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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/365: Iran-Report Nr. 6 - Juni 2016


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 6 - Juni 2016
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Abschluss des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen erwartet das Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch eine Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung. Doch über den neuen Kurs, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Rohani vor erneuter Bewerbung gewarnt
• Neues Parlament hat Arbeit aufgenommen
• Schicksal der gewählten Abgeordneten aus Isfahan noch ungewiss
• Dschannati zum neuen Vorsitzenden des Expertenrats gewählt
• Aktivitäten der Streitkräfte bleiben nicht in nationalen Grenzen
• Eklat über Besuch von Rafsandschanis Tochter bei Bahai-Gefangener
• Narges Mohammadi zu zehn Jahren Haft verurteilt
• 1. Mai in Teheran
• Chamenei fordert hartes Vorgehen der Ordnungskräfte


ROHANI VOR ERNEUTER BEWERBUNG GEWARNT

Der frühere Parlamentsabgeordnete Ali Tadschernia sagte in einem Interview mit der Zeitung Arman am 3. Mai, einflussreiche Personen aus der Machtelite hätten Hassan Rohani gewarnt, nicht noch einmal für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Die nächste Präsidentenwahl findet im Juni nächsten Jahres statt. "Aus vielen Ecken ist zu hören, dass Präsident Rohani direkt oder indirekt gewarnt wurde, er solle auf eine Wiederwahl im nächsten Jahr verzichten", sagte Tadschernia. Konkrete Angaben machte er nicht.

Die wichtigste Strategie der Konservativen, die sich selbst als "Prinzipientreue" oder "Prinzipalisten" bezeichnen, bestehe darin, Rohani zu zermürben und ihn davon abzubringen, für seine Wiederwahl zu kandidieren, sagte Tadschernia, der zum Lager der Reformer gehört. "Sie setzen alle ihre Potentiale und Möglichkeiten ein, um eine Wiederwahl zu verhindern."

Tatsächlich werden die Auseinandersetzungen zwischen der gemäßigten Regierung und den rechten Konservativen seit dem Atomabkommen immer heftiger. Auffällig ist, dass Revolutionsführer Chamenei und Präsident Rohani ihre Auseinandersetzungen immer häufiger und schärfer öffentlich austragen und damit inzwischen zwei Fronten geschaffen haben, die sich mit immer härteren Bandagen gegenseitig bekämpfen.


NEUES PARLAMENT HAT ARBEIT AUFGENOMMEN

Das im Februar neu gewählte Parlament hat am 28. Mai seine Arbeit aufgenommen. Bei der Eröffnung war fast die gesamte Staatsführung anwesend. In seiner Eröffnungsbotschaft, die von seinem Büroleiter verlesen wurde, bedankte sich Revolutionsführer Ali Chamenei bei den Wählern dafür, dass sie mit ihrer Teilnahme an der Wahl erneut ihre Loyalität gegenüber dem islamischen Staat bekundet hätten. Das sei "eine unzweideutige Botschaft an alle Feinde und Missgünstigen". "Angesichts der stürmischen Lage und der Anwesenheit internationaler militärischer Abenteurer und ihrer Verbündeten in der Region, ist Iran mit einer komplizierten Situation konfrontiert", ließ Chamenei verlautbaren. Die Umsetzung der "Widerstandswirtschaft mit all ihren Konsequenzen und das Bestreben nach einer Vertiefung der islamischen Kultur" gehörten zu den dringlichsten Aufgaben des Staates.

Wer wird der neue Parlamentspräsident? Das war die Frage, die in den Tagen vor der Eröffnung des neuen Parlaments in den iranischen Medien und in Politikerkreisen heiß diskutiert wurde. Die Frage war deshalb so wichtig, weil durch die Wahl des neuen Parlamentspräsidenten das tatsächliche Kräfteverhältnis deutlich würde. Bei den im Februar stattgefundenen Wahlen hatte die Liste "Hoffnung", bestehend aus Gemäßigten und moderaten Konservativen, eine relative Mehrheit errungen. Sie hatte 123 der 290 Sitze im Parlament erobert. Die Liste der "Prinzipientreuen", bestehend aus rechten Konservativen und Hardlinern, bekam 80 Sitze. Zwei der gewählten Abgeordneten standen auf beiden Listen. Der Rest der Sitze wurde von Abgeordneten besetzt, die keiner Liste angehören. Wie diese Abgeordneten sich positionieren werden, war bislang völlig ungewiss.

Ungewiss war auch, wie die moderaten Konservativen, die mit den Gemäßigten die Liste der Hoffnung gebildet haben, künftig stimmen werden. Zwischen diesen und den Gemäßigten hatte es im Vorfeld der Konstituierung des neuen Parlaments Verhandlungen über den zu wählenden Präsidenten gegeben, die, wie Mohammad Resa Aref, der Spitzenkandidat der Liste, am 25. Mai sagte, ohne Ergebnis verlaufen waren. Aref sagte der Agentur ISNA, er werde für das Amt des Parlamentspräsidenten kandidieren und die Entscheidung den Abgeordneten überlassen. "Wir haben uns nicht einigen können, aber gegen eine Konkurrenz in freundschaftlicher Atmosphäre ist nichts einzuwenden." Es werde nicht zum Streit kommen, gleichgültig, wer zum Präsidenten gewählt werden würde.

Auch Arefs Rivale Ali Laridschani, der Präsident des alten Parlaments, der zu den moderaten Konservativen gehört, bestätigte, dass es mit den Gemäßigten keine Einigung gegeben habe. Daher ziehe er es vor, wie auch sonst üblich, die Wahl den Abgeordneten zu überlassen, sagte er. Auch über die Wahl der Stellvertreter sei keine Einigung erzielt worden.

Die Wahl des Parlamentspräsidenten, die schließlich am 29. Mai stattfand, setzte allen Spekulationen ein Ende, warf aber neue Fragen auf. Gewählt wurde schließlich erneut Ali Laridschani mit 173 von 281 Stimmen. Für Aref stimmten 103 Abgeordnete. Laridschani sagte nach seiner Wiederwahl: "Das Parlament ist das Hauptbollwerk zur Verteidigung der Rechte des iranischen Volkes. In den turbulenten Zeiten, die in der Region herrschen, in denen das Land zudem mit komplizierten wirtschaftlichen Problemen konfrontiert ist, muss das Parlament mit Fachwissen und Hilfe von Experten das Volk schützen."

Auch andere Mitglieder des Präsidiums wurden gewählt, unter ihnen befinden sich zum ersten Mal auch zwei Sunniten. Beide kommen aus der Provinz Aserbaidschan. "Um die Probleme des Landes zu lösen, müssen Regierung und Parlament zusammenarbeiten", sagte Rohani nach der Wahl des Präsidiums. "Die Bürger haben bei der Parlamentswahl ihre politische Reife bewiesen und deutlich gemacht, was sie wollen, aber auch, was sie nicht wollen." Iran müsse nach der Aufhebung der Sanktionen mit der Weltgemeinschaft zusammenarbeiten, um die Wirtschaft ankurbeln zu können. Angesichts des niedrigen Ölpreises brauche das Land rund 50 Milliarden Dollar Investitionen. Regierung und Parlament sollten daher nicht mehr gegen, sondern miteinander arbeiten, sagte Rohani.

Die Wahl Laridschanis wirft die Frage auf, wie sich die moderaten Konservativen in Zukunft positionieren werden. Laridschani hatte im Gegensatz zu den "Prinzipientreuen" die Atompolitik der Regierung und das Atomabkommen unterstützt. Wie werden er und seine Anhänger sich aber gegenüber anderen Plänen der Regierung, vor allen gegenüber solchen, die innere Reformen zum Ziel haben, positionieren?


SCHICKSAL DER GEWÄHLTEN ABGEORDNETEN AUS ISFAHAN NOCH UNGEWISS

Noch ist das Schicksal der 30 Jahre alten Minu Chaleghi aus Isfahan, die bei den Parlamentswahlen im Februar gewählt wurde, ungewiss. Ihre Wahl wurde vom Wächterrat nachträglich für ungültig erklärt, weil sie nach Ansicht des Rates moralisch für die Ausübung der Aufgaben einer Parlamentsabgeordneten nicht geeignet sei. Laut Presseberichten sollen dem Wächterrat Fotos von Chaleghi zugespielt worden sein, auf denen sie mit offenen Haaren zu sehen ist. Zudem wird behauptet, Chaleghi habe auf einer Reise nach China einem Mann die Hand gegeben.

Chaleghi erklärte, die Fotos seien gefälscht. Offenbar hätten einige Leute "aus politischen Gründen alle moralischen Grundsätze und bestehenden Gesetze über Bord geworfen" und gefälschte Fotos im Internet veröffentlicht. Sie erstattete Anzeige gegen Unbekannt.

Der Wächterrat entscheidet unter anderem über die Zulassung der Bewerber für einen Sitz im Parlament. Umstritten ist, ob er auch dazu befugt ist, nach der Wahl einen bereits gewählten Abgeordneten abzulehnen. Es wird vermutet, dass der von Erzkonservativen dominierte Wächterrat die Wahl Chaleghis aus politischen Gründen für ungültig erklärt hat. Chaleghi gehört der Fraktion der Reformer und Gemäßigten an.

Die Regierung hat sich gegen die Entscheidung des Wächterrats ausgesprochen. Über die mögliche Ablehnung eines gewählten Abgeordneten könne nur das Parlament entscheiden, sagte der Innenminister. Und sollte Chaleghi tatsächlich abgelehnt werden, müsste der nächste, der nach ihr die meisten Stimmen erhalten habe, ihr nachfolgen. Auch der Nachfolger gehört nämlich der Fraktion der Reformer an. Das lehnt der Wächterrat jedoch ab. Nach dessen Ansicht müsste der Sitz bis zu den "Zwischenwahlen" im nächsten Jahr unbesetzt bleiben.

Der bisherige Parlamentspräsident Ali Laridschani hat sich ebenfalls gegen die Entscheidung des Wächterrats ausgesprochen. Der Rat habe vor der Wahl Zeit genug gehabt, um die Eignung von Chaleghi zu prüfen, sagte er. Eine nachträgliche Ablehnung könne nur durch das Parlament erfolgen. Er habe auch dem Revolutionsführer das Problem vorgetragen.

Nun soll sich eine Schlichtungsgruppe mit dem Fall beschäftigen. Die endgültige Entscheidung bleibt aber dem Revolutionsführer Ali Chamenei vorbehalten. Dieser tendiere eher zu der Position des Wächterrats, sagte Laridschani.

Indes wurde laut der Agentur Tasnim eine Person mit dem Namen Hamed Talebi in Zusammenhang mit dem Fall Chaleghi festgenommen. Er soll bei einer Agentur, die den Ultrakonservativen nahesteht, beschäftigt sein.


DSCHANNATI ZUM NEUEN VORSITZENDEN DES EXPERTENRATS GEWÄHLT

Der Expertenrat hat am 24. Mai den Erzkonservativen Ahmad Dschannati zum Vorsitzenden gewählt. Für den 90-jährigen Dschannati stimmten 51 der insgesamt 88 Mitglieder. Der Expertenrat, der ausschließlich aus Geistlichen besteht, wird alle acht Jahre direkt vom Volk gewählt. Er überwacht die Amtsführung des Revolutionsführers, der zugleich Staatsoberhaupt und geistliches Oberhaupt des Landes ist. Er kann ihn bei Verfehlungen zur Rechenschaft ziehen und nötigenfalls absetzen. Der Rat ist auch für die Wahl eines neuen Revolutionsführers zuständig.

Der Geistliche Dschannati gehört zu den einflussreichsten Männern der Islamischen Republik. Er ist bereits Vorsitzender des mächtigen Wächterrats, dem Gremiums, das für die Überprüfung der vom Parlament verabschiedeten Gesetze zuständig ist. Auch die Kandidaten für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bedürfen der Zustimmung des Wächterrats. Dschannati ist zudem Mitglied des Obersten Rats der Kulturrevolution, Mitglied des Schlichtungsrats und Freitagsprediger für die Hauptstadt Teheran.

Bereits vor der Revolution hatte er sich als Theologe und Prediger der islamischen Oppositionsbewegung gegen das Schah-Regime angeschlossen. Er zählte zu den treuen Anhängern Ayatollah Chomeinis. Er arbeitete in geheimen Zirkeln, verfasste und verteilte im Untergrund Flugblätter, organisierte Kundgebungen und verbreitetet später die berühmten Tonaufnahmen von Chomeinis Botschaften aus dem Exil. Dreimal wurde er vorübergehend in Haft genommen und einmal für drei Jahre in die Verbannung geschickt.

Nach der Machtübernahme der Islamisten wurde Dschannati, wie sein geistlicher Kollege Sadegh Chalchali - im Volksmund als Schlächter bezeichnet - mit der Verfolgung der Angehörigen des gestürzten Regimes beauftragt. Als Ankläger und Richter in einer Person verurteilte er eine ganze Reihe von "Konterrevolutionären" zum Tode.

Dschannati gehörte zu den wichtigsten Unterstützern des ehemaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und zu den entschiedensten Gegnern der Reformbewegung. Bei den Protesten von 2009 gegen die manipulierte Wiederwahl Ahmadinedschads behauptete er, er besitze eindeutige Belege dafür, dass die USA über Saudi-Arabien die Grüne Bewegung mit einer Milliarde Dollar unterstützt hätten - eine Behauptung, die er trotz mehrfacher Aufforderungen nicht beweisen konnte. Vor zwei Jahren forderte er für die beiden Führer der Grünen Bewegung, Mir Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi, die seit mehr als fünf Jahren ohne Gerichtsurteil unter Hausarrest stehen, die Todesstrafe.

Dschannati gehört zu den entschiedensten Gegnern der gemäßigten Regierung von Hassan Rohani, der auch sein Sohn Ali Dschannati als Kulturminister angehört. Er hatte bei den Wahlen im Februar unter den sechzehn für den Bezirk Teheran vorgesehenen Sitzen im Expertenrat gerade mal den letzten Platz erringen können. Seine Wahl zum Vorsitzenden wird von Beobachtern als eine Ohrfeige für die Gemäßigten um Präsident Rohani und als Ignoranz und Arroganz der Macht gegenüber der Mehrheit des Volkes gewertet.


AKTIVITÄTEN DER STREITKRÄFTE BLEIBEN NICHT IN NATIONALEN GRENZEN

Ahmad Resa Purdastan, Oberbefehlshaber des Heeres, erklärte laut iranischen Medien am 21. Mai, die Aktivitäten der iranischen Streitkräfte blieben nicht auf die nationalen Grenzen beschränkt. "Falls Befehle von der Führung kommen, sind wir zu jeder Zeit bereit, an jedem beliebigen Ort unsere nationalen Interessen zu verteidigen." Als Beispiel erwähnte Purdastan die Präsenz von Sonderkommandos der Streitkräfte in Syrien und ihre dortige Zusammenarbeit mit der Al-Kuds Brigade der Revolutionsgarden, die in Syrien beratend tätig seien.

Die iranischen Militärs hatten im März diesen Jahres erklärt, dass ein Sonderkommando der 65. Brigade zur militärischen Beratung nach Syrien entsandt worden sei. Seitdem sind eine ganze Reihe von Soldaten und Offizieren im syrischen Krieg gefallen. Zuletzt hatte laut der Agentur Fars ein Vertreter der Revolutionsgarden am 8. Mai bekannt gegeben, dass bei Gefechten in der Nähe von Aleppo 13 Soldaten der Revolutionsgarden getötet und 21 militärische Berater verletzt worden seien. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London sprach von 20 getöteten Iranern, von denen 13 als Berater tätig gewesen sein sollen.


EKLAT ÜBER BESUCH VON RAFSANDSCHANIS TOCHTER BEI BAHAI-GEFANGENER

Ein privater Besuch bei einer Angehörigen der Bahai-Gemeinde wurde zu einer Staatsaffäre. Faeseh Haschemi Rafsandschani, die Tochter des ehemaligen Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani, hatte Fariba Kamalabadi, eine Angehörige der Bahai-Gemeinde, die seit acht Jahren im Gefängnis sitzt und nun zum ersten Mal Hafturlaub bekommen hatte, in ihrem Privathaus besucht. Die beiden Frauen hatten sich im Gefängnis kennengelernt und sich angefreundet. Auch Faeseh Haschemi Rafsandschani saß eine Zeitlang in Haft.

Seit der Gründung der Islamischen Republik werden Angehörige der Bahai-Religion schwer diskriminiert. Zahlreiche Gemeindemitglieder einschließlich des gesamten Vorstands befinden sich schon seit Jahren in Haft. So gilt jede Verbindung zu den Bahais aus der Sicht der Islamisten als ungeschriebenes Verbot. Kamalabadi gehört zu dem siebenköpfigen Vorstand der Bahai-Gemeinde, dessen Mitglieder wegen "Spionage, Beleidigung islamischer Heiligtümer und Propaganda gegen die Islamische Republik" jeweils zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt worden sind. Die Bahai-Gemeinde und die Betroffenen selbst bestreiten die Vorwürfe. Das US-Außenministerium forderte am 14. Mai in einer Erklärung die iranische Justiz auf, die Vorstandsmitglieder ebenso wie alle anderen Häftlingen, die wegen ihres Glaubens in Haft sitzen, freizulassen.

Die Nachricht von dem Besuch Faesehs löste bei den rechten Medien scharfe Kritik aus. Die Agentur Fars veröffentlichte eine Erklärung der "Union islamischer Studentenvereine", in der Rafsandschani aufgefordert wurde, gegen seine Tochter einzuschreiten. Auch die Agentur Tasnim äußerte sich ähnlich. Beide Agenturen veröffentlichten Stellungnahmen von islamischen Geistlichen, die sich zum Teil äußerst diskriminierend und rassistisch gegen Bahais äußerten. Sie bezeichneten sie u.a. als "unreine" Wesen, denen man nicht einmal die Hand geben dürfe.

Der Politiker Taghi Rahmai, der der Fraktion der National-Religiösen angehört, meinte, die Reaktionen der rechten Islamisten zielten nicht auf die Tochter, sondern auf den Vater. Rafsandschani gehört nach wie vor zu den einflussreichsten Politiker der Islamischen Republik. Zurzeit ist er Vorsitzender des Schlichtungsrats. Er unterstützt die Regierung Rohani.

Der Druck auf Rafsandschani wuchs so weit an, dass sich dieser genötigt sah, seine Tochter öffentlich zu schelten. In einem Interview mit der Zeitung Dschomhuri Eslami sagte er am 15. Mai: "Faeseh hat einen großen Fehler gemacht. Sie muss ihn korrigieren und wiedergutmachen." Der Bahaismus sei ein "Machwerk der Kolonialisten". "Wir haben diese Gruppe stets so eingeschätzt und sie gemieden. Das tun wir auch jetzt." Faeseh entschuldigte sich aber nicht. "Ich habe keinen Fehler gemacht und habe nichts zu bereuen", sagte sie in einem Interview mit "Euronews".

Der Ehemann von Kamalabadi, Ruhollah Taefi, sagte in einem Interview mit der freien Journalistin Fereschteh Ghasi am 17. Mai, Besuche von ehemaligen Gefangenen, die sich im Gefängnis kennenlernen, seien nicht ungewöhnlich. Der Besuch werde von den rechten Medien so aufgebauscht, weil die Wahl des Vorsitzenden des Expertenrats bevorstehe und man verhindern wolle, dass Rafsandschani gewählt werde.

Am 16. Mai nahm auch Ayatollah Makarem Schirasi, der zu den religiösen Instanzen zählt und als erzkonservativ gilt, zu dem Fall Stellung. Er verurteilt den Besuch scharf und sagte, seiner Ansicht nach handele es sich bei dem Besuch um ein "religiöses Vergehen", das gerichtlich verfolgt werden müsse. Die Stellungnahme von Rafsandschani bezeichnete er als "milde Kritik", fügte aber hinzu: "Gott sei Dank, dass er wenigstens reagiert hat."

Indes nahmen fünf bekannte iranische Geistliche und Theologen, die im Exil leben, zu dem Besuch Stellung. In einer Erklärung, die am 21. Mai veröffentlicht wurde, heißt es: "Die Zeit ist endlich gekommen, dass Kulturschaffende und Politiker in Zusammenarbeit mit Andersdenkenden ernsthaft einen Schlussstrich unter die Ungleichbehandlung von Minderheiten ziehen sollten." Die Unterzeichner kritisieren die "Extremisten", allen voran Ayatollah Makarem Schirazi, für ihre "politisch motivierte" Reaktion auf eine "menschliche Geste" Faesehs. Sie verurteilen die "Jahrzehnte lange Unterdrückung der Bahais", die ihren Beruf nicht frei ausüben könnten, keine Studienplätze bekämen und die getötet würden. "Wenn jede Glaubensgemeinschaft, die die Macht übernimmt, andere Glaubensgemeinschaften unterdrückt und ihnen keine Bürgerrechte gewährt, würde niemand mehr in Sicherheit leben, auch nicht die Schiiten, die in anderen Ländern leben", heißt es in der Erklärung weiter. Die Autoren kritisieren, dass Ungerechtigkeiten und inhumane Verhaltensweisen von den Eliten der iranischen Gesellschaft ignoriert würden und dass selbst Haschemi Rafsandschani sich genötigt fühle, die humane Geste seiner Tochter zu kritisieren. Dieses Ignorieren und Schweigen habe dazu geführt, dass nicht nur der Besuch von Bahais geahndet werde, sondern auch der Besuch von Häftlingen, die im Zusammenhang mit den Unruhen von 2009 verurteilt worden seien. Auch Hilfeleistungen an Familien der Häftlinge würden gerichtlich verfolgt. Die Sicherheitsorgane hätten sogar Eheleute zur Scheidung gezwungen und damit Familien auseinandergerissen.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Gholamhossein Mohseni Ejehi, bezeichnete am 21. Mai vor der Presse das Verhalten von Faeseh Rafsandschani als "hässlich und beschämend". Man werde den Fall den Gesetzen entsprechend behandeln, sagte er.

Faesehs Anwalt, Mohammad Alisadeh Tabatabai, erwiderte vor der Presse, der Fall habe keine juristische Relevanz, es gebe kein Gesetz, das den Besuch eines Häftlings verbiete. Auf die Frage, warum Faeseh sich trotz der Schelte ihres Vaters nicht entschuldige, sagte er: "Faeseh ist promovierte Politologin, sie ist 45 Jahre alt", sie habe ihre eigene Meinung und müsse nicht die Anweisungen ihres Vaters befolgen.

Bereits vor dem Vorfall hatte Bärbel Kofler, die neue Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, zum Jahrestag der Inhaftierung der sieben führenden Mitglieder der Bahai-Gemeinde, deren Freilassung gefordert. "Ich fordere die iranische Justiz auf, die unrechtmäßigen Urteile sofort aufzuheben", sagte Kofler am 13. Mai in Berlin. Die Vorstandsmitglieder sowie alle anderen, die aufgrund ihres Glaubens verurteilt worden seien, sollten unverzüglich freigelassen werden. Die Islamische Republik solle endlich die Verfolgung und Repressionen von religiösen Minderheiten beenden, forderte Kofler.


NARGES MOHAMMADI ZU ZEHN JAHREN HAFT VERURTEILT

Nach Auskunft ihres Mannes Taghi Rahmani, wurde die Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Er habe erst am 18. Mai von dem Urteil eines Revolutionsgerichts erfahren, sagte der Ehemann. Mohammadi wurde vorgeworfen, den Verein Legam gegründet zu haben, der vor zwei Jahren eine Kampagne für die Abschaffung der Todesstrafe gestartet hatte. Dafür wurde sie mit zehn Jahren Gefängnis bestraft. Fünf Jahre Gefängnis bekam sie zudem für Propaganda gegen die islamische Staatsordnung und ein Jahr Gefängnis für Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit. Nach iranischem Recht wird jedoch nur die höchste der verhängten Strafen verbüßt, so dass das endgültige Urteil auf zehn Jahre Gefängnis reduziert wurde.

Mohammadi wurde verurteilt während sie noch eine zuvor verhängte sechsjährige Strafe verbüßte. Sie war 2010 festgenommen worden und 2011 wegen Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit, der Mitgliedschaft im Verein zur Verteidigung der Menschenrechte und Propaganda gegen die islamische Staatsordnung zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ein Revisionsgericht hatte das Urteil dann auf sechs Jahren Gefängnis reduziert. Vor einem Jahr wurde sie aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus der Haft entlassen, aber nach wenigen Monaten wieder in Haft genommen.

Mohammadi ist schwer krank. "Narges Mohammadi gehört in eine Spezialklinik und nicht in ein Gefängnis", sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr am 19. Mai der Presse. Sie habe nach einer Verhaftung 2010 infolge einer Serie von Verhören einen psychischen Zusammenbruch erlitten und musste mit einer Muskellähmung ins Krankenhaus eingeliefert werden. "Jeder einzelne Tag, den sie in Haft verbringt, ist ein Akt der Unmenschlichkeit. Dieses Urteil ist ein klarer Versuch der Einschüchterung gegen alle, die unabhängige Informationen über Irans Menschenrechtsverletzungen verbreiten."

Den Angaben von Taghi Rahmani zufolge, der im französischen Exil lebt, wird Mohammadi oft der Zugang zu Medikamenten verweigert. Bei einem zehntägigen Krankenhausaufenthalt im vergangenen Jahr wurde sie in Handschellen ans Bett gefesselt und schließlich wieder ins Gefängnis gebracht, obwohl die Ärzte davon abgeraten hatten.


1. MAI IN TEHERAN

Die Kundgebung zum Tag der Arbeit wurde in Teheran bereits am 30. April veranstaltet. Mehrere Tausend Werktätige nahmen daran teil. Hauptthema der Demonstration war der Mangel an Berufssicherheit. Aliresa Mahdschubi, Leiter des "Hauses der Arbeiter" sagte, das aktuelle Problem der Werktätigen seien niedrige Löhnen und Zeitverträge.

"Unser Präsident, höre unsere Hilferufe", skandierten die Versammelten. Sie protestierten gegen die Zeitverträge und forderten die Auszahlung ihrer rückständigen Löhne. "Zurzeit haben 490.000 Beschäftigte in den staatlichen Betrieben wegen ungerechter Arbeitsverträge keine Berufssicherheit", sagte Mahdschubi.

Es war das zweite Mal nach mehr als 20 Jahren, in dem die Werktätigen sich am internationalen Tag der Arbeit versammeln durften. "Wir erwarten einen freundlicheren Umgang der Regierung mit Werktätigen", sagte Hassan Sadeghi, Vorstandsmitglied des "Hauses der Arbeiter". Es sei zwar anerkennenswert, dass die Werktätigen Demonstrationen veranstalten dürften, aber diese Geste sei nicht ausreichend.

"Das Haus der Arbeiter" ist zwar als eine regierungsunabhängige Arbeitervertretung registriert, ist aber nicht tatsächlich unabhängig. Im dreiköpfigen Zentralrat sitzen neben Mahdschubi auch ein ehemaliger Arbeitsminister und der derzeitige Arbeitsminister, nämlich Hossein Kamali und Ali Rabii.

In der islamischen Republik gibt es keine regierungsunabhängigen Gewerkschaften. Alle Versuche zur Gründung von autonomen Gewerkschaften sind bisher gescheitert. Einige Initiatoren, die, wie zum Beispiel bei den Teheraner Busfahrern, versucht haben, eine eigene Interessenvertretung zu organisieren, wurden gerichtlich verfolgt. Einige befinden sich bis heute im Gefängnis.


CHAMENEI FORDERT HARTES VORGEHEN DER ORDNUNGSKRÄFTE

Revolutionsführer Ali Chamenei hat bei einem Empfang der Polizeiführung am 8. Mai Medienberichten zufolge ein hartes Vorgehen der Ordnungskräfte gegen Missachtungen von moralischen Vorschriften gefordert. "Wenn es um moralische Fragen geht und man alles richtig überlegt und entschlossen geplant hat, darf man sich nicht mehr um die Kritik in den Medien kümmern und muss entschlossen im Glauben an Gott handeln."

Vor allem nachdem die Polizei bekannt gegeben hatte, 7.000 Zivilpolizisten in der Hauptstadt Teheran unter die Bevölkerung geschickt zu haben, um besser über moralische Vergehen informiert zu werden, ist die Kritik am harten Vorgehen der Ordnungskräfte nicht nur in den liberalen Medien, sondern auch in den Kreisen der Regierung lauter geworden. Sogar Präsident Rohani hatte sich zu einer Stellungnahme genötigt gesehen. "Die Freiheit der Bürger dürfe durch nichts anderes als durch bestehende Gesetze eingeschränkt werden." Der Staat habe kein Recht, sich außerhalb der Gesetze in das Privatleben der Bürger einzumischen, sagte Rohani.

Demgegenüber verlangte Chamenei von der Polizei eine "genaue Beobachtung, vielseitige und permanente Präsenz im ganzen Land und die Herstellung der Sicherheit in allen Wohnorten, sowohl innerhalb als auch am Rande der Großstädte, und auch in Kleinstädten und abgelegenen Dörfern."

Offenbar wurde die Polizei durch die Äußerungen des Revolutionsführers ermutigt, eine härtere Gangart einzulegen. Am 26. Mai wurde in der Stadt Ghaswin ein Haus gestürmt, in dem junge Männer und Frauen eine Party feierten. Alle 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden festgenommen. Am nächsten Tag wurden sie zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Der Staatsanwalt beim Ghaswiner Revolutionsgericht, Esmail Sadeghi, sagte, das Urteil sei sogleich vollstreckt worden. "Das sollte für alle, die den gesetzten Rahmen überschreiten, eine Lehre sein."

Dass Ordnungskräfte und Revolutionswächter Partys überfallen und die Teilnehmer festnehmen, ist in der Islamischen Republik nicht ungewöhnlich. Doch in den meisten Fällen werden die Betroffenen nach einer Belehrung in moralischen Angelegenheiten und nach schriftlichen Reuebekundungen wieder freigelassen. Das brutale Vorgehen gegen die jungen Menschen in Ghaswin ist vor diesem Hintergrund eine seltene Härte, die, wie Kritiker befürchten, nun Schule machen könnte.

"Wie mir berichtet wurde, hatten sich junge Frauen und Männer in einer Villa gemischt miteinander vergnügt", begründete der Staatsanwalt die Strafmaßnahme. "Die Frauen seien halb nackt gewesen, es wurde Alkohol getrunken. Die Leute haben sich unsittlich verhalten, was die Ehre der Bevölkerung verletzt hat. Daher war es angebracht, dass die Justiz Stärke zeigt und rasch handelt", sagte Sadeghi.

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KULTUR

• Großer Erfolg für iranischen Film in Cannes
• Rohani über Bücherzensur
• 230 Journalisten beklagen Lage inhaftierter Kollegen
• Chamenei kritisiert Verbreitung der englischen Sprache
• Regierung kritisiert Praxis kurzfristiger Konzertabsagen
• Karikaturen-Wettbewerb zum Thema Holocaust
• Iranische Kunstsammlung ab Dezember in Berlin


GROßER ERFOLG FÜR IRANISCHEN FILM IN CANNES

Beim diesjährigen Filmfestival in Cannes wurde Schahab Hosseini, der Hauptdarsteller in dem Film "Foruschandeh" (Verkäufer, Handlungsreisender) von Asghar Farhadi, als bester Schauspieler ausgezeichnet. "Diesen Preis schenke ich den Menschen in meiner Heimat", sagte Hosseini. Auch der Regisseur Farhadi erhielt eine Auszeichnung für das beste Drehbuch.

Farhadi war 2012 für seinen Film "Nader und Simin - eine Trennung" mit dem Oscar ausgezeichnet worden. Der Film Foruschandeh ist eine iranisch-französische Koproduktion. Er fängt an mit der Inszenierung von Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden". Hosseini und Taraneh Alidusti spielen die Hauptrollen. Das Ehepaar muss die eigene Wohnung verlassen, weil das Haus zusammenzubrechen droht. Ein Schauspielerkollege bietet dem Ehepaar eine Übergangslösung in einer kürzlich freigewordenen Wohnung an. Die beiden wissen aber nicht, dass bei der Vorgängerin oft fremde Männer ein- und ausgingen. Allein in der Wohnung, geht die Frau eines Abends duschen. Die Wohnungstür lässt sie offen, weil glaubt, ihr Mann habe geklingelt. Doch es ist ein fremder Mann, der in die Wohnung hereinkommt, die Frau überfällt und vergewaltigt. Dieser Vorfall erschüttert die Ehe der beiden.

Farhadi kassierte viel Lob für den Film, allerdings meinen viele Kritiker, im Vergleich zu seinen bisherigen Filmen sei Foruschandeh vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet weniger gelungen.


ROHANI ÜBER BÜCHERZENSUR

Bei der Eröffnung der Teheraner Buchmesse am 3. Mai sagte Präsident Hassan Rohani, die Zensur der Bücher solle einem Verein, bestehend aus Vertretern der Autoren und Verleger, überlassen werden. "Ich habe dem Minister für Kultur und Islamische Führung oft gesagt, die Entscheidung darüber, ob ein Buch zum Druck geeignet ist oder nicht, soll denen überlassen werden, die dafür kompetent sind, einem Verein von Vertretern der Autoren und Verleger", so Rohani. Es sei nicht gut, solche Entscheidungen staatlichen Angestellten zu überlassen.

"Ein Buch ist Ausdruck der Gedanken und des Geistes eines denkenden Menschen. Wenn ein solcher Mensch beim Schreiben an hundert Dinge denken soll, die die Zensur beanstanden könnte, wird er nicht weiterkommen", sagte Rohani.

Mit Blick auf eine Äußerung des Revolutionsführers Ali Chamenei, der gesagt hatte "wir sollten nicht den, der (an der Regierung) Kritik übt, schelten", meinte Rohani, "Kritiker dürfen nicht festgenommen und ins Gefängnis geworfen werden, Kritik ist ein Segen, eine Gabe Gottes. Allerdings sollte die Kritik nicht als Tarnung zur Verbreitungen von Gerüchten und Bezichtigungen dienen." Man dürfe aber nicht demjenigen, der aus Sorge kritische Texte und Gedicht schreibe, Steine in den Weg legen.

Die 29. Teheraner Buchmesse, die unter dem Motto "Morgen ist es zum Lesen zu spät" veranstaltet wurde, war von 4. bis 14. Mai für Besucher geöffnet.


230 JOURNALISTEN BEKLAGEN LAGE INHAFTIERTER KOLLEGEN

230 Journalisten haben Präsident Rohani am "Internationalen Tag der Presse" in einem offenen Brief aufgefordert, sich um ihre inhaftierten Kollegen zu kümmern. "Sie sind unser Präsident und wir haben für (das von Ihnen proklamierte Motto) ,Vernunft und Hoffnung' gestimmt, um, wie der Revolutionsführer sagte, die größtmögliche Mehrheit zu erreichen, nicht das Gegenteil." Nun solle der Regierungschef "einen vernünftigen Weg" finden, um missbräuchliche Einflussnahmen zu unterbinden und zu verhindern, dass junge, talentierte Journalisten die besten Jahre ihres Lebens hinter Gittern verbrächten.

Isa Saharchis, Pressesprecher der Regierung des Reformpräsidenten Mohammad Chatami, Afarin Tschitsas, Kolumnist der Zeitung "Iran", Ehsan Masanderani, Herausgeber der Zeitung "Farhichtegan", und Ehsan Safarsai, freier Journalist, befinden sich seit November vergangenen Jahres in Haft. Über die Festnahme dieser Journalisten bestehen zwischen der Regierung und der Justiz Meinungsverschiedenheiten. Rohani hatte die Festnahmen indirekt kritisiert, die Justiz behauptet hingegen, genügend Beweise gegen die Journalisten in der Hand zu haben. Die Betreffenden seien nicht wegen ihrer journalistischen Tätigkeit verhaftet worden, sondern weil sie gegen die nationale Sicherheit verstoßen hätten.


CHAMENEI KRITISIERT VERBREITUNG DER ENGLISCHEN SPRACHE

Vor einer Versammlung von Lehrern beklagte sich Revolutionsführer Ali Chamenei am 2. Mai über die "bevorzugte Verbreitung der englischen Sprache" in Iran. "Die englische Sprache ist nicht die einzige Sprache der Wissenschaft", sagte er. "Auch andere Sprachen wie Spanisch, Französisch, Deutsch und Sprachen der Staaten im Osten gehören zu den Sprachen der Wissenschaft. (...) Andere Länder unterbinden den Einfluss fremder Sprachen. Ich sage nicht, dass wir ab morgen aufhören sollten, die englische Sprache zu lehren. Aber wir sollten wissen, was wir tun."

Chamenei hatte sich auch früher schon gegen den übermäßigen Einfluss der englischen Sprache ausgesprochen. Vor einigen Jahren sagte er vor einer Versammlung der Lehrer in der Stadt Kerman: "Plötzlich kommt einer auf die Idee, dass die Kinder der Grundschule von Anfang an, oder sogar schon im Kindergarten, Englisch lernen sollten. Warum? Die Kinder können doch wenn sie erwachsen sind und es benötigen Englisch lernen. Wozu diese Werbung für die englische Sprache? Wie viel Geld müssten die Regierungen Großbritanniens und der USA investieren, um ihre Sprache in einem fremden Land zu verbreiten!"

Zudem betonte Chamenei bei seiner Rede vor den Lehrern die Notwendigkeit, bei der Erziehung darauf zu achten, dass Kinder eine "eigenständige Identität" bekämen. "Ich habe oft öffentlich oder privat die Verantwortlichen darauf hingewiesen, dass die Tendenz zu Konsum noch nicht beseitigt ist", sagte er. Als Beispiel erwähnte er das Verhalten der "Kinder der Neureichen", die in großen schicken Autos den Straßenverkehr verunsicherten.

Chamenei warnt immer wieder in seinen Reden vor dem Einfluss westlicher Zivilisation und Kultur. Insbesondere nach dem Atomabkommen und der Aufhebung der Sanktionen gegen Iran warnt er bei jeder Gelegenheit vor der vermeintlichen "Einflussnahme der Feinde" und vor kultureller, wirtschaftlicher und politischer Unterwanderung.

Ohne den Revolutionsführer beim Namen zu nennen, nahm Präsident Rohani zu den Äußerungen Chameneis Stellung. Das Erlernen fremder Sprachen sei nötig. Die Frage, welche Sprachen gelehrt würden, hänge von den Möglichkeiten und dem Willen der Bevölkerung ab, sagte er am 4. Mai. Die Frage des Fremdsprachenunterrichts sei im Obersten Rat der Kulturrevolution erörtert worden. Die Regierung werde sich darum kümmern, dass die jungen Menschen mehrere Fremdsprachen lernen würden. Die Schüler müssten die Gelegenheit haben, sich zu entscheiden, welche Sprachen sie lernen wollten. "Wenn sich an einer Schule 98 Prozent der Schüler für eine Sprache entscheiden und nur zwei Prozent eine andere Sprache lernen wollen, können wir nicht für die zwei Prozent Sonderunterricht erteilen", sagte Rohani.

Rohani verwies auf Indien, wo, wie er meinte, eine große Zahl der Bevölkerung die englische Sprache fast perfekt beherrscht, was dazu geführt habe, dass Indien im Bereich der Technologie Großes leisten konnte und in der Welt der Technik eine wichtige Rolle spiele. "Wir müssen eine Fremdsprache lernen, durch die wir leichter zu den Wissenschaften Zugang finden und damit für unsere Jugend mehr Arbeitsplätze schaffen und zu der Außenwelt mehr Kontakt aufnehmen können", sagte Rohani.

Der Leiter der Kommunikationsabteilung des Büros von Chamenei reagierte auf die Äußerung Rohanis auf Instagram mit den Worten: "Die Inder haben unter der Übermacht der Kolonialisten ihre kulturelle Identität verloren und mussten gezwungenermaßen die englische Sprache lernen. Das ist genau der erste Schritt der Kolonialisten. Sie zerstören die Identität und den Willen nach nationaler Souveränität eines Volkes, indem sie ihm seine Muttersprache nehmen, die den Kern der nationalen Identität bildet. Eine solche Kapitulation vor den Kolonialisten ist kein Grund, stolz zu sein und taugt nicht als beispielhaft erwähnt zu werden."


REGIERUNG KRITISIERT PRAXIS KURZFRISTIGER KONZERTABSAGEN

Seit einigen Monaten werden in Iran immer häufiger Konzertveranstaltungen kurz vor Beginn abgesagt. Obwohl die Veranstalter offiziell die Erlaubnis vom Kulturministerium erhalten haben, werden die Konzerte angeblich aus Sicherheitsgründen abgesagt, weil z.B. vermutet wird, dass bestellte Gegner zu Demonstrationen aufrufen oder sich Freitagsprediger oder lokale Verantwortliche gegen die Aufführung geäußert haben.

Zu dieser Praxis nahm die Regierung nun Stellung. Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobacht sagte am 17. Mai, Präsident Rohani sei entschieden gegen die Absagen. "Der Präsident hat bei verschiedenen Reden deutlich seinen Unmut über die Absage von Musikdarbietung geäußert, die zuvor vom Kulturministerium erlaubt worden waren. Wir erwarten, dass solche Absagen nicht mehr vorkommen, denn sie haben sozial und kulturell negative Folgen."

Eine Woche zuvor war in der Stadt Neyschabur für zwei Abende ein Auftritt des weltberühmten iranischen Kamantscheh-Spielers (ein iranisches Streichinstrument) Keyhan Kalhor und seines Ensembles angekündigt worden. Doch wie die Agentur ISNA berichtete, wurde das Konzert etwa eine Stunde vor der Aufführung abgesagt. Die Künstler befanden sich gerade auf dem Weg vom Flughafen zum Konzertsaal.

Auch ein Pop-Konzert von Masiar Fallahi, das am 25. Mai in der Stadt Yasd stattfinden sollte, wurde wenige Stunden vor Beginn abgesagt. Geplant waren vier Auftritte an vier nacheinander folgenden Tagen. In einer Erklärung des Kulturamtes der Provinz Yasd heißt es, die Veranstaltung musste abgesagt werden, weil am gleichen Tag eine Trauerfeier veranstaltet wurde. "Wir haben das Konzert vertagt, um Unruhen zu vermeiden." Unbestätigten Berichten zufolge hatte eine Gruppe von Motorradfahrern gegen die Aufführung demonstriert. Daraufhin sei Fallahi mit dem erstmöglichen Flug nach Teheran zurückgeflogen.


KARIKATUREN-WETTBEWERB ZUM THEMA HOLOCAUST

Eine Ausstellung mit 150 Karikaturen aus 50 Ländern zum Thema Holocaust wurde am 15. Mai in Teheran eröffnet. Laut AFP teilte der Veranstalter Masud Schodschai Tabatabai mit, die beste Karikatur werde mit 12.000 Dollar dotiert. Wie die AFP berichtet, ist auf mehreren Zeichnungen der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als Terrorist oder Dschihadist des Islamischen Staates (IS) zu sehen. Auf einer Karikatur, die die Landkarte des Nahen Ostens zeige, sei dort, wo sich Israel befindet, ein Sarg gezeichnet, der die Aufschrift "Holocaust" trage und unter sich die Palästinenser zerquetsche.

Schodschai bestritt laut einem dpa-Bericht vom 14. Mai, dass mit der Ausstellung der millionenfache Mord an Juden unter der Herrschaft der Nationalsozialisten geleugnet werde. "Wir wollen weder etwas leugnen noch beweisen", sagte er. Er bezeuge jedem einzelnen Holocaust-Opfer seinen Respekt. Bei der Ausstellung gehe es um "den Missbrauch des Holocaust durch Israel für politische Ziele in Palästina". Zudem solle die Doppelmoral des Westens in Sachen Meinungsfreiheit demonstriert werden. Dort (im Westen) seien Karikaturen über den Propheten Mohammed erlaubt, nicht aber Kritik am Holocaust.

Die Ausstellung ist bis zum 30. Mai für Besucher geöffnet. Laut Schodschai hat sie mit der Regierung nichts zu tun, es handele sich um eine rein private Initiative. Sie sei bereits im vergangenen Jahr geplant gewesen, damals aber wegen Krankheit der Veranstalter abgesagt worden. Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif distanzierte sich von der Ausstellung. Verantwortlich dafür sei eine Nichtregierungsorganisation, die keinerlei staatliche Unterstützung erhalte.

Wie erwartet kam aus Israel scharfe Kritik gegen die Ausstellung. Laut AP vom 15. Mai sagte Ministerpräsident Netanjahu nach einer Kabinettsitzung, die Islamische Republik leugne den Holocaust, verhöhne ihn und bereite einen weiteren Holocaust vor. Die Ausstellung mache deutlich "was unser Problem mit Iran ist. Es geht nicht nur um deren Subversion und Aggression in der Region, sondern um die darunterliegenden Werte. Iran verleugnet und beschönigt den Holocaust und bereitet zugleich einen neuen Holocaust vor", so der Ministerpräsident. "Ich denke jedes Land der Welt muss dagegen Stellung beziehen und dies verurteilen."

Kritik kam auch aus den USA. Mark Toner, Sprecher des US-Außenministeriums, erklärte, die Ausstellung könnte als Anlass dienen, um den Holocaust zu leugnen. Auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier übte am 18. Mai scharfe Kritik an der Ausstellung. Laut dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte Steinmeiers Pressesprecher Martin Schäfer: Die Ermordung von sechs Millionen Juden, für die Deutschland die Schuld und Verantwortung trage, "darf nicht der Lächerlichkeit preisgegeben werden". Solcherlei Aktionen schürten Hass und vertieften die Gräben zwischen den Völkern des Nahen und Mittleren Ostens. Steinmeier habe bei seinem Besuch im Februar in Teheran deutlich gefordert, die Ausstellung abzusagen, sagte Schäfer.


IRANISCHE KUNSTSAMMLUNG AB DEZEMBER IN BERLIN

Ab Dezember bis Februar nächsten Jahres wird eine Sammlung des Teheraner Museums für Zeitgenössische Kunst in der Berliner Nationalgalerie zu sehen sein. Einer Mitteilung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vom 12. Mai zufolge wurde ein entsprechender Vertrag zwischen dem Stiftungspräsident Hermann Parzinger und dem iranischen Museumsdirektor Madjid Mollanoruzi unterzeichnet.

Parzinger bezeichnete die Vereinbarung laut edp als historischen Erfolg. Es handele sich um eine Sammlung, die in ihrer Zusammensetzung und ihrer Geschichte einzigartig sei. Begrüßt wurde das Vorhaben auch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Die Ausstellung sei ein Signal der kulturellen und gesellschaftlichen Öffnung, die man nun nutzen könne zu einem Dialog, auch über kritische Themen.

"Die Ausstellung mit der herausragenden Sammlung der Teheran-Moderne erstmals in Europa zu zeigen, ist ein starkes, kulturelles Signal", zitierte die Agentur Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

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WIRTSCHAFT

• Weiter Probleme bei der Umsetzung des Atomabkommens
• Konflikt über das iranische Raketenprogramm
• Import von Chevrolet-Autos verboten
• Neues Abkommen zwischen Iran, Indien und Afghanistan
• Bank aus Südkorea eröffnete Filiale in Iran
• Deutlicher Anstieg deutscher Exporte nach Iran


WEITER PROBLEME BEI DER UMSETZUNG DES ATOMABKOMMENS

Das Atomabkommen ist unterzeichnet, die Sanktionen, die im Atomstreit gegen Iran verhängt wurden, sind aufgehoben, die Internationale Atomenergiebehörde bestätigte am 27. Mai, dass Iran alle Vorgaben erfüllt habe. Dennoch kann Iran über sein Guthaben im Ausland bislang nicht frei verfügen. Zudem gibt es Probleme bei Geschäften mit ausländischen Unternehmen und Banken, die sich bei Geschäften mit Iran weiterhin zurückhaltend geben, weil sie Sanktionen der US-Behörden fürchten.

Aus den USA kommen unterschiedliche Stellungnahmen. Während die Regierung einen versöhnlichen Ton anschlägt, sind aus dem Senat und dem Repräsentantenhaus kritischere Positionen zu vernehmen.

Ausländische Unternehmen sollten nicht die USA als Vorwand nutzen, um mit Iran keine Geschäfte zu machen, sagte US-Außenminister John Kerry am 10. Mai auf einer Tagung gegen Korruption in London. "Wenn diese Unternehmen nicht mit Iran Geschäfte machen wollen, weil sie keine günstigen Verträge mit dem Land abschließen können, sollten sie nicht die USA als Vorwand nutzen." Seine Regierung habe gegen Geschäfte ausländischer Unternehmen mit Iran nichts einzuwenden, so Kerry weiter.

Bis heute hat Iran keinen Zugang zum Dollarsystem und kann daher nicht frei über seine freigegebenen Guthaben im Ausland verfügen. Stuart Loy, Vorstandsmitglied der HSBC, schrieb in einem Artikel für das Wall Street Journal am 13. Mai, seine Bank habe nicht die Absicht, irgendwelche Geschäfte mit Iran zu machen. Bezugnehmend auf die Äußerungen Kerrys sagte Loy, die USA verlangten von ausländischen Banken genau das zu tun, was sie US-Banken verbieten würden. Das Vorstandsmitglied der größten Bank Großbritanniens und der EU und der viertgrößten Bank weltweit sagte weiter, westliche Staaten könnten die Sanktionen gegen Iran aufheben. Aber wenn Probleme mit Geldwäsche und Unterstützung des Terrorismus entstünden, müsste die Privatwirtschaft den Schaden tragen. Das US-Finanzministerium beurteile den iranischen Markt im Bezug auf Geldwäsche immer noch negativ. Daher sei die Gefahr bei Geschäften mit Iran nachwievor groß.

Bei einem Treffen mit Vertretern europäischer Banken in London, an dem auch der britische Außenminister Philip Hammond teilnahm, sagte Kerry am 13. Mai laut Medien, Banken, die mit Iran Geschäfte machten, brauchten keine Sanktionen der USA zu befürchten. Er kritisierte "Missdeutungen und Gerüchte", die das Gegenteil verbreiteten. Hammond bekräftigte Kerrys Äußerung und fügte hinzu, wenn die internationale Gemeinschaft für die Normalisierung der Beziehungen zu Iran eintrete und dieses Land aus der Isolation herausholen wolle, müsse sie die Banken davon überzeugen, dass Geschäfte mit Iran ohne Gefahr möglich seien. "Das ist die erste Hürde bei unserem Wettrennen. Wenn wir hier stolpern, werden wir nie mehr die Chance haben, die Vorteile des Atomabkommens zu aufzuzeigen, des Abkommens, für das wir so viel Zeit und Energie aufgewendet haben."

Irans Vize-Außenminister Abbas Araghtschi kritisierte am 15. Mai das zögerliche Verhalten der Großbanken bei Geschäften mit Iran. Es seien nicht die kleineren und mittleren Institutionen, sondern die Großbanken, die Geschäfte mit Iran blockierten. Verantwortlich für diesen Zustand seien "extremistische amerikanische Lobbygruppen" ebenso wie die "zionistische Regierung" in Israel und gewisse Länder wie Saudi-Arabien. Diese schürten die Feindschaft gegen Iran.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht das Problem hingegen eher in der Struktur der iranischen Banken. Bei einem Besuch in Teheran am 17. Mai sagte der IWF-Vizechef David Lipton, iranische Banken müssten dringend reformiert und von faulen Krediten befreit werden. Auch müsse der Staat Gesetze erlassen und Maßnahmen treffen, um Geldwäsche und die Unterstützung des Terrorismus zu verhindern. Mittelfristig wachse die iranische Wirtschaft um 4,0 bis 4,5 Prozent, die Inflationsrate sei drastisch gesunken. Aber Iran müsse den privaten Sektor massiv unterstützen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

Am 20. Mai veröffentlichten die Außenminister von vier westlichen Ländern, den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland, gemeinsam mit der Außenbeauftragten der EU Federica Mogherini einen Aufruf, in dem sie zur stärkeren Investition in der Islamischen Republik rieten. Die vier Länder waren gemeinsam mit Russland und China an den Atomverhandlungen mit Iran beteiligt. Die Unternehmer sollten sich die Chance nicht entgehen lassen, aber auch Iran müsse ein unternehmerfreundliches Umfeld schaffen und sich im Kampf gegen Geldwäsche und die Finanzierung terroristischer Aktivitäten an internationale Standards halten. Die Außenminister verkündeten, künftig die Unternehmen klarer über die Bedingungen der Geschäfte mit Iran informieren zu wollen.


KONFLIKT ÜBER DAS IRANISCHE RAKETENPROGRAMM

Kurz vor dem Ende der gerade ausgelaufenen Legislaturperiode verabschiedete das scheidende von Konservativen dominierende Parlament ein Gesetz, wonach die ballistischen Kapazitäten des Landes weiterentwickelt und erhöht werden sollen, berichtete Irna am 1. Mai. Auch die Kapazitäten für die "Luftabwehr von Kurz-, Mittel- und Langstreckenraketen" sollen weiterentwickelt werden, beschlossen die scheidenden Abgeordneten.

Bereits zuvor hatten die USA, Frankreich, Deutschland und Großbritannien den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, sich mit dem iranischen Raketenprogramm zu befassen. Ihrer Meinung nach stellen die jüngsten Raketentests in Iran einen Verstoß gegen das Atomabkommen dar, denn die Raketen könnten mit Atomsprengköpfen bestückt werden. Iran hat dies stets bestritten.

Anfang Mai erschienen in den Medien widersprüchliche Berichte über den Test einer ballistischen Rakete in Iran. Einige iranische Agenturen wie Fars und Tasnim hatten von dem Test einer ballistischen Rakete mit einer Reichweite von bis zu 2.000 Kilometern berichtete. Irans Verteidigungsminister General Hossein Dehghan dementierte diese Berichte allerdings. "Solch einen Test haben wir nicht vorgenommen", sagte Dehghan.

Das Weiße Haus in Washington erklärte am 9. Mai, es sei bemüht, in dieser Angelegenheit Klarheit zu schaffen. Sollte Iran tatsächlich den Test durchgeführt haben, werde Washington das Thema im UN-Sicherheitsrat zur Sprache bringen. Das Weiße Haus habe sowohl die Berichte als auch das Dementi des iranischen Verteidigungsministers zur Kenntnis genommen, sagte ein Sprecher. Was er mit Sicherheit sagen könne, ist, dass Iran "keine Nuklearwaffen" besitze. Diese Äußerung war offensichtlich an jene Kritiker des Atomabkommens gerichtet, die behaupten, Iran sei ungeachtet des Abkommens bestrebt, in den Besitz von Nuklearwaffen zu gelangen.


IMPORT VON CHEVROLET-AUTOS VERBOTEN

Die amerikanische Automarke Chevrolet darf seit Anfang Mai nicht mehr in Iran importiert werden, berichtete die Agentur "Mehr" am 3. Mai. Die Maßnahme erfolgte eine Woche nachdem Revolutionsführer Ali Chamenei die Einfuhr amerikanischer Fahrzeuge kritisiert hatte. Wie die Agentur berichtete, habe Mohammad Resa Nematsadeh, Minister für Handwerk, Bergbau und Handel, am 3. Mai angeordnet, dass 200 Fahrzeuge der Marke Chevrolet im Wert von sieben Millionen US-Dollar, die bereits bestellt worden waren und sich auf dem Weg nach Iran befanden, nach Südkorea zurückkehren mussten. Dem Importeur sei mitgeteilt worden, dass die Einfuhr dieser Fahrzeuge nicht gestattet sei.

Es war zuvor vereinbart worden, dass die Produkte, die im Auftrag der Firma Chevrolet in Südkorea hergestellt werden, nach Iran exportiert werden sollten. Die Kündigung dieser Vereinbarung erfolgte gleichzeitig mit dem offiziellen Besuch des südkoreanischen Ministerpräsidenten in Teheran.

Chamenei hatte eine Woche zuvor vor einer Versammlung von Werktätigen gesagt, die Amerikaner selbst zeigten kaum Neigung, solche Fahrzeuge zu kaufen, die viel Benzin verbrauchten und sehr schwer seien. "Jetzt sollen wir einspringen, die Fahrzeuge kaufen, um die Firma vor dem Ruin zu retten. Ist das nicht merkwürdig?" Er forderte die Verantwortlichen für den Import auf, sich nicht dem "unsichtbaren Druck" zu beugen und gegen solche Vorgänge Widerstand zu leisten.

Wenige Stunden nach Chameneis Rede erschien Minister Nematsadeh im Fernsehen und erklärte, offenbar habe es 2013 eine Vereinbarung mit einer Firma über die Lieferung von Produkten gegeben, die in Amerika hergestellt, aber aus einem anderen Land exportiert werden. 2014 sei die Erlaubnis zur Lieferung erteilt worden. "Ich weiß aber nicht, ob die Fahrzeuge inzwischen eingetroffen sind oder nicht. Wir müssen die Erlaubnis zurückziehen."

Seit den achtziger Jahren werden keine amerikanischen Autos direkt aus den Vereinigten Staaten importiert, sondern, wenn überhaupt, dann nur noch über einen Drittstaat.


NEUES ABKOMMEN ZWISCHEN IRAN, INDIEN UND AFGHANISTAN

Indien, Afghanistan und Iran haben am 23. Mai ein wichtiges Abkommen über den Ausbau des Hafens von Tschahbahar und des Transitwegs von Tschahbahar über Afghanistan nach Mittelasien unterzeichnet.

Indiens Ministerpräsident Narendra Modi traf am 22. Mai zu einem zweitägigen Staatsbesuch in Teheran ein. In den vergangenen Jahren war die Beziehung zwischen Indien und der Islamischen Republik abgekühlt. Doch mit dem Atomabkommen und der Aufhebung der Sanktionen zeigen beide Staaten großes Interesse an der Neubelebung ihrer wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit. Der Besuch eröffne ein neues Kapitel in den Beziehungen beider Staaten, sagte Modi. Nach seiner Ankunft in Teheran twitterte er: "Ich bin in Iran eingetroffen, in dem Land, mit dem wir gemeinsame kulturelle Wurzeln haben. (...) Ich hoffe, mein Besuch wird diese Wurzeln kulturell und menschlich stärken."

Begleitet wurde Modi von einer hochrangigen Delegation, bestehend aus Vertretern der Kultur, Wirtschaft und Politik. Während des Besuchs wurde eine ganze Reihe von Verträgen und Vereinbarungen unterzeichnet. Im Mittelpunkt der Gespräche stand die Zusammenarbeit beim Ausbau des Hafens Tschahbahar. Auch der Bau der Eisenbahnlinie zwischen Tschahbahar, Sahedan und Maschad gehörte zu den wichtigsten Themen, über die eine Einigung erzielt wurde.

Auch Afghanistan ist bei den Verhandlungen über den Ausbau eines Verkehrskorridors mit von der Partie. Afghanistans Präsident Aschraf Ghani traf zur Teilnahme an den Verhandlungen und der Unterzeichnung eines Transitabkommens am 22. Mai in Teheran ein.

Nach Einschätzung der indischen Regierung haben diese Projekte "strategische" Bedeutung. Das Abkommen ermögliche Indien, ohne Pakistan zu durchqueren, Afghanistan, Russland, ja sogar Europa zu erreichen, sagte Indiens Minister für Transport der indischen Agentur NDTW.

Die Beziehung zwischen Indien und Iran steht in den letzten Jahren in einem engen Zusammenhang mit der Beziehung Indiens zu den USA und zu Pakistan sowie der Rolle Chinas und Pakistans in der Region. Der Atomvertrag von 2008 zwischen Indien und den USA und das Votum Indiens bei der Internationalen Atomenergiebehörde gegen Iran 2009 gehören zu den Faktoren, die das Verhältnis zwischen Teheran und Neu-Delhi belastet haben.

Die Annäherung zwischen Indien und den USA, die zu einem größeren Engagement Indiens in Süd-Asien, Afghanistan und dem Indischen Ozean führte, brachte zwangsläufig eine größere Annäherung zwischen China und Pakistan mit sich. Beide Staaten versuchten, den Einfluss Indiens einzudämmen. Indien ist hingegen bemüht, sich vorbei an dem Rivalen Pakistan Zugang zu den Märkten in Afghanistan und den Staaten Mittelasiens zu verschaffen. Dieses Ziel hofft Indien durch die Beziehung zu der Islamischen Republik und der Bildung eines Nord-Süd-Korridors erreichen zu können. Von diesem Korridor war schon zu Beginn der 90er Jahre die Rede. Der ehemalige Präsident Irans, Haschemi Rafsandschani, betonte bei seinem damaligen Besuch in Indien die Bedeutung des Projekts, das allerdings in den folgenden Jahren aus wirtschaftlichen Gründen und wegen des Konflikts um das iranische Atomprogramm und den internationalen Sanktionen nicht realisiert werden konnte.

Nun versucht Indien durch die Beteiligung an dem Ausbau des Hafens von Tschahbahar die Umsetzung des Projekts zu beschleunigen. Tschahbahar befindet sich rund 1.800 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Teheran, nahe der pakistanischen Grenze. Der Ausbau des Hafens gehört zu den größten Wirtschaftsprojekten der Islamischen Republik.

Über Tschahbahar könnten Waren aus Indien vorbei an Pakistan über Iran nach Afghanistan und in die mittelasiatischen Staaten transportiert werden. Presseberichten zufolge ist Indien bereit, mehrere Milliarden Dollar in Tschahbahar zu investieren, hofft dabei aber auch auf eine Beteiligung Afghanistans. Förderlich für die Beteiligung Afghanistans sind die guten Beziehungen zwischen Kabul und Neu-Delhi sowie das schwierige afghanisch-pakistanische Verhältnis. Auch der Umstand, dass Afghanistan keinen direkten Zugang zum Meer hat, lässt die Teilnahme des Landes an dem Projekt als plausibel erscheinen. Ein sicherer Transitweg wäre für die afghanische Wirtschaft von großem Vorteil.

Die Verhandlungen und Gespräche in Teheran waren höchst erfolgreich. Indien erklärte sich bereit, Iran 445 Millionen Euro für den Ausbau von Tschabahar zu leihen. "Wir wollen uns mit der Welt verbinden", sagte Modi beim Unterzeichnen des Abkommens, an dem sich auch Afghanistan beteiligte. Ziel des Abkommens sei eine "umfassende wirtschaftlich-kulturelle Zusammenarbeit zwischen den drei Staaten", sagte Präsident Ghani. Er bedankte sich "im Namen des afghanischen Volkes" bei Iran und Indien, die "zur Stabilität Afghanistans einen wichtigen Beitrag leisten". "Während einige Staaten in der Region den Terrorismus exportieren, exportieren wir drei Staaten Hoffnung, Glauben und Zusammenarbeit."

Rohani betonte, das Abkommen richte sich gegen niemanden, es diene der wirtschaftlichen Entwicklung der Region. Modi bezeichnete das Abkommen als einen "positiven Schritt zur Sicherheit, Stabilität und wirtschaftlichen Entwicklung der Region." Es richte sich gegen all jene, die "Bomben legen und Unschuldige töten".

Kabul hofft, durch den Ausbau von Tschahbahar und den Transitweg, der über Afghanistan nach Mittelasien führen wird, jährlich Millionen Einnahmen erzielen zu können. Zudem werde Indien nun in die Infrastruktur Afghanistans investieren. Schließlich ist für Afghanistan der Transportweg für den Export und Import von Waren von und nach Tschahbahar kürzer und billiger als der Transportweg über den Hafen Karatschi (Pakistan) oder nach Bandar Abbas (Iran). Schätzungen besagen, dass die Transportkosten von und nach Tschahbahar pro Container 500 bis 1.000 Dollar billiger sein werden als bisher. Zudem erhofft Afghanistan sich von dem Abkommen neue Arbeitsplätze.

Das Abkommen beschäftigte auch die USA. Auf einer Sitzung des Ausschusses für Außenpolitik des US-Senats, auf der die Beraterin des Außenministers für Süd- und Mittelasien, Nisha Desai Biswal, Bericht erstattete, wurde von einigen Senatoren die Frage aufgeworfen, ob das Tschahbahar-Abkommen nicht ein Verstoß gegen die Sanktionen bilde, die die USA gegen Iran verhängt haben. "Wir haben die indische Regierung über die Einschränkungen, die bei der Zusammenarbeit mit Iran bestehen, informiert", sagte Biswal. "Nun müssen wir das Abkommen genau überprüfen, um festzustellen, ob diese Einschränkungen berücksichtigt worden sind." Ihrer Meinung nach seien die Beziehungen zwischen Iran und Indien auf Wirtschaft und Energie konzentriert und die Regierung von Präsident Obama könne nachvollziehen, dass Indien einen neuen Transitweg benötige. "Aus der Sicht Indiens öffnet Iran ein Tor nach Afghanistan und Mittelasien." Biswal betonte, dass es bislang keine Vereinbarungen zwischen Iran und Indien auf sensiblen Gebieten gebe, die die Interessen der USA beeinträchtigen könnten.


BANK AUS SÜDKOREA ERÖFFNETE FILIALE IN IRAN

Die südkoreanische Woorri-Bank eröffnete am 2. Mai im Beisein von Gholamali Kamiab, dem Vizedirektor der iranischen Zentralbank, eine erste Filiale in Teheran. Wie die Presseabteilung der Zentralbank berichtete, handelt es sich um die erste südkoreanische Bank, die seit Bestehen der Beziehung der beiden Staaten ihre Aktivitäten in Iran aufnimmt. Dem Bericht zufolge habe die Bank nach dem Atomabkommen die Eröffnung einer Filiale in Teheran beantragt und nun die Genehmigung erhalten. Gleichzeitig hat die iranische Zentralbank ein Kooperationsabkommen mit der südkoreanischen Entwicklungsbank KDB unterzeichnet.

Zur selben Zeit hielt sich Südkoreas Staatspräsidentin Park Geun-hye, von einer großen Delegation von Vertretern der Wirtschaft und Industrie begleitet, zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Teheran auf. Gemeinsam mit Präsident Rohani wurde sie von Revolutionsführer Chamenei empfangen.

Ein wichtiges Ergebnis des Besuchs der Präsidentin war die Erhöhung des koreanischen Ölimport aus Iran um das Zehnfache auf 300.000 Barrel pro Tag. Es war der erste Staatsbesuch aus Südkorea seit Beginn der diplomatischen Beziehungen zwischen Teheran und Soul im Jahre 1962.


DEUTLICHER ANSTIEG DEUTSCHER EXPORTE NACH IRAN

Einem Bericht der Agentur Reuters vom 26. Mai zufolge stieg der deutsche Export nach Iran im ersten Quartal dieses Jahres um sieben Prozent auf mehr als eine halbe Milliarde Euro an. Prozentual ist dies höher als der Gesamtanstieg deutscher Ausfuhren im gleichen Zeitraum. Diese verzeichneten im Vergleich zu den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres nur einen Anstieg von 0,7 Prozent. Michael Tockuss, Geschäftsführender Vorstand der Deutsch-iranischen Handelskammer, zeigte sich mit der Entwicklung zufrieden. "Das ist ordentlich", sagte er Reuters. "Besonders Maschinen und Anlagen laufen gut, aber auch Getreide wie Weizen."

Allerdings sei "die ganz große Euphorie", die nach dem Atomabkommen und der Aufhebung der Sanktionen entstanden sei, "einwenig verflogen", sagte Tockuss. "Das liegt vor allem an den großen Schwierigkeiten bei der Finanzierung." Während Iran Großprojekte plane, zum Beispiel Raffinerien bauen und petrochemische Anlagen und Zementwerke errichten wolle, fehle es den Banken an Liquidität. "Sie können das nicht aus dem Cash Flow bezahlen" und "sind daher auf unsere Banken angewiesen, um Großprojekte zu finanzieren", sagte Tockuss weiter.

Die deutschen Banken verhielten sich bei Geschäften mit Iran "äußerst zurückhaltend", zitierte Reuters den Deutsche-Bank-Manager Werner Steinmüller. Das gelte auch für die europäischen Banken insgesamt. Diese seien bei Geschäften mit Iran vorsichtig, weil es amerikanischen Banken weiterhin verboten sei, mit Iran Geschäfte zu machen. Die Furcht vor Sanktionen mache europäische Banken zögerlich. Eine klare Stellungnahme der amerikanischen Regierung über den Handel mit Iran gebe es bislang nicht, die offiziellen Aussagen seien widersprüchlich.

Trotz dieser Schwierigkeiten blickt Tockuss zuversichtlich in die Zukunft. "Das Iran-Geschäft wird sich besser entwickeln als das mit den meisten anderen Schwellenländern", sagte er der Agentur. "Ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich ist in diesem Jahr mit ein wenig Glück möglich."

2015 lagen die deutschen Exporte nach Iran bei zwei Milliarden Euro. Sie könnten sich noch in diesem Jahr auf 2,5 bis 3 Milliarden Euro erhöhen.

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AUSSENPOLITIK

• Modi und Ghani bei Chamenei
• Kanada: Abbruch der Beziehungen zu Iran war Fehler
• Malediven brechen diplomatische Beziehung zu Iran ab
• Türkei will Handelsbeziehungen zu Iran ausweiten
• Streit um militärische Manöver im Persischen Golf
• Iran kündigt an, die USA vor internationalem Gerichtshof zu verklagen
• Pilgerfahrt nach Saudi-Arabien praktisch nicht mehr möglich
• Sarif besucht vier Staaten in Europa


MODI UND GHANI BEI CHAMENEI

Irans Revolutionsführer empfing am 23. Mai getrennt den indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi und den afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani, berichtete das Büro von Chamenei.

Beim Gespräch mit Ghani forderte Chamenei "eine rasche Lösung des Konflikts über die Grenzflüsse zwischen Iran und Afghanistan". "Derlei Probleme dürfen das Verhältnis zwischen zwei Staaten wie Iran und Afghanistan, die gemeinsame Grenzen und eine gemeinsame Kultur sowie gemeinsame Bedürfnisse haben, nicht trüben" sagte Chamenei. Ghani erwiderte, eine Kommission von Sachverständigen werde sich in den nächsten Wochen mit der Nutzung des Wassers der Grenzflüsse beschäftigen. Er hoffe man werde zu einer einvernehmlichen Lösung kommen.

Bei dem Konflikt geht es vor allem um den Fluss Hirmand oder Hilmand, dem längsten Fluss Afghanistans mit einer Länge von 1.125 Kilometern. Dessen Quelle liegt westlich der Hauptstadt Kabul. Der Fluss mündet im iranischen Hamun-See. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist der See oft ohne Wasser, weil abgesehen von der periodischen Trockenheit, das Wasser schon vor der iranischen Grenze von den Afghanen zur eigenen Nutzung abgezweigt wird.

Ghani hatte im Vorfeld seines Besuchs betont, dass sein Land sich bemühen werde, die Nutzung des Wassers zu regeln. "Das Verteilen des afghanischen Wassers erfolgte bisher nach traditionellen Regeln, doch von nun an werden wir uns an internationale Regeln halten."

Die beiden Staaten, Iran und Afghanistan, hatten 1972 über die Nutzung des Hirmand-Wassers ein Abkommen unterzeichnet. Doch Teheran ist mit der Menge an Wasser, das nach Iran gelangt, nicht zufrieden.

Chamenei bezeichnete die Afghanen als "mutig, stark und intelligent". "Angesichts unseres gemeinsamen Glaubens, unserer gemeinsamen Kultur und Geschichte, betrachten wir den Fortschritt Afghanistans auf allen Gebieten als unseren eigenen Fortschritt", sagte Chamenei.

Im Gespräch mit Modi betonte Chamenei: "Für Iran ist die Umsetzung des bilateralen Abkommens (zum Ausbau des Hafens von Tschahbahar und des Transitwegs von Tschahbahar über Afghanistan nach Mittelasien)sehr ernst. Dabei lassen wir uns von niemandem beeinflussen", sagte er. Er hob die Bedeutung der Zusammenarbeit der beiden Staaten beim " ernsthaften Kampf gegen den Terrorismus" hervor und lobte "die richtige Politik der indischen Regierung, die sich an keiner westlichen oder amerikanischen Koalition beim sogenannten Kampf gegen den Terrorismus beteiligt". Dieser Kampf müsse den Muslimen und muslimischen Ländern überlassen werden, sagte Chamenei. Allerdings könnten an diesem Kampf nur jene islamischen Staaten teilnehmen, die sich nicht nach der Politik der USA und der des Westens richteten.

Der Terrorismus habe mit dem Islam nichts zu tun, sagte Chamenei. "Bedauerlicherweise machen einige Staaten einen Unterschied zwischen guten und schlechten Terroristen und begnügen sich mit verbalen Äußerungen gegen den Terrorismus."


KANADA: ABBRUCH DER BEZIEHUNGEN ZU IRAN WAR FEHLER

Der kanadische Außenminister, Stephane Dion, sagte am 3. Mai der Zeitung National Post zufolge, es sei ein Fehler der Vorgängerregierung gewesen, die kanadische Botschaft in Teheran zu schließen und die diplomatischen Beziehungen zu Iran abzubrechen. Dadurch sei die kanadische Botschaft nicht in der Lage gewesen, die Interessen des Landes, der kanadischen Familien in Iran sowie die Interessen kanadischer Bürger iranischer Abstammung wahrzunehmen.

Die ehemalige kanadische Regierung vertrat Iran gegenüber eine harte Position. 2012 erklärte sie iranische Diplomaten in Kanada zu "unerwünschten Personen", ordnete ihre Ausweisung an und kündigte die diplomatischen Beziehungen zu Teheran auf. Seitdem bestehen zwischen Teheran und Ottawa keine diplomatischen Verbindungen mehr. Doch mit der Amtsübernahme der neuen Regierung in Kanada unter der Führung von Justin Trudeau im Oktober vergangenen Jahres und der Einigung der 5+1-Gruppe mit Iran im Atomkonflikt, änderte sich auch das Verhältnis Kanadas zu Iran. Teheran gab kürzlich bekannt, dass die "erste Runde der Verhandlungen" zwischen den Vertretern Irans und Kanadas über die bilateralen Beziehungen in New York stattgefunden habe.

Dennoch betonte Kanadas Außenminister, dass seine Regierung nicht die Absicht habe, Iran von der Liste der Staaten, die den Terrorismus unterstützten, zu streichen. Eine Neubewertung dieser Angelegenheit hänge vom weiteren Verhalten Irans ab, fügte er hinzu.


MALEDIVEN BRECHEN DIPLOMATISCHE BEZIEHUNG ZU IRAN AB

Das Außenministerium des kleinen Inselstaates Malediven im Indischen Ozean gab am 17. Mai den Abbruch der vor vierzig Jahren aufgenommenen diplomatischen Beziehungen zu Iran bekannt. Begründet wurde dieser Schritt mit die Politik Irans, die "für den Nahen und Mittleren Osten schädlich" sei. Die Malediven haben eine Bevölkerungszahl von 341.000. Die meisten von ihnen sind Sunniten. Die Entscheidung, die diplomatischen Beziehungen zu Iran abzubrechen, weist auf die Nähe des Inselstaates zu Saudi-Arabien hin, dem größten Rivalen Irans in der Region.

Saudi-Arabien hatte im vergangenen Jahr eine Botschaft auf den Malediven eröffnet, dem Land finanzielle Unterstützung gewährt und dort Investitionen getätigt. In der Erklärung des maledivischen Außenministeriums heißt es: "Die Malediven fordern Iran auf, die Empfehlung der Organisation für islamische Zusammenarbeit umzusetzen und die sich daraus ergebenen Verpflichtungen wahrzunehmen."

Die Organisation für islamische Zusammenarbeit hatte Iran im vergangenen Monat auf ihrer Tagung in Istanbul scharf kritisiert. Zu den 57 Mitgliedssaaten gehört auch Iran. In der von der Tagung in Abwesenheit der Vertreter Irans verabschiedeten Resolution heißt es: "Wir verurteilen die Einmischung Irans in innere Angelegenheiten der Staaten der Region, unter anderem in Bahrain, Jemen, Syrien, Somalia und die Unterstützung, die Iran dem Terrorismus gewährt."

Wenige Wochen zuvor hatte Saudi-Arabien die diplomatischen Beziehungen zu Iran abgebrochen, nachdem Demonstranten in Teheran und Maschad die dortigen saudischen Vertretungen gestürmt und Schäden angerichtet hatten. Die Proteste richteten sich gegen eine Massenhinrichtung, bei der auch ein populärer schiitischer Geistlicher getötet worden war.


TÜRKEI WILL HANDELSBEZIEHUNGEN ZU IRAN AUSWEITEN

Der neue Ministerpräsident der Türkei, Binali Yildirim, sagte am 24. Mai vor einer Versammlung der Abgeordneten der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, er sei bestrebt, mehr ausländische Freunde zu gewinnen und weniger ausländische Feinde zu haben. Konkret wolle er die Beziehungen zu Iran ausbauen und die zu Russland normalisieren. Zudem wünsche die Türkei nach wie vor den Anschluss an die Europäische Union und werde die Bemühung der UNO um die Herstellung der Einheit zwischen den beiden Teilen Zyperns unterstützen. "Wir haben zahlreiche Probleme zu bewältigen. Die Probleme in der Region, in der EU, in Zypern und im Kaukasus haben dazu geführt, dass unser Land in der Region eine bedeutendere Rolle bekommen hat. (...) Wir brauchen mehr Freunde und weniger Feinde."


STREIT UM MILITÄRISCHE MANÖVER IM PERSISCHEN GOLF

Zwei Tage nachdem Revolutionsführer Ali Chamenei die grundsätzliche Notwendigkeit von militärischen Manövern im Persischen Golf betont hatte, kündigte der stellvertretende Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden, Hossein Salami, ein neues Manöver der Garden im Persischen Golf an. "Sollten die Amerikaner uns drohen wollen, wird es für sie gefährlich werden", sagte er am 4. Mai im staatlichen Fernsehen. "Wir haben unsere Seekräfte organisiert und verstärkt, um die USA bezwingen zu können, denn es gibt keine andere Supermacht, die Iran feindlich gesinnt ist, außer den USA. Andere Mächte haben ohnehin nicht die nötigen Kapazitäten, um gegen uns vorgehen zu können", sagte der General.

"Die USA unterschätzen uns", fuhr Salami fort. "Wir bauen entschieden unsere Kräfte aus, stärken unsere Marine und unser Raketenarsenal, veranstalten je nach politischem und militärischem Bedarf Manöver und werden uns von niemandem und von keiner Macht Einschränkungen aufzwingen lassen."

Bereits zuvor hatte der Oberbefehlshaber der Marine, Habibollah Sayari, erklärt: "Unsere Feinde sehen es nicht gern, wenn wir unsere Stärke demonstrieren. Wir werden mit großer Kraft im Persischen Golf und der Meerenge von Hormos präsent sein. Und es geht niemanden etwas an, wann und wo wir unsere Manöver veranstalten."

Beide Generäle hatten vermutlich die Äußerungen Chameneis im Blick, der erklärt hatte: "Es wird gesagt, Iran soll keine Manöver im Persischen Golf veranstalten. Was für eine Dreistigkeit! Sie (die Amerikaner) kommen von jenseits der Erde und führen hier auf fremdem Gebiet Manöver durch. Was habt ihr hier zu suchen? Veranstaltet eure Manöver in der Schweinebucht. Der Persische Golf ist unser Haus, unsere Heimat, er gehört dem iranischen Volk." "Man muss ihnen (den Amerikanern) in diesem Ton begegnen", belehrte er die anwesenden Militärs. "Wenn wir uns davor fürchten, dem Feind Stärke zu zeigen, wird er übermütig und dreist." Auf der Webseite des Revolutionsführers wurde erläutert, dass die Äußerungen Chameneis als Reaktion zu verstehen seien auf einen Antrag im US-Senat, der Iran verbieten möchte, im Persischen Golf militärische Manöver zu veranstalten.

Tatsächlich hatte Rendy Forbes, Mitglied des US-Repräsentantenhauses aus Virginia, die US-Regierung aufgefordert, Schritte gegen Iran zu unternehmen, weil das Land mit seinen Aktivitäten im Persischen Golf internationale Vereinbarungen missachte und durch Manöver die Sicherheit des Golfs gefährde. Als Beispiel verwies Forbes auf die vorübergehende Festnahme amerikanischer Marinesoldaten im vergangenen Winter, die er als illegal bezeichnete.

Bezugnehmend auf die Stellungnahme von Forbes sagte Salami, "wenn wir unprofessionell gehandelt hätten, wäre kein amerikanischer Soldat am Leben geblieben. Sie (die Amerikaner) meinen, dass unsere Marine gefährlich ist. Das ist allerdings wahr. Ich denke, es ist das erste Mal, dass die Amerikaner die Schlagkraft unserer Marine richtig einschätzen. Wir warnen die Amerikaner und ihre Verbündeten, wenn ihr drohende Worte verwendet oder uns bedroht, werden wir keinen einzigen euerer Tanker und Schiffe durchlassen."


IRAN KÜNDIGT AN, DIE USA VOR INTERNATIONALEM GERICHTSHOF ZU VERKLAGEN

Iran will gegen die Entscheidung des Obersten US-Gerichts, dem Supreme Court, beim Internationalen Gerichtshof Klage einreichen. Dies kündigte Präsident Rohani am 10. Mai bei einer Rede in der Stadt Kerman vor Tausenden Zuhörern an.

Das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten hatte am 20. April ein Gesetz bestätigt, das 2012 vom US-Kongress verabschiedet wurde. Dieses Gesetz verpflichtete die iranische Zentralbank, ihre bei einer New Yorker Bank deponierten Vermögenswerte abzugeben. Aus diesem Vermögen sollen die Opfer und Hinterbliebenen eines 1983 getätigten Anschlags gegen eine US-Kaserne in Beirut entschädigt werden. Bei dem Anschlag, für den die USA Iran verantwortlich machten, waren 241 amerikanische Soldaten ums Leben gekommen. Iran wurde auch beschuldigt, andere Attentate wie die von Juni 1996 in Saudi-Arabien, bei dem 19 US-Soldaten getötet wurden, verübt zu haben. 2003 sprach ein US-Gericht den Opfern und Hinterbliebenen eine Entschädigung in Milliarden-Höhe zu.

Iran protestierte damals gegen die Beschlagnahmung der Guthaben der Zentralbank. Die Entscheidung des Obersten Gerichts hat diesen Einspruch nun zurückgewiesen. Nun sagte Rohani: "Wir werden den Vereinigten Staaten nicht gestatten, sich dieses Geld so leicht einzuverleiben."

Am 11. Mai sagte Mohsen Mohebbi, Experte für internationales Recht in Büro des Präsidenten, die Regierung warte auf die Entscheidung des Präsidenten, um in dieser Angelegenheit aktiv zu werden. Sachverständige hätten alle für eine Anklage erforderlichen Unterlagen zusammengestellt. Es sei verwunderlich, dass ein entwickeltes und zivilisiertes Land wie die USA Gesetze und Vereinbarung so eindeutig missachten würden, sagte Mohebbi. Mit Blick auf zahlreiche Streitfälle zwischen Iran und den USA aus der Vergangenheit und die hieraus gewonnen Erfahrungen sei er zuversichtlich, dass die Vertreter Irans den Prozess mit Erfolg durchführen würden. Auch Madschid Tachtrawantschi, Staatssekretär im Außenministerium, verurteilte im selben Fernsehprogramm die Vereinigten Staaten und sagte: "Im Hinblick auf internationales Recht ist das Vorgehen der USA nichts anderes als Raub."

Am 17. Mai lehnte das iranische Parlament einen Antrag des Abgeordneten Hamid Resai ab, das von den USA einbehaltende Guthaben im Gegenzug in der Meerenge von Hormos zu beschlagnahmen. "Die Regierung wird verpflichtet, zur Entschädigung aller Verbrechen, die die USA gegen Iran begangen haben, amerikanische Guthaben, die durch die Meerenge von Hormos transportiert werden, zu beschlagnahmen", lautete der Antrag. Zur Erläuterung seines Antrags sagte Resai: "Wenn die Amerikaner in die Tasche des iranischen Volkes greifen und, allen Gesetzen und Vereinbarungen zum Trotz, unsere Gelder rauben, ist nicht nachvollziehbar, warum wir ihre Güter unangetastet vorbeifahren lassen sollen."

Madscid Ansari, der parlamentarische Vertreter des Präsidenten, der bei der Sitzung anwesend war, sagte, das Parlament könne nicht die Regierung beauftragen, im Persischen Golf irgendwelche Operationen durchzuführen. Zuständig für solche Befehle sei der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Ayatollah Chamenei. Der Antrag klinge revolutionär, richte sich aber gegen die nationalen Interessen und gegen die Verfassung der Islamischen Republik.


PILGERFAHRT NACH SAUDI-ARABIEN PRAKTISCH NICHT MEHR MÖGLICH

Ali Dschannati, Minister für Kultur und islamische Führung, sagte am 29. Mai laut Medien, die diesjährige Pilgerfahrt nach Mekka sei praktisch nicht mehr möglich, weil Saudi-Arabien ständig die Verhandlungen sabotiere.

Anfang Mai schien die diesjährige Pilgerfahrt für iranische Pilger problematisch geworden zu sein. Kulturminister Ali Dschannati sagte am 10. Mai, die Regierung sei bemüht die Pilgerfahrt nach Saudi-Arabien für September doch noch zu organisieren, aber Saudi-Arabien verweigere bislang die Zusammenarbeit. Aus Iran begeben sich jedes Jahr mehrere Hunderttausend Gläubige auf die Pilgerfahrt nach Mekka.

Auch Hossein Dschaberi Ansari, Sprecher des Außenministeriums, sagte am 11. Mai der Presse: "Leider unternimmt Saudi-Arabien alles, um eine Einigung über die erforderlichen Vorbereitungen zur Organisierung der Pilgerfahrt zu verhindern, obwohl das Land mehrmals betont hat, die Pilgerfahrt nicht mit politischen Differenzen zu vermischen." Saudi-Arabien hatte im Januar die diplomatischen Beziehungen zu Iran abgebrochen, weil es in Teheran und Maschad Demonstrationen gegen die Massenhinrichtung in Saudi-Arabien gegeben hatte, bei denen die saudischen Vertretungen gestürmt wurden.

Die Saudis weigerten sich, Fragen wie Einreiseerlaubnis, Transport, Sicherheit und Gesundheit zu regeln, sagte Ansari. "Wir haben noch Zeit und hoffen, dass Saudi-Arabien seine falsche Politik ändert und sich in den letzten Minuten doch noch mit uns einigt. Ansonsten trägt Riad die Verantwortung für das Scheitern der Pilgerfahrt."

Zuvor hatten die Saudis verlangt, dass die Visa für iranische Pilger in einem Drittstaat ausgestellt werden, Iran hingegen wünscht dass diese Aufgabe die Schweizer Botschaft in Teheran, die die Interessen beider Staaten vertritt, übernimmt.

Im vergangenen Jahr waren bei einer Massenpanik schätzungsweise zweieinhalbtausend Pilger ums Leben gekommen, davon waren nach iranischen Angaben 460 Iraner. Teheran machte dafür Saudi-Arabien verantwortlich.

Iran versuchte den Streit immer wieder zu schlichten. "Für uns ist Saudi-Arabien eines der wichtigsten Länder in der islamischen Welt und wir sind daher bereit, die Differenzen mit Riad durch politischen Dialog auszuräumen", sagte Vizeaußenminister Abbas Araghtschi der Agentur ISNA zufolge am 20. Mai. Es sei keine kluge Entscheidung der Saudis gewesen, die diplomatischen Beziehungen zu Iran abzubrechen.

Am 26. Mai signalisierte Riad Fortschritte bei den Verhandlungen über die Pilgerfahrten. Hossein Scharif, Vizeminister für Pilgerangelegenheiten Saudi-Arabiens, sagte, die Gespräche mit der iranischen Delegation seien positiv verlaufen. Beiden Seiten hätten organisatorische Fragen detailliert besprochen. Dabei sei die Möglichkeit einer "elektronischen Visaerteilung" erörtert worden. Den Journalisten sagte Scharif weiter, es sei durchaus möglich, dass nach der zweiten Verhandlungsrunde diesbezüglich eine Vereinbarung unterzeichnet werde. Auch die Fragen des Transports, des Aufenthalts, der Sicherheit und der medizinischen Versorgung könnten geklärt werden.

Doch am 29. Mai reiste die iranische Verhandlungsdelegation ohne Ergebnis aus Riad ab. Der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir erklärte dazu, Iran habe unannehmbare Bedingungen gestellt, habe das Recht zu Demonstrationen und andere Sonderrechte verlangt, was die Sicherheit der Pilger gefährden würde. Saudi-Arabien werde niemanden an der Erfüllung seiner religiösen Pflichten hindern, könne aber Sonderrechte nicht akzeptieren.

"Die Sicherheit der Pilger war uns sehr wichtig", sagte Dschannati mit Blick auf die Katastrophe im vergangenen Jahr. Riad habe in den zwei Verhandlungsrunden immer wieder eine mögliche Einigung verhindert. Auch das Amt für Pilgerfahrten in Teheran veröffentlichte eine Erklärung, in der es heißt, Saudi-Arabien habe ständig die Verhandlungen sabotiert, daher würden iranische Pilger in diesem Jahr an den religiösen Zeremonien nicht teilnehmen können.

Sollte es tatsächlich bei dieser Aussage bleiben, wäre es nach drei Jahrzehnten das erste Mal, dass Iraner nicht an der Pilgerfahrt teilnehmen können.

Indes hat Saudi-Arabien Iran aufgefordert, sich nicht länger in Angelegenheiten Iraks einzumischen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem britischen Außenminister Philip Hammond, sagte al-Dschubair, die Anwesenheit iranischer Militärs im Irak sei nicht hinnehmbar. Konkret hatte der saudische Außenminister den Kampf der irakischen Armee zur Rückeroberung der von dem sogenannten Islamischen Staat besetzten Stadt Falludscha im Blick, an dem iranische Soldaten und Offiziere beteiligt sind.

Al-Dschubair hatte bereits am 26. Mai in einem Interview scharfe Kritik an der "zerstörerischen Präsenz" des iranischen Generals Ghassem Soleimani und Einheiten der iranischen Revolutionsgarden im Irak geübt. Hossein Ansari, Sprecher des Teheraner Außenministeriums, wies diese Kritik zurück und erklärte, General Soleimani befinde sich auf Wunsch der irakischen Regierung im Land. Iranische Militärberater seien unter der Führung von Soleimani dabei, die irakischen Streitkräfte im Kampf gegen Terroristen und Extremisten zu unterstützen. Das irakische Volk brauche keine Anweisungen des saudischen Außenministers, um die eigenen Interessen zu erkennen und zwischen Freund und Feind zu unterscheiden, insbesondere nicht von dem Außenminister des Landes, das seit mehr als einem Jahrzehnt für die Instabilität in der Region und die Unterstützung des Terrorismus verantwortlich sei.

Am 29. Mai bestätigte die iranische Polizei saudische Angriffe auf Netzwerke iranischer Behörden. "Acht iranische Webseiten wurden letzte Woche von Hackern mit saudischen IP-Adressen angegriffen", zitierte dpa in einer Meldung den Chef der Internetpolizei Kamal Hadianfar. Seine Behörde habe Interpol über den Vorfall informiert. Gehackt wurde unter anderem die Statistikbehörde von einem Hacker, der sich als Mitglied der Terrormiliz IS und als saudischer Staatsbürger ausgab. Das sei erst der Anfang, drohte er.

Nach Meinung konservativer Medien gehe es nun um einen "Cyber-Krieg", den Iran nicht unbeantwortet lassen könne. Dem widersprach Hadianfar. Die saudische Regierung habe mit den Angriffen nichts zu tun. Daher würden mögliche Gegenangriffe von Privatleuten ausgehen und nicht von der Regierung.


SARIF BESUCHT VIER STAATEN IN EUROPA

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif begab sich am 29. Mai zu einem Besuch nach Polen. Danach wird er Finnland, Schweden, und Litauen besuchen. In Warschau traf er sich mit seinem Amtskollegen Witold Waszczykowski. Thema des Gesprächs waren bilaterale Wirtschaftsbeziehungen, insbesondere in den Bereichen Energie und Finanzen. Auch politische Fragen wie die Krise im Nahen Osten und die Flüchtlingskrise wurden erörtert.

Begleitet wurde Sarif von 60 Vertretern der Wirtschaft. Dabei war auch der Chef der iranischen Handelskammer. Laut der staatlichen Agentur Irna sagte Sarif, "der Besuch ist eine Botschaft an jene Länder, zu denen wir ein besonderes Verhältnis haben. Um die Beziehungen zu diesen Staaten auszubauen, brauchen wir die Aktivitäten der privaten Unternehmen, die selbstverständlich von der Regierung unterstützt werden."

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bauke Baumann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
15. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 6/2016 - Juni 2016 / 15. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2016

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