziel der Sanktionen sei vielmehr, mehr Druck auf die iranische Bevölkerung auszuüben. Doch die Iraner hätten gezeigt, dass sie dem Druck standhalten können, betonte der Präsident. Seine Regierung sei bestrebt, durch ernsthafte Verhandlungen und einer von Vernunft geleiteten Politik den Sanktionen entgegenzuwirken. Es seien bereits Pläne für eine "Widerstandsökonomie" ausgearbeitet worden.

Auf die Frage, was er von dem neuen Beschluss des US-Kongresses zur Verschärfung der Sanktionen gegen Iran halte, sagte Rohani, er wolle nicht behaupten, dass in den USA eine Rollenverteilung zwischen der Regierung und dem Kongress stattgefunden habe. "Wichtig für uns sind die Taten der US-Regierung", sagte Rohani. Seine Regierung werde jeden Schritt der Regierung in Washington unter die Lupe nehmen und auf jeden positiven Schritt entsprechend reagieren. Das Votum des iranischen Volkes bei der Wahl des Präsidenten habe eine klare Botschaft, auf die jedoch Washington noch nicht reagiert habe. Die jüngste Erklärung der US-Regierung mache deutlich, dass sie das iranische Volk noch nicht verstanden habe. Die Reaktionen und Botschaften aus Washington seien widersprüchlich. Rohani warf Israel vor, die Mitglieder des Kongresses unter Druck gesetzt zu haben.

Das US-Repräsentantenhaus hatte wenige Tage vor dem Amtsantritt Rohanis weitere Sanktionen gegen Iran beschlossen. 400 Abgeordnete votierten für und lediglich 20 gegen den Beschluss vom 1. August. Die neuen Sanktionen betreffen den bereits schwer belasteten Ölsektor sowie die Fahrzeugindustrie. Der Beschluss kann allerdings erst in Kraft treten, wenn er auch vom US-Senat genehmigt wird und die Zustimmung des US-Präsidenten bekommt. (s. auch Bericht auf Seite 11)

Ebenfalls am 6. August erklärte das US-Außenministerium, mit Rohanis Wahl böte sich möglicherweise eine Gelegenheit zur Lösung des Atomstreits. Sollte Iran tatsächliche ernsthafte Verhandlungen anstreben, wäre Washington zu direkten Gesprächen bereit. Außenamtssprecherin Marie Harf betonte, mit Rohanis Regierungsübernahme gäbe es eine Gelegenheit zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten im Atomkonflikt. "Unsere Position war stets klar. Wir sind weiterhin bereit, mit der 5+1-Gruppe zusammenzuarbeiten. Zugleich haben wir betont, dass wir gerne direkte Gespräche mit Teheran ins Auge fassen. Allerdings liegt der Ball auf iranischer Seite. Wir erwarten, dass Iran Schritte unternimmt und seine internationalen Verpflichtungen erfüllt. Dies ist noch nicht geschehen", sagte Harf laut einer Meldung der BBC vom 6. August.

Auf die Frage, ob die USA bereit wären, in Anbetracht der jüngsten Äußerungen von Rohani zumindest auf eine Verschärfung der Sanktionen zu verzichten, sagte Harf. Rohanis Regierung sei frisch vereidigt. Sollte sie ernsthaft ihre internationalen Verpflichtungen wahrnehmen und einen friedlichen Weg einschlagen, werde man sehen, dass die USA darauf positiv reagieren würden. "Aber wir sind noch nicht soweit".

Russland begrüßte Rohanis Äußerungen. Die Verhandlungen mit Iran dürften nicht verzögert werden und sollten bis Mitte September aufgenommen werden, verlautete aus Moskau.


GROßBRITANNIEN BEREIT ZUR VERBESSERUNG DER BEZIEHUNGEN ZU IRAN

In einem Telefongespräch mit seinem iranischen Amtskollegen Ali Akbar Salehi erklärte der britische Außenminister William Hague am 31. Juli, sein Land sei bereit, seine Beziehungen zu Teheran schrittweise zu bessern. Dabei betonte er die Sorge der internationalen Staatengemeinschaft um das iranische Atomprogramm.

Er habe vor, am Rande der UN-Vollversammlung im September den iranischen Außenminister zu treffen, sagte Hague.

Gegenwärtig befinden sich die diplomatischen Beziehungen der beiden Staaten auf dem niedrigsten Stand. London hatte nach einem Angriff von Demonstranten auf die britische Botschaft in Teheran im November 2011 alle Mitarbeiter der Botschaft zurückberufen und die Mitarbeiter der iranischen Botschaft in Großbritannien aus dem Land ausgewiesen.

Das Telefongespräch zwischen den beiden Ministern war die erste Kontaktaufnahme zwischen Teheran und London nach der Wahl des neuen Präsidenten in Iran. Zuvor hatte London erklärt, keinen Regierungsvertreter zur Vereidigung Rohanis nach Teheran zu schicken. Dieser Beschluss wurde von der britischen Labour-Party scharf kritisiert. Der Beschluss sei ein "Fehler" und für Großbritannien eine "verpasste Gelegenheit" gewesen.


EIN FALSCHES ZITAT SORGTE FÜR AUFRUHR

Internationale Agenturen verbreiteten am 2. August ein falsches Zitat aus einer Rede von Präsident Hassan Rohani. Demnach soll Rohani am Al Ghods Tag Israel als eine "alte Wunde" bezeichnet haben, die ausgemerzt werden müsse. Prompt kam aus Israel die Reaktion. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, die Äußerung Rohanis sei eine Bestätigung der wahren Absichten des Klerikers. "Rohani hat sein wahres Gesicht früher als erwartet gezeigt." Es gäbe einen neuen Präsidenten, das Ziel des Regimes habe sich jedoch nicht geändert, Israel, den Nahen Osten und Frieden und Sicherheit in der ganzen Welt zu bedrohen. Die Welt solle endlich aus den Illusionen erwachen, sagte der Regierungschef in Jerusalem. Einem Staat, der Israel bedrohe, dürfe nicht gestattet werden, Atombomben zu bauen.

Das Zitat war von der Agentur ISNA in Umlauf gebracht und sofort von internationalen Agenturen weltweit verbreitet worden. Kurz danach veröffentlichte der iranische Nachrichtensender Press TV einen Videomitschnitt. Demnach sagte Rohani, die Besetzung Palästinas und das Leid des palästinensischen Volkes sei ein "alte Wunde für die gesamte islamische Welt". Der Al Ghods Tag, der von Ayatollah Chomeini zur Solidarität mit dem palästinensischen Volk ausgerufen wurde, sei, sagte Rohani, eine Gelegenheit, das Leid der Palästinenser in Erinnerung zu rufen.

Selbst nach der Richtigstellung sagte ein Regierungssprecher in Jerusalem: "Wir bleiben bei dem, was wir gesagt haben. Wir sind davon überzeugt, dass das Zitat die wahren Absichten Rohanis wiedergibt."


IRANS NEUE ATOMPOLITIK UND DIE REAKTIONEN DES WESTENS

Die Wahl des moderaten Hassan Rohani und dessen angekündigter Kurswechsel wurde im Westen zwar wohlwollend, aber doch verbunden mit einer gewissen Skepsis aufgenommen. Viele betrachten die Wahl als eine Chance, den Atomkonflikt beizulegen und empfehlen den Regierungen, die Gelegenheit nicht zu verpassen.

Michael Mann, Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, begrüßte am 5. August Rohanis Stellungnahmen bei dessen Vereidigung im iranischen Parlament und erklärte, sollten die Zweifel über das iranische Atomprogramm beseitigt werden, bliebe kein Grund mehr für Sanktionen. Dem britischen Rundfunk BBC sagte Mann: "Wir haben die Äußerungen Rohanis gehört. Es war interessant."

"Der Grund für Sanktionen ist der Zweifel an den Zielen Irans. Sollte er beseitigt werden, würden sich Sanktionen erübrigen", sagte Mann. "Wir möchten, dass Iran unsere Vorschläge akzeptiert und dass wir auf dem Wege der Verhandlungen zum beiderseitigen Einverständnis gelangen, Einverständnis darüber, dass Iran mit seinem Atomprogramm keine militärischen Ziele verfolgt."

"Die Sanktionen bestehen, weil der Zweifel besteht und Iran noch nichts Ernsthaftes unternommen hat, um ihn zu beseitigen", sagte Mann.

Zu dem Prozess einer möglichen Aufhebung der Sanktionen sagte Mann, es reiche nicht, dass Iran einen Schritt unternimmt und sofort die Sanktionen aufgehoben würden. Es bedarf eines bestimmt Prozesses um die Sanktionen gänzlich aufzuheben. "Der Ball liegt nun auf iranischer Seite. Teheran muss den ersten Schritt unternehmen, denn es war Iran, das internationale Vereinbarungen verletzt hat", sagte Mann. Alles hänge nun von Iran ab. "Wir haben bereits vor Monaten Iran ein Paket von Vorschlägen übergeben. Man hörte aus Teheran positives Geflüster, dennoch wurden bei den Verhandlungen keine nennenswerten Fortschritte erzielt. Wir wollen nun, dass - wer auch immer von der neuen Regierung als Verhandlungspartner benannt wird - unsere Vorschläge ernsthaft überprüft werden." Bisher seien von iranischer Seite viele Worte geäußert worden. "Nun wollen wir Taten sehen", sagte Mann.

Rohani hatte in seiner ersten Pressekonferenz am 6. August zum Atomkonflikt erklärt: "Wir geben unsere Rechten nicht auf, aber wir sind zu Verhandlungen bereit. Wir sind bereit ernsthaft und ohne Zeitverlust die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Sollte die Gegenseite auch bereit sein, bin ich der Überzeugung, dass die Sorgen auf beiden Seiten innerhalb einer nicht allzu langen Zeit beseitigt werden könnten. Allerdings führen unberechtigte Forderungen zu keinem Ergebnis. Wir müssen realistisch sein. Wenn jemand glaubt, durch Drohungen etwas erreichen zu können, täuscht er sich", sagte Rohani.

Ashton, die die 5+1-Verhandlungsgruppe bei Gesprächen mit Iran führt, schrieb in einem Brief an Rohani, zusammen mit der Gruppe stehe sie bereit, "die Gespräche fortzusetzen und so schnell wie möglich eine Lösung zu finden". Rohani habe mit seiner Wahl ein starkes Mandat erhalten, um sich für einen Dialog und eine Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft zu engagieren.

Die Lösung des Atomproblems setze einen politischen Willen voraus, erklärte Rohani. "Als Präsident Irans erkläre ich hiermit, dass die Islamische Republik ernsthaft gewillt ist, das Problem unter Berücksichtigung der Rechte Irans und bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Sorgen der anderen Seite, zu lösen. In der Hoffnung, dass auch die Gegenseite den politischen Willen aufbringt, werden wir, nicht langfristig, sondern kurzfristig, zum erwünschten Ergebnis kommen."

Laut Medienberichten führte Ashton am 18. August ein Telefongespräch mit dem neuen iranischen Außenminister Mohammad Dschwad Sarif. Dabei betonte sie noch einmal ihren Willen, den Atomkonflikt auf diplomatischem Wege zu lösen. Sarif und Ashton vereinbarten ein baldiges Treffen.

Noch ist nicht klar, wer von iranischer Seite die Verhandlungen mit der 5+1-Gruppe führen wird. Zwar ist der bisherige Außenminister Ali Akbar Salehi zum Chef der iranischen Atombehörde ernannt worden, aber iranischen Medien zufolge möchte Rohani, dass die Verhandlungen auf Außenministerebene geführt würden. In diesem Fall würde Außenminister Sarif die Gespräche leiten. Sarif erklärte am 21. August in einer Pressekonferenz, er habe von Rohani noch keinen entsprechenden Auftrag erhalten.

Ohnehin scheint Rohani, der selbst mit dem Konflikt bestens vertraut ist, auf die Verhandlungen direkt Einfluss nehmen zu wollen. Dies bestätigte auch Salehi. Laut iranischen Medien sagte er am 18. August iranischen Medien, Rohani habe sich noch nicht entschieden, ob Verhandlungen künftig über das Außenministerium oder weiterhin über den Nationalen Sicherheitsrat geführt würden.

Sarif verteidigte mit entschiedenen Worten das iranische Atomprogramm. Sein Ministerium werden "kein Jota" von den "nuklearen Rechten Irans abweichen", sagte er bei seiner Anhörung im Parlament am 13. August. Offensichtlich wollte Sarif mit dieser Stellungnahme den Vorwürfen einiger Abgeordneter, er sei prowestlich und amerikafreundlich, entgegenwirken.

Sarif sagte am 22. August im staatlichen Fernsehen, er sei zuversichtlich, dass man im Atomkonflikt bei den nächsten Verhandlungen einen Durchbruch erzielen werde. "Wir haben nicht alle unsere Möglichkeiten bei den bisherigen Verhandlungen ausgeschöpft, das werden wir nun aber tun." Er kritisierte die Rhetorik des früheren Präsidenten Ahmadinedschad mit den Worten: "Wenn man Iran in der Welt als Atommacht darstellt, muss man dann auch mit unangenehmen internationalen Reaktionen oder gar Drohungen rechnen." Iran sei keine Atommacht, sondern nur ein Land mit einem friedlichen Atomprogramm. "Man sollte in der Außenpolitik mit solchen Bemerkungen sehr vorsichtig umgehen."

Die neuen Atomverhandlungen sollen Mitte September stattfinden. Ort und das genau Datum sind noch nicht bekannt. Die Nachrichtenagentur Fars berichtete am 22. August, dass der bisherige Botschafter Irans bei der Atombehörde, Ali Asghar Soltanieh, seinen Posten verlassen werde. "Meine Mission ist beendet. Ich kehre zufrieden nach Iran zurück", zitierte ihn die Agentur. Seinen Posten übernimmt laut einer Meldung der Nachrichtenagentur IRNA vom 27. August der erfahrene Diplomat Resa Nadschafi. Er war bislang stellvertretender Abteilungsleiter für politische und internationale Angelegenheiten sowie Leiter des Amtes für Fragen der Abrüstung und internationalen Sicherheit im Außenministerium. Eine Zeitlang vertrat Nadschafi Iran beim Abrüstungskomitee der Vereinten Nationen in New York und der Organisation gegen die Verbreitung von chemischen und biologischen Waffen in Den Haag.

Indes sagte der frühere Außenminister und gegenwärtige außenpolitische Berater des Revolutionsführers, Ali Akbar Welayati, die Wahl Rohanis biete eine Chance für die Weltgemeinschaft, mit Iran über das Atomprogramm Einverständnis zu erzielen. In einem Interview mit Associated Press am 19. August sagte er, nun liege es am Westen, wie er mit Iran umgehe. Er versicherte, dass Teheran künftig mit "einer anderen Zunge" als in der Regierungszeit Ahmadinedschads reden werde. Rohanis Wahl könne eine "Prüfung" für den guten Willen des Westens sein. Der Westen sollte die Chance nutzen, sagte der Diplomat.

Weiter sagte Welayati, Teheran müsse nicht nur mit der Gruppe-5+1 ernsthaft zusammenarbeiten, sondern auch mit allen sechs Staaten getrennt. Damit meinte er wohl, dass Teheran auch direkte Gespräche mit Washington führen sollte. Diese Positionierung ist deshalb wichtig, weil anzunehmen ist, dass der langjährige außenpolitische Berater des Revolutionsführers wohl kaum etwas sagen würde, was dessen Meinung widerspräche. Chamenei hat sich bislang stets gegen direkte Gespräche mit den USA ausgesprochen.

Welayati betonte, dass die letzte Entscheidung in Atomfragen nicht vom Präsidenten, sondern vom Revolutionsführer getroffen werde. Er fügte hinzu, Iran werde aufgrund der Erfahrungen nach der Aussetzung der Atomanreicherung 2003 die Anreicherung nicht mehr aussetzen. "Wir habe zwei Jahre lang die Urananreicherung ausgesetzt. Was hat das gebracht? Nichts. Die Forderungen wurden immer höher geschraubt", sagte Welayati. Zu den Sanktionen sagte er, gegen ein Land mit fünfzehn Nachbarstaaten hätten Sanktionen keine ernsthafte Wirkung. "Wir finden immer wieder Wege, um die Sanktionen zu umgehen."


STIMMEN AUS DEUTSCHLAND

Der frühere deutsche Botschafter in Teheran, Paul von Maltzahn, derzeit Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, äußerte gegenüber der AFP die Meinung, Rohani handle aus "innerer Überzeugung", wenn er seine Bereitschaft bekunde. "Wenn er das Mandat hat, wird er alle Möglichkeiten ausloten, um zu einem Ergebnis zu kommen", zitiert ihn die Agentur in einer Meldung vom 11. August.

Von Maltzahn war in seiner Zeit als Botschafter von 2002 bis 2006 selbst an den Atomverhandlungen beteiligt. Dies war die Zeit, in der Mohammad Chatami in Iran regierte und Rohani als iranischer Chefunterhändler mit dem Westen über das iranische Atomprogramm verhandelte. "Rohani ist ein Konservativer, der die Interessen Irans immer im Auge behält. Er ist aber flexibel, ist intelligent, kann schnell denken und schwafelt nicht", sagte von Maltzahn in dem Interview mit AFP.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle äußerte in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur am 2. August die Hoffnung, dass es mit der neuen Regierung im Atomstreit Fortschritte gebe. "Ich glaube, dass mit der Amtsübernahme von Herrn Rohani eine Chance verbunden ist. Aber wir werden ihn und seine Regierung anhand von Taten bewerten und nicht an Worten messen", sagte Westerwelle. Wichtig für ihn sei, dass Iran nachprüfbar auf eine atomare Bewaffnung verzichte. Er wünsche von iranischer Seite vertrauensbildende Maßnahmen. Der Westen werde die bisherige Doppelstrategie, Sanktionsdruck und Verhandlungsbereitschaft, fortsetzen.

Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, ging in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" am 3. August noch einen Schritt weiter. Er äußerte die Hoffnung, dass die neue Regierung im Atomstreit einlenken und der Westen im Gegenzug die Sanktionen lockern werde. "Der Westen muss Rohani eine Chance geben", sagte Polenz.

Auch der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nuripour, forderte in derselben Zeitung: "Wir müssen dafür sorgen, dass Iran, wenn er ernstzunehmende Zugeständnisse macht, dafür auch durch die friedliche Nutzung der Atomkraft oder das Lockern von Sanktionen belohnt wird."


CHAMENEI KRITISIERT NAHOST-INITIATIVE

Revolutionsführer Ali Chamenei kritisierte die jüngste Nahost-Initiative der USA. Da die USA die Interessen Israels vertreten, seien sie für Vermittlungen nicht geeignet, sagte Chamenei bei einer religiösen Zeremonie am Ende des Fastenmonats. Die Initiative würde den Palästinensern mehr schaden als ihnen nützlich zu sein. Dabei würden sie gezwungen werden, "ihre Rechte aufzugeben".

Seit der Gründung der Islamischen Republik bestehen keine diplomatischen Beziehungen zwischen Teheran und Tel Aviv. Iran erkennt den Staat Israel nicht an. Die iranische Staatsführung ist davon überzeugt, dass Israel die besetzten Gebieten niemals aufgeben und auf den Siedlungsbau verzichten würde. Daher lehnt Teheran Verhandlungen zwischen Palästina und Israel grundsätzlich ab.


CIA GESTEHT DEN PUTSCH GEGEN MOSSADEGH

Nach sechzig Jahren gestand nun der amerikanische Geheimdienst CIA, den Putsch von 1953 gegen den damaligen demokratischen Präsidenten Mohammad Mossadegh organisiert zu haben.

Zwar sind die Details des Putsches längst bekannt, doch ein offizielles Geständnis der CIA gab es bisher nicht.

Aus den geheimen Dokumenten, die nun für die Öffentlichkeit freigegeben wurden, geht hervor, dass die Operation unter der Bezeichnung Ajacs lief. Die Dokumente geben auch Auskunft über die Aktivitäten des wichtigsten Organisators des Putsches, Kermit Roosevelt jr.

Die Dokumente wurden auf Drängen des unabhängigen National Security Archive an der George Washington University freigegeben. Das Archiv begrüßte die Freigabe. Allerdings hätten sie seiner Meinung nach ohne Gefährdung der nationalen Sicherheit bereits vor Jahren veröffentlicht werden können.

Der Putschplan wurde am 1. Juli 1953 vom britischen Premier Winston Churchill und am 11. Juli desselben Jahres vom US-Präsident Dwight D. Eisenhower genehmigt. Die Finanzierung wurde zwischen den beiden Staaten geteilt.

Neben Roosevelt war auch Norman Schwarzkopf aktiv an der Operation beteiligt. CIA-Chef Allen Welsh Dulles stellte eine Million Dollar zur Verfügung für "jedwede Maßnahme", die geeignet war "zum Sturz Mossadeghs zu führen". Sein Bruder, Außenminister John Foster Dulles, wies den US-Botschafter in Teheran an, putschwillige Iraner als Helfer zu rekrutieren. Der erste Putschversuch am 16. August scheiterte, drei Tage später wurde Mossadegh gestürzt.

Mossadegh war der erste und bislang letzte demokratische Staatsmann in Iran. Er wollte durch die Nationalisierung der Ölindustrie Irans Abhängigkeit von Großbritannien beenden. Der Putsch der USA gegen einen demokratisch gewählten Präsidenten machte Schule und wiederholte sich später in anderen Ländern. Die Folgen sind bis heute spürbar. Für die Iraner stellt der Putsch ein Trauma dar, das sich die Islamisten zunutze machten.

Teheran betrachtet die Veröffentlichung der CIA-Dokumente als ein positives Signal. Allerdings betonte der Sprecher des Außenministeriums, Abbas Araghtschi, der Geste müssen Taten folgen. "Das Ganze nutzt ja nichts, solange die feindselige Politik der USA nicht revidiert wird", sagte er auf einer Pressekonferenz am 20. August. Der gute Wille kann erst dann bewiesen werden, wenn die USA ihrer Politik der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Irans ein Ende setzen würden.


DIE NEUE ENTWICKLUNG IN SYRIEN

Präsident Rohani verurteilte am 24. August den Einsatz chemischer Waffen in Syrien. Es sei erschütternd, dass Menschen in Syrien durch chemische Waffen sterben mussten, sagte er. "Jeder Einsatz von chemischen Waffen ist schärfstens zu verurt eilen. Die Islamische Republik, die in der Vergangenheit selbst Opfer von chemischen Waffen war, appelliert an die internationale Weltgemeinschaft, mit aller Kraft den Einsatz von Waffen in der ganzen Welt, insbesondere in Syrien zu verhindern."

Im iranisch-irakischen Krieg (1980-1988) hatte der Irak chemische Waffen eingesetzt und damit tausende Iraner getötet oder verletzt. Auch irakische Kurden fielen dieser verheerenden Waffe zum Opfer. Das in Washington erscheinende Foreign Policy Magazine erinnert in seiner jüngsten Ausgabe auch an die Verantwortung, die die USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland sowie die damalige Sowjetunion wegen ihrer direkten Beteiligung für dieses große Verbrechen tragen. Wie das Magazin berichtet, war der damalige US-Präsident Ronald Reagan von Anfang an über Details des Waffeneinsatzes informiert. Irak war damals wichtigster Öllieferant des Westens. 1988 lieferten die USA dem irakischen Regime sogar Aufklärungs- und Zieldaten für vier kriegsentscheidende Chemiewaffenangriffe. Deutsche Firmen lieferten Saddam Hussein die Grundsubstanzen für die Giftgase, das Know-how und die Produktionsanlagen für ihre Herstellung.

Präsident Rohani sagte am 24. August weiter: Die Unsicherheit und terroristische Aktivitäten im Libanon und die israelischen Luftangriffe seien nicht nur zu verurteilen. Sie deuteten auch daraufhin, dass eine große Verschwörung im Nahen Osten im Gange sei, sagte der Präsident. Israel hatte am Vortag ein Gebiet in der Nähe von Beirut bombardiert. Diese Verschwörungen zeigten sich vor allem in Syrien, Libanon und Ägypten, fuhr Rohani fort. Die Instabilität der Region sei für die islamische Gemeinschaft schädlich und nutze allein Israel.

Außenminister Sarif wies die Vorwürfe gegen das mit Iran verbündete Assad-Regime, chemische Waffen eingesetzt zu haben, zurück. "Wenn die Informationen zur Verwendung chemischer Waffen zutreffend sind, sind sie ganz sicher von den Terroristen eingesetzt worden, die gezeigt haben, dass sie vor keinem Verbrechen zurückschrecken", wurde Sarif am 22. August von der Agentur IRNA zitiert.

Am 25. August warnte der stellvertretende Oberkommandierende der iranischen Streitkräfte, General Masud Dschasajeri, davor, dass eine militärische Einmischung der USA in Syrien schwere Folgen haben würde. "Die USA kennen die rote Linie in Syrien und wissen, dass ein Überschreiten dieser Linie schwere Folge für Washington haben würde", sagte er. Jene, die in Syrien das Feuer schürten, würden der Rache der Völker nicht entkommen.

Assad habe zurzeit im syrischen Bürgerkrieg die Oberhand und die westliche Propaganda richte sich gegen die Erfolge, die er erzielt habe, sagte der General.

Am 26. August traf der UN-Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten, Jeffrey D. Feltman, begleitet von einer Delegation zu einem Gespräch über Syrien, Ägypten und Libanon mit Außenminister Sarif in Teheran ein. Feltman war früher Staatssekretär im US-Außenministerium und US-Botschafter im Libanon.

Über den Inhalt seiner Gespräche ist offiziell nichts bekannt. Iranischen Medien zufolge habe Sarif die Meinung geäußert, der einzige Weg, die Krise in Syrien zu beenden, sei der Weg der Diplomatie und Iran sei bereit, aktiv an Verhandlungen teilzunehmen und sich für eine diplomatische Lösung einzusetzen. Sein Land verurteile den Einsatz chemischer Waffen, gleichgültig von wem diese Waffen eingesetzt worden seien.

Flatman habe ihm zugestimmt und erklärt, die UNO werde sich für die Teilnahme aller beteiligten Staaten an einer diplomatischen Lösung einsetzen. Feltman war im vergangenen Jahr in Begleitung des UNO-Generalsekretärs Ban Ki Moon nach Iran gereist und war unter anderem bei einem Treffen mit Revolutionsführer Chamenei dabei.

Am 27. August sagte der Sprecher des Außenministeriums Abbas Araghtschi laut einer Meldung der dpa: "Der Nahe Osten ist kompliziert genug und braucht keine weiteren Spannungen. Eine westliche Militärintervention in Syrien würde letztendlich nur ein unkontrollierbares Chaos in der gesamten Region auslösen." Er mahnte den Westen zur Besonnenheit, er sollte die gravierenden Konsequenzen einer Militäroperation "auch jenseits von Syrien" nicht unterschätzen. Statt Krieg zu führen sollte man die diplomatischen Bemühungen fortsetzen. Teheran sei bereit, aktiv an diesen Bemühungen teilzunehmen, sagte der Sprecher.

Am 28. August telefonierte Bundesaußenminister Guido Westerwelle mit seinem iranischen Kollegen Sarif über einen möglichen Militäreinsatz in Syrien, berichtete die Agentur ISNA. "Es sollten keine überstürzten Entscheidungen getroffen werden, da die Konsequenzen die Lage in der ganzen Region nur noch verschlimmern würden. Nur eine besonnene Diplomatie kann die Region vor der Spirale der Gewalt bewahren."

Am 29. August haben laut ISNA Rohani und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin in einem Telefongespräch Pläne für einen Militärschlag gegen Syrien verurteilt. Der Angriff sei äußerst gefährlich, sagte Rohani und erklärte abermals, Iran sei bereit, gemeinsam mit Russland im Syrien-Konflikt zu vermitteln. Außenminister Sarif sagte: "Ein Krieg in Syrien würde nur zu einer Spirale der Gewalt, mehr Extremismus und besonders mehr Terrorismus weltweit führen.... Ob nun in Vietnam, Afghanistan oder im Irak, all die militärischen Optionen haben weder diesen Ländern noch dem Westen was gebracht, außer dass sie kläglich gescheitert sind."

Die Nachrichtenagentur AFP zitierte in einer Meldung vom 29. August den iranischen Armeechef Hassan Firuzabadi mit den Worten: Ein Militäreinsatz gegen die Führung in Damaskus würde Israel "an den Rand des Feuers" bringen. Und Reuters zitierte den Chef der Revolutionsgarden Mohammad Ali Dschafari aus einem Interview mit der Nachrichtenagentur Tasmin, der sagte: "Ein Angriff auf Syrien würde die unmittelbare Zerstörung Israels bringen." Den USA drohte er mit verheerenden Folgen. Syrien würde zu einem "gefährlicheren und tödlicheren Schlachtfeld als der Vietnam-Krieg" und "zum zweiten Vietnam für die Vereinigten Staaten".

Am 31. August überraschte der iranische Außenminister Sarif in einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift Aseman mit der Mitteilung, Iran habe schon vor neun Monaten über die Schweizer Botschaft die USA darüber informiert, dass "chemische Waffen, aus Sarin-Gas hergestellt, aus dem Ausland nach Syrien gebracht wurden". Washington habe darauf nicht reagiert. Woher diese Waffen stammten, sagte Sarif nicht.


DIE ENTWICKLUNG IN ÄGYPTEN

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei zeigte sich "sehr besorgt" über die Lage in Ägypten. "Wir sind beunruhigt über das, was in Ägypten passiert. Die Wahrscheinlichkeit ei nes Bürgerkriegs wächst von Tag zu Tag und das ist eine Katastrophe", sagte er am 9. August beim Abschlussgebet zum Fastenmonat. Er rief die Bevölkerung in Ägypten auf, "die politischen und religiösen Verantwortlichen sowie die Intellektuellen, sich der Gefahr der Lage" bewusst zu sein. "Wenn der Bürgerkrieg beginnt, wird ihn nichts aufhalten können", sagte der Revolutionsführer. Er warnte auch die Außenmächte, sich in Angelegenheiten Ägyptens einzumischen.

Auch die neue iranische Regierung verurteilte das Blutvergießen in Ägypten und rief die Regierung in Kairo auf, die Unterdrückung der Bevölkerung zu beenden. In einer Rede vor dem Parlament am 15. August sagte Präsident Rohani: "Ich warne das ägyptische Militär zu bedenken, dass die Ägypter eine großartige und freiheitsliebende Nation sind."

Das iranische Außenministerium verurteilte am 14. August laut dpa das "Blutbad" in Ägypten und warnte vor einem Bürgerkrieg: "Wir rufen die Sicherheitskräfte zur Mäßigung auf, denn diese Entwicklung könnte gefährliche Konsequenzen haben und sogar zu einem Bürgerkrieg führen." Die Anwendung von Gewalt könne auch gravierende und unumkehrbare Auswirkungen auf den demokratischen Prozess in Ägypten haben. Am 20. August reagierte das Außenministerium nach der Verhaftung des Oberhaupts der Muslimbrüder Mohammad Badia erneut: "Die Dimensionen der Krise sollten über rationale Gespräche gemindert werden, sonst könnten die Spannungen zu einem Bürgerkrieg führen", erklärte der Sprecher des Außenministeriums Hassan Araghtschi. Bei de Seiten sollten sich darüber im Klaren sein, dass aus dieser Krise nur Israel als Sieger hervorgehen könne, sagte er.

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Autor: Bahman Nirumand
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2013