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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/342: Iran-Report Nr. 3 - März 2015


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 3 - März 2015
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen.

Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.


INNENPOLITIK

• 36. Jahrestag der Revolution
• Früherer Vizepräsident muss ins Gefängnis
• Iran in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 173
• Chatami soll gänzlich aus den Medien verschwinden
• Ahmadinedschad schlimmer als Iran-Irak-Krieg
• Der große Held Soleimani
• Große Menge an Sprengstoff in Sistan-Belutschistan entdeckt
• Rohani: "Die Regierung braucht Ghom"
• Rätselraten über künftigen Vorsitzenden des Expertenrats


36. JAHRESTAG DER REVOLUTION

Nach Angaben der iranischen Medien haben zum Jahrestag der Revolution am 11. Februar Millionen Menschen an den staatlich organisierten Kundgebungen in Teheran und anderen Städten teilgenommen. Hauptredner auf dem Platz der Freiheit in Teheran war Präsident Hassan Rohani.

Einen Teil seiner Rede widmete der Präsident den Atomverhandlungen. Er Verglich den Kampf der iranischen Diplomaten für die Interessen des Landes mit dem Kampf im Krieg gegen den Irak (1980-1988). "Damals kämpften die Soldaten an der Front und sie wurden hinter der Front von der gesamten Bevölkerung unterstützt. Der schlimmste Verrat ist der Verrat hinter der Front", sagte Rohani. "Heute werden unsere Diplomaten, die die Atomverhandlungen führen, von unserem großen Volk und unserem großen Revolutions-führer unterstützt. Nur die Feinde des Volkes sind gegen Verhandlungen." Als Feind nannte er Israel. "Die Zionisten setzen ihre ganze Kraft ein, um die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen." Doch die gesamte Welt habe diesen "Verrat" durchschaut.

Weiter sagte Rohani, die Behauptung, Iran sei durch Sanktionen zum Verhandlungstisch gezwungen worden, sei eine "Lüge". Iran sei wegen des Friedens und der Sicherheit der Region zum Verhandeln bereit gewesen. "Wenn die Sanktionen Iran zur Kapitulation gezwungen hätten, ist nicht nachvollziehbar, warum ihr sie nicht verschärft fortgesetzt habt, statt an Verhandlungen teilzunehmen, die zur Aufhebung der Sanktionen führen werden", sagte Rohani an den Westen gerichtet. "Warum sagt ihr eueren Völkern nicht die Wahrheit, warum gebt ihr nicht zu, dass es für euch keinen anderen Ausweg gibt, als mit Iran Einigkeit zu erzielen?"

Rohani kam auch auf die Rolle Irans in der Region zu sprechen. Ein effektiver Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat könne nur gemeinsam geleistet werden, sagte er und betonte mit Stolz, dass Iran den Vormarsch des IS auf Bagdad gestoppt habe. Die Kämpfe gegen den IS müssten koordiniert werden, dazu gäbe es keine Alternative. Allerdings setze die Zusammenarbeit voraus, dass der Atomkonflikt gelöst und die Sanktionen vollständig aufgehoben werden, sagte der Präsident.

In einem weiteren Teil seiner Rede erklärte Rohani, seine Regierung werde die Versprechen, die sie dem Volk gegeben habe, einhalten und die angekündigten Pläne in den Bereichen Wirtschaft, Kultur und Soziales umsetzen. Er erwähnte die vorläufigen Vereinbarungen von Genf, die zur Freigabe eines Teils des blockierten iranischen Guthabens geführt hätten und fügte hinzu: "Die Regierung hat zu Beginn ihrer Arbeit erklärt, sie wird dafür sorgen, dass sowohl die Wirtschaft in Gang kommen wird als auch die Zentrifugen sich weiter drehen werden. Daran werden wir weiterhin festhalten." Nun könne er mit Stolz erklären, dass Iran bereits in der ersten Hälfte des Jahres (März 2014 bis August 2014) ein Wachstum von vier Prozent erreicht habe.

Bei der Kundgebung spielten die Atomverhandlungen eine wichtige Rolle. Gegner der Verhandlungen trugen Plakate mit Bildern des gemeinsamen Spaziergangs von Außen-minister Sarif mit seinem amerikanischen Amtskollegen John Kerry. Darunter stand: "Herr Sarif, Sie sind mit dem Außenminister des großen Satans spazierengegangen. Wir sind zwar Analphabeten, aber wir wissen, dass man den USA nicht trauen kann." Sarif hatte nach der vorläufigen Vereinbarung in Genf über die Kritiker, die von den Medien ständig zitiert wurden, gesagt: "Wieso kommen einige Analphabeten, die von bestimmten Kreisen bestochen werden, zu Wort, während Sachverständige und Akademiker zum Schweigen verurteilt sind?"

Einige ranghohe Politiker, die an der Kundgebung teilnahmen, äußerten sich Journalisten gegenüber ebenfalls zu den Atomverhandlungen. Der ultrarechte Vorsitzende des mächtigen Wächterrats, Ahmad Dschannati, erinnerte an eine Äußerung des Revolutions-führers Chamenei, der sich gegen die Fortsetzung der Verhandlungen in zwei Etappen ausgesprochen hatte. Er sagte: "Die USA wollen uns an der Nase herumführen. Unsere Diplomaten sollten sich nach den Anweisungen des Revolutionsführers richten." Zu den Äußerungen Präsident Obamas, der gesagt hatte, für die Iran-Politik der USA lägen alle Optionen auf dem Tisch, bemerkte Dschannati: "Es wäre besser, die USA würden ihre Optionen beiseitelegen."

Auch Sarif lehnte den Zwei-Etappen-Vorschlag ab und betonte, das die Regierung ein umfassendes und endgültiges Abkommen anstrebe. "Diese Ansicht habe ich immer ver-treten und ich freue mich, dass auch der Revolutionsführer diese Meinung teilt", sagte er.

Bei den Demonstrationszügen wurden, wie die Agentur Fars berichtete, immer wieder amerikanische, britische und israelische Fahnen verbrannt. Einige Demonstranten skandierten Parolen gegen die Mohammed-Karikaturen.


FRÜHERER VIZEPRÄSIDENT MUSS INS GEFÄNGNIS

Wegen Veruntreuung von Staatsgeldern wurde der Vize des ehemaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, Mohammad Resa Rahimi, zu fünf Jahren und 91 Tagen Gefängnis sowie einer hohen Geldstrafe verurteilt. Das Gericht sah als erwiesen an, dass Rahimi in mehrere Korruptionsskandale verwickelt gewesen sei. Rahimi wies die Anschuldigungen zurück.

Nach dem Urteil veröffentlichte das Büro von Ahmadinedschad eine Erklärung, in der behauptet wird, dass das Urteil nicht die Zeit betreffe, in der Rahimi Mitglied seiner Regierung gewesen sei. Daraufhin veröffentlichte Rahimi einen offenen Brief. Darin heißt es: "Herr Ahmadinedschad, (...) vielleicht haben Sie vergessen, dass der heute verurteilte Rahimi für die Sturheit und die Peinlichkeiten büßen muss, die Sie veranstaltet haben."

Justizsprecher Gholamhossein Mohsseni Ejehi erklärte, das Gerichtsurteil sei "absolut nicht politisch motiviert", die Anschuldigungen gegen Rahimi stammten aus früheren Zeiten.

Der Abgeordnete Ahmad Tawakoli schrieb auf seiner Webseit "Alef", Ahmadinedschad sei an den Straftaten Rahimis beteiligt gewesen und müsse daher ebenfalls gerichtlich verfolgt werden. Das Urteil gegen Rahimi habe einen bitteren Beigeschmack bei der Bevölkerung hinterlassen. Das Urteil sei nun endgültig. Rahimi müsse nun ins Gefängnis und eine hohe Geldstrafe zahlen, weil er Gelder veruntreut habe. Doch der Schaden, den er angerichtet habe, richte sich gegen den gesamten Staat. Es sei nicht nachvollziehbar, dass jemand, der ein solch großes Vergehen begangen habe, bereit sei, ein so hohes Amt wie das des Vizepräsidenten zu übernehmen.

Die Straftaten, die Rahimi zur Last gelegt werden, stammen aus der Zeit vor seiner Amtsübernahme. Damals war er Chef des Rechnungshofs.

Was Rahim getan habe, sei ein Verbrechen gegen die ganze Gesellschaft, schreibt Tawakoli. Dabei habe er einen Komplizen gehabt: Mahmud Ahmadinedschad. Dieser müsse daher genauso zur Verantwortung gezogen werden.


IRAN IN DER RANGLISTE DER PRESSEFREIHEIT AUF PLATZ 173

Im jüngsten Bericht der Organisation Reporter ohne Grenzen über die Pressefreiheit in der Welt steht Iran auf Platz 173 der Rangliste. Die Organisation, die jährlich einen Bericht über die Lage der Pressefreiheit in verschiedenen Ländern vorlegt, legte Anfang Februar ihren neuesten Bericht vor. Der Bericht umfasst 180 Länder. Angeführt wird die Rangliste von den drei skandinavischen Staaten Finnland, Norwegen und Dänemark. Die Schlusslichter sind Turkmenistan, Nord-Korea und Eritrea.

Dem Bericht zufolge hat sich die Lage der Pressefreiheit in Iran nach der Amtsübernahme von Präsident Rohani nicht positiv verändert. Zeitungen würden weiterhin verboten. Die Welle der Festnahmen von Journalisten und Bloggern, organisiert von Revolutionsgarden und unterstützt von der Justiz, erinnerten an die Zeit nach der Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad 2009, heißt es. "Iran gehört mit 50 inhaftierten Journalisten zu den fünf größten Gefängnissen der Welt für Journalisten."


CHATAMI SOLL GÄNZLICH AUS DEN MEDIEN VERSCHWINDEN

Der Sprecher der Justiz, Gholamhossein Mohsseni Ejehi, erklärte am 16. Februar vor der Presse, jede Veröffentlichung von Fotos oder Äußerungen des früheren Staatspräsidenten Mohammad Chatami werde bestraft. Aus Protest gegen diese Maßnahme veröffentlichten zahlreiche Internetdienste Bilder von Chatami.

Das Verbot, das vor geraumer Zeit angeordnet, aber bisher nicht befolgt wurde, wurde nun, nachdem einige erzkonservative Abgeordnete es von der Justiz einforderten, erneut bekräftigt. Begründet wurde die Maßnahme mit der Position Chatamis bei den Protesten von 2009 gegen die Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Chatami hatte damals für die Gegenkandidaten gestimmt und seine Sympathie für die Proteste der Wähler bekundet. Politiker, die damals an den Protesten teilnahmen oder mit der damaligen Bewegung sympathisierten, werden offiziell als "Verschwörer" bezeichnet.

Der Sprecher des Ministeriums für Kultur und Islamische Führung, Hossein Nuschabadi, sagte am 24. Februar einem Journalisten der "Mehr-Agentur", er habe von der neuen Maßnahme der Justiz erst durch die Medien erfahren. Er war gefragt worden, ob der Oberste Rat der Nationalen Sicherheit eine solche Maßnahme beschlossen habe.

Nuschabadi betonte, laut Pressegesetz seien die Beschlüsse des Nationalen Sicherheitsrats beziehungsweise der Justiz für die Presse bindend. "Das Ministerium für Kultur und Islamische Führung achtet die Maßnahmen und sieht sich verpflichtet, diese umzusetzen. Wir haben gegen die Beschlüsse des Rats nichts einzuwenden. Wenn uns die Beschlüsse mitgeteilt werden, werden wir sie umsetzen", erklärte Nuschabadi.

Das Problem ist nur, dass niemand weiß, wer bzw. welche Instanz die Verbannung von Chatami aus den Medien beschlossen hat. Der Nationale Sicherheitsrat hüllt sich in Schweigen, auch die Justiz lässt eine eindeutige Stellungnahme vermissen. Da das Kulturministerium für die Medien zuständig ist, müsste das angebliche Verbot zunächst ihm mitgeteilt werden. Dies erfolgte jedoch offenbar nicht, wie man den Aussagen Nuschabadis entnimmt.

Nicht nur die Idee ist absurd, einen Politiker, der acht Jahre lang als Staatspräsident das Land regiert hat, gänzlich aus den Medien zu verbannen, auch der Vorgang ist bizarr.


AHMADINEDSCHAD SCHLIMMER ALS IRAN-IRAK-KRIEG

Nach Ansicht des ehemaligen Staatspräsidenten, Haschemi Rafsandschani, der zurzeit den wichtigen Schlichtungsrat leitet, war der früherer Staatspräsident (2005-2013) Mahmud Ahmadinedschad für das Schicksal des Landes schlimmer als der Krieg zwischen Iran und Irak (1980-1988). Was er der neuen Regierung sowohl außen- als auch innenpolitisch hinterlassen habe, sei verheerender gewesen als die Zerstörungen des Krieges, sagte Rafsandschani am 22. Februar der Agentur "Mehr" zufolge.

Indes ist Ahmadinedschad nach fast zweijährigem Schweigen auf die politische Bühne zurückgekehrt. Seit dem 1. Februar besitzt er eine offizielle Internetseite (Ahmadinejad.ir). Zugleich startete er in den sozialen Netzwerken Google+ und der Foto-Plattform Instagram eigene Seiten. Es wird vermutet, dass die Rückkehr in die Öffentlichkeit mit den Parlamentswahlen in einem Jahr und den Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren zusammenhängt.

Die Webseite, die als "Testversion" gestartet ist, beinhaltet neben Tagesnachrichten einen Lebenslauf des früheren Präsidenten und eine Rubrik mit dem Titel "Ahmadinedschad ohne Retusche". Analysiert werden Reden und Handlungen Ahmadinedschads sowie wichtige Ereignisse während seiner Regierungszeit.


DER GROßE HELD SOLEIMANI

Ghassem Soleimani, Oberkommandierender der al-Kods Brigade Ž einer Abteilung der Revolutionsgarden (Pasdaran), die für Auslandeinsätze zuständig ist, wird von den Medien in Iran wie ein Nationalheld dargestellt. Seine Anhänger bewundern ihn und verehren ihn, als wäre er ein Heiliger, der Wunder vollbringen könnte. Selbst Revolutionsführer Chamenei bezeichnete Soleimani als "lebenden Märtyrer" und das Parlament würdigte ihn als "Symbol des revolutionären Widerstands." Mit solchen Ehrungen werden in der Islamischen Republik nur Menschen bedacht, die im Krieg oder bei einem Attentat ums Leben gekommen sind. Die Art der Ehrung Soleimanis durch die höchsten Instanzen des Landes ist in der Geschichte der Islamischen Republik einmalig.

Dem General wird zugeschrieben, dass er die syrische Armee reorganisiert und ihr die Fähigkeit zum Kampf gegen Rebellen und Terroristen verliehen habe. Außerdem soll er den Versuch des sogenannten Islamischen Staates (IS), Bagdad anzugreifen, zurückgeschlagen und den Kurden beim Kampf gegen den IS eine unentbehrliche Unterstützung gewährt habe. Für all dies wird er sowohl in Syrien als auch im Iran als ein heldenhafter Kämpfer verehrt.

Ganz ungewöhnlich und einmalig ist, dass Soleimani neuerdings auch von Popmusikern in Iran verehrt wird. Noch nie wurde in der Islamischen Republik ein General von modernen Musikern wahrgenommen. Längst schmücken Bilder und Worte des Generals die Zeitungen. Täglich ist er in den iranischen Medien präsent. Nun wird er auch von Aktivisten der modernen Musik, die gewöhnlich mehr oder weniger am Rande der Gesellschaft leben, als eine Symbolfigur verehrt.

In einem Lied wird Soleimani als Befreier der arabischen Länder vom IS und als Befreier von Jerusalem und dem Gaza-Streifen dargestellt. Es gibt auch zahlreiche Clips bei You Tube über ihn, die von arabischen oder iranischen Musikern produziert wurden. In einem Kommentar zu einem Clip heißt es: "Soleimani ist nicht nur ein iranischer Kommandeur, er gehört allen Ländern, die die Freiheit lieben. Du lebender Märtyrer, wir lieben dich."


GROßE MENGE AN SPRENGSTOFF IN SISTAN-BELUTSCHISTAN ENTDECKT

Der Agentur "Mehr" zufolge berichtete der Abgeordnete aus der Provinz Sistan-Belutschistan, Hedajatollah Mirmoradsehi, dass Sicherheitsbeamte in der Kreisstadt Sarawan ein Lager mit 200 Kilogramm Sprengstoff entdeckt haben. Es habe sich um C4 Plastiksprengstoff gehandelt, sagte er.

Dem Bericht zufolge waren Sicherheitsbeamte den Informationen eines Gefangenen nachgegangen und hatten den Sprengstoff in einem Haus, das von einer bewaffneten Oppositionsgruppe als Versteck genutzt wurde, beschlagnahmt.

Die Agentur berichtete weiter, bei der Aktion seien drei Personen festgenommen worden. Diese hätten gestanden, bei einem Anschlag auf einen Stützpunkt der Revolutionsgarden vor drei Monaten drei Soldaten getötet zu haben.

Die Provinz Sistan-Belutschistan, die an Pakistan und Afghanistan grenzt und in der mehrheitlich Sunniten wohnen, bildet seit Jahren einen Schauplatz für Terroranschläge und Gefechte zwischen Polizei und Schmugglern. Hier befinden sich auch bewaffnete Gruppen, die für eine Autonomie der Provinz kämpfen. Einige dieser Gruppe ziehen sich laut Angaben des Teheraner Innenministeriums nach der Durchführung ihrer Terroraktionen über die Grenze nach Pakistan zurück.


ROHANI: "DIE REGIERUNG BRAUCHT GHOM"

Staatspräsident Hassan Rohani unternahm am 25. Februar eine Reise in die Heilige Stadt Ghom. Die Stadt gilt neben dem irakischen Nadschaf als Zentrum des schiitischen Glaubens. Hier residieren die meisten religiösen Instanzen Irans, die Großayatollahs.

Auf der offiziellen Webseite des Präsidenten wurde angekündigt, dass Rohani die religiösen Würdenträger einzeln besuchen und mit ihnen Gespräche führen werde. Nach seiner Ankunft in Ghom sagte Rohani während seiner Rede vor Gläubigen: "Ich sage es ganz offen und klar, die Regierung braucht Ghom. Die ehrwürdigen Instanzen in Ghom haben sich stets gegen Fahrlässigkeit und Ignoranz gestellt und Widerstand geleistet. Wir sollten wissen, dass Ignoranz und Radikalismus nicht nur die Gesellschaft, sondern auch den Glauben zerstören."

Besuche von Staatspräsidenten in Ghom sind ein Zeichen der gegenseitigen Unterstützung zwischen Geistlichkeit und Regierung. Sie haben ein besonderes Gewicht für das Funktionieren der Islamischen Republik.

In der zweiten Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Ahmadinedschad war das Verhältnis der Regierung zu den religiösen Instanzen gestört. Zuletzt weigerten sich die Großayatollahs, den Präsidenten zu empfangen. Das hat sowohl der Regierung als auch dem gesamten System geschadet. Es scheint, dass Rohani, der selbst Geistlicher ist, sehr darauf bedacht ist, die Beziehung zu Ghom zu pflegen. Vor ihm hatte fast das gesamte Kabinett die Ayatollahs über die Arbeit der Regierung informiert.


RÄTSELRATEN ÜBER KÜNFTIGEN VORSITZENDEN DES EXPERTENRATS

Am 10. März soll der neue Vorsitzende des Expertenrats gewählt werden. Darüber gibt es sowohl in den Medien als auch unter den Politikern zahlreiche Spekulationen. Eine öffentliche Stellungnahme kam von Ahmad Alamalhadi, Freitagsprediger der Heiligen Stadt Maschad. Er sagte am 17. Februar, es sei nicht wichtig, wer den Vorsitz übernehmen werde. Der Vorsitzende des Expertenrats habe nur beschränkte Aufgaben zu erfüllen. Alle Mitglieder des Expertenrats seien erfahrene Menschen. Daher sei die Führung dieses Gremiums mit 80 Mitgliedern nicht so schwer.

Zuvor hatte sich Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani zu dem Thema geäußert. Der nächste Vorsitzende müsse von den Mitgliedern "akzeptiert werden" und eine herausragende Unterstützung erhalten. Und der Freitagsprediger von Teheran, Mohammad Ali Mowahedi Kermani, meinte, erst am Tag der Wahl werde man den Namen des neuen Vorsitzenden erfahren. Alles andere seien Spekulationen.

Die reguläre Wahl eines neuen Vorsitzenden findet erst in einem Jahr statt. Die Wahl am 10. März wurde erforderlich, weil der amtierende Vorsitzende, Mahdawi Kani, im vergangenen Herbst gestorben ist. Somit wird, wer auch immer am 10. März gewählt wird, nur für ein Jahr im Amt bleiben.

Der Expertenrat, dessen Mitglieder ausschließlich Geistliche sind, wird direkt vom Volk gewählt. Die Bedeutung des Gremiums besteht darin, dass es für die Wahl beziehungsweise Absetzung des Revolutionsführers zuständig ist. Zudem ist der Rat die einzige Instanz, die die Aktivitäten des Revolutionsführers kontrollieren darf. In der Praxis hat allerdings diese Kontrolle nie stattgefunden. Die Mitglieder sind zumeist treue Ergebene des Revolutionsführers, sie würden es nie wagen, ihre Kontrollfunktion wahrzunehmen. Seit der Gründung der Islamischen Republik hat es bislang nur zwei Revolutionsführer gegeben, der erste war Ayatollah Chomeini, der Gründer des Gottesstaates. Er starb 1988. Sein Nachfolger wurde Ali Chamenei.

Chamenei ist jetzt 76 Jahre alt. Gerüchte besagen, dass er unter diversen Krankheiten leidet. Daher ist es nicht abwegig, über einen Nachfolger nachzudenken. Unter diesem Aspekt gewinnen der Expertenrat und damit auch sein Vorsitzender an Bedeutung. Dass in Iran seit einiger Zeit nun auch öffentlich über die Zeit nach Chamenei nachgedacht wird, weist auf den schlechten Gesundheitszustand des Revolutionsführers hin. Das Expertenratsmitglied Ghorbanali Dorri Nadschafabadi sagte offen, man sollte sich über die Zeit nach Chamenei Gedanken machen.

Als möglicher nächster Vorsitzender des Expertenrats wird Haschemi Rasandschani gehandelt. Sein Bruder, Mohammad Haschemi, sagte am 24. Februar der Agentur ISNA, er (Rafsandschani) habe weder einer Kandidatur zugestimmt noch sie abgelehnt. "Er hat gesagt, er werde seine Pflicht tun. Wir müssen abwarten und sehen, wozu er sich am Tag der Wahl verpflichtet fühlt."

Rafsandschani war der vorletzte Vorsitzende des Expertenrats. Doch seine Parteinahme für die Proteste gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads führte dazu, dass er vorzeitig zum Rücktritt gezwungen wurde.

Rafsandschani äußerte sich in einem längeren Interview mit der Zeitung Dschomhuri-e Eslami über die Zeit nach Chamenei. Er sagte: "Ursprünglich hieß es in der Verfassung der Islamischen Republik: 'Sollten die Mitglieder der Expertenversammlung eine religiöse Instanz mit außerordentlichen Eigenschaften finden, werden sie seinen Namen öffentlich bekannt geben, andernfalls übernimmt ein Rat, bestehend aus drei bis fünf Personen, die Führung'. Später wurde dieser Paragraf wie folgt geändert: 'Die Führung der Islamischen Republik wird von einem gerechten, moralisch makellosen, kenntnisreichen, mutigen und führungsstarken Geistlichen übernommen.'"

Rafsandschani erklärte, er sei schon immer für eine Führung durch einen Rat gewesen, auch Chamenei habe vor seiner Wahl diese Ansicht geteilt. Auch heute sei er (Rafsandschani) für die Übernahme der Führung durch einen Rat. "Wer sollte, wenn Chamenei nicht mehr am Leben wäre, seine Aufgaben übernehmen? Können Sie jemanden finden, der wie Chamenei über revolutionäre Erfahrungen verfügt, der genauso belesen ist und die Verhältnisse im Land und in der Welt so genau kennt, der bis ins Detail über die Streitkräfte Bescheid weiß? Wir brauchen einen Expertenrat, der erstens seine Aufgaben tatsächlich bewältigt (gemeint ist die Kontrolle der Aktivitäten des Revolutionsführers) und der im Falle des Ablebens des Revolutionsführers die richtige Entscheidung triff." Die richtige Entscheidung ist nach Rafsandschani die Wahl eines Rats.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Militärunternehmen und Stiftungen sollen besteuert werden
• Deutsche Exporte nach Iran um 30 Prozent gestiegen
• Protestkundgebung der Krankenpfleger


ATOMKONFLIKT

In der letzten Phase vor Ablauf der Frist für eine politische Einigung im Atomkonflikt setzen beide Seiten wie es scheint alle Taktiken und Hebel ein, um die eigenen Ziele und Interessen durchzusetzen. So kritisierte Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani die Drohungen des US-Präsidenten Barack Obama. Er zitierte auf der Sitzung am 2. Februar Obama mit den Worten: "Wir werden Iran solange unter Druck setzen, bis es unsere Bedingungen akzeptiert". "Jetzt haben wir begriffen, was sie (die USA) unter Verhandlungen verstehen", kommentierte Laridschani diese Aussage Obamas. "Sie wollen, dass wir kapitulieren".

Obama stehe unter Druck und sei nicht in der Lage, vernünftig mit den Kompromissvorschlägen Irans umzugehen, fuhr Laridschani fort. Er steuere darauf zu, entweder Iran zur Kapitulation zu zwingen oder die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen. Doch Obama sollte wissen, dass "das iranische Volk niemals kapitulieren wird." Sollten die Verhandlungen scheitern, müssten die USA dafür die Verantwortung übernehmen.

Es ist kein Geheimnis, dass Obama tatsächlich unter starkem Druck steht. Sowohl die Republikaner als auch Israel und einige arabische Staaten sind bemüht, jedes Zugeständnis an Iran zu verhindern, was praktisch auf ein Scheitern der Verhandlungen hinausliefe. Auch in Iran gibt es Kräfte, die am diesem Strang ziehen. So sagte Außenminister Sarif während eines Besuchs in Kenia vor iranischen Unternehmern: "Es gibt Kräfte im In- und Ausland, die gegen die Aufhebung von Sanktionen sind."

Auch in der 5+1-Gruppe, die mit Iran verhandelt, gibt es Differenzen. Während die USA schwanken und die Franzosen und Briten für harte Verhandlungen eintreten, zeigen sich die Deutschen kompromissbereiter. Russland und China hingegen drängen auf eine rasche Einigung. Außenminister Sarif sprach China eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen zu. Bei einem Gespräch mit seinem chinesischen Amtskollegen Wan Yi am 15. Februar in Teheran sagte er: "Wir sind weiterhin zuversichtlich, dass eine Einigung bis zur Frist möglich ist." Dabei spiele China eine Schlüsselrolle.

Am 3. Februar beschloss das iranische Parlament, das Abkommen von Genf vom vergangenen November im Falle zusätzlicher Sanktionen unverzüglich zu kündigen. Der Beschluss war eine Reaktion auf die Forderung einer Gruppe von Abgeordneten im US-Kongress nach weiteren Sanktionen gegen Iran.

Am 6. Februar gab es ein Treffen zwischen Sarif und seinen amerikanischen Amtskollegen John Kerry am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz. Einer Meldung der AFP zufolge habe Kerry auf die Einhaltung der Frist bis Ende März gedrängt. Eine weitere Verlängerung der Verhandlungen sei nicht mehr möglich. "Wenn man nicht in der Lage ist, innerhalb der nächsten Wochen die grundsätzlichen Entscheidungen zu treffen, die getroffen werden müssen, dann bringt es nichts, nochmals zu verlängern", sagte Kerry in einem Interview mit dem Fernsehsender NBC. Sarif stimmte ihm zu. Eine Verlängerung sei in "niemandes Interesse", sagte er. "Wir konzentrieren uns darauf, eine Einigung zu erzielen, und zwar so früh wie möglich." Über den genauen Inhalt des Gesprächs wurde nichts bekannt gegeben.

Am 8. Februar dementierte Außenminister Sarif einen Bericht der Agentur Reuters, wonach er in mehreren Gesprächen die US-Verhandlungspartner gewarnt habe, dass das Schicksal der Regierung Rohani im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen ungewiss sei. Der Bericht sei falsch, sagte Sarif in München. "Diejenigen, die in den letzten drei Tagen mit mir gesprochen haben, wissen, dass das nicht Gegenstand der Verhandlungen war."

Indes lehnte Revolutionsführer Ali Chamenei die Einteilung der Verhandlungen in zwei Phasen ab. Es ist vorgesehen, sich bis Ende März politisch über den Gesamtrahmen zu einigen und danach bis Ende Juli die technischen Details zu klären. Vor Offizieren der Luftwaffe sagte Chamenei am 8. Februar: "Diese Zweistufung, von der die Rede ist, gefällt mir nicht." "Die Erfahrungen, die wir mit der Gegenseite gemacht haben, lassen vermuten, dass dann Einzelheiten zum Vorwand genommen werden, um neue Probleme zu konstruieren." Chamenei fügte hinzu: "Keine Einigung ist besser als eine Einigung, die unseren Interessen entgegensteht und das große iranische Volk erniedrigt." Die iranischen Verhandlungsführer seien bemüht, den Feinden "die Waffe der Sanktionen aus der Hand zu nehmen". Sollte ihnen dies nicht gelingen, "sollten alle sich merken, dass es einige Wege gibt, um diese Waffe stumpf zu machen". Chamenei betonte, dass es ohne Aufhebung der Sanktionen keine Einigung geben könne.

Einen Tag später erklärte US-Präsident Barack Obama, eine Einigung im Atomkonflikt hänge nicht mehr von der Klärung technischer Fragen ab, es gehe nur noch um den politischen Willen. Die Westmächte hätten Vorschläge vorgelegt, die Iran erlaubten, die Atomenergie friedlich zu nutzen und zugleich garantierten, dass es keine Nuklearwaffen anstrebe. Diese Vorschläge müssten auch für Iran akzeptabel sein, sagte Obama. "Aber es ist nicht klar, ob Iran dies auch wirklich tun wird." Vizeaußenminister Hassan Ghaschghawi lehnte eine Einigung um jeden Preis ab. "Wir haben rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen", sagte er der Nachrichtenagentur ISNA zufolge am 9. Februar. Es sei zwar für die Wirtschaft wichtig, dass die Sanktionen aufgehoben werden, doch "der nationale Stolz sei wichtiger als ein satter Bauch".

Am 10. Februar lehnte Obama bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine weitere Verlängerung der Verhandlungen ab. "Ich sehe keine weitere Verlängerung, wenn Iran nicht die grundsätzlichen Punkte anerkennt." Demgegenüber erklärte Präsident Rohani bei einem Treffen mit dem Obersten Berater für die Nationale Sicherheit Indiens in Teheran: "Wir haben (bei den Verhandlungen) gute Ergebnisse erzielt, allerdings sind wir von einer endgültigen Einigung noch weit entfern." Iran habe die erforderlichen Schritte unternommen, nun sei die Gegenseite am Zug. Parlamentspräsident Laridschani sagte, sein Land betrachte politische Verhandlungen als nützlich. Aber "es gibt Leute, die sich bei den Verhandlungen wie Händler benehmen und feilschen wollen." Er warf den USA vor, die Verhandlung als einen "Gemüsemarkt" zu betrachten. Dabei gehe es um den Austausch von überzeugenden Argumenten.

In einer Stellungnahme des iranischen Außenministeriums zu den Äußerungen Obamas vom 11. Februar hieß es, Iran habe durchaus den politischen Willen zu einer Einigung und sei entschlossen, die "künstlich erzeugte Krise" zu beenden. "Die Berichte der Internationalen Atombehörde bezeugen, dass Iran alle in Genf getroffenen Vereinbarungen eingehalten hat. Das zeigt einerseits die Ernsthaftigkeit und andererseits den politischen Willen iranischer Diplomaten zu einem guten Abkommen zu gelangen", sagte die Sprecherin des Außenministeriums Marsieh Afkham. Nun seien die USA an der Reihe, die ihre "Maximalforderungen" beiseitelegen, ihre inneren Probleme lösen und sich zu einem endgültigen Abkommen entschließen sollten. Sie bestritt abermals, dass Iran aufgrund von Sanktionen an den Verhandlungstisch zurückgekehrt sei. Diese Behauptung von Präsident Obama sei wohl eher für die Öffentlichkeit und die Gegner im Innern der USA gedacht, sagt Afkham. Das Gegenteil sei der Fall. Die USA seien zu den Verhandlungen gezwungen gewesen, weil die Sanktionen zu keinem Ergebnis geführt hätten. "Heute zeigt sich auf allen Ebenen, insbesondere beim beachtlichen Fortschritt des iranischen Atomprogramms, dass die Sanktionspolitik gescheitert ist."

Während die Politiker ihre mit Warnungen und Drohungen gepaarten Stellungnahmen austauschten, verhandelten die Experten über technische Details. Daran nahmen zum ersten Mal auch zwei hochrangige Politiker teil, nämlich Irans Vizepräsident und Leiter der Atomenergieorganisation, Ali Akbar Salehi, und der US-Energieminister Ernest Moniz. Die beiden Minister trafen sich am 21. Februar in der Schweiz. Beide äußerten sich zufrieden über die Expertengespräche. Abbas Araghtschi, der iranische Vizeaußenminister, der ebenfalls zu den Teilnehmern gehörte, sagte: "Wir versuchen neue Methoden anzuwenden und die Gespräche zu beschleunigen. Unser Ziel ist es, in einem Zug über Details und Grundsätze Einigkeit zu erzielen."

Am 23. Februar stießen auch noch die beiden Außenminister Kerry und Sarif zu der Runde dazu. Kerry drohte im Vorfeld, sollte Iran die Bedingungen nicht akzeptieren, seien die USA bereit, sich aus den Verhandlungen zurückzuziehen. Die Teilnahme von Salehi und Moniz bedeuteten keineswegs, dass eine Einigung in greifbarer Nähe sei, betonte der Minister.

Indes warnte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor einem "schlechten Deal". Er werde in die USA reisen, um den Kongressabgeordneten zu erklären, warum ein Kompromiss mit Teheran "gefährlich" für Israel, die Region und die ganze Welt sei. Die geplante Rede Netanjahus vor dem US-Kongress am 3. März sorgte für eine getrübte Stimmung zwischen dem Weißen Haus und der Regierung in Tel Aviv. Dies ging so weit, dass Obama ein Treffen mit Netanjahu ablehnte.

Indes veröffentlichten die britische Zeitung "The Guardian" und der katarische Fernsehsender Al-Dschasira einen Bericht des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad von 2012, in dem den Äußerungen Netanjahus über das iranische Atomprogramm widersprochen wird. Iran habe "nicht die Notwendige Aktivität" zur Herstellung einer Atombombe, heißt es in dem Mossad-Bericht.

Bei den Gesprächen in Genf, an denen auch Kerry und Sarif teilnahmen, schien es Fortschritte gegeben zu haben. Diplomaten berichteten, die Lösung, die sich abzeichne, liege in einem Zwei-Stufen-Plan, der in der ersten Phase eine strikte Begrenzung des iranischen Atomprogramms vorsieht und in der zweiten Phase eine Lockerung der Auflagen.

Am 24. Februar dementierte ein Sprecher des Weißen Hauses in Washington einen Bericht des Wallstreet Journals, Iran und die USA hätten sich über ein zehnjähriges Abkommen geeinigt. Wenige Stunden zuvor sagte Kerry in einem Kongressausschuss, die Ablehnung eines Abkommens mit Iran sei völlig abwegig, denn die Gegner hätten keine Ahnung, wie das endgültige Abkommen aussehen werde. Er erwarte eine baldige Antwort aus Iran, ob das Land mit den gestellten Bedingung einverstanden sei. "Noch gibt es kein Abkommen, ich möchte die Gegner warnen. Habt Geduld und schaut, was aus den Verhandlungen herauskommen wird", sagte Kerry. Er fügte hinzu, die Forderung nach der Stilllegung sämtlicher Zentrifugen, wie sie von Israel gewünscht werde, sei nicht zu erreichen gewesen. Diese Politik, die von Präsident Bush verfolgt wurde, hätte dazu geführt, dass in Iran inzwischen 19.000 Zentrifugen in Betrieb seien.

Indes erklärte Netanjahu der BBC zufolge: "Ich werde meine ganze Kraft dafür einsetzen, dass kein Abkommen zustande kommt."


MILITÄRUNTERNEHMEN UND STIFTUNGEN SOLLEN BESTEUERT WERDEN

Einem Beschluss des Parlaments vom 22. Februar zufolge sollen künftig religiöse Stiftungen sowie Unternehmen, die den Revolutionswächtern (Pasdaran) gehören, besteuert werden. Laut IRNA stimmte die Mehrheit der Abgeordneten einem ent-sprechenden Artikel im Haushaltsplan für das kommende Jahr (März 2015-März 2016) zu.

Die Stiftungen, die nach der Revolutionen, vor allem im Zuge des Kriegs gegen den Irak, gegründet wurden, um Arme und Nichtshabende sowie die Hinterbliebenen der Kriegsopfer zu unterstützen, haben im Lauf der Jahre einen enormen Reichtum angehäuft. Auch die Pasdaran konnten mit ihren Unternehmen, die die größten staatlichen Aufbauprojekte erhielten, eine dominante Stellung in der iranischen Wirtschaft erlangen. Doch sowohl sie als auch die Stiftungen waren von Abgaben an den Staat befreit worden. Nun sollen sie im Zug der Bestrebungen der Regierung, den Haushalt unabhängiger von den Öleinnahmen zu machen, auch zur Kasse gebeten werden..


DEUTSCHE EXPORTE NACH IRAN UM 30 PROZENT GESTIEGEN

Den Angaben des Bundesamts für Statistik zufolge haben die deutschen Exporte nach Iran in den letzten drei Monaten um 30 Prozent zugenommen. Der Anstieg ist auf das vorläufige Abkommen zwischen Iran und der 5+1-Gruppe zurückzuführen, das im November vergangenen Jahres geschlossen wurde. Es sieht unter anderem eine Reduzierung der Sanktionen vor, die den Handel mit Iran erleichtert. Dies betraf vor allem Schiffstransporte, Versicherungen und Lieferungen von Auto- und Flugzeugersatzteilen. So konnte Deutschland 2014 Waren im Wert von 2,4 Milliarden Euro nach Iran exportieren: Das ist das größte Exportvolumen seit zehn Jahren.

Geliefert wurden in erster Linie Maschinen, landwirtschaftliche Geräte und pharmazeutische Produkte. Nach Einschätzung des Außenwirtschaftschefs des Deutschen Industrie und Handelskammertags, Volker Trier, ist eine Verdoppelung des deutschen Exports nach Iran in den nächsten fünf Jahren durchaus möglich. 2005 hatte der Export den Wert von rund fünf Milliarden Euro erreicht. Drastisch eingebrochen waren die deutschen Exporte in den letzten drei Jahren. Der Rückgang lag zwischen 18 und 27 Prozent.

Einer Meldung der Agentur Reuters zufolge hat Israel den Anstieg der deutschen Exporte nach Iran kritisiert. "Jetzt ist nicht der Moment, um die Handelbeziehungen mit Iran auszuweiten", sagte eine Sprecherin der israelischen Botschaft in Berlin. Sie verwies auf die weiterhin bestehenden internationalen Sanktionen gegen Iran. Auch die gegenwärtigen Atomverhandlungen befänden sich in einer sensiblen Phase.

Die Sprecherin beschuldigte Iran neben dem Streben nach Nuklearwaffen "weiterhin einen globalen Terrorismus zu verbreiten, zu unterstützen und zu finanzieren". Sie verwies auf die Unterstützung, die Iran dem syrischen Regime und der libanesischen Hisbollah gewähre. Zudem sei Iran "ein Land, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten werden und wo derzeit ein internationaler Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb stattfindet". Dieser biete Holocaust-Leugnern eine Gelegenheit, um ihre bösartige und empörende "Kunst" zu präsentieren, zitierte Reuters die Sprecherin.


PROTESTKUNDGEBUNG DER KRANKENPFLEGER

Einige hundert Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger aus verschiedenen Teilen des Landes haben sich laut Medien am 22. Februar zu einer Protestkundgebung vor dem Parlament versammelt. Sie kritisierten, dass mit der neu verabschiedeten Gesundheitsordnung das Einkommen der Ärzte und der Etat für Krankenhäuser und Gesundheitszentren um ein Vielfaches gestiegen sei, während sich die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger mit ihrem bisherigen Gehalt begnügen müssten.

Die Protestierenden verlangten eine Festlegung der Tarife für ihre Dienstleistungen. Zwar sei ein entsprechendes Gesetz bereits 2007 verabschiedet worden, es sei aber immer noch nicht inkraftgetreten. Gefordert wurde auch die Kategorisierung der Krankenpflege als "schwere und die eigene Gesundheit schädigende Arbeit", was eine Frühpensionierung ermöglichen würde.

Es war die dritte Kundgebung, die die Krankenpfleger seit einem Jahr veranstaltet haben. Der Leiter des "Hauses der Krankenpfleger", Mohammad Scharifi Moghaddam, sagte der Presse, er sei wegen der Teilnahme an der Kundgebung von Teheran nach Eslamschahr versetzt worden.

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AUSSENPOLITIK

• IS übernimmt Verantwortung für Anschlag auf iranische Botschaft in Libyen
• Safawi: Maleki trat auf Wunsch Chameneis zurück
• Iran Ž Zielscheibe für Cyber-Angriffe
• Netanjahu warnt vor einem "iranischen Imperium"
• USA schränken Informationsaustausch mit Israel ein
• Kerry: "Wir haben gemeinsame Interessen mit Iran"
• Chamenei schreibt Brief an Obama
• Verhandlungen ja, aber keine Freundschaft mit USA
• Dschannati sorgt für Eklat
• Molaverdi vom Papst empfangen
• Neuer UN-Botschafter Irans
• Iranischer Ingenieur wegen Weitergabe von Informationen vor Gericht


IS ÜBERNIMMT VERANTWORTUNG FÜR ANSCHLAG AUF IRANISCHE BOTSCHAFT IN LIBYEN

Eine Miliz, die sich als Teil des sogenannten Islamischen Staates versteht, hat laut Medien am 22. Februar die Verantwortung für den Anschlag auf die iranische Botschaftsresidenz in Tripolis, der Hauptstadt Libyens, übernommen.

Die Terroristen hatten den Eingang des Gebäudes, das sich im Zentrum der Stadt befindet, mit zwei Sprengstoffangriffen zerstört. Opfer habe es keine gegeben, wurde berichtet. Zu der Zeit hatte sich der Botschafter nicht in Libyen aufgehalten. Einem Bericht der Agentur IRNA zufolge ist die Botschaft seit geraumer Zeit "vorübergehend" geschlossen. Der Botschafter erledigt seine Aufgaben nur gelegentlich in Libyen.

In einer Erklärung, die die Terroristen via Twitter veröffentlichten, übernahmen sie auch die Verantwortung für einen Raketenangriff auf den Flughafen Labrak.

Die Teheraner Außenamtssprecherin Marsieh Afkham sagte, die Probleme Libyens könnten nur durch einen Dialog zwischen den verschiedenen politischen Gruppen gelöst werden. Ziel sei es, eine national akzeptierte Regierung zu bilden, die dann einen effektiven Kampf gegen den Terrorismus organisieren könne.

Der Islamische Staat hat in letzter Zeit seine Präsenz in Libyen erheblich verstärkt. Seit dem Sturz des Diktators Mohammad Gaddafi herrschen chaotische Zustände in Libyen. Verschiedene Gruppen führen einen bewaffneten Kampf gegeneinander um die Herrschaft im Land. Bereits im vergangenen Jahr haben westliche Staaten Angehörige ihrer Botschaften aus Libyen abgezogen.


SAFAWI: MALEKI TRAT AUF WUNSCH CHAMENEIS ZURÜCK

Yahya Safawi, militärischer Berater des Revolutionsführers Ali Chamenei, der früher an der Spitze der Revolutionsgarden stand, sagte laut iranischen Medien, der ehemalige irakische Ministerpräsident Nuri al-Maleki sei damals auf Wunsch Chameneis zurückgetreten. "Maleki hatte 95 Sitze im Parlament errungen, dennoch hatte der Revolutionsführer (Chamenei) ihm übermittelt, selbst wenn er Recht habe, solle er im Interesse Iraks und der Schiiten zurücktreten. Daraufhin trat Maleki zurück. Das zeigt, wie fest die Iraker dem Revolutionsführer vertrauen und seine Anweisungen befolgen."

El-Maleki war am 14. August vergangenen Jahres zugunsten von Haidar Abbadi zurück-getreten, obwohl er zuvor erklärt hatte, er werde unter allen Umständen seinen Posten beibehalten. Sowohl Iran als auch die USA haben damals den Wechsel begrüßt. Die Regierungen beider Länder waren der Meinung, dass el-Maleki die Sunniten vernach-lässigt und sie damit in die Arme des sogenannten Islamischen Staates getrieben habe.


IRAN Ž ZIELSCHEIBE FÜR CYBER-ANGRIFFE

Das auf Softwaresicherheit spezialisierte Unternehmen Kaspersky hat in seinem jüngsten Bericht, der am 17. Februar veröffentlicht wurde, behauptet, über dieselben Möglichkeiten zu verfügen, wie die amerikanische National Security Agency (NSA). Damit sei es in der Lage, durch geheim angebrachte Software bei großen Firmen zu Informationen über die meisten Staaten in der Welt zu gelangen. Konkret habe das Unternehmen auf diesem Weg die Computer-Netze in 30 Staaten ausgekundschaftet.

Laut Kaspersky bilden Irans Comtuter-Netze die größte Zielscheibe für Angriffe. Ziel der Angriffe seien die iranische Wirtschaft, Diplomatie, der Energiesektor und die Wirtschaftsinstitute sowie Universitäten und Kommunikationseinrichtungen. Das Unternehmen nennt keine Staaten, die für die Angriffe verantwortlich sind, stellt jedoch fest, dass die Angreiferstaaten mit dem Virus Stuxnet, mit dem Teile der iranischen Atomeinrichtungen zerstört wurden, im Zusammenhang stehen.

Stuxnet war Teil eines großen Projekts mit dem Tarnnamen "Olympische Spiele", das, wie es sich herausstellte, von den Geheimdiensten der USA und Israels geplant und durchgeführt wurde.

Kaspersky zufolge wurden die größten Cyberangriffe neben Iran gegen Russland, Pakistan, Afghanistan, China, Mali, Syrien, Jemen und Algerien ausgeführt.


NETANJAHU WARNT VOR EINEM "IRANISCHEN IMPERIUM"

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte bei der Amtseinführung des neuen Kommandeurs der israelischen Streitkräfte, General Gadi Eisenkot, vor der Gefahr eines "iranischen Imperiums". Es seien schwere Jahre zu erwarten, sagte er.

An den General gerichtet sagte er am 16. Februar: "Ich verspreche Ihnen, Sie werden in den nächsten vier Jahren keinen guten Tag erleben." Der Nahe Osten befinde sich in einem Prozess der Spaltung. "Staaten gehen zugrunde und in diesem Vakuum wird ein Land, das Iran heißt, sein Imperium errichten."

Der Nahe Osten habe sich in den vergangenen vier Jahren gründlich verändert und Israel habe damit große Probleme gehabt, sagte Netanjahu weiter. Nichts deute auf eine Beruhigung der Lage hin, es werden noch härtere Jahre kommen, sagte der Ministerpräsident weiter. Er bezeichnete zudem den iranischen Einfluss in Jemen und Bab al-Mandab (dem Tor der Tränen Ž dem strategisch wichtigen Seeweg, der das Rote Meer mit dem Golf von Aden, dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean verbindet) als eine große Bedrohung für die gesamte Region.

Seit dem Erstarken der Huthi-Rebellen in Jemen, die angeblich von Iran unterstützt werden (Iran bestreitet dies), ist Irans Einfluss aus der Sicht Netanjahus nicht nur in Libanon, Syrien und Irak, sondern auch in Jemen enorm gestiegen.

Auch General Eisenkot bezeichnete Iran als eine Gefahr. Das iranische Atomprogramm stelle gegenwärtig die größte Herausforderung für Israel dar, sagte er. Für die westlichen Verhandlungspartner Irans gäbe es nur zwei Wege, meinte der General: Eine schlechte Vereinbarung oder überhaupt keine Vereinbarung.

Israel ist besorgt, dass die Atomverhandlungen dazu führen könnten, dass der Westen Iran erlaube, Uran im eigenen Land anzureichern. Doch es ist nicht nur das iranische Atomprogramm, das Netanjahu Sorgen bereitet. Es sind auch die jüngsten Berichte über eine Zusammenarbeit zwischen Teheran und Washington gegen den sogenannten Islamischen Staat. Israel befürchtet, dass die USA einige Sicherheitsbedürfnisse Israels ignorieren könnten, um die Beziehungen zu Iran zu intensivieren. Diese Befürchtung teilen auch einige arabische Staaten, allen voran Saudi-Arabien.

Israels Medien beschreiben den neuen Oberbefehlshaber der Streitkräfte als einen General mit Durchsetzungsvermögen, vor allem gegen die libanesische Hisbollah, sie betonen jedoch, dass er unter anderem ein Gegner eines militärischen Alleingangs gegen die Islamische Republik sei.

Am 25. Februar warf Netanjahu der 5+1-Gruppe bei einer Versammlung der Likud-Partei in der Nähe von Jerusalem vor, den Bau einer iranischen Atombombe akzeptiert zu haben, satt ihn zu stoppen. Offenbar hatten jüngste Berichte über Fortschritte bei den Atomverhandlungen mit Iran dem Ministerpräsidenten dazu bewogen, noch mehr Druck auf die westlichen Verhandlungspartner auszuüben.

"Gemessen an der Vereinbarung, die sich abzeichnet, scheint es, dass die Weltmächte diese Verpflichtung aufgegeben haben und akzeptieren, dass Iran Schritt für Schritt binnen einiger Jahre die Fähigkeit entwickelt, Material für viele Atombomben zu produzieren", sagte Netanjahu. "Es kann sein, dass sie das akzeptieren, aber ich bin nicht bereit, es hinzunehmen."


USA SCHRÄNKEN INFORMATIONSAUSTAUSCH MIT ISRAEL EIN

US-Medien berichteten am 16. Februar über den Beschluss des Weißen Hauses in Washington, den Informationsaustausch mit Israel über das iranische Atomprogramm einzuschränken.

Die Washington Post berichtete, dass das Misstrauen zwischen Israel und den Vereinigten Staaten in den letzten Tagen zugenommen habe, weil das Weiße Haus den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu verdächtigt, geheime Informationen über das iranische Atomprogramm an die Presse weitergegeben zu haben. In einem Artikel mit dem Titel "Ein Sturm ergreift den Nahen Osten" schreibt die Washington Post unter Berufung auf Regierungsquellen, dass genau dies der Grund für die Maßnahme gewesen sei. Zu den Informationen die durchgesickert seien, gehöre die Zustimmung der USA zu bis zu 6.500 aktiven Zentrifugen in Iran. Diese Vereinbarung sei von einer israelischen Zeitung veröffentlicht worden. Israel ist grundsätzlich gegen jedwede Urananreicherung in Iran.

Der 2. Kanal des israelischen Fernsehens berichtete am 16. Februar, das Weiße Haus habe den Informationsaustausch zwischen den USA und Israel gänzlich eingestellt. Diese Nachricht wurde unmittelbar vom Weißen Haus in Washington dementiert. Dennoch schrieb die Zeitung Haaretz, der Informationskanals über das iranische Atomprogramm sei stark eingeschränkt worden. Unter Berufung auf einen ranghohen Politiker schrieb die Zeitung, zwar werde die israelische Regierung weiterhin informiert, aber die Informationen seien nicht bedeutend.


KERRY: "WIR HABEN GEMEINSAME INTERESSEN MIT IRAN"

Bei einer Sitzung im US-Kongress sagte Außenminister John Kerry, die Vereinigten Staaten und Iran hätten beim Kampf gegen den Islamischen Staat "gemeinsame Interessen". "Sie (die Iraner) sind gegen den Islamischen Staat, sie befinden sich bereits im Kampf gegen ihn, führen einen Krieg gegen ihn, sie töten die Anhänger des Islamischen Staates an der irakischen Grenze, sie sind ernsthaft über das Schicksal der Region besorgt. Daher haben wir gemeinsame Interessen, auch wenn wir nicht zusammenarbeiten würden."

Die Diskussion über eine mögliche Kooperation im Kampf gegen den IS wurde aktuell, nachdem die Terroristen im vergangenen Sommer im Irak und Syrien größere Gebiete eroberten. Damals entstand eine Koalition, an der sich auch einige arabische Staaten beteiligten. Iran war zu dem Treffen, das damals in Paris stattfand, nicht eingeladen, weil die USA das Vorgehen Irans in der Region, vor allem in Syrien, ablehnten. Auch Iran lehnte eine Teilnahme an der Koalition ab. Diese Koalition führt seitdem unter der Führung der USA Luftangriffe gegen die Stellungen des IS im Irak und Syrien.

Im September erklärte US-Präsident Barack Obama, das Problem der Araber sei nicht Iran. Er betonte: "Die gute Nachricht ist: Es stellt sich zum ersten Mal klar heraus, das das Problem der sunnitischen Staaten, von denen die meisten Verbündete der USA sind, nicht Iran und nicht die Schiiten sind, sondern es sind sunnitische Extremisten, die nun in der Gestalt von IS auftreten und die größte Gefahr für die Region darstellen."

Mitte September erklärte Revolutionsführer Ali Chamenei, Iran habe mehrmals die Aufforderung der USA zum gemeinsamen Kampf gegen den IS abgelehnt. Der US-Botschafter im Irak hätte den iranischen Botschafter zu einem Treffen eingeladen, bei dem über die Koordinierung des Kampfes gegen den IS und mögliche Kooperationen gesprochen werden sollte, berichtete Chamenei. "Manche der Verantwortlichen hatten nichts gegen ein solches Treffen einzuwenden gehabt. Aber er habe dagegen gestimmt und gesagt, wir abreiten nicht mit den USA zusammen, denn sie haben unsaubere Hände und unsaubere Absichten."

Die USA dementierten die Aussage Chameneis. Dennoch sagte der Sprecher des Außenministeriums John Saki: "Dass wir am Rande der Atomverhandlungen auch über den Kampf gegen den Islamischen Staat gesprochen haben, ist kein Geheimnis."

Am 24. Februar erklärte Kerry vor einem Kongressausschuss, die Unterstützung, die Iran den jemenitischen Rebellen gewährt habe, sei für den Sturz der dortigen Regierung entscheidend gewesen. Ohne die Hilfe aus Teheran wären die Huthis nie so stark geworden. Aber er fügte hinzu, es scheine, dass auch Iran von den jüngsten Ereignissen in Jemen "überrascht" worden sei und nun auf einen nationalen Dialog in Jemen hoffe, sagte der Minister.


CHAMENEI SCHREIBT BRIEF AN OBAMA

Das Wall Street Journal hat in der Ausgabe vom 14. Februar unter Berufung auf einen iranischen Diplomaten berichtet, Revolutionsführer Chamenei habe an US-Präsident Obama einen Brief geschrieben. Demnach soll der Brief eine Antwort auf einen Brief Obamas vom Oktober gewesen sein, in dem er Iran zur Kooperation im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) aufgefordert haben soll. Voraussetzung dafür sei allerdings eine Einigung im Atomkonflikt, schrieb Obama damals.

Der iranische Diplomat sagte, der Brief Chameneis soll "höflich" gewesen sein, aber ohne Versprechungen. Derzeitige und frühere Regierungsbeamte, die den Brief gesehen haben, gaben an, Chamenei habe den USA zahlreiche Vergehen während der sechzigjährigen Geschichte der Beziehungen der beiden Staaten vorgeworfen. Aber auch er habe eine Zusammenarbeit von der Lösung des Atomkonflikts abhängig gemacht.

Offiziell gab es in Washington keine Bestätigung des Briefs von Chamenei. Auch Teheran bestritt die Nachricht. Es gäbe kein derartiges Schreiben, erklärte das Außenministerium.


VERHANDLUNGEN JA, ABER KEINE FREUNDSCHAFT MIT USA

Ahmad Alamalhadi, Mitglied des Expertenrats und Freitagsprediger in der heiligen Stadt Maschad, sagte an Präsident Rohani gerichtet: "Der Revolutionsführer hat der Regierung Verhandlungen erlaubt, nicht aber Freundschaft mit den Verhandlungsgegnern."

"Sie können nicht daherkommen, die Leute veräppeln und ihnen erzählen, dass Sie sich über den Anzug eines Außenministers lustig gemacht haben. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass unser Außenminister an dem Tag, an dem drei Millionen Exemplare der Zeitschrift verbreitet wurden, die unseren Prophet beleidigt hat, mit dem Außenminister der USA auf den Straßen von Genf spazieren gegangen ist", sagte Alamalhadi. "Eine solche Sichtweise passt nicht zu unserem Staatssystem. Wir brauchen Minister, die den revolutionären Horizont erblicken."

Offenbar galt der Angriff Alamalhadis einer Äußerung von Rohani, der mit Blick auf die Kritiker des Spaziergangs von Sarif und Kerry gesagt hatte: "Manche monieren, dass der eine zu schnell gelaufen ist und der andere seine Brille schief aufgesetzt hatte. Wir sollten auf unsere mutigen Diplomaten stolz sein. Ich bin Zeuge ihrer unermüdlichen Aktivitäten und ihres mutigen Widerstands."


DSCHANNATI SORGT FÜR EKLAT

Ahmad Dschannati, Vorsitzender des mächtigen Wächterrats, sorgte mit seinen Äußerungen über den verstorbenen saudischen König Abdullah für einen Eklat. Während seiner Predigt beim Freitagsgebet am 30. Januar sagte er über den Tod von König Abdullah, dieser habe sich den Schiiten gegenüber feindlich verhalten, "das wird er jetzt nach seinem Tod büßen." Dann beglückwünschte er anlässlich des Todes des Königs alle "Muslime und alle anderen, die die Schiiten unterstützen".

Am selben Tag kritisierten zwei hohe Geistliche die Äußerungen Dschannatis. Ayatollah Dschawadi Amoli sagte bei einem Treffen mit den Botschafter Saudi-Arabiens, sich über den Tod eines Menschen zu freuen, ist unangebracht. Es gebe keinen Grund, die Gefühle der Hinterbliebenen zu verletzen. "Vor allem weil unsere Landleute nach Saudi-Arabien pilgern." Ayatollah Nasser Makaram Schirasi erklärte: "Trotz unterschiedlicher Positionen und Sichtweisen der Regierungen zweier Staaten, dürfen Muslime sich nicht gegenseitig beleidigen."

Von arabischer Seite kam Protest vom Generalsekretär des Golfkooperationsrats, Abdul Al Zayani. In einer Erklärung, die am 2. Februar veröffentlicht wurde, verurteilte Zayani die Äußerungen Dschannatis und bezeichnete sie als "unverantwortlich" und "feindselig". Solche Äußerungen würden die Konflikte zwischen Iran und den arabischen Staaten weiter entfachen, hieß es. Zayani forderte die Verantwortlichen in Teheran auf, die "Grundsätze der Nachbarschaft" zu achten und auf Stellungnahmen zu verzichten, die das Prinzip der Nichteinmischung in inneren Angelegenheiten des Nachbarlandes verletzten.

Auch Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani kritisierte zweimal innerhalb von zehn Tagen Dschannatis Äußerungen. Die Glückwünsche zum Tod des saudischen Königs bezeichnete er als "Gipfel des Extremismus" und fügte hinzu: "Manche sind bereit, die Interessen des Landes preiszugeben um ihre Rachegefühle zu befriedigen." Zehn Tage später, am 23. Februar, sagte Rafsandschani in einem Interview mit der Agentur "Mehr" auf die Frage nach den Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien, sie seien nach den Äußerungen beim Freitagsgebet wesentlich schlechter geworden.

Rafsandschani gehörte zu jenen ranghohen Politikern, die stets um gute Beziehungen zu den arabischen Nachbarstaaten, insbesondere zu Saudi-Arabien, bemüht waren. Er hatte auch persönlich einen besonderen Draht zu dem verstorbenen König Abdullah. Er betonte in dem Interview, dass er auch zu dem neuen König gute Beziehung habe. Er sei sicher, dass sich die Konflikte zwischen Iran und Saudi-Arabien lösen ließen, sagte er.


MOLAVERDI VOM PAPST EMPFANGEN

Die für Familie und Frauen zuständige Vizepräsidentin Shahindocht Molaverdi wurde, wie die Medien am 12. Februar berichteten, von Papst Franziskus im Vatikan empfangen. Der Inhalt des Gesprächs wurde zunächst nicht mitgeteilt. Molaverdi ist die zweite ranghohe iranische Politikerin, die seit der Revolution vom Papst empfangen wurde. Vor ihr war es der damalige Präsident Mohammad Chatami, der 1999 Papst Johannes II. im Vatikan besuchte.

Im Rahmen des Dialogs zwischen Katholiken und Muslime pflegt der Vatikan gute Beziehungen zu Iran. Auch hat sich der Vatikan mehrmals für eine friedliche Lösung des Atomkonflikts eingesetzt. Zudem bemüht sich der Vatikan um die Einbeziehung Irans in die Gespräche zur Lösung des Syrienkonflikts.

Rund 5.000 Katholiken leben in der Islamischen Republik. Zwar werden ihnen Einschränkungen auferlegt, doch im Vergleich zu manchen anderen islamischen Staaten können Christen und Juden ihren Glauben in Iran frei pflegen. Beide Religionsgemeinschaften sind als solche im Parlament vertreten.


NEUER UN-BOTSCHAFTER IRANS

Mitte Februar trat der neue iranische UN-Botschafter, Gholam Ali Choschroo, sein Amt in New York an. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon nahm am 17. Februar seine Beglaubigungsdokumente entgegen.

Vorausgegangen waren Auseinandersetzungen zwischen Iran und den USA, die ein ganzes Jahr dauerten. Denn Teheran hatte für den Posten zunächst Hamid Abutalebi vorgesehen. Dem verweigerte aber Washington die Einreiseerlaubnis mit der Begründung, Abutalebi habe 1979 aktiv an der Besetzung der US-Botschaft in Teheran und der Geiselnahme der Botschaftsangehörigen teilgenommen. Abutalebi bestritt den Vorwurf und erklärte, er habe lediglich einige Dokumente übersetzt.

Iran weigerte sich zunächst, einen neuen Botschafter zu ernennen, gab aber letztendlich nach.


IRANISCHER INGENIEUR WEGEN WEITERGABE VON INFORMATIONEN VOR GERICHT

Ein iranischer Ingenieur, der als Auftragnehmer des Pentagon tätig war, wurde beschuldigt, sensible Informationen über amerikanische Kampfflieger an Iran weitergegeben zu haben. Einem Bericht der BBC vom 26. Februar zufolge hat er sich nun schuldig bekannt. Vor einem Bundesgericht in Hartford in Connecticut hat der 60-jährige Mosaffar Khazai zugegeben, die Waffenexportkontrollgesetze verletzt zu haben. Ihm droht eine Haftstrafe von bis zu 20 Jahren Gefängnis. Das endgültige Strafmaß soll am 20. Mai verkündet werden.

Dem Bericht zufolge war Khazai als Ingenieur bei der Firma Pratt & Whitney beschäftigt. Er war zuständig für die Prüfung des Härtegrads der Teile von Jet-Motoren. Der Staatsanwalt beschuldigt ihn, Informationen über Triebwerke von Kampfjets vom Typ F-35 Joint Strike und F-22 Raptor gestohlen und an Iran weitergeleitet zu haben. Außerdem soll er 2013 versucht haben, Materialien nach Iran zu schicken, die allerding beschlagnahmt wurden.

Wie aus den Gerichtsakten hervorgeht, arbeitete Khazai zwischen 2001 und 2013 für drei verschiedene Firmen, die mit dem Pentagon zusammenarbeiteten. Zwischen 2009 und 2012 versuchte er mit der Weiterleitung von Geheiminformationen und der Versendung von Material nach Iran, in seinem Heimatland einen guten Job zu ergattern.

In Email-Sendungen, die er nach Iran schickte, schrieb er: "Als hoch qualifizierter Ingenieur habe ich wichtige Techniken kennengelernt, die ich der Industrie und den Universitäten vermitteln könnte." Er betonte, er versuche in Iran einen Job zu finden, um seinem Land dienen zu können.

Khazai wird unter anderem vorgeworfen, in einer Email an eine Person in Iran die Versendung von geheimen Unterlagen über das Projekt F-35 angekündigt zu haben, was er auch später getan hat. In dem Schreiben erklärte er, F-35 sei das kostspieligste Projekt in der Militärgeschichte. Die Kosten lägen bei 400 Milliarden Dollar. "Die Informationen seien streng geheim", schrieb er. "Ich habe große Gefahren für mich riskiert."

Im November 2013 wurden Zollbeamte auf Khazai aufmerksam, als sie eine Sendung prüften, die an eine Adresse in Iran gerichtet war. Die Sendung war als Haushaltsgeräte deklariert.

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KULTUR

• Fadschr-Musikfestival
• Regierung wegen Veröffentlichung eines Comic-Romans kritisiert
• Panahi gewinnt den Goldenen Bären
• Chamenei kritisiert Eastwoods Film "American Sniper"
• Rohani kritisiert Bedingungen der Buchzensur
• US-Reporter soll Geständnis abgelegt haben
• Karikaturenwettbewerb


FADSCHR-MUSIKFESTIVAL

Das Teheraner Musikfestival Fadschr ging am 21. Februar zu Ende. Die Abschlussfeier bot dem Minister für Kultur und islamische Führung, Ali Dschannati, die Gelegenheit, zu kritischen Äußerungen Stellung zu nehmen. Bei einer Versammlung in der Teheraner Wahdat-Halle verteidigte er die ihm untergeordneten Organisatoren des Festivals, das gesamte Programm und die "vorzügliche" Auswahl der Beiträge. Er warf den Kritikern vor, versucht zu haben, mit "Lügen, Unterstellungen und verzerrten Darstellungen" religiöse Gefühle zu erwecken und zu missbrauchen. Er erwähnte die Diskussionen über den Sologesang der Frauen und sagte, darüber gäbe es unter den Geistlichen unterschiedliche Ansichten. Es gäbe einige "eigensinnige Gruppen", deren Mitglieder zumeist "unreif" seien. Ihre Kenntnisse über Religion, Kunst und Gesellschaft seien äußerst gering, sagte der Minister. Er forderte die Organisatoren auf, diese Gruppe zu ignorieren und sich nicht von ihr einschüchtern zu lassen. Zugleich betonte Dschannati, er achte die religiösen Instanzen und habe Verständnis für ihre Sorgen und Zweifel.

Den jüngsten Anlass für Kritik bot das Album mit dem Titel "Oh altes Land, ich liebe dich", mit der Musik von Peyman Khaseni und den Stimmen von Mohssen Keramati und Nuschin Taghi. Nach einer Veranstaltung, an der Kulturschaffende und Vertreter religiöser Minderheiten teinahmen, warf der ebenfalls anwesende Dschannati den konservativen Medien vor, Lügen über den Sologesang von Frauen zu verbreiten. Solche "Zerstörungsabsichten und Lügen sind verwerflich. Was die Medien in diesen Tagen den religiösen Instanzen vermitteln, zum Beispiel über den Sologesang von Frauen, entspricht nicht der Wahrheit. Das ist unakzeptabel", so Dschannati.

In den Tagen zuvor hatten einige religiöse Instanzen sich nicht nur gegen Sologesänge von Frauen ausgesprochen, sondern auch die Teilnahme von Frauen an Orchestern abgelehnt und Dschannati namentlich kritisiert. Die beiden Großayatollahs Hossein Nur Hamedani und Nasser Makrem Schirasi kritisierten die Veröffentlichung des Albums und forderten das Kulturministerium auf, seinen Kurs zu ändern. Hamedani sagte: "Das Kulturministerium hat einer Frau erlaubt, öffentlich zu singen. Das normale Sprechen von Frauen unter Achtung islamischer Vorschriften ist erlaubt. Aber das Singen von Frauen in der Öffentlichkeit kann nie und nimmer erlaubt werden. Das werden wir verhindern."

Ayatollah Mohammad Yasdi, Präsidiumsmitglied des Expertenrats, griff Dschannati persönlich an. "Wenn Dschannati einen Bonus wegen des Ansehens seines Vaters hat und dadurch den Ministerposten erhalten hat, muss er aufpassen, dass er ihn nicht verliert." Dschannatis Vater ist Vorsitzender des Wächterrats. Er gehört zu dem rechtesten Flügel der Konservativen und bildet damit einen krassen Gegenpol zu seinem Sohn, der sich zu den Reformern zählt.

Yasdi sagte weiter: "Musik ist im Islam 'haram' (religiös verboten)." Das gelte erst recht für den Gesang von Frauen. "Dem stimmen alle religiösen Instanzen zu." Demgegenüber hatte Dschannati erklärt, es gäbe kein Gesetz, das den Frauen das Singen verbiete.

Dschannati sagte weiter, er bemühe sich seit einem Jahr um die Reaktivierung des Symphonieorchesters und des Nationalen Orchesters. Doch bei den Verhandlungen mit der Organisation für Haushalt und Planung habe er lediglich vierzig Prozent der erforderlichen Mittel bewilligt bekommen. Er versprach, dass das Symphonieorchester bis zum Jahresende, dem 21. März, und das Nationale Orchester in zwei bis drei Monaten ihre Arbeit wieder aufnehmen könnten. Zuvor hatte es geheißen, das Symphonieorchester werde zum Abschluss des Musikfestivals auftreten.

Neu war bei dem diesjährigen Festival der Auftritt von Jazz-Musikern aus den USA. Die Gruppe "Animation" trat am letzten Tag des Festivals überraschend auf. Es war das erste Mal, dass eine Musik-Gruppe aus den USA an dem Festival in Teheran teilnahm. Offenbar hatte dieses Ereignis mit einem Treffen zu tun, das vor geraumer Zeit in den USA stattfand, bei dem vor allem über Kulturaustausch gesprochen wurde. Das Treffen, an dem auch der Vizekulturminister Ali Moradkhani teilgenommen hatte, wurde damals seitens der Konservativen heftig kritisiert.


REGIERUNG WEGEN VERÖFFENTLICHUNG EINES COMIC-ROMANS KRITISIERT

Die Übersetzung des Comic-Romans "Blau ist eine warme Farbe" von Julie Maroh hat in konservativen Kreisen heftige Kritik ausgelöst, berichtete die dpa am 13. Februar. Der Roman wurde 2013 verfilmt. Der Film gewann in Cannes die Goldene Palme. Die Übersetzung lieferte die im Ausland lebende Autorin und Künstlerin Soheila Dschdejri.

In dem Roman geht es um die Beziehung zweier Frauen. "Wie kann das Kulturministerium die Übersetzung dieses Buchs erlauben?", schrieb das Webportal "Salehin" am 13. Februar in einem Leitartikel. Das Buch mache Werbung für Homosexualität und stehe im krassen Gegensatz zu den moralischen und ethischen Grundsätzen des islamischen Glaubens, hieß es.

Die dpa zitierte auch das erzkonservative Webportal "Chamrannews", das Kulturminister Ali Dschannati für die Veröffentlichung verantwortlich machte. Der Minister wird schon seit seinem Amtsantritt wegen seiner "liberalen" Politik seitens der Konservativen kritisiert. Die Zensurbehörde untersteht dem Ministerium für Kultur und islamische Führung.


PANAHI GEWINNT DEN GOLDENEN BÄREN

Die Auszeichnung des iranischen Filmemachers Dschafar Panahis mit dem Goldenen Bären bei der diesjährigen Berlinale erfüllte viele Iraner mit Stolz. Vor allem Kritiker des islamischen Regimes sehen darin ein Indiz dafür, dass die iranische Kunst und Kultur trotz rigoroser Zensur und erheblichen Einschränkungen der Meinungsfreiheit zur Geltung kommen und international Anerkennung finden.

Panahi war im Dezember 2010 zu sechs Jahren Haft und einem 20-jährigen Berufsverbot verurteilt worden, weil er einen Film über die Proteste von 2009 gegen die Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad geplant hatte. Doch das Urteil wurde nicht vollständig vollstreckt. Panahi befindet sich nicht in Haft. Er hat seit dem Urteil auch mehrere Filme produziert, die im Ausland gezeigt wurden. Er selbst kann aber aufgrund eines Reiseverbots nicht das Land verlassen.

Von offizieller Seite wurde die Preisverleihung scharf kritisiert. Hossein Nuschabadi, Sprecher des Ministeriums für Kultur und Islamische Führung, sagte: "Seit einigen Jahren sind wir bei diesem Filmfestival (Berlinale) Zeuge von politisch motivierten Entscheidungen gegen die Islamische Republik und einer Auswahl von Filmen, die unsere Staatsordnung schwarzmalen." Panahis Filme seien nicht gesellschaftskritisch. Aus ihnen sei eine irrationale "Feindschaft" zu spüren.

Nuschabadi forderte, dass Filmemacher, die aus welchem Grund auch immer im Iran mit Problemen konfrontiert seien, nicht "Wasser auf die Mühlen der Feinde der islamischen Staatsordnung gießen" und "für den eigenen Ruhm die kulturellen und religiösen Werte ihres Landes preisgeben" sollten.

Bereits vor der Preisverleihung hatte Hojatollah Ayoubi, zuständig für das iranische Kino, in einem Brief an den Leiter der Berlinale Dieter Kosslik kritisiert, dass Panahis Film "Taxi" in den Wettbewerb aufgenommen wurde. "Es ist höchst bedauerlich, dass Sie einen Filmemacher, der aufgrund bestehender Gesetze in seinem Land zurzeit keine Filme produzieren darf (obwohl er es doch tut), instrumentalisieren, um alle in einem Taxi mitzunehmen, das mit neuen Missdeutungen über Iran vollgepackt ist", schrieb Ayoubi. Der Produzent von "Taxi" kümmere sich, im Gegensatz zu den Behauptungen auf dem Festival, nur um seinen eigenen Vorteil. Er genieße alle Vorzüge eines freien Lebens. "Die Berlinale stand mal für Kultur und Kunst, jetzt aber hören wir immer wieder die lauten Schritte der Politik."

Der Kinobeauftragte des Kulturministeriums warf Kosslik vor, den Iran nur über Panahis Filme zu präsentieren. Damit würden lauter "Missverständnisse über das iranische Volk" verbreitet. "Mit den Bauklötzen, die Sie durch die Auswahl der Filme aufeinanderlegen, errichten Sie eine neue Mauer um die Berlinale, die höher sein könnte als die Chinesische Mauer", schrieb Ayoubi. "Doch Kultur und das Kino sollten dazu dienen, die Mauern einzureißen."

Die ultrakonservative Tagezeitung Kayan titelte: "Goldener Bär für den Anti-Iraner Dschafar Panahi." Die Nachrichtenagentur Tasnim bezeichnete die Preisverleihung als "Höhepunkt der politischen Spielereien der Berlinale". Und das Nachrichtenportal Maschregh deutete die Auszeichnung als ein "politisches Signal gegen Iran".

Die Kritik gegen die Auszeichnung für "Taxi" kam aber nicht allein aus konservativen Kreisen. Auch unter Oppositionellen wurde die Auszeichnung diskutiert. Wäre "Taxi" tatsächlich ungeachtet der Lebensumstände des Produzenten, allein aufgrund seiner Qualität mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet worden, fragte man sich. Wie weit hätten politische Erwägungen bei der Auswahl eine Rolle gespielt? Unbeantwortet blieb auch die Frage, wie es möglich ist, dass Panahi sich trotz des 20-jährigen Berufsverbots und seiner sechs-jährigen Gefängnisstrafe, frei bewegen, Filme produzieren und sie ins Ausland schicken kann, ohne dafür von der Justiz belangt zu werden.

Panhai selbst nahm in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ILNA zu einigen Kritikpunkten Stellung. Mit Blick auf das Schreiben Ayoubis an Kosslik sagte er: "Die Verantwortlichen reden immer von einer politischen Mauer im Ausland, obwohl sie erst mal die Mauern, die sie selbst errichtet haben, abschaffen sollten. (...) Wir hören in unserem eigenen Land seit Jahrzehnten die lauten Schritte der Politik, die sich in Kunst und Kultur einmischen." Es sei absurd, wenn Ayoubi eine Trennung zwischen Kunst und Politik fordere.

Gegen den Vorwurf, er habe seinen Ruhm im Westen als Filmemacher mit seiner politischen Lage erkauft, sagte Panahi: "Jeder Filmemacher will, dass sein Film erst zu Hause gezeigt wird." Er habe dem Kulturministerium angeboten, seinen Film Taxi in das Programm des Teheraner Fadschr-Festivals aufzunehmen, das ebenso im Februar stattfand. Doch die Behörden hätten sich nach einer Bedenkzeit nicht mehr gemeldet. Wenn sie den Film aufgenommen hätten, hätte er ihn aus dem Wettbewerb der Berlinale zurückgezogen.


CHAMENEI KRITISIERT EASTWOODS FILM "AMERICAN SNIPER"

Revolutionsführer Ali Chamenei hat den jüngsten Film von Clint Eastwood "American Sniper" kritisiert. Der Film sei eine Ermunterung, Muslime zu quälen, sagte er vor Vertretern religiöser Minderheiten Ende Januar in Teheran. Dieser Film, der in Hollywood produziert wurde und über den zurzeit so viel geredet werde, verleite vor allem Jugendliche Christen oder andere Nichtmuslime dazu, Muslime zu quälen. Der Film propagiere den Antiislamismus.

Chamenei gestand, den Film nicht selbst gesehen zu haben, es sei ihm darüber berichtet worden. Er kritisierte die Propaganda gegen die Muslime in Europa und den USA und sagte, das Leben der Muslime sei in diesen Staaten nicht mehr sicher.

Der Film "American Sniper" erzählt vom Leben des Navy Seals Chris Kyle, des besten Scharfschützen in der Geschichte des US-Militärs. Während des Kriegs im Irak war er vier Mal im Einsatz und tötete mehr als 160 Personen. Die Tatsache, dass er in dem Film zum Helden stilisiert wird, löste kontroverse Diskussion aus.

Chamenei hatte sich schon ein paar Mal über Filme aus Hollywood geäußert, unter anderem hatte er vor einer Versammlung von iranischen Filemachern den Film "Lincoln" von Steven Spiegelberg kritisiert. Lincoln sei "einer der schwächsten amerikanischen Präsidenten" gewesen. "Ich habe den Film nicht gesehen und werde ihn auch nie sehen. Ich vermute, dass man aus Lincoln einen Helden gemacht hat", sagte er.


ROHANI KRITISIERT BEDINGUNGEN DER BUCHZENSUR

Bei der Vergabe des Preises für die besten Bücher des Jahres in Teheran am 8. Februar erklärte Präsident Hassan Rohani: "Die Kontrolle der Veröffentlichung von Büchern muss Schritt für Schritt den Beteiligten selbst überlassen werden." Er sei der Meinung, dass man in diesem Bereich "nicht akribisch und provozierend" vorgehen sollte.

Die Buchzensur sollte nicht "hunderte von Maßregeln haben, sondern sich auf wenige wichtige Grundsätze stützen, wie Moral, Heiligtümer, nationale Sicherheit und nationale Interessen".

Seit der Amtsübernahme der Regierung Rohani wird im Iran darüber diskutiert, ob es nicht besser wäre, die Buchzensur den Verlegern und Autoren selbst zu überlassen. Solche Pläne werden sowohl von Konservativen als auch von Liberalen kritisiert. Die Konservativen befürchten eine Überschreitung der bestehenden strengen Grenzen, die Liberalen einen Zwang zur Selbstzensur.


US-REPORTER SOLL GESTÄNDNIS ABGELEGT HABEN

Dem Parlamentsabgeordneten Hamid Rassai zufolge soll der iranisch stämmige Reporter der Washington Post, Jason Rezaian, seine Aktivitäten als Spion laut der Agentur ISNA vom 17. Februar gestanden haben. Das Geständnis sei auf Video aufgenommen worden. Der Film werde demnächst im Fernsehen gezeigt werden. Es habe sich herausgestellt, dass die Reportertätigkeit eine Tarnung für die Spionagetätigkeit gewesen sei, sagte Rassai.

Rezaian war Ende Juli vergangenen Jahres mit seiner Frau, Yeganeh Salehi, die für eine arabische Zeitung arbeitete, verhaftet worden. Die Frau wurde im Oktober gegen eine Kaution freigelassen.


KARIKATURENWETTBEWERB

Das Kulturinstitut Sartscheschmeh in Teheran plant als Reaktion auf die Mohammad-Karikaturen einen Wettbewerb mit Karikaturen zur Nazi-Zeit. Dies sei eine Erwiderung auf die Mohammad-Zeichnungen in dem französischen Satiremagazin "Charlie Hebdo", hieß es in einer Mitteilung des Instituts.

Zugleich kritisiert das Institut, dass im Westen der Erforschung des Holocausts Einschränkungen auferlegt seien. "Wenn für den Westen Meinungsfreiheit keine Grenzen hat, dann sollten doch auch Wissenschaftler das Recht haben, über den Holocaust zu recherchieren", hieß es.

Die Karikaturen sollen bis Ende April eingereicht werden. Die beste Arbeit werde mit einem Preis von umgerechnet 20.000 Euro ausgezeichnet werden. Ferner soll aus den besten Werken ein Katalog entstehen und die Karikaturen sollen der englischsprachigen "Teheran Times" zufolge im Palästinensischen Museum für zeitgenössische Kunst in Teheran ausgestellt werden.

Mit Entsetzen reagierte die Bundesregierung auf die Ankündigung. Sie habe die Ankündigung "mit allergrößtem Unverständnis" zur Kenntnis genommen. "Wir sind zutiefst betroffen von den Versuchen, den Mord an sechs Millionen Juden zum Gegenstand von Spott und Lächerlichkeit zu machen", hieß es in einer Erklärung des Auswärtigen Amts vom 25. Februar. "Es sei ein Aufruf zum Judenhass", sagte Volker Beck, Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe der Onlineausgabe des Handelsblatts. Beck forderte eine Reaktion "mit aller Härte". Ähnlich äußerte sich Jan Korte, der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag. Der Wettbewerb sei "widerlich und abstoßend", sagte er. Die Bundesregierung und die Europäische Union sollten sich klar von der antisemitischen Hetze distanzieren, forderte Korte.

Wer Karikaturen zur bloßen Beleidigung und zur Verbreitung von Vorurteilen oder gar antisemitischen Stereotypen verwende, habe deren satirische Tradition völlig missverstanden, sagte Kerstin Griese, Vorstandsmitglied der SPD. Eine klare Positionierung gegen den Wettbewerb forderte auch der Direktor des Europabüros des American Jewish Commitee (AJC) in Brüssel. Das sei die beste Antwort auf das Propaganda-Spektakel, sagte er dem Handelsblatt.

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Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bauke Baumann
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14. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 3/2015 - März 2015 / 14. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2015

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