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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/306: Iran-Report Nr. 12 - Dezember 2013


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 12 - Dezember 2013
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.


INNENPOLITIK

• Rohani zieht Bilanz
• Chamenei weiterhin skeptisch
• Chamenei: Wir wollen mindestens 150 Millionen Staatsbürger
• Parole "Tod den USA" weiter umstritten
• Parlament kontra Regierung
• Vizeminister erschossen
• Staatsanwalt an der pakistanischen Grenze getötet
• Komitee zur Rückkehr der Iraner im Exil
• Rechtsanwalt Soltani im Hungerstreik


ROHANI ZIEHT BILANZ

In einem Fernsehinterview zog Präsident Hassan Rohani am 26. November eine Bilanz der ersten hundert Tage seiner Regierung. Der wichtigste Punkt seiner Ausführungen war die Lage der Wirtschaft des Landes. Rohani schilderte vor allem, was er von der Vorgängerregierung geerbt hatte. Die Regierung Ahmadinedschad habe in den ersten sechs Jahren ihrer Amtszeit (2005 - 2011), also in der Zeit vor den UN-Sanktionen, die höchsten Einnahmen gehabt, die je eine Regierung in der iranischen Geschichte erzielen konnte. Doch am Ende verabschiedete sich die Regierung mit den höchsten Schulden, die je eine Regierung hinterlassen habe. Bei den häufigen Reisen in die Provinz sei Ahmadinedschad Verpflichtungen eingegangen, von denen am Ende nur 32 Prozent erfüllt worden seien. Um diese voll zu erfüllen, brauche man mindestens 16 Jahre, sagte Rohani. Im Jahre 2004 sei das Land bei der Getreideproduktion völlig autark gewesen. Ab 2005 wurde jährlich eine Million Tonnen Getreide weniger im Inland gekauft und ebenso viel aus dem Ausland eingeführt. Der Grund war das billige Getreide aus dem Ausland, mit dessen Preis die einheimische Landwirtschaft nicht konkurrieren konnte. Zurzeit importiere Iran mehr als 7 Millionen Tonnen Getreide pro Jahr.

Trotz der wirtschaftlichen Engpässe, die durch die Sanktionen entstanden seien, habe die Regierung wider besseres Wissen die beschlossenen Sanktionen als einen "Wisch" bezeichnet, den man getrost in den Papierkorb werfen könnte, sagte Rohani. Dennoch sei das Land immer mehr in Abhängigkeit von außen geraten. 2005 habe der Import einen Gesamtwert von 38 Milliarden Dollar betragen, 2011 seien es schon 75 Milliarden Dollar gewesen. "Statt für die Iraner hat die Regierung für die Chinesen und Koreaner Arbeitsplätze geschaffen", sagte Rohani. "Leider stimmten unsere Parolen nicht mit unseren Taten überein."

Zu den Erfolgen seiner eigenen Regierung in den ersten hundert Tagen zählte Rohani die Senkung der Inflationsrate von 43 auf 36 Prozent. Er hoffe, in sechzehn Monaten die Inflation auf 25 Prozent reduzieren zu können, sagte er. Weiterhin sei die Regierung dabei, eine Verwaltungsreform durchzuführen.

Die Priorität seiner Regierung sei die Außenpolitik, sagte Rohani. Er werde dabei auf die gezogenen roten Linien genau achten. In diesem Zusammenhang verwies er auf das Atomabkommen von Genf, in dem Iran sein Recht auf Urananreicherung und friedliche Nutzung der Atomenergie durchgesetzt habe. Bereits vor seiner Wahl hatte Rohani im Wahlkampf erklärt: "Die Zentrifugen müssen sich drehen, aber auch die Räder der Wirtschaft." Das bedeutet, dass er der Wirtschaft genauso viel Bedeutung beimisst wie der Außenpolitik.

Im Vergleich zu diesen beiden Bereichen nahm die Innenpolitik in Rohanis Äußerungen weit weniger Raum ein. Seine Regierung habe eine "Charta der Bürgerrechte" entworfen, die nun zur Diskussion veröffentlicht werde, sagte Rohani. "Das ist ein wichtiger Schritt zur nationalen Einheit". Der Präsident versprach, die herrschende polizeistaatliche Atmosphäre zu beseitigen. In diese Richtung seien bereits erste Schritte unternommen worden, sagte Rohani. Als Beispiel nannte er die Druckerlaubnis für zahlreiche bislang verbotene Bücher. "Viele verbotene Schriftsteller sind heute Schnellschreiber geworden", scherzte Rohani.


CHAMENEI WEITERHIN SKEPTISCH

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei hat mit einer Sowohl-als-auch-Stellungnahme Gegnern sowie Befürwortern des neuen außenpolitischen Kurses der Regierung Rohani Recht gegeben. In einer Rede vor Schülern und Studenten sagte Chamenei über die Atomverhandlungen, er sei nach wie vor "nicht optimistisch". "Verhandlungen können aber auch nicht schaden, sie erweitern unsere Erfahrungen und erhöhen die Kapazität unseres Denkvermögens." Daher dürfe niemand die iranischen Verhandlungsführer schwächen. Auch dürfe sie niemand als "Opportunisten" bezeichnen. "Sie sind unsere Söhne, die Söhne der Revolution, sie haben eine schwere Aufgabe zu erfüllen", sagte Chamenei.

Mit dieser Stellungnahme zog sich Chamenei aus der Verantwortung. Auch wenn Rohani und sein Außenminister Sarif immer wieder betonen, dass sie jeden Schritt mit dem Revolutionsführer absprechen, kann Chamenei im Falle des Scheiterns der Verhandlungen an seine zuvor geäußerte Skepsis erinnern. Sollen aber die Verhandlungen zum Erfolg führen, wird er sagen, dass er die Diplomaten unterstützt und ihnen die richtigen Anweisungen gegeben habe.

Chamenei will nichts riskieren. Er weiß zwar, dass eine Lösung des Atomkonflikts ohne eine Annäherung an die USA und ohne Zugeständnisse nicht zu erreichen sein wird. Er ist sich aber dessen bewusst, dass die antiwestliche Propaganda, die seit der Gründung der Islamischen Republik zum substanziellen Bestandteil des islamischen Staates gehört, nicht ohne Legitimationsverlust für das gesamte System und folglich auch für den Revolutionsführer ignoriert werden kann. Dass er dennoch der Regierung grünes Licht für Verhandlungen gegeben hat, hängt mit der wirtschaftlichen Situation zusammen, die vor allem für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung eine schwere Belastung darstellt und folglich zu sozialen Unruhen führen könnte. Zwar ist die Wirtschaftskrise zum Teil hausgemacht, aber auch die über Iran verhängten Sanktionen haben daran einen gewichtigen Anteil.

Alles deutet darauf hin, dass Chamenei bestrebt ist, den Atomkonflikt von den Beziehungen zwischen Teheran und Washington zu trennen. Seiner Vorstellung nach soll die Regierung versuchen, selbst wenn sie gewisse Zugeständnisse machen müsste, den Konflikt beizulegen und den Abbau von Sanktionen durchzusetzen. Dabei soll aber die Feindschaft zu den USA erhalten bleiben. Denn die gehört substanziell zum System und ist auch notwendig, um den Führungsanspruch der Islamischen Republik in der Region durchzusetzen. So ähnlich ist auch die Haltung der Konservativen im Parlament und in den Medien. Es ist auffallend, dass nicht die Verhandlungen kritisiert werden, sondern alle Schritte der Regierung, die auf eine Annäherung an die USA deuten. "Die Amerikaner lächeln uns zu und signalisieren Verhandlungsbereitschaft, aber gleichzeitig sagen sie, dass sämtliche Optionen auf dem Tisch liegen", sagte Chamenei.

Unmittelbar vor den neuen Atomverhandlungen in Genf griff Chamenei die USA sowie Israel noch einmal scharf an. Mit Blick auf Israels Aktivitäten, ein Abkommen zwischen Iran und der Gruppe 5+1 zu verhindern, sagte Chamenei vor einer Versammlung von 50.000 Milizen der Basidsch am 20. November, die Unterstützung des "erbärmlichen zionistischen Regimes, das man nicht einmal als Tier bezeichnen kann, bedeutet für Europa einen Verlust der Ehre. Frankreich muss für sich einen Ausweg finden". Frankreich hatte bei den letzten Genfer Verhandlungen ein schon abgesprochenes Abkommen in letzter Minute verhindert. Politische Beobachter meinen, dass dies mit Rücksicht auf Israel und Saudi-Arabien geschehen war.

Er unterstütze die iranischen Verhandlungsführer, sagte Chamenei, betonte jedoch zugleich, dass sie "um keinen Schritt von den Rechten Irans abweichen" dürften. Er verwies auf seine frühere Äußerung, in der er vom "heldenhaften Einlenken" gesprochen hatte. Diese Äußerung sei von einigen Kommentatoren missverstanden und als Abweichung von Grundprinzipien gedeutet worden. Das "heldenhafte Einlenken" meine nichts anderes als "ein gekonntes Manövrieren und Anwenden verschiedener Taktiken zur Erreichung eigener Ziele", sagte der Revolutionsführer.

"Wir möchten zu allen Staaten Beziehungen haben", fuhr Chamenei fort. "Selbst den Vereinigten Staaten gegenüber empfinden wir keine Feindschaft. Probleme haben wir mit der Regierung der USA und mit den Ausbeutern und Unterdrückern, gegen die wir kämpfen."

Es sei ein Fehler zu glauben, es gäbe zwischen den Präsidenten der USA einen Unterschied, sagte Chamenei. "Die sind alle gleich, ihre Iran-Politik ist dieselbe, ihr Fehler besteht nur darin, dass sie das iranische Volk nicht kennen." "Man muss in jedem wirtschaftlichen oder militärischen Krieg und auf jedem Kriegsfeld dem Feind Widerstand leisten und niemals ihm den Rücken kehren, um ihm den eigenen Willen aufzuzwingen und als Sieger hervorgehen zu können. Dies ist eine Prophezeiung Gottes."


CHAMENEI: WIR WOLLEN MINDESTENS 150 MILLIONEN STAATSBÜRGER

Obwohl Iran ein junges Land ist, erklärte Revolutionsführer Ali Chamenei in einer Botschaft an eine Tagung zur "demographischen Entwicklung und ihrer Rolle in der Gesellschaft", die am 31. Oktober in der heiligen Stadt Ghom stattfand, die Bevölkerungspolitik Irans müsse auf Bevölkerungswachstum ausgerichtet sein. Iran müsse statt 75 Millionen mindestens 150 Millionen Staatsbürger haben. "Das ist das Mindeste, es kann auch noch mehr sein", hieß es in der Botschaft. "Wenn wir so weiter machen wie bisher, werden wir in naher Zukunft ein Land mit alten Menschen sein. Alle Länder, die bereits dieses Stadium erreicht haben, haben ihre Zeugungskraft verloren."

Chamenei hatte bereits vor Jahren die in der Ära Rafsandschani eingeführte Geburtenkontrolle kritisiert. Vor ihm war es der ehemalige Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad, der die Geburteneinschränkungen abschaffte und die Parole "zwei Kinder sind genug" als Fehler bezeichnete.

Die Überlegung, vier, fünf Kinder seien schwer zu ernähren, sei abwegig, wenn man überlege, wie sehr diese Kinder dem Land nutzen würden, wenn sie erwachsen werden und einen Beruf ergreifen, sagte Chamenei. Er kritisierte auch die Festsetzung eines Mindestalters für Eheschließungen. Diese schränke die Zeugungsfähigkeit ein. Auch siebzehn-, achtzehnjährigen hätten sexuelle Bedürfnisse und Lust, Kinder zu zeugen, sagte der Revolutionsführer.


PAROLE "TOD DEN USA" WEITER UMSTRITTEN

Die Frage, ob die Parole "Tod den USA" bei öffentlichen Anlässen gerufen werden soll, beherrscht weiterhin die Gemüter in Iran. Wie wir bereits in der letzten Nummer des Iran-Reports gemeldet hatten, hatte eine Äußerung von Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani den Anlass zu dem Streit geliefert. Rafsandschani hatte in seinen Memoiren geschrieben, Ayatollah Chomeini sei damit einverstanden gewesen, dass die Parole "Tod den USA" eingestellt werde. Auch das Chomeini-Archiv hatte dies bestätigt. Das rief die Radikalen auf den Plan. Freitagsprediger, Militärs, Parlamentsabgeordnete und nicht zuletzt konservative Zeitungen machten gegen Rafsandschani Front. Der Teheraner Freitagsprediger Ahmad Chatami, der Rafsandschani bereits scharf kritisiert hatte, sagte am 1. November: "Die USA haben in den vergangenen fünfzig Jahren 25 Staaten direkt oder indirekt angegriffen. Sie haben Führer von 25 Staaten abgehört. Das kann doch wohl nur bedeuten, dass sie sich für was Besseres, für außergewöhnlich, halten. Und wenn die Außenbeauftragte der Europäischen Union sagt: ,Wir verschärfen den Druck gleichzeitig mit den Verhandlungen', dann sagen wir, wir verhandeln und rufen gleichzeitig ,Tod den USA'."

In verschiedenen Städten wurden Plakate geklebt, auf denen der Vertreter der USA bei den Atomverhandlungen Jackett und Schlips trugen, darunter aber Militärkleidung und Stiefel. Die Aufschrift lautete: "amerikanische Ehrlichkeit". Die Plakate wurden nach einem Protest des Außenministeriums und des Teheraner Stadtrats von der Stadtverwaltung wieder eingesammelt. Auch dagegen gab es Proteste. Am 4. November, dem Jahrestag der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran, tauchten die Plakate wieder auf. Zehntausende Demonstranten riefen "Tod den USA". Sie verbrannten amerikanische Fahnen. Es war der Tag der Radikalen, die bei dieser Gelegenheit ihre Macht demonstrierten.

Washington reagierte gelassen auf die antiamerikanischen Kundgebungen. Jay Carney, Sprecher des Weißen Hauses, sagte am 5. November, die überwiegende Mehrheit des iranischen Volkes hoffe auf eine Besserung der wirtschaftlichen Lage durch eine Annäherung an den Westen. Dies hätten die Wähler bei der Präsidentschaftswahl in Juni deutlich zum Ausdruck gebracht. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, Rohani habe unter anderem mit der Ankündigung, die Beziehungen zum Westen zu verbessern, die Wahl gewonnen.


PARLAMENT KONTRA REGIERUNG

Am 3. November musste Außenminister Mohammad Dschawad Sarif vor dem Ausschuss für Nationale Sicherheit und Außenpolitik Rede und Antwort stehen. Der Abgeordnete Dschawad Karimi Ghoddusi kritisierte die "unakzeptable Stellungnahme" des Ministers zum Holocaust. Sarif sagte bei der Anhörung, er versuche, statt sich mit dem Holocaust auseinanderzusetzen, zu fragen, warum die Palästinenser und die Muslime für das Verbrechen gegen die Juden büßen müssen.

Auf die Frage, warum er Präsident Rohani zum Telefongespräch mit Präsident Obama ermuntert habe, antwortete Sarif, sowohl er als auch Rohani hätten stets in Übereinstimmung mit dem Revolutionsführer gehandelt.

Zu der Frage, ob bei den Atomverhandlungen mit der 5+1-Gruppe die Aussetzung der Urananreicherung erörtert worden sei, sagte Sarif, in diesem Bereich seien noch keinerlei Vereinbarungen getroffen worden.

Die erteilten Antworten des Ministers seien, wie die Abgeordneten nach der Befragung erklärten, nicht überzeugend gewesen. Es war das zweite Mal seit seiner Amtsübernahme, dass der Außenminister von dem Ausschuss befragt wurde. Wie aus Parlamentskreisen bekannt wurde, beabsichtigen die Ausschussmitglieder, den Minister zu einer Fragestunde im Plenum zu bestellen. Gerüchte besagen, dass einige Abgeordnete sogar einen Misstrauensantrag gegen Sarif einreichen wollen.

Solcherlei Pläne sind ein Ausdruck des Unmuts der radikalen Konservativen über die gemäßigte Politik der Regierung. So steht auch der neue Minister für Wissenschaft und Forschung, Resa Faradschi Dana, in der Kritik, obwohl er noch keinen Monat im Amt ist. Er war Rohanis dritter Kandidat für das Wissenschaftsministerium. Der erste war Dschafar Tofighi, den Rohani doch nicht nominierte, weil es von vornherein feststand, dass er vom Parlament abgelehnt werden würde. Der zweite war Dschafar Mili Monfared, den das Parlament ablehnte. Beide stehen den Reformern nahe.

Zu den ersten Amtshandlungen Faradschi Danas gehörte die Ernennung von Tofighi zum Berater des Ministers und von Mili Monfared zum Staatsekretär. Das fassten die Abgeordneten im Parlament als Provokation auf. 82 Abgeordnete legten dagegen schriftlich Protest ein. Gleichzeitig werden im Parlament Unterschriften gesammelt für einen Misstrauensantrag gegen den Minister. Schließlich lud der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung den Informationsminister ein, damit er die Mitglieder über die Vergangenheit der Ernannten informiert, denen eine Teilnahme an den Protesten von 2009 vorgeworfen wird.

Das Parlament lehnte auch den dritten von Rohani für die Führung des Ministeriums für Jugend und Sport nominierten Kandidaten ab. Am 10. November konnte Nasrollah Sadschadi nicht die absolute Mehrheit der anwesenden Abgeordneten erringen. Lediglich 124 Abgeordnete stimmten für ihn. Als Grund nannten die Gegner die frühere Parteinahme Sadschadis für die Reformer. Rohani schlug unmittelbar nach der Abstimmungsniederlage Mahmud Gudarsi, den Leiter der Sportabteilung der Teheraner Universität, als vierten Kandidaten vor. Dieser wurde am 17. November mit 199 Ja-Stimmen gewählt. Damit ist das Kabinett von Rohani nach drei Monaten vollständig.


VIZEMINISTER ERSCHOSSEN

Medienberichten zufolge wurde am Abend des 10. November der Vizeminister für Industrie und Bergbau, Safdar Rahmatabadi, durch zwei Schüssen in Kopf und Brust getötet. Wie die Polizei am Ort feststellte, wurden die Schüsse im Innern des Wagens abgegeben. Spuren einer etwaigen Gewaltanwendung seien nicht festgestellt worden, hieß es in dem Polizeibericht. Von dem Täter fand die Polizei zunächst keine Spur.

Am 13. November gab die Justiz bekannt, dass der Täter gefasst worden sei. Er sei ein Bekannter des Ermordeten gewesen. Anlass der Tötung sei eine private Angelegenheit gewesen. Der Täter habe nach der Festnahme die Tat gestanden.

Rahmatabadi hatte bereits vor zwei Jahren in der Regierung Ahmadinedschad den Posten des Vizeministers übernommen und diesen auch nach dem Regierungswechsel behalten.

Einen Tag nach dem Mord an Rahmatabadi berichteten die Medien von einem zweiten Mord. Ein Mitglied des Stadtrats von Parand wurde in seinem Wagen tot aufgefunden. Er war durch mehrere Messerstiche getötet worden.

Der Stellvertreter des iranischen Polizeichefs, Ahmad Resa Radan, erklärte, die in letzter Zeit erfolgten Tötungen hätten keinerlei politischen Hintergrund. Auch der Staatssekretär im Innenministerium, Ali Abdollahi, sagte, die Tötung von Rahmatabadi sei kein politisch motiviertes Attentat gewesen.


STAATSANWALT AN DER PAKISTANISCHEN GRENZE GETÖTET

Am 6. November bestätigte der Justizchef der Provinz Sistan-Belutschistan, Ebrahim Hamidi, dass der Staatsanwalt beim Revolutionsgericht der Stadt Sabol, Mussa Nuri Ghalehno, von Unbekannten erschossen worden sei. Der Vorfall habe sich ereignet, als der Staatsanwalt mit dem Auto auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle gewesen sei. Die Täter seien mit Kalaschnikows bewaffnet gewesen, sie hätten den Wagen des Staatsanwalts unter Beschuss genommen, zitierte die Agentur Tasnim den Justizchef. Dabei sei auch der Fahrer getötet worden. Das Attentat habe mit den Ereignissen der Vorwoche nichts zu tun, hieß es.

Ende Oktober wurden bei Gefechten mit Rebellen vierzehn iranische Grenzsoldaten an der Grenze zu Pakistan getötet, fünf schwer verletzt und vier entführt. Iran legte dagegen bei der pakistanischen Regierung Protest ein und forderte die Festnahme der Täter. Eine Gruppe namens "Tscheinschol Adl" übernahm die Verantwortung. Grund für die Tötung ist nach Einschätzung einiger Medien die Rolle Irans in Syrien gewesen. Die Justizbehörden reagierten auf das Ereignis mit der Hinrichtung von sechzehn Gefangenen, die sich in iranischer Haft befanden. Die sechzehn Personen - zum Teil Drogenschmuggler und zum Teil Rebellen - seien bereits zum Tode verurteilt gewesen, hieß es aus Justizkreisen. Die Vollstreckung wurde vor allem von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert. Die Hinrichtungen seien willkürlich gewesen. Damit habe die Justiz das Recht, das sie verteidigen sollte, gebrochen und missachtet.

Das Gebiet zwischen Iran und Pakistan, das auf beiden Seiten der Grenzen von vorwiegend sunnitischen Belutschen bewohnt wird, bildet ein Feld für häufige bewaffnete Auseinandersetzungen. Es gibt einige separatistische Gruppen der Belutschen, die für ein selbständiges Belutschistan kämpfen. Oft sind es aber auch Banden von Drogenschmugglern, die in die Falle von Grenzpolizisten geraten und bewaffneten Widerstand leisten.

Die Vereinigung internationaler Menschenrechtsligen (FIDH) protestierte in einer Erklärung vom 29. November gegen die Hinrichtung der 16 Gefangenen. Eine solche Vergeltungsmaßnahme widerspreche dem internationalen Recht. Die Häftlinge seien nicht an der Aktion beteiligt gewesen. Die Häufigkeit der Hinrichtungen der letzten Wochen zeige, dass sich die Lage der Menschenrechte in Iran auch unter der Regierung Rohani nicht geändert habe.


KOMITEE ZUR RÜCKKEHR DER IRANER IM EXIL

Der parlamentarische Staatssekretär im Außenministerium, Hassan Ghaschghawi, gab am 6. November der Presse bekannt, dass die Gründung eines Komitees zur Rückkehr der Iraner aus dem Exil geplant sei. Präsident Rohani habe einige Ministerien, darunter das Informationsministerium und das Außenministerium, angewiesen, dieses Komitee zu bilden.

Der Grund für viele iranische Exilanten, nicht in die Heimat zurückzukehren, sei die "Propaganda der iranischen Auslandsopposition", sagte Ghaschghawi. Dabei gäbe es keinen Grund, Repressalien zu befürchten. Die Regierung habe keinerlei Beschränkungen angeordnet für konsularische Dienstleistungen für politische Aktivisten, die aus welchem Grund auch immer das Land verlassen hätten.

Wenige Tage zuvor hatte Informationsminister Mahmud Alawi erklärt: "Wir versichern, dass Iraner, die keine Straftat begangen haben, bei der Rückkehr keine Probleme mit den Behörden haben werden." Bezug nehmend auf die Unruhen bei der Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad 2009 sagte der Minister "Wir werden unbegründete Ängste von Personen, die keine Straftat begangen haben, beseitigen."

Nach den Protesten von 2009 flüchteten zahlreiche Iraner ins Ausland. Unter ihnen waren sowohl politische Aktivisten als auch Personen, die in Anbetracht der politischen und wirtschaftlichen Lage keine Zukunftsperspektive für sich gesehen haben.


RECHTSANWALT SOLTANI IM HUNGERSTREIK

Der bekannte Rechtsanwalt und Menschenrechtspreisträger Abdolfattah Soltani trat am 1. November gemeinsam mit drei Mithäftlingen im Teheraner Evin-Gefängnis in einen unbefristeten Hungerstreik. Die vier Häftlinge protestierten gegen die schlechten Haftbedingungen und vor allem gegen die schlechte medizinische Versorgung. Zwei Tage später schlossen sich ihnen rund 80 politische Gefangene im Redschaischahr-Gefängnis in Karadsch in der Nähe der Hauptstadt an. Sie warfen der Gefängnisleitung vor, notwendige Überweisungen in Krankenhäuser und die Versorgung mit wirksamen Medikamenten zu behindern. Tatsächlich ist die medizinische Versorgung in den Gefängnisse alles andere als angemessen. Die Folge dieser Vernachlässigung ist, wie die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi in einem Interview mit der BBC sagte, der dubiose Tod von mehr als einem Dutzend Gefangener in den letzten zwei Jahren.

"Seit langem sind eingekerkerte Anwälte, die nichts anderes getan haben, als die Rechte ihrer Landsleute zu verteidigen, unerträglichen Bedingungen in den Gefängnissen ausgesetzt. Sie leiden unter diversen Krankheiten", schrieben rund vierzig Rechtsanwälte in einem offenen Brief. Sie warfen den Leitungen der Gefängnisse vor, die Forderungen der Gefangenen, die sich über die unhygienischen Zustände in den Gefängnisse und den Mangel medizinischer Versorgung beklagen, zu ignorieren. Die Unterzeichner baten Soltani und seine Mitgefangenen, ihren Hungerstreik zu beenden.

Der nun 60-jährige Soltani war Mitbegründer des Zentrums für Verteidigung der Menschenrechte. Er war auch einer der mutigen Anwälte, die stets bereit waren, politische Angeklagte vor Revolutionsgerichten zu verteidigen. Für eben dieses Engagement wurde Soltani im September 2011 in Haft genommen und wegen "Propaganda gegen die Islamische Republik", "Versammlung und Verschwörung gegen den islamischen Staat" und "Annahme unerlaubter Geldmittel" (Annahme des Preises der Stadt Nürnberg) zunächst zu 18 Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt. Später wurde das Urteil auf 13 Jahre Haft reduziert.

2009 bekam Soltani den Menschenrechtspreis der Stadt Nürnberg. "Wir erinnern an sein Schicksal und bekräftigen unseren Einsatz für seine Freiheit", erklärten der Integrationsbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Frieser und die Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Menschenrechte, Erika Steinbach (CDU) am 4. November in Berlin. "Abdolfattah Soltani und seine Familie dürfen nicht bei ihrem bemerkenswerten Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Iran alleingelassen werden." Die Unionspolitiker forderten die sofortige Freilassung Soltanis.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Verhandlungserfolg in Genf
• Reaktionen auf das Atomabkommen außerhalb Irans
• Reaktionen in Iran
• Verhandlungen mit der Atombehörde
• Iran übernimmt Vorsitz der gasproduzierenden Länder
• Streik der Betonarbeiter
• Serienproduktion von Abwehrraketen begonnen


ATOMKONFLIKT

Nach zehnjähriger monatlicher Berichterstattung im Iran-Report über den Atomkonflikt können wir zum ersten Mal über eine, wenn auch vorläufige Einigung berichten. Tatsächlich haben die Gruppe-5+1 (USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich plus Deutschland) am 24. November in Genf eine Vereinbarung für die nächsten sechs Monate mit Iran getroffen.

Wochenlange diplomatische Aktivitäten gingen dem Abkommen voraus.

Während draußen auf den Straßen Irans zehntausende Demonstranten "Tod den USA" skandierten und amerikanische Fahnen verbrannt wurden, schrieb Präsident Rohani am 4. November auf seinem Twitteraccount: "Die gegenwärtige Situation, die das iranische Volk mit der vergangenen Wahl geschaffen hat, bietet einmalige und beispiellose Möglichkeiten für die Atomverhandlungen." Aus US-Kreisen hieß es, beide Seiten kämen mit der klaren Erwartung eines "ersten Schritts" zu den Verhandlungen am 7. November nach Genf. Sollte Iran zur Einschränkung seines Atomprogramms bereit sein, sei der Westen im Gegenzug bereit, Sanktionen "begrenzt, gezielt und umkehrbar" zu lockern. Zugleich erhöhten die USA den Druck auf Iran. "Wir wollen eine erste Phase, einen ersten Schritt, eine anfängliche Übereinkunft sehen, die das iranische Atomprogramm daran hindert, voranzukommen und es erstmals seit Jahrzehnten zurückschraubt" zitierte Reuters einen hochrangigen Vertreter der US-Regierung am 7. November. Andernfalls würden die USA neue Sanktionen gegen Iran verhängen. Auch im Falle eines Einlenkens Irans würden die Sanktionen im Kern weiterlaufen und nur geringfügig gelockert werden. Eine vollständige Aufhebung werde es nur geben, wenn ein endgültiger Vertrag zustande kommen würde. Demgegenüber zitierte die Agentur "Mehr" am 8. November ein Mitglied der iranischen Verhandlungsdelegation mit den Worten: "Wir haben dem Westen gesagt, dass in der ersten Phase (eines Abkommens) das Thema Banken und Ölsanktionen in Betracht gezogen werden muss."

Bei den Verhandlungen in Genf zeichnete sich indes ein Durchbruch ab. Es gäbe nur noch wenige Punkte, die noch behandelt werden müssten, hieß es. Der iranische Verhandlungsführer Abbas Araghchi sagte, die Verhandlungspartner hätten die Rahmenbedingungen seines Landes akzeptiert. Eine Lösung schien so nah, dass US-Außenminister John Kerry am 9. November überraschend in Genf auftauchte. Er wolle helfen, die noch bestehenden Differenzen zu überbrücken, hieß es aus Washington.

Die Aussicht auf eine Einigung forderte Proteste aus Israel heraus. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte vor einem Kompromiss. Eine Übereinkunft mit Iran wäre "ei n Fehler von historischem Ausmaß", sagte er. Diese Positionierung Israels zwang Kerry, vor Genf einen Abstecher zu einem Treffen mit Netanjahu zu machen. Er traf ihn auf dem Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv. Es war das dritte Treffen der beiden Politiker innerhalb von drei Tagen. Kerry befand sich auf einer Nahostreise. Doch offenbar gelang es dem US-Außenminister nicht, Netanjahu umzustimmen. Auch Präsident Obama versuchte Israel zu beruhigen. "Bei den derzeitigen Verhandlungen geht es darum, wie Iran dami t beginnt, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen und sicherzustellen - nicht nur für uns, sondern für die ganze Welt -, dass er keine Atomwaffen entwickelt und dass sein Nuklearprogramm friedlich ist", sagte Obama. Zugleich warnte er Teheran, eine Einigung platzen zu lassen: "Dann können wir den Zeiger auch wieder zurückdrehen." Der Präsident stand nicht nur unter israelischem Druck. Auch der US-Kongress drohte mit härteren Sanktionen gegen Iran. Sein Sprecher Josh Earnest sagte am 8. November gerichtet an die Senatoren und auch an Israel: "Noch gibt es keine Einigung. Jede Kritik ist verfrüht."

Auch die übrigen Außenminister der 5+1-Gruppe folgten, mit Ausnahme des chinesischen, Kerry nach Genf. Alle Teilnehmer bestätigten am 2. Verhandlungstag Fortschritte. Irans Außenminister Sarif führte mit seinem amerikanischen Amtskollegen Kerry ein fünfstündiges Gespräch. Am dritten Verhandlungstag wendete sich das Blatt. Offenbar legte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius gegen das unterschriftsreife Abkommen ein Veto ein. Er sagte AP zufolge, Teheran sperre sich gegen eine Reihe von Zugeständnissen, die im Gegenzug für die Lockerung der Sanktionen gegen das Land nötig seien. Obwohl absolute Geheimhaltung des Inhalts der Gespräche vereinbart worden war, sagte Fabius in einem Radiointerview, Teheran lehne die Einstellung der Aktivitäten an einem Plutonium-produzierenden Reaktor in Arak ab. Weitere Differenzen gäbe es bei der Reduzierung der Anreicherung. "Es gibt mehrere Punkte, bei denen ... wir noch nic ht zufrieden sind gegenüber dem ursprünglichen Text." Frankreich wolle nicht Teil eines "Schwindels" sein.

Iran warf Frankreich vor, die Interessen Israels und der Golfstaaten, insbesondere Saudi-Arabiens, zu vertreten. Rohani mahnte, die Chance zu einer Einigung nicht verstreichen zu lassen. Knackpunkte der Verhandlungen waren der Grad der Urananreicherung, die Schärfe der Kontrollen der Anlagen, das Stilllegen des Schwerwasserreaktors in Arak und die offizielle Anerkennung des Rechts Irans auf die Urananreicherung und die friedliche Nutzung der Atomenergie.

Die erste Runde der Verhandlungen in Genf endete nach drei Tagen ohne Einigung. Man einigte sich lediglich auf einen neuen Termin 20. November. Wenige Stunden zuvor hatte Sarif in einem Interview mit der BBC erklärt, sollte es zu keiner Einigung kommen, wäre das "keine Katastrophe".

Kerry sprach von einem "bedeutenden Fortschritt". Einige Themen müssten noch ausgearbeitet werden, sagte er. "Wir sind den Franzosen dankbar für die Arbeit, die wir zusammen geleistet haben." Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, die die Verhandlungen führte, sagte: "Unser Ziel besteht darin, einen Abschluss zu erreichen. Dafür werden wir wiederkommen und es in Angriff nehmen." Russlands Außenminister Sergej Lawrow lobte das Vorgehen Irans. "Die Strategie ist, auf Drohungen und Sanktionen zu verzichten und in einer professionellen Weise vorzugehen. Die neue iranische Regierung war in diesem Bereich sehr entschieden und das Treffen sehr gehaltvoll." Auch der britische Außenminister William Hague bilanzierte die Verhandlungen positiv. "Es gibt noch immer Klüfte. Es sind schmale Klüfte", sagte er der BBC. "Ein Abkommen liegt auf dem Tisch und es ist möglich." Das Verhalten der iranischen Delegation sei "ausgesprochen konstruktiv" gewesen, sagte er.

Kerry nahm auch Stellung zu der Kritik aus Israel. "Wir sind nicht blind und ich denke auch nicht, dass wir dumm sind", sagte er am 10. November dem US-Fernsehsender NBC. "Ich glaube, wir können sehr gut einschätzen, ob wir im Interesse unseres Landes und der Welt handeln, insbesondere im Interesse unserer Verbündeten wie Israel und den Golfstaaten." Die USA seien entschlossen ein "gutes Abkommen" zu erreichen. Ein schlechtes Abkommen würden sie niemals hinnehmen. In einem Interview mit der BBC am 12. November sagte Kerry: "Wir waren einer Einigung sehr nahe gekommen", aber Iran habe seine Zustimmung verweigert und einen "Rückzieher" gemacht. Diese Äußerung forderte Irans Protest heraus. Außenminister Sarif sagte, die "widersprüchlichen Äußerungen" Kerrys behindern die erforderliche Vertrauensbildung. Die Einigung sei nicht zustande gekommen, weil die Gegenseite sich nicht einig gewesen sei. Damit war wohl das Veto Frankreichs gemeint.

Am 10. November betonte Präsident Rohani vor dem Parlament in Teheran, dass Iran von seinem Recht auf Urananreicherung nicht abrücken werde. "Eine Einstellung der Urananreicherung ist eine rote Linie, die nicht überschritten wird." In diesem Punkt werde Iran auch nicht dem internationalen Druck weichen. "Wir sind für logische und rationale Verhandlungen und das haben wir bei den Treffen in New York und Genf bewiesen, aber wir sind auch gegen Diskriminierung und Verletzung unserer legitimen Rechte", sagte d er Präsident.


VERHANDLUNGSERFOLG IN GENF

Die nächste Runde der Verhandlungen in Genf begann am 20. November. Sie wurden geleitet von Catherine Ashton und Dschwad Sarif. Die gemeinsame Sitzung dauerte nicht lange, nach wenigen Minuten ging man zu bilateralen Gesprächen über. In Washington bemühte sich Präsident Obama, hohe Erwartungen zu dämpfen. Die harten Sanktionen, vor allem jene im Öl- und Banksektor, würden unangetastet bleiben. Es werde nur geringe Lockerungen geben. Auch werde Iran von den 100 Milliarden Dollar seiner im Ausland eingefrorenen Guthaben nun einen Bruchteil erhalten.

Sowohl bei den ersten als auch bei den zweiten Verhandlungen in Genf ging es um ein vorläufiges Abkommen für eine Zeit von sechs Monaten. Ein endgültiges Abkommen sollte im Falle der Einhaltung der Vereinbarungen auf beiden Seiten innerhalb eines Jahres zustande kommen.

Die Verhandlungen in Genf dauerten vier Tage. Am 2. Tag begab sich zunächst Russlands Außenminister Lawrow nach Genf, ihm folgten dann die Außenminister der USA, Frankreichs, Chinas, Deutschlands und Großbritanniens. Am Ende kam ein vorläufiges Abkommen zustande, das manche als "historischen Durchbruch", mache als "großen Sieg" bezeichneten. Andere hingegen begegneten dem Abkommen mit Skepsis, bezeichneten es gar als "historischen Fehler".

Hier nun die wichtigsten Punkte des Abkommens:

Das Abkommen gilt für eine Zeit von sechs Monaten. Ein umfassendes und endgültiges Abkommen soll während dieser Zeit, spätestens jedoch innerhalb eines Jahres ausgearbeitet werden. Die Urananreicherung Irans bleibt auf höchsten fünf Prozent beschränkt. Der gesamte Vorrat von bis zu 20 Prozent angereichertem Uran muss in Brennstoff verwandelt oder bis auf unter 5 Prozent abgeschwächt werden. Iran darf keine zusätzlichen Zentrifugen installieren. Die Hälfte der arbeitenden Zentrifugen in Natans und dreiviertel der Zentrifugen in Fordo sollen stillgelegt werden. Bestehende Atomanlagen dürfen nicht erweitert, zusätzliche Anlage nicht gebaut werden. Der Schwerwasserreaktor in Arak, in dem Plutonium produziert werden könnte, darf nicht in Betrieb genommen werden. Den Inspektoren der Atomenergiebehörde (IAEA) wird erlaubt, täglich in den Anlagen Natans und Fordo Kontrollen durchzuführen. Sie erhalten außerdem Zugang zu Fabriken, in denen Zentrifugen hergestellt werden sowie Zugang zu Unterlagen und Uranförderanlagen.

Im Gegenzug wurden Iran folgende Zugeständnisse gemacht: In den nächsten sechs Monaten wird es keine zusätzlichen Sanktionen gegen Iran geben. In bestimmten Bereichen wie im Automobil- und Goldsektor sowie beim Export petrochemischer Produkte werden die Sanktionen vorläufig aufgehoben. Ferner sollen beschränkte Ölkäufe zugelassen werden. Der Import von Medikamenten und Nahrungsmitteln soll erleichtert werden. Etwa sieben von hundert Milliarden Dollar der im Ausland eingefrorenen Guthaben werden für bestimmte Ausgaben Irans freigegeben.

Die Zugeständnisse an Iran sind weit geringer ausgefallen als erwartet. Dem Abkommen gemäß wird Iran lediglich über sieben Milliarden seines im Ausland eingefrorenen Guthabens verfügen können. In den kommenden sechs Monaten darf Iran seine Ölproduktion nicht steigern, was im Vergleich zu 2011 ein Verlust von 30 Milliarden Dollar bedeutet. Einer Erklärung des Weißen Hauses in Washington zufolge wird Iran über lediglich 4,2 Milliarden Dollar seiner Öleinnahmen verfügen können. Die restlichen 15 Milliarden Dollar bleiben auf Banken des jeweiligen Käuferlands, zu denen Iran keinen Zugriff hat. Die Sanktionen über die iranische Zentralbank und andere Banken bleiben bestehen, ebenso wie die Einschränkungen der Versicherungsgesellschaften und bei Schiffstransport und Schiffsbau.


REAKTIONEN AUF DAS ATOMABKOMMEN AUßERHALB IRANS

Das Abkommen sei ein "Sieg für alle", sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow am 24. November. "Niemand hat verloren. Es ist gelungen, eine der größten Aufgaben der Weltpolitik zu lösen." Die iranische Regierung habe durch ihr Vorgehen Vertrauen geweckt, was nun "unseren Partnern USA und EU erlaubt, den Sanktionsdruck auf Iran zu lockern", sagte Lawrow und forderte die EU und USA auf, die von ihnen zusätzlich zu den UN-Maßnahmen verhängten Sanktionen aufzuheben.

US-Präsident Barack Obama nannte das Abkommen "eine wichtige erste Etappe". Es versperre Irans Weg zur Atombombe. Die Lockerung der Sanktionen sei vorübergehend, betonte der Präsident. Sollte Iran sich nicht an die Vereinbarungen halten, würden sie wieder greifen. Das Abkommen sähe "substanzielle Beschränkungen" vor, um Iran "vom Bau einer Atomwaffe abzuhalten". Gleichzeitig mahnte Obama den Kongress, innerhalb der vereinbarten Frist keine weiteren Sanktionen gegen Iran zu beschließen. Außenminister John Kerry erklärte, Iran werde "kein Recht auf Urananreicherung" zugestanden, "ganz gleich, was für interpretierende Kommentare gemacht werden." Das Abkommen mache die Welt sicherer, das gelte auch für Israel und "unsere Partner in der Region".

Der französische Außenminister Laurent Fabius sagte, das Abkommen erkenne Irans Recht auf eine friedliche Nutzung der Atomenergie an, schließe aber zugleich "jeglichen Zugang zur Atombombe aus". Der noch amtierende deutsche Außenminister Guido Westerwelle sprach von einem "Wendepunkt". Auch der britische Außenminister William Hague lobte das Abkommen. Es sei "gut für die ganze Welt, inklusive der Nahost-Staaten und der Menschen in Iran selbst".

Saudi-Arabien hat trotz Befürchtungen, Iran könnte gestärkt aus den Verhandlungen hervorgehen und die USA würden im Falle einer Normalisierung der Beziehungen zu Teheran nicht mehr Saudi-Arabien als wichtigsten Partner in der Region betrachten, eine diplomatisch positive Stellungnahme abgegeben. Das Abkommen könne "ein erster Schritt zu einer umfassenden Lösung für Irans Atomprogramm sein, wenn es gute Absichten gibt", hieß es aus Riad. Auch die anderen Golfstaaten wie Katar, Bahrain, Kuwait und Oman begrüßten das Abkommen.

Eindeutige Kritik und Ablehnung kam aus Israel. Bereits am 10. November warnte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor einem "schlechten und gefährlichen Abkommen". Verteidigungsminister Mosche Jaloon erklärte, ein Abkommen unter den "gegenwärtigen Bedingungen" wäre ein "historischer Fehler", der es Irans "kriegerischem Regime" ermöglichen würde, "sein gefährliches Atomprogramm fortzusetzen". Und Wirtschaftsminister Naftali Bennett kündigte an, nach Washington zu reisen, um die Kongressmitglieder gegen einen Vertrag mit Iran zu mobilisieren. Denn hier stehe Israels Sicherheit auf dem Spiel: "Wenn in zehn Jahren eine in einem Koffer versteckte Atombombe in New York explodiert oder eine Atomrakete in New York einschlägt, wird man sagen können, dass all das wegen der Konzessionen passiert ist, die gemacht wurden." Bennetts Stellvertreter Danny Danon sagte: "In zweieinhalb Jahren wird ein anderer Präsident ins Weiße Haus ziehen. Wir aber werden immer noch da sein." Er fügte hinzu: "Sollten wir keine andere Wahl haben, werden wir handeln. Dafür haben wir eine Luftwaffe."

Als die Verhandlungen in der ersten Runde scheiterten, äußerte Netanjahu seine Freude und Zufriedenheit und sagte, er werde nichts unversucht lassen, um ein "schlechtes Abkommen" mit Iran zu verhindern. Frankreichs Präsident Francois Hollande reiste am 17. November nach Israel, um unter anderem auch über die Verhandlungen mit Iran zu sprechen. Vor dem israelischen Parlament sagte Hollande am 18. November, Frankreich sei entschlossen, Iran an der Erlangung von Atomwaffen zu hindern. Am 22. November traf Kerry in Tel Aviv ein, um ein mögliches Abkommen mit Iran darzustellen. Dazwischen (am 20. November) flog Netanjahu nach Moskau, um Präsident Putin vor einer Vereinbarung mit Iran zu warnen. Am 19. November warnte Netanjahu Deutschland von einem iranischen Atomangriff. In einem Interview mit der "Bild"-Zeitung sagte er: "Iran baut Interkontinentalraketen, die nicht Israel, sondern Europa und die USA treffen sollen. Und wenn man ihnen die Fähigkeit dazu nicht wegnimmt, werden Sie eines Tages aufwachen und iranische Atomraketen werden auf deutsche Städte gerichtet sein." Netanjahu äußerte die Hoffnung, die Deutschen würde begreifen, dass das Regime in Iran sich nicht geändert habe. Die Iraner hätten vielleicht ihren Stil geändert, nicht aber ihre Ideologie, sagte er. Am 22. November sagte der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, den Ruhr-Nachrichten: "Jedes Ergebnis, das nicht das Ende des Atomprogramms bedeutet, wäre ein fataler Fehler. Wir wissen, dass die Iraner in sechs Monaten die Atombombe haben können. Dem muss die Welt etwas entgegensetzen. Ein Aufweichen der Sanktionen wäre ein falsches Signal." Die Iraner wollten Israel vernichten, "das ist ihr erklärtes Ziel", fügte er hinzu. Am 24. November, kurz nach dem Zustandekommen des Abkommens bezeichnete der für Geheimdienstangelegenheiten zuständige Minister Yuval Steinitz das Abkommen als wertlos, gar kontraproduktiv. "Israel kann nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen, die auf iranischen Betrug und (internationaler) Selbsttäuschung basieren. Diese Vereinbarung ist schlecht und wird es noch schwerer als zuvor machen, eine tragfähige Lösung für die Zukunft zu schaffen." Durch den Vertrag sei es wahrscheinlicher geworden, dass Iran die Atombombe baut. Der Kompromiss ändere nichts an der israelischen Haltung. Außenminister Avigdor Lieberman bezeichnete das Abkommen als "größten diplomatischen Sieg" Irans. Wirtschaftsminister Bennett erklärte, Israel fühle sich nicht an das Abkommen gebunden. "Iran bedroht Israel und Israel hat das Recht sich zu verteidigen." Sein Land sei auf alle Eventualitäten vorbereitet.

Am 25. November versuchte Obama in einem Telefongespräch Netanjahu zu beschwichtigen. Er versicherte ihm, dass die USA weiterhin zu Israel stünden. Er werde sofort intensive Beratungen mit der israelischen Regierung aufnehmen, sagte Obama.


REAKTIONEN IN IRAN

Nachdem Revolutionsführer Ali Chamenei seine, wenn auch wie immer zweideutige Zustimmung zu dem Abkommen erteilt hatte, wagten vorerst nur wenige, sich kritisch zu äußern. Doch ein Unbehagen im Parlament und in den rechten Medien ließ sich nicht verbergen.

Staatspräsident Hassan Rohani teilte dem Revolutionsführer Ali Chamenei in einem Schreiben mit, es sei der Regierung "mit Gottes Beistand" gelungen, "das Recht Irans auf Nutzung der Atomenergie durchzusetzen." Iran habe die Rechte des Landes standhaft verteidigt und mit unwiderlegbaren Argumenten erreicht, den "Prozess der unrechtmäßigen Sanktionen" aufzuhalten. Damit habe das Sanktionsregime erste Brüche bekommen.

"Das, was Sie als Erfolg geschildert haben, ist zu begrüßen und dem Atomverhandlungsteam und anderen Mitwirkenden gebührt dafür Dank", hieß es in dem kurzen Antwortschreiben Chameneis an Rohani. "Das Abkommen kann die Grundlage für weitere kluge Schritte bilden." "Ohne Zweifel haben Gott, unsere Gebete und die Unterstützung des iranischen Volkes diesen Erfolg ermöglicht. Auch in Zukunft müssen Standhaftigkeit und Widerstand gegen unberechtigte und überhöhte Forderungen unsere Leitlinien bilden."

Außenminister Dschawad Sarif bezeichnete das Abkommen als eine große Errungenschaft. Iran werde ohne Abstriche sein Atomprogramm fortsetzen, keine Anlage werde stillgelegt und der Schwerwasserreaktor in Arak bleibe wie bisher in Betrieb. Auch das gesamte bislang angereicherte Uran werde im Land bleiben.

Diese Äußerungen Sarifs stimmen mit den Aussagen anderer Verhandlungsteilnehmer und den Berichten der Agenturen nicht überein. Darauf machten einige Abgeordnete im Parlament aufmerksam. Mehrdad Bazrpasch sagte: "Die Nachrichten, die wir bisher erhalten haben, besagen, dass praktisch nahezu das ganze Atomprogramm stillgelegt werden soll. Ich habe nicht verstanden, was wir als Gegenleistung bekommen haben." Nicht einmal das Recht Irans auf Nutzung der Kernenergie sei in dem Abkommen ausdrücklich erwähnt, sagte Bazrpasch. Laut der Agentur Fars haben 70 Abgeordnete einen Antrag unterzeichnet, in dem Rohani und Sarif aufgefordert werden, dem Parlament Rede und Antwort zu stehen.

Am 24. November teilte Sarif im iranischen Fernsehen die Ergebnisse der Verhandlungen mit. Das Abkommen sei vorläufig und für beide Seiten jederzeit aufkündbar. Er forderte die Journalisten auf, sich nicht von den Äußerungen der Gegenseite beeinflussen zu lassen. Die getroffenen Vereinbarungen in Genf seien weder mit den Positionen der USA noch "mit unseren Positionen" identisch. Keine Seite habe die eigenen Forderungen durchsetzen können. Er hoffe, dass es binnen sechs Monaten zu einem umfassenden und endgültigen Vertrag kommen werde. Erst dann würden sämtliche Sanktionen, sowohl die des UN-Sicherheitsrats als auch jene der EU und der USA, aufgehoben werden. Das gegenwärtige Abkommen schreibe vor, dass die vorgesehenen Schritte auf beiden Seiten parallel erfolgen. Das Abkommen sei keine Verpflichtung, sondern ein freiwilliger Akt und jederzeit aufkündbar. Sarif sagte, er habe immer die Worte des Revolutionsführers im Ohr. Man könne der anderen Seite nicht trauen. "Das tun wir auch nicht, aber das hindert uns nicht daran, mit ihnen zu verhandeln."


VERHANDLUNGEN MIT DER ATOMBEHÖRDE

Parallel zu den Atomverhandlungen in Genf verhandelte die Internationale Atombehörde (IAEA) mit Iran. Am 11. November reiste der Chef der Behörde, Yukia Amano, nach Teheran zu Gesprächen mit hochrangigen Regierungsvertretern, um, wie sein Büro mitteilte, die Zusammenarbeit und den Dialog mit Iran zu stärken. Der Besuch kam auf Vorschlag Irans zustande. Weil sein letzter Besuch in Teheran im Mai 2012 zu keinem Ergebnis geführt hatte, zögerte Amano zunächst, nahm aber die Einladung doch an.

Iran hatte angekündigt, zusätzlich zu den Verhandlungen mit der Gruppe 5+1 auch mit der IAEA Vereinbarungen zu treffen. Irans Botschafter bei der IAEA, Resa Nadschafi, sagte, er habe einen Plan mit konkreten Maßnahmen entworfen und wolle auf dieser Basis mit Amano ein Abkommen schließen.

"Ich hoffe wirklich, dass wir heute konkrete Ergebnisse erzielen", sagte Amano bei seiner Ankunft in Teheran. Sein Ziel sei, "alle offenen Fragen zu klären, um sicherzustellen, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient".

Der Besuch war, wie beide Seiten bestätigten, erfolgreich. Iran hatte sich bereiterklärt, eine umfassendere Überwachung seiner Atomanlagen zuzulassen. Die praktischen Details sollen in den nächsten drei Monaten geklärt werden, sagte Amano. Vereinbart wurde unter anderem der Zugang der Inspektoren zu dem noch im Bau befindlichen Schwerwasserreaktor in Arak.

Ausgeklammert wurde offenbar eine Untersuchung der Militäranlage Parchin, wo nach Vermutung westlicher Geheimdienste Tests mit Sprengköpfen für Atomwaffen durchgeführt worden sein sollen. Der Chef der iranischen Atombehörde Ali Akbar Salehi hatte bereits im Vorfeld erklärt, "Dinge, die nicht direkt atomarer Natur sind" sollen in einer "späteren Phase" vorgenommen werden.

Diese Verabredungen sind ein paar Tage später Teil des Abkommens in Genf geworden.

In dem periodischen Bericht der IAEA, der am 14. November veröffentlicht wurde, heißt es, Teheran habe seit der Amtsübernahme der Regierung Rohani sein Atomprogramm nicht ausgeweitet. Die Aktivitäten in Arak seien "mehr oder weniger" stillgelegt. In der Anlage Natans seien in den letzten drei Monaten lediglich vier moderne Zentrifugen installiert worden. In den drei Monaten zuvor seien es 1800 gewesen. Die Menge des 20-prozentig angereicherten Urans sei nur um fünf Prozent erhöht worden. Damit besitze Iran zurzeit 196 Kilogramm höher angereichertes Uran, was weit unter jenen 250 Kilogramm liegt, das für die Herstellung einer Bombe nötig wäre.


IRAN ÜBERNIMMT VORSITZ DER GASPRODUZIERENDEN LÄNDER

Bei der 15. Vollversammlung der gasproduzierenden Länder in Teheran am 3. November wurde ein neuer Vorsitzender gewählt. Libyen, Russland und Iran stellten ihre Kandidaten zur Wahl. Gewinner war der Vertreter Irans, Mohammad Hossein Adeli. Nach seiner Wahl äußerte Adeli die Hoffnung, dass die Organisation der gasproduzierenden Länder zu einem renommierten Mitspieler auf dem Weltmarkt werde. Der Organisation gehören 13 Länder an. Sie verfügen über 70 Prozent der Gasquellen der Welt. Sie produzieren weltweit mehr als 85 Prozent des Rohgases. Allein die drei Staaten Iran, Katar und Russland verfügen über 60 Prozent der Gasquellen der Welt.

Die Organisation gasproduzierender Länder wurde 2001 in Teheran gegründet, etablierte sich aber erst 2008 bei der Vollversammlung in Moskau.

Adeli wurde für zwei Jahre gewählt. Er war ehemals Direktor der iranischen Zentralbank. Politisch steht Adeli Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani nahe, aber auch dem gegenwärtigen Präsidenten Hassan Rohani.


STREIK DER BETONARBEITER

Einem Bericht der Agentur ILNA vom 7. November zufolge haben mehr als hundert Betonarbeiter in der nördlichen Provinz Gilan wegen viermonatigem Lohnausfall gestreikt. Wie ein Streikteilnehmer der Agentur sagte, hätten die Streikenden noch keine "befriedigende" Antwort auf ihre Fragen und Forderungen erhalten. "Wir wissen nicht, wer für unsere Probleme verantwortlich ist. Die Familien der Arbeiter leiden Hunger", sagte ein anderer Arbeiter.

Lohnausfall, insbesondere bei Fabrikarbeitern, ist keine Seltenheit. Die Arbeiter klagen auch über Zeitverträge statt Festanstellungen, über die Weigerung der Arbeitgeber, Sozialabgaben zu leisten und Lohntarife der Inflation anzupassen.

In Iran sind regierungsunabhängige Gewerkschaften nicht zugelassen. Streiks werden zumeist spontan von den Arbeitern selbst organisiert.


SERIENPRODUKTION VON ABWEHRRAKETEN BEGONNEN

Laut dem iranischen Staatsfernsehen gab Verteidigungsminister Hossein Dehghan bei einer Zeremonie am 9. November bekannt, dass Iran nun mit der Serienproduktion einer Luftabwehrrakete begonnen habe. Die Rakete soll in der Lage sein, Angriffe von Kampfflugzeugen, Drohnen und Helikoptern in mittlerer Entfernung abzuwehren. Angetrieben wird die Sajjad 2 - eine verbesserte Version der Sajjad 1 - mit festem Brennstoff. Dadurch werde die Präzision der Geschosse verbessert, sagte Dehghan. Die Rakete sei für elektronische Störsignale unanfällig.

Iran hatte, nachdem die erhoffte Einfuhr von modernen Abwehrraketen aus Russland gescheitert war, versucht, Abwehrraketen im eigenen Land zu produzieren. Der Vertrag von 2007 mit Russland über die Lieferung von modernen, hochwertigen Luftabwehrraketen vom Typ S-300 wurde wegen den Sanktionen 2010 annulliert. Iranische Wissenschaftler hätten nun auch ihre Forschungen zu einem neuen Raketentyp mit dem Namen Talesch abgeschlossen, sagte Dehghan.

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KULTUR

• Schriftstellerverband: "Schafft die Zensur ab"
• Kulturminister: Soziale Netze müssen für alle zugänglich sein
• Schauspielerin zu 18 Monaten Haft verurteilt
• Tageszeitung Bahar verboten


SCHRIFTSTELLERVERBAND: "SCHAFFT DIE ZENSUR AB"

Unter der Überschrift: "Schafft die Zensur ab" veröffentlichte der Verband Iranischer Schriftsteller am 4. November eine Erklärung, in der die Abschaffung der Zensur gefordert wird. Mit der Amtsübernahme der neuen Regierung sei das Thema Buch und damit die Zensur abermals in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt, heißt es in der Erklärung des Verbands. Das sei nichts Neues. Denn seit drei Jahrzehnten gäbe es mit der Wahl jeder neuen Regierung Diskussionen über kulturelle Probleme und damit auch über die Veröffentlichung von Büchern. Dabei würden Interviews geführt, Artikel geschrieben und neue Vorschläge erörtert. Doch am Ende blieben die Schriftsteller und Verleger mit ihren Problemen allein und das Hauptproblem, die Zensur, bleibt bestehen.

Auch mit der Amtsübernahme der neuen Regierung werde das Thema wieder diskutiert. Der neue Minister für Kultur und islamische Führung habe bereits seinen ersten Vorschlag vorgelegt. Demnach könne der Verleger ohne Erlaubnis der Zensurbehörde Bücher veröffentlichen. Sollten diese jedoch den von der Zensurbehörde festgelegten Rahmen nicht einhalten, würde nicht nur der Verkauf verboten werden, sondern die Bücher müssten auch eingestampft werden. Diese Idee gefiel zwar regierungstreuen Verlegern und Autoren, stieß jedoch bei unabhängigen Verlagen auf Ablehnung. Denn sie fühlten sich als Geisel der Zensoren und befürchteten finanzielle Verluste. Manche erklärten sogar, sie würden das alte Verfahren akzeptieren und den gut gemeinten Vorschlag ablehnen.

Solche Vorschläge basieren auf Erhaltung der Zensur, einer Zensur, die im Widerspruch zu der Verfassung stehe, deren Rahmen nicht klar festgelegt sei und die je nach dem Geschmack der gerade herrschenden Fraktion sich ändere. "Doch gleichgültig wer an der Macht ist, die Zensur an sich bleibt unangetastet." Auch der neue Minister für Kultur und islamische Führung habe erklärt, die Zensur sei ein Recht des Staates. "Ohne darüber zu diskutieren, was das Recht des Staates sei, bestehe kein Zweifel darüber, dass in den demokratischen Staaten die Bürger das Recht haben, frei ihre Meinung und ihre Gefühle zu äußern und diese zu veröffentlichen." Demgegenüber sei der Staat verpflichtet, dieses Recht zu schützen.

Der Verband Iranischer Schriftsteller lehne bedingungslos jeder Art von Zensur ab, heißt es in der Erklärung. Mit der Aufhebung der Zensur werde das Grundrecht eines jeden Bürgers auf freie Meinungsäußerung und damit die kulturelle Entwicklung gesichert. Das einzige Gesetz, das die Zensur verhindern kann, ist ein Gesetz, das die Zensur für illegal erklärt. Der Verband sei bereit, jede Initiative, die die Veröffentlichung von Schriften erleichtert und die Zensur schwächt, zu unterstützen. Der Verband betont jedoch, dass "jedes Wenn und Aber den Staaten und Machthabern eine Möglichkeit gibt, die freie Meinungsäußerung immer mehr einzuschränken. Daher fordern wir die vollständige Aufhebung der Zensur."


KULTURMINISTER: SOZIALE NETZE MÜSSEN FÜR ALLE ZUGÄNGLICH SEIN

Der Minister für Kultur und islamische Führung, Ali Dschannati, forderte der Nachrichtenagentur "Mehr" zufolge, den Abbau der Einschränkungen beim Zugang zu den Sozialnetzen. Er sagte: "Facebook muss für alle zugänglich sein."

Vor einer Versammlung von Betreibern von Internetseiten in Teheran erklärte Dschannati am 5. November, die Kontrolle von Facebook liege bei dem Komitee zur Feststellung von Straftaten im Internet, das nicht direkt seinem Ministerium unterstehe. Dort sei das Ministerium lediglich durch einen Beauftragten vertreten.

Das Komitee wurde 2009 gebildet. Vorsitzender ist der Generalstaatsanwalt. Zu den Mitgliedern gehören folgende Minister oder deren Beauftragte: Die Minister für Lehre und Bildung, Kommunikation und Technologie, der Informationsminister, die Minister für Justiz, Forschung und Wissenschaft, der Minister für Kultur und islamische Führung, der Chef des Amtes für islamische Propaganda, der Intendant des staatlichen Fernsehens und Rundfunks und der Chef der Polizei.

Dschannati sagte, die Mitglieder des Komitees müssten davon überzeugt werden, dass nicht nur Facebook, sondern alle sozialen Dienst für alle Interessenten frei zugänglich werden. Die Filterung dieser Dienst müsse auf notwendige Einzelfälle reduziert werden. Natürlich habe "die Regierung die Pflicht, die religiöse Moral und die nationale Kultur zu schützen". Aber in den meisten Fällen sei eine Filterung nicht nötig. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass mache wissenschaftliche Texte nicht aufgerufen werden könnten, weil man bestimmte Begriffe in das Filterungssystem eingegeben habe.

Vor zwei Jahren hatte Revolutionsführer Ali Chamenei die Gründung eines "Rates zur Kontrolle der Kommunikation des Internets, zur Planung und Koordinierung, zur Vorbeugung von Gefahren und Schäden des Internets und zur bestmöglichen und nützlichen Dienstleistung" angeordnet. Ratsvorsitzender ist der Staatspräsident. Mitglieder sind Chef der Justiz, Parlamentspräsident, die Minister für Kultur, Wissenschaft und Information, Intendant des staatlichen Rundfunks und Fernsehens, die Oberkommandierenden der Revolutionsgarden und der Polizei und einige juristischen Beauftragten des Revolutionsführers.

Dschannati sagte: "Heutzutage werden Informationen sehr leicht verbreitet und wir können nicht umhin, den freien Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Wir sollten die Vorteile dieser Dienst nutzen." Er bezeichnete die Bemühungen, ausländische Sender zu stören und damit den Zugang zu diesen Sendern zu verhindern, als nutzlos. "Wir müssen interessante und brauchbare Programme präsentieren, damit die Menschen nicht mehr auf ausländische Sender zugreifen."

Die Äußerungen von Dschannati wurden vom Großayatollah Makaram Schirasi scharf kritisiert. Schirasi, der als eine wichtige religiöse Instanz gilt, sagte bei einem Treffen mit Mitgliedern des Kulturausschusses am 26. November: "Was soll dieses Insistieren auf die Aufhebung der Filterung von Facebook bedeuten?". Die Äußerungen (Dschannatis) seien besorgniserregend. "Ich weiß nicht, was geschehen würde, wenn man dem Ministerium für Kultur und islamische Führung die Entscheidung über moralisches Verhalten und islamische Kleidung überlassen würde. Würde man die Einhaltung Vorschriften kontrollieren oder sie zu den Akten legen?"


SCHAUSPIELERIN ZU 18 MONATEN HAFT VERURTEILT

Laut der Nachrichtenagentur ISNA wurde die Schauspielerin Pegah Ahangarani zu achtzehn Monaten Haft verurteilt. "Pegah hat seit fast drei Jahren Ausreiseverbot und konnte daher eine ganze Reihe von Einladungen aus dem Ausland nicht wahrnehmen", sagte der Agentur zufolge am 28. Oktober die Mutter Manijeh Hekmat. Zuletzt sei sie zu einem Festival in Chicago eingeladen worden, wo ihr letzter Film "dar Band" (in der Falle) präsentiert worden sei. Für ihre Mitwirkung in diesem Film hatte sie beim Fadschr-Festival in Teheran einen Preis gewonnen.

Die 29-jährige Schauspielerin trat zum ersten Mal in dem Film "Das Mädchen mit den Leinenschuhen" von Rasoul Sadr Ameli auf, der 1998 Premiere hatte. Das erste Mal wurde sie vor zwei Jahren für elf Tage in Haft genommen. Für ihre Verurteilung wurde bislang kein Grund genannt. Die Mutter vermutet, dass sie wegen ihrer Äußerungen gegenüber der ausländischen Presse ins Visier der Justiz geraten sei. Bei ihrer ersten Verhaftung wurde ihr Sympathie für die Proteste gegen die Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad 2009 vorgeworfen. Nach Aussage eines Justizsprechers befindet sich Ahangarani nicht im Gefängnis. Sie bleibe solange frei, bis ein Berufungsgericht über den Fall entscheide.


TAGESZEITUNG BAHAR VERBOTEN

Die Kommission zur Kontrolle der Presse hat am 28. Oktober die reformorientierte Tageszeitung Bahar verboten. Der Vorsitzende der Kommission, Alaeddin Sohurian, sagte der Agentur "Mehr", der Fall sei an die Justiz weitergeleitet worden.

Grund für das Verbot war die Veröffentlichung eines Artikels von Ali Asghar Gharawi über den Führer der Schiiten Imam Ali. Der Autor hatte die Ansicht vertreten, die religiöse Rolle des Propheten sei wichtiger gewesen als seine politische Rolle. Wichtig sei nicht, dass er für eine kurzlebige Zeit die politische Führung innehatte, sondern dass er ein Vorbild für die gesamte Menschheit gewesen sei. Der Prophet habe niemals die politische Macht angestrebt und er habe es nicht als Unrecht empfunden, dass vor ihm drei Kalifen als Nachfolger des Propheten Mohammed regiert hätten. Die Botschaft, die der Artikel zwischen den Zeilen mitteilen wollte, war, für einen echten religiösen Führer ist die politische Macht bedeutungslos.

Das rief die Radikalen auf den Plan. Sie behaupteten, der Artikel sei eine Beleidigung des Propheten und der Schiiten. Kulturminister Dschannati sagte, der Artikel sei eine Missinterpretation des islamischen Glaubens. Die Zeitung sei schon ein paar Mal schriftlich gewarnt worden. Die Kritik war so wuchtig, dass die Zeitung sich förmlich entschuldigte. Die Veröffentlichung sei ein Fehler gewesen und der Inhalt des Textes stimme nicht mit der Linie der Zeitung überein, hieß es.

Es ist nun das vierte Mal, dass Bahar verboten wird. Zuletzt blieb sie über Jahre verboten, bis sie Ende 2012 wieder erscheinen durfte. Am 2. November wurde der Herausgeber der Zeitung, Said Purasisi, zur Staatsanwaltschaft bestellt und beim Erscheinen in Haft genommen. Seine Frau sagte der Agentur ISNA, die Verhaftung habe stattgefunden, nachdem der Staatsanwalt die Zeitung angeklagt habe. Am 4. November meldete die Agentur INSA, dass Purasisi gegen eine Kaution in Höhe von 200 Millionen Tuman (rund 8000 Euro) freigelassen worden ist.

Die Tageszeitung Schargh zitierte Kulturminister Dschannati mit den Worten: "Es gibt andere Wege als das Verbot einer Zeitung, um Straftaten zu ahnden." Der Minister habe sein Bedauern über das Verbot geäußert und gesagt, sein Ministerium halte nichts von Verboten.

Mit dem Verbot einer Zeitung werden alle Mitarbeiter über Nacht arbeitslos. Eine so drastische Maßnahme ist völlig unangemessen, zumal sich im Falle von "Bahar" die Zeitung von dem Artikel distanziert hat. Auch diese Maßnahme geht auf die Rechnung der Radikalen, die demonstrieren wollen, dass trotz der angekündigten Liberalisierung durch die neue Regierung keine wesentliche Änderung der bisherigen Politik zu erwarten sei.

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AUSSENPOLITIK

• Sarif: Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten größte Gefahr
• Geheimes Treffen von Iranern und Israelis
• Telefonat Cameron mit Rohani
• USA beobachten Revolutionsführer Chamenei
• Mehrheit der Iraner macht USA für Sanktionen verantwortlich
• Kommandeur der Pasdaran in Syrien getötet
• Bürochef von Al-Alam in Kairo festgenommen
• Anschlag auf iranische Botschaft in Beirut
• Annäherung zwischen Iran und der Türkei
• UN-Resolution gegen Verletzung der Menschenrechte in Iran


SARIF: KONFLIKT ZWISCHEN SUNNITEN UND SCHIITEN GRÖßTE GEFAHR

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif bezeichnete in einem Interview mit dem britischen Sender BBC den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten als die größte Gefahr für die internationale Sicherheit. Er kritisierte einige Staaten, die "Angst verbreiten" und warf ihnen vor, Feindschaften zu säen, um kurzfristige Interessen durchzusetzen.

"Ich denke, der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten bedroht uns alle", sagte Sarif.

Tatsächlich sind allein in diesem Jahr rund 6500 Menschen im Irak dem Konflikt zum Opfer gefallen. Auch der Bürgerkrieg in Syrien hat sich inzwischen zu einem Krieg zwischen Schiiten und Sunniten verwandelt. Die sunnitischen Rebellen werden von Saudi-Arabien, Katar und der Türkei auch militärisch unterstützt.

Alle Seiten in Syrien sollten diesen Konflikt beenden und verhindern, dass die Muslime sich gegenseitig abschlachten, sagte Sarif. Ohne Namen zu nennen, sagte Sarif, einige Führer der Sunniten schürten das Feuer. Die Verbreitung von Angst sei zu einer Normalität geworden. "Wir müssen dieses Feuer löschen", appellierte Sarif.


GEHEIMES TREFFEN VON IRANERN UND ISRAELIS

Wie die BBC unter Berufung auf eine Meldung der Agentur Reuters am 5. November berichtete, haben sich iranische, israelische sowie arabische Diplomaten am 21. und 22. Oktober in einem Hotel in dem kleinen Dorf Glion in der Nähe von Montreux (Schweiz) zu einer geheimen Tagung zum Thema Verbot von Nuklearwaffen im Nahen Osten getroffen.

Die Namen der Teilnehmer wurden nicht genannt. Ein israelischer Politiker habe das Treffen bestätigt, jedoch hinzugefügt, dass die israelischen Teilnehmer lediglich die Positionen ihres Landes erläutert hätten, ohne darüber mit den anwesenden Iranern und Arabern zu diskutieren.

Israel ist das einzige Land in der Region, das über ein Arsenal von Atomwaffen verfügt, was allerdings offiziell nicht zugegeben wird. Demgegenüber hegen Israel sowie die westlichen Staaten den Verdacht, Iran plane den Bau von Atombomben, was Iran bestreitet.


TELEFONAT CAMERON MIT ROHANI

Medienberichten zufolge führten der britische Premierminister David Cameron und Iran Staatspräsident Hassan Rohani am 19. November ein Telefongespräch, bei dem sie über die Beziehungen beider Länder, den Atomkonflikt und den Bürgerkrieg in Syrien sprachen. Es war das erste Gespräch zwischen einem britischen Premier und einem iranischen Präsidenten nach einem Jahrzehnt.

Cameron hatte bei dem Gespräch sein Bedauern über den Anschlag auf die iranische Botschaft in Beirut bekundet, schrieb Rohani auf Twitter. Ein Sprecher des Premiers erklärte, beide Länder kamen überein, ihre Beziehungen schrittweise auszubauen. Die Beziehungen zwischen Teheran und London waren nach einem Angriff von Demonstranten auf die britische Botschaft in Teheran 2011auf Eis gelegt worden. Beide Länder hatten ihre Botschaften im anderen Land geschlossen. Mit der Amtsübernahme der Regierung Rohani begann ein Tauwetter. Inzwischen haben beide Länder einen Geschäftsträger (Chargé d'Affaires) für das andere Land ernannt und die konsularischen Aktivitäten wieder aufgenommen. Großbritannien beauftragte den langjährigen Iran-Spezialisten im Londoner Außenministerium Ajay Sharma, Iran Mohammad Hassan Habibsadeh. Beide Geschäftsträger sollen ab sofort ihre Arbeit aufnehmen.

Das Gespräch fand einen Tag vor der Wiederaufnahme der Verhandlungen in Genf statt. Cameron forderte Iran zu mehr Transparenz auf und Rohani verlangte gegenseitigen Respekt. "Ebenso wie Iran entschlossen ist, dass seine Atomaktivitäten friedlich seien, wird es seine atomaren Rechte verteidigen", sagte Rohani laut AFP. Iran werde "keinerlei Diskriminierung" dulden. "Die Sprache des Respekts muss diejenige der Drohung und der Sanktionen ersetzen."


USA BEOBACHTEN REVOLUTIONSFÜHRER CHAMENEI

US-amerikanische Geheimdienste haben vor vier Jahren Revolutionsführer Ali Chamenei auf seiner Reise in die Provinz Kurdistan ausgespäht. Das Außenministerium in Teheran erklärte am 5. November, Iran werde diesem Sachverhalt ernsthaft nachgehen. Die Sprecherin des Ministeriums Marsieh Afkham sagte, aus Sicht der iranischen Regierung sei jede Spionagetätigkeit, auch die im Internet, schärfstens zu verurteilen.

Nach den kürzlich durch Edward Snowden veröffentlichten Informationen hat die NSA über Satelliten und mit modernsten technischen Mitteln die gesamte Reise Chameneis vollständig ausgespäht. Dabei wurden sämtliche Äußerungen Chameneis sowie die seiner Begleiter und alle Telefongespräche und SMS-Sendungen aufgezeichnet. "Wie nun bekannt wurde, haben die USA bei ihren Spionageaktivitäten nicht einmal auf befreundete Staaten Rücksicht genommen", sagte Afkham. Iran werde alle Mittel einsetzen und auf verschiedenen Ebenen, allen voran auf politischer Ebene, die Machenschaften der USA entlarven. Der UNO lägen bereits Resolutionsentwürfe anderer Staaten zum Schutz der privaten Rechte der Individuen vor.

Die durch die USA verantwortete Spähaffäre sei in der Geschichte einmalig, sagte Afkham. Iran hoffe, dass die Weltgemeinschaft wirksame Schritte unternehmen werden, um solche Machenschaften zu unterbinden.

Aus den von Snowden veröffentlichten Informationen geht hervor, dass die Ausspähung Chameneis eine gemeinsame Aktion von NSA, der Abteilung für geographische Information im US-Verteidigungsministerium N.G.A. und dem britischen Zentrum für Spähaktivitäten gewesen war.


MEHRHEIT DER IRANER MACHT USA FÜR SANKTIONEN VERANTWORTLICH

Laut einer Umfrage des US-Meinungsforschungsinstituts Gallup machen die meisten Iraner die USA für die Sanktionen gegen Iran verantwortlich, Sanktionen, unter denen sie persönlich leiden. Auch zeigt die Umfrage, dass die Mehrheit nach wie vor das zivile Atomprogramm befürwortet.

Bei der Umfrage, die telefonisch durchgeführt wurde, erklärten 85 Prozent der Befragten, dass sie persönlich unter den Sanktionen leiden. Die Hälfte der Befragten bezeichnete die Sanktionen als Hauptgrund für die wirtschaftliche Misere. Nur 12 Prozent der Befragten erklärten, dass sie von Sanktionen nicht betroffen seien.

Das Ergebnis der Umfrage ähnelt dem Resultat einer Umfrage, die Gallup im Februar durchgeführt hatte. Die neue Umfrage, deren Ergebnis am 5. November veröffentlicht wurde, stützt sich auf Antworten von 4.507 befragten Personen in Iran, die zur Zeit der Befragung älter waren als 15 Jahre. Das Institut behauptet, dass das Ergebnis der Befragung zu 95 Prozent auf die Gesamtbevölkerung Irans übertragbar sei.

Doch telefonische Umfragen in Ländern, in denen die Menschen für kritische Äußerungen Repressionen zu befürchten haben, sind höchst umstritten. Wenn ein Iraner von Unbekannten aus den USA angerufen und insbesondere zu sensiblen Themen befragt wird, wird er aus Furcht vor Repressalien wohl eher eine Meinung äußern, die dem Regime passt als eine Meinung, die kritisch sein könnte. Die meisten Iraner gehen davon aus, dass ihr Telefon abgehört wird. So ist es nicht erstaunlich, dass bei der Gallup-Umfrage 68 Prozent der Befragten meinen, die Regierung solle trotz Sanktionen das Atomprogramm fortsetzen. 34 Prozent erklärten sogar, dass sie auch die Verwendung der Atomenergie für militärische Zwecke befürworten würden.


KOMMANDEUR DER PASDARAN IN SYRIEN GETÖTET

Ein Kommandeur der Revolutionsgarde (Pasdaran) wurde der Nachrichtenagentur "Mehr" zufolge am 4. November von Terroristen in Syrien getötet. Mohammad Dschamalisadeh war bereits im iranisch-irakischen Krieg (1980 - 1988) als Kommandeur aktiv. Dschamalisadeh stammt aus der Stadt Kerman. Er hatte sich freiwillig für die Teilnahme an dem Bürgerkrieg in Syrien gemeldet.

Ein Sprecher der Pasdaran erklärte, Dschamalisadeh sei ebenso wie andere Mitglieder der Pasdaran nicht aktiv an den Gefechten beteiligt gewesen. Die Pasdaran seien in Syrien ausschließlich als Berater tätig. Offiziell behauptet Teheran, es gäbe keine Militärs aus Iran in Syrien. Kürzlich sagte Außenminister Sarif zu einem Dokumentarfilm, auf dem iranische Soldaten während der Teilnahme an Kriegshandlung zu sehen waren, Irans Beziehungen zu Syrien seien politisch und nicht militärisch. Iran gehört zu den wenigen Staaten, die Syrien und das Regime von Baschar al-Assad unterstützen.


BÜROCHEF VON AL-ALAM IN KAIRO FESTGENOMMEN

Der Bürochef des iranischen Senders Al-Alam in Kairo, Ahmad al-Siufi, wurde laut einer Meldung von dpa am 7. November von Mitgliedern des ägyptischen Geheimdienstes festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht. Dies bestätigte laut dpa das Arabische Netzwerk für Menschenrechtsinformationen unter Berufung auf Angehörige. Demnach hätten die Beamten die Wohnung al-Siufis überraschend gestürmt.

Die Beziehungen zwischen Iran und Ägypten sind seit der Gründung der Islamischen Republik abgebrochen. Der damalige Revolutionsführer Ayatollah Chomeini hatte den Abbruch angeordnet. Der Grund war der Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel. In den vergangenen Jahren bemühte sich Teheran um eine Annäherung an Kairo. Erst nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak, ging die ägyptische Regierung auf die iranische Offerten ein. Beide Länder trafen einige Abkommen. Doch mit dem Sturz von Mohammad Mursi kühlte das Verhältnis zwischen den beiden Staaten merklich ab.


ANSCHLAG AUF IRANISCHE BOTSCHAFT IN BEIRUT

Bei einem Anschlag auf die iranische Botschaft in Beirut kamen am 19. November 23 Menschen ums Leben, 140 wurden verletzt. Unter der Toten befanden sich auch der iranische Kulturattaché Ebrahim Ansari, sowie einige Sicherheitsbeamte der Botschaft und der persönliche Beschützer des Botschafters, berichtete die Agentur Fars. Das Außenministerium in Teheran verurteilte den Anschlag scharf und bezeichnete ihn als ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und als "Racheakt".

Einem Bericht der BBC zufolge gab es zwei Anschläge unmittelbar vor dem Eingang der iranischen Botschaft. Zunächst zündete ein Selbstmordattentäter auf dem Motorrad eine Bombe. Kurz danach detonierte eine noch deutlich stärkere Bombe, die in einem vor der Botschaft parkenden Auto installiert war. Daneben gab es laut der libanesischen Nachrichtenagentur einen Selbstmordattentäter zu Fuß. Das große Eingangstor und Teile des dreistöckigen Gebäudes wurden zum Teil stark beschädigt. Auf Videoaufnahmen waren Leichen der Getöteten, ein verkohltes Motorrad, brennende Autos und Trümmer zu sehen. Im Inneren der Botschaft habe es keine Verletzten gegeben, berichteten Botschaftsangehörige. Ansari hatte sich außerhalb der Botschaft aufgehalten. Botschafter Ghasanfar Roknabadi entging nur knapp dem Tod. Die erste Bombe hatte den Wagen, den der Botschafter besteigen wollte, gesprengt und einen engen Mitarbeiter des Botschafters in den Tod gerissen.

Die iranische Botschaft in Beirut befindet sich in einem Viertel südlich der Stadt, das vorwiegend von Schiiten bewohnt wird und als Hochburg der Hisbollah gilt. In diesem Viertel gab es in den letzten Monaten mehrere Anschläge sowie Raketenangriffe auf schiitische Einrichtungen.

Die Verantwortung für den Anschlag übernahm eine sunnitische Gruppe mit dem Namen Abdallah-Assam-Brigade, die offenbar der Terrororganisation Al Qaida nahe steht. Sie hatte mehrmals den Rückzug der Hisbollah-Milizen aus Syrien gefordert. Der Führer der Gruppe erklärte auch, solange Iran seine Kräfte aus Syrien nicht abziehe, werde es weitere Anschläge in Libanon geben. Der Hisbollah-Abgeordnete im libanesischen Parlament Ali Mikdad kündigte im Fernsehsender Al-Majadin Vergeltung an. "Wir sagen jenen, die diesen Angriff ausgeführt haben, dass sie uns nicht brechen können. Wir haben die Botschaft gehört und wir wissen, wer sie geschickt hat und wie wir zurückschlagen können", sagte der Abgeordnete.

Die USA haben den Anschlag scharf verurteilt. "Die Vereinigten Staaten kennen nur zu gut den Preis des Terrorismus gegen unsere eigenen Diplomaten rund um die Welt, und wir fühlen das Leid der iranischen Bevölkerung nach dieser gewalttätigen und unbegründeten Attacke", hieß es in einer Stellungnahme des US-Außenministeriums vom 19. November. Der Angriff sei "abscheulich".

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sowie der UN-Sicherheitsrat verurteilten den Anschlag und warnten die Parteien und Gruppen in Libanon vor einer Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg. Die Einheit des libanesischen Volkes müsse gewahrt und die Stabilität nicht auf Spiel gesetzt werden.


ANNÄHERUNG ZWISCHEN IRAN UND DER TÜRKEI

Iran und die Türkei versuchen ihre Differenzen, die ihre Beziehungen in letzter Zeit getrübt hatten, beizulegen und sich wieder anzunähern. Bei einem Besuch des iranischen Außenministers Dschawad Sarif am 2. November in der Türkei bekundeten die Außenminister beider Staaten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz ihre Sorge über die Gefahren eines Krieges zwischen Schiiten und Sunniten. Dieser Krieg, der zurzeit in Syrien beängstigende Züge annehme, gefährde nicht nur die Stabilität und Sicherheit in der gesamten Region, sondern den Weltfrieden, sagte Sarif. Die Bedrohung sei größer als der Einsatz von Chemiewaffen. "Wenn sich die Flammen des Sektierertums im Nahen Osten ausbreiten, wird man das Ergebnis auch in den Straßen von London, New York, Madrid und Rom sehen."

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu stimmte Sarif zu und betonte, dass beide Staaten entschlossen seien, der Gefahr eines Religionskrieges entgegenzuwirken. "Da ich hier zusammen mit dem iranischen Außenminister sitze, können Sie sicher sein, dass wir gemeinsam daran arbeiten werden, Szenarien zu verhindern, wonach es zu einem Konflikt zwischen den Religionsgruppen kommt", sagte der Minister vor Journalisten.

Die Beziehungen zwischen Teheran und Ankara waren vor allem wegen unterschiedlicher Positionen zu dem Krieg in Syrien getrübt. Während Iran nach wie vor das Assad-Regime in Syrien unterstützt, fordert die Türkei den Sturz des Regimes in Damaskus und steht damit auf Seiten der Opposition.

Sarif führte bei seinem Besuch in Istanbul und Ankara auch Gespräche mit dem türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül und dem Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Es gäbe viele Gemeinsamkeiten zwischen den Nachbarstaaten Iran und der Türkei, sagte Sarif. Die Differenzen seien taktischer und nicht strategischer Natur. Gerne sei Iran bereit, an der Friedenskonferenz in Genf (sog. Genf 2) zur Beendigungen des seit 32 Monaten andauernden Krieges in Syrien mitzuwirken, sagte Sarif. Die Türkei hatte mehrmals erklärt, dass die Teilnahme sowohl Irans als auch des Irak an der Syrien-Konferenz notwendig sei. Iran und die Türkei zeigten sich entschlossen, sich gemeinsam um die Wiederherstellung des Friedens in Syrien zu bemühen. "Beide Länder glauben, dass die Situation dringend einer Lösung bedarf. Aber die große Frage ist wie", zitierte Reuters einen türkischen Regierungsvertreter.


UN-RESOLUTION GEGEN VERLETZUNG DER MENSCHENRECHTE IN IRAN

Das Menschenrechtskomitee der UNO hatte am 20. November die Ankündigungen Rohanis, die Lage der Menschenrechte in Iran zu verbessern, begrüßt und zugleich die Häufigkeit der Hinrichtungen auch von Minderjährigen, Folter, Blockade der Sozialnetze, Verbot von Versammlungen und Einschränkungen der freien Meinungsäußerung beklagt. Eine entsprechende Resolution, die mit 83 gegen 36 Stimmen verabschiedet wurde, soll im kommenden Monat der UN-Vollversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden.

Den Resolutionsentwurf hatte Kanada eingebracht. Der kanadische Botschafter Guillermo Rishchynski erklärte, die Menschenrechte würden in Iran weiterhin schwer verletzt. Unmenschliche Strafen, Folterungen, Auspeitschungen und Amputationen seien an der Tagesordnung. "Nach positiven Angeboten und Erklärungen muss die iranische Regierung nun handeln, um ein echtes Bekenntnis zur Menschenrechtsreform zu demonstrieren", sagte er. Kanada hatte 2012 seine diplomatischen Beziehungen zu Iran abgebrochen.

Irans Botschafter Mohammad Chasai warf dem Kanadier vor, ohne Fakten und Argumente unhaltbare Behauptungen aufgestellt zu haben.

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Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Vera Lorenz
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12. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 12/2013 - Dezember 2013 / 12. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2013