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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/405: Iran-Report Nr. 3 - März 2018


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 3 - März 2018
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Abschluss des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen erwartet das Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch eine Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung. Doch über den neuen Kurs, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Rohani: Eine neue Ära ist angebrochen
• Chamenei entschuldigt sich bei Gott und dem iranischen Volk
• Karrubi klagt Chamenei an
• Dschannati über die Zukunft der Islamischen Republik besorgt
• Ahmadinedschad fordert sofortige Neuwahlen
• Proteste gegen Kopftuchzwang
• Bekannter Umweltschützer im Gefängnis gestorben
• Fast 5.000 Festnahmen bei den Protesten
• Mehrheit der Iraner ist unzufrieden
• Schüsse auf eine Person, die ins Präsidialamt eindringen wollte


Vorbemerkung

Um die Jahreswende hat es in mehr als 80 Städten Proteste gegeben, die zehn Tage dauerten. Sie zeigen nun offenbar Wirkung. Die Staatsführung ist verunsichert, ranghohe Politiker und Medien warnen vor Gefahren, die das gesamte System der Islamischen Republik bedrohen. Die Spaltung zwischen Reformern und Konservativen hat sich erheblich vertieft. Teile des Regimes reagieren auf Kritiker mit Gewalt, andere versuchen die Menschen zu beschwichtigen. Wie ernst die Lage ist, zeigt sich auch daran, dass der Staatspräsident von einer neuen Ära spricht. "Wir sollten einsehen, dass wir uns in einer neuen Ära und nicht mehr in der Revolutionsära vor 39 Jahren befinden", sagte Hassan Rohani. Er schlug eine Volksbefragung über den künftigen Weg des Landes vor, um aus der gegenwärtigen "Sackgasse" herauszukommen. Selbst Revolutionsführer Ali Chamenei gab Versäumnisse im Bereich sozialer Gerechtigkeit zu und entschuldigte sich dafür. Wir beginnen mit Rohani.


ROHANI: EINE NEUE ÄRA IST ANGEBROCHEN

Hassan Rohani forderte am 6. Februar vor der Presse in Teheran die Verantwortlichen des Landes dazu auf, "zeitgemäß" zu denken und zu handeln. Sie sollten, so der Präsident, auf die jungen Leute zugehen und die alten Kriterien aus der Zeit der Revolution zu den Akten legen. Eine Mehrheit von 70 Prozent der Bevölkerung sei erst nach der Revolution geboren. "Wenn wir nicht auf die jungen Menschen hören, ihre Forderungen nicht ernst nehmen, können wir das Land nicht mehr vernünftig regieren", sagte der Präsident. Es sei ein Fehler zu meinen, dass die Proteste sich allein gegen wirtschaftliche Zustände gerichtet hätten. Auch die politischen und gesellschaftlichen Missstände hätten die Menschen auf die Straße getrieben. Die technologische Entwicklung schaffe eine völlig neue Lage, sie lasse sich nicht aufhalten. "Wir sind längst in der digitalen Ära angekommen. Die Zeiten, in denen die Parabolantennen eingesammelt wurden, um den Zugang zu ausländischen Sendern zu verhindern und damit den Menschen Informationen über die Vorgänge in anderen Teilen der Welt vorzuenthalten, sind endgültig vorbei. Es ist sinnlos, das Internet zu filtern und zu blockieren."

Bei seiner Rede zum 39. Jahrestag der Revolution am 12. Februar sagte Rohani vor Tausenden von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, mit Blick auf unüberbrückbaren Differenzen innerhalb der Staatsführung, die Verfassung der Islamischen Republik biete beträchtliche Möglichkeiten. Wenn die Politik in eine "Sackgasse" gerate, gäbe es zum Beispiel die Option eines Referendums.

Artikel 59 besagt, dass bei schwerwiegenden wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entscheidungen, eine Volksbefragung stattfinden kann. Dies bedarf der Zustimmung von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments.

Um die Staatsordnung der Islamischen Republik zu retten, "gibt es keinen anderen Weg als die Beteiligung des Volkes an Entscheidungen", sagte Rohani. "Die Revolution ist bisher erhalten geblieben, weil wir Wahlen durchgeführt haben."

Rohani warnte vor Einmischungen in das Privatleben der Bürger. Die Islamische Republik müsse wieder alle dazu aufrufen, "in den Zug der Revolution zu steigen", sagte er. "Unsere Revolution konnte erst dann siegen, als wir eine Einheit bildeten. Der Zug der Revolution hatte damals viele Mitfahrer, manche sind inzwischen von allein ausgestiegen, manche haben wir hinausgeworfen. Das hätten wir nicht tun sollen. Wir brauchen die Einheit. Ich rufe Konservative, Reformer, Moderate und alle Parteien und alle Leute auf, zusammenzustehen." Zugleich forderte Rohani Vielfalt und Pluralismus. "Wir sollten dem Volk vertrauen. Wir sollten allen politischen Strömungen erlauben, an den Wahlen teilzunehmen." Die Islamische Republik stehe im 40. Jahr nach der Revolution vor einer "Reifeprüfung", sagte der Präsident.

Kritik an Rohanis Vorschlag, eine Volksbefragung durchzuführen, kam vom Wächterrat. Rohani habe einen Vorschlag gemacht, der wohl nicht durchdacht gewesen sei, sagte Ratssprecher Abbasali Kandchodai. "Artikel 59 der Verfassung betrifft das Parlament. Vielleicht hat der Präsident ihn mit einem anderen Artikel verwechselt". Jene, die aus dem Zug der Revolution ausgestiegen seien, hätten Teile der Verfassung nicht akzeptiert. Sie seien keine Revolutionäre und könnten daher auch politisch keine Verantwortung übernehmen.

Auch der Herausgeber der ultrarechten Tageszeitung Kayhan, Hossein Schariatmadari, kritisierte Rohanis Vorschlag. "Das ist eine Beleidigung des Volkes", schrieb er.


CHAMENEI ENTSCHULDIGT SICH BEI GOTT UND DEM IRANISCHEN VOLK

Revolutionsführer Ali Chamenei hat bei einer Rede am 18. Februar in Teheran, mit Blick auf die jüngsten Proteste, Versäumnisse im Bereich soziale Gerechtigkeit eingestanden. Er entschuldigte sich dafür bei Gott und dem iranischen Volk. "Wir werden mit der Unterstützung der Bevölkerung die Versäumnisse korrigieren und in diesem Bereich Fortschritte erzielen", sagte er. Er habe die kritischen Stimmen gehört, die sich "nicht nur gegen die Regierung und die Justiz richteten, sondern vielleicht auch gegen meine Wenigkeit." "Doch Kritik bildet keinen Gegensatz zur Treue gegenüber der islamischen Staatsordnung und der Revolution, die aus dem Widerstand des Volkes hervorging und für die sich hunderttausende von Märtyrern geopfert haben."

Die wichtigste Errungenschaft der Revolution sei der Wechsel von der "Herrschaft der Arroganz zur Herrschaft des Volkes" gewesen, sagte Chamenei. Dies bedeute, dass das Volk an allen Entscheidungen beteiligt werde. Mit Blick auf eine Äußerung von Rohani, man müsse die Stimmen der Demonstranten hören, sagte er: "Wir müssen die Rufe des Volkes hören. Aber wer ist das Volk? Das sind jene, die an den legendären Kundgebungen zum Jahrestag der Revolution teilnehmen. Wenn ihr die Stimme des Volkes hören wollt, müsst ihr hören, was diese Leute sagen. Die Menschen protestieren gegen Korruption, gegen Ungleichbehandlung. Das ist das, was sie sagen wollen."

Was der Revolution schade, seien Streben nach Reichtum und Unterstützung wohlhabender Schichten, statt Hilfe für Arme und Schwache, sagte Chamenei. "Frühere Revolutionäre, die heute an der Macht sind" und den Weg der Revolution ändern wollen, seien "Reaktionäre."

Die wirtschaftlichen Probleme hätten Priorität, ein Aufschwung sei nur durch eine "Widerstandswirtschaft" zu erreichen, betonte der Revolutionsführer. Wichtig sei der Kampf gegen Arbeitslosigkeit und für Produktion, sagte er. Zum Schluss seiner Rede kam er auch auf das Atomabkommen und das Raketenprogramm zu sprechen. "Wir haben ihnen (den Amerikanern) vertraut und dabei nichts gewonnen. Man könne ausländischen Mächten nicht vertrauen, müsse sich auf die eigene Kraft stützen", sagte er. Die Kritik des Westens gegen das Raketenprogramm lehnte er mit scharfen Worten ab. "Was wir tun, geht euch nichts an. Ihr wollt, dass Iran keine Raketen und sonstige Waffen besitzt, um uns euren Willen aufzuzwingen. Wir werden alles tun, was der Verteidigung des Landes nutzt, selbst dann, wenn die ganze Welt dagegen ist." Zugleich betonte Chamenei abermals, dass Iran den Bau von Atombomben und Massenvernichtungswaffen als "Haram" (Sünde) betrachte.


KARRUBI KLAGT CHAMENEI AN

Mehdi Karrubi, früherer Parlamentspräsident, hat in einem offenen Brief den Revolutionsführer Ali Chamenei dazu aufgefordert, für die letzten drei Jahrzehnte der Islamischen Republik Rechenschaft abzulegen. Er gehörte, neben Mir Hossein Mussawi und dessen Frau Sahra Rahnaward, zu den führenden Politikern, die an den Protesten von 2009 gegen die umstrittene Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad teilnahmen. Alle drei befinden sich seit sieben Jahren in Hausarrest.

Der landesweit hoch angesehene Politiker Karrubi zählte zu den engsten Weggefährten des Gründers der Islamischen Republik, Ayatollah Chomeini. Im Folgenden bringen wir einige Auszüge aus seinem offenen Brief. Diesem wird in Iran historische Bedeutung beigemessen.

"Kürzlich haben Sie etwas Richtiges gesagt, was mich dazu veranlasst hat, Ihnen diesen Brief zu schreiben. Sie haben gesagt, 'jene, denen einst alle Möglichkeiten des Staates zur Verfügung standen und jene, die heute über alle Möglichkeiten des Staates verfügen, haben kein Recht, die Rolle der Opposition zu übernehmen und den Staat zu kritisieren. Sie sind für diesen Staat verantwortlich und müssen Rechenschaft ablegen. (...) Man kann nicht ein Jahrzehnt lang regieren und sich im nächsten Jahrzehnt in einen Gegner des Staates verwandeln.' Richtig, jeder ist, gemäß seinem Anteil an der Macht (für das, was geschehen ist), verantwortlich."

"Die erste Voraussetzung für Korrekturen, ist die Übernahme der Verantwortung. Ich selbst übernehme die Verantwortung für mein Handeln. (...) Ganz sicher habe ich viele Fehler gemacht. Dafür entschuldige ich mich bei meinem Volk und bitte Gott um Gnade."

Der Grundsatz, für eigenes Handeln Verantwortung zu übernehmen, gelte für alle ohne Ausnahme, schreibt Karrubi weiter. "Sie sind die einzige Person, die in den vergangenen 38 Jahren stets an der Spitze der Macht gestanden hat. Sie waren acht Jahre lang Präsident und sind seit 29 Jahren Führer der Revolution, absoluter Führer der Revolution. In Anbetracht dieser Position und Ihres Einflusses müssen Sie über die gegenwärtige politische, wirtschaftliche, kulturelle Lage des Landes, die durch Ihre Führung entstanden ist, Rechenschaft ablegen."

"Ich sehe allerdings die Wurzel aller Probleme des Landes in der Ausgrenzung und Ignoranz des Willens des Volkes. Wäre man den Anweisungen Ayatollah Chomeinis, entscheidend sei der Wille des Volkes, gefolgt, wäre nach meiner Überzeugung heute die Lage des Landes nicht so besorgniserregend."

Ohne die Versäumnisse zu erkennen und dafür die Verantwortung zu übernehmen, werde das Land möglicherweise "in naher Zukunft in eine tiefe Krise geraten", warnte Karrubi. Er wirft in seinem Brief an Chamenei einen Blick auf die Zeit vor der Revolution und die Jahre nach der Gründung der Islamischen Republik. Mit der Übernahme der Führung durch Chamenei seien wichtige revolutionäre Gruppen ausgegrenzt worden. Auch die Verfassung der Islamischen Republik sei, unter anderem durch die Manipulation von Wahlen, unterhöhlt worden. "Genau hier liegt die Wurzel allen Übels", schreibt Karrubi weiter. Der Expertenrat, der laut Verfassung direkt vom Volk gewählt werde und unter anderem die Aufgabe habe, den Revolutionsführer zu kontrollieren, sei "praktisch" zu dessen Befehlsempfänger degradiert worden. Mit einer Änderung der Verfassung habe der Wächterrat, der zunächst als Wächter der Verfassung vorgesehen gewesen sei, die Kontrolle der Wahlen übernommen und damit sei auch das Parlament, das die wichtigste Säule der Republik gebildet habe, entmachtet worden.

Die Ausgrenzung von Personen müsse stets mit dem Verhalten und den Taten des Einzelnen begründet werden, schreibt Karrubi. "Wenn wir diesen Grundsatz akzeptieren, dann darf es keine Ausnahmen geben. Dann muss er für alle gelten, also gerade auch für Sie, weil Sie am meisten Macht und Einfluss haben."

Die Ablehnung zahlreicher Bewerber bei den Wahlen für das Parlament durch den Wächterrat, und damit die Auswahl der Abgeordneten nach dem Willen des Wächterrats und der Revolutionsgarden, lasse keinen Raum mehr für Kritik und freie Meinungsäußerung. "Ist das das Parlament, das Ayatollah Chomeini als höchste Instanz der Islamischen Republik bezeichnete? Sind solche Parlamente in der Lage, die Rechte und den Willen des Volkes zu vertreten? Genießen die Abgeordneten die Immunität, die sie benötigen, um ohne Furcht ihre Meinung zu äußern? Wer ist Ihrer Meinung nach dafür verantwortlich, dass seit Jahrzehnten die soziale und politische Sicherheit der Menschen ignoriert werden? Wie ist die Tatsache, dass nur wenige mit der Macht liierten, über alle Fragen der Innen- und Außenpolitik entscheiden, mit den Grundsätzen der islamischen Revolution in Einklang zu bringen? Gibt es einen Unterschied zwischen dieser Vorgehensweise und Diktaturen, in denen Verantwortung nicht existiert, Diktaturen, die wir entschieden abgelehnt haben?"

"Unter Ihrer Führung wurden den Revolutionsgarden und der Basidsch-Miliz der Weg in die Bereiche Wirtschaft und Politik geöffnet, mit einem katastrophalen Ergebnis, das heute für alle sichtbar und spürbar ist." Karrubi weist daraufhin, dass bereits Ayatollah Chomeini vor einer Einmischung der Militärs in politische Angelegenheiten gewarnt hätte.

Die Einmischung der Militärs in die Politik und die Manipulation der Wahlen habe zur politischen Instabilität, einer diktatorischen Atmosphäre und zur Aussetzung der Herrschaft des Volkes geführt. Die Monopolstellung der Garden in der Wirtschaft, das Fehlen von Ausschreibungen und die illegale Übergabe der Groß- und Schlüsselindustrien an Militärs habe zu einem Ausmaß an Korruption geführt, das als "historisch" bezeichnet werden könne. Auch im Bereich der Sicherheit hätten die Garden ohne jegliche Kontrolle parallel zum Informationsministerium Aktivitäten entwickelt, die sich oft gegen die Grundrechte der Bürger richteten. "Was hat die Einmischung der Garden in die Angelegenheiten von Politik, Wirtschaft, Kultur und Sicherheit gebracht? Steht diese Einmischung im Einklang mit der Verfassung. Führt sie nicht vielmehr das Land in den Abgrund, in innere und äußere Krisen? Ist es nicht an der Zeit für Sie, über diese Entwicklung Bilanz zu ziehen und Rechenschaft abzulegen?"

"Die revolutionären Stiftungen, die zu Beginn der Revolution gegründet wurden, um den Entrechteten und Armen zu unterstützen, haben sich inzwischen in Wirtschaftsgiganten verwandelt. Auch sie stehen außerhalb jeglicher Kontrolle. Manche schätzen, dass sich 50 Prozent des Volkseigentums in der Hand von wenigen Institutionen befindet. Unter diesen Umständen scheint es allzu natürlich, dass die unterdrückten und verarmten Massen, die einst die Basis der Revolution bildeten, zu einem Pulverfass werden. Die jüngsten Proteste in zahlreichen Städten gegen Unrecht, Korruption und Benachteiligungen sind ein Alarmzeichen, auf das Sie rasch reagieren müssen. Sie müssen sich um das Wohl der benachteiligten Massen kümmern. ... Sie sollten den Tag fürchten, an dem die Menschen merken, wer Sie in Wirklichkeit sind. Dann wird es zu einer gesellschaftlichen Detonation kommen. Dann wird es nicht darum gehen, zu dem Ursprung der Revolution zurückzukehren. Der Sturm wird uns alles hinwegfegen."

"Die himmelschreiende Armut und Arbeitslosigkeit breiten sich über das ganze Land aus. Laut offiziellen Angaben leben mehr als zehn Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. So zu leben, ist unserem Volk nicht würdig. Regierung und Staat müssen so rasch wie möglich auf die Probleme der Menschen zugehen und eine Änderung ihrer wirtschaftlichen Lage herbeiführen. Heute befindet sich der Staat soweit am Abgrund, dass er sich vor ein paar tausend Menschen, die gegen Unrecht und Korruption protestieren, fürchtet. Sie sollten ihnen, statt auf äußere Feinde zu verweisen und gewaltsam gegen die Demonstranten vorzugehen, zuhören. Sie sollten die Inhaftierten, bevor die Wunde tiefer wird und noch größere Katastrophen in den Gefängnissen entstehen, freilassen."

Karrubi fordert beharrlich einschneidende Reformen, die alle Organe und Institutionen des Staates unter die Kontrolle des Volkes stellen und jede Art von Alleinherrschaft ausschließen sollten. "Jene Millionen, die vor vierzig Jahren die Revolution gemacht, uns aus den Gefängnissen herausgeholt und mit Macht ausgestattet haben, müssen wieder das Schicksal des Landes in die Hand nehmen", schreibt er.

Zum Schluss fordert Karrubi eine Fernsehdebatte mit der Führungselite des Landes. Das Regime hätte über ihn und seinen Kampfgefährten jahrelang Lügen verbreitet. Sie hätten keine Möglichkeit gehabt, sich zu wehren. Nach nun sieben Jahren Hausarrest sollte man ihnen dazu die Gelegenheit geben.


DSCHANNATI ÜBER DIE ZUKUNFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK BESORGT

Der Vorsitzende des mächtigen Wächterrats, Ahmad Dschannati, zeigte sich nach den Protesten um die Jahreswende besorgt über die Zukunft der Islamischen Republik. Ursache für die Unzufriedenheit im Land sei die sich verbreitende Armut, sagte er. Der ultrakonservative Dschannati ist nach Präsident Rohani der zweite hochrangige Politiker, der den islamischen Staat gefährdet sieht. Rohani hatte gewarnt: "Wenn der Staat die kritischen Stimmen und die Proteste nicht wahrnimmt, könnte es bald zu spät sein."

"Wenn der Abstand zwischen den Klassen zu groß wird, werden die Habenichts sich auf die Straße begeben und Unruhe verbreiten, weil sie das Leben nicht mehr ertragen können. Wir können nicht erwarten, dass niemand seine Stimme erhebt. Die Menschen müssen protestieren, aber im Rahmen der Gesetze." ... "Heute geht es um den Sturz des Islam und die islamische Staatsordnung. Es ist eine Verschwörung, die beseitigt werden muss", sagte der Kleriker. "Ich weiß nicht, was nächstes Jahr geschehen wird. Wir müssen alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen."


AHMADINEDSCHAD FORDERT SOFORTIGE NEUWAHLEN

Der frühere Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat am 21. Februar in einem offenen Brief an den Revolutionsführer Ali Chamenei eine sofortige freie Neuwahl des Präsidenten gefordert. Er begrüßte die Äußerungen Chameneis, der Fehler eingestanden und sich für diese entschuldigt hatte und verlangte einen radikalen Neubeginn. Die Wahl müsse ohne Einmischung des Wächterrats und des Militärs und der Sicherheitsorgane völlig frei durchgeführt werden, schrieb er. Diese Forderung ist erstaunlich, weil es sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Wahl Ahmadinedschads zum Präsidenten, eine massive Einmischung des Wächterrats und der Militärs gegeben hatte. Dies war der Grund für die landesweiten Proteste 2009.

Es müsse in verschiedenen Institutionen, "insbesondere im Büro des Revolutionsführers grundlegende Reformen", durchgeführt und der Justizchef abgesetzt werden, forderte der ehemalige Präsident weiter. Er wiederholte seine scharfe Kritik gegen die Justiz und deren Chef Sadegh Laridschani und erklärte, dessen Absetzung könnte auf die Menschen beruhigend wirken und sie dazu ermuntern, die Reformen zu unterstützen.

Schließlich forderte Ahmadinedschad die Freilassung und Freisprechung aller politischen Gefangenen. Diese befinden sich aus unterschiedlichen Gründen, zum Beispiel wegen Teilnahme an Protesten, Propaganda gegen die islamische Staatsordnung, oder auch wegen "Beleidigung des Revolutionsführers" in Haft.

Ahmadinedschad war von 2005 bis 2013 Präsident der Islamischen Republik. Er war mit massiver Unterstützung der Konservativen und Ultras, der Revolutionsgarden, des Wächterrats und nicht zuletzt des Revolutionsführers an die Macht gekommen. Bei den Protesten gegen seine Wiederwahl 2009 wurden die Demonstrantinnen und Demonstranten brutal niedergeschlagen und Tausende ins Gefängnis gesteckt. Es gab mehrere Tode und zahlreiche Verletzte. Einige Gefangene wurden durch Folter getötet.

Vor diesem Hintergrund war es kein Wunder, dass der Neuoppositionelle Ahmadinedschad für seine Forderungen Hohn und Spott erhielt. Der Sprecher des Wächterrats, Abbasali Kadchodai, schrieb am 22. Februar in der Kurzmitteilungs-App Telegram, Ahmadinedschad habe bei den Präsidentschaftswahlen 2009 den Wächterrat dazu aufgefordert, seinen Sieg zu verkünden, obwohl die Stimmen noch nicht ausgezählt gewesen seien. Der Rat habe sich geweigert. "Man muss nun fragen, wer die Wahlen manipulieren wollte, Ahmadinedschad oder der Wächterrat." Die Agentur dpa zitierte am 22. Februar Nutzer der sozialen Medien mit folgenden Worten: "Damals das Präsidialamt mit Wahlfälschern besetzen und nun von freien Wahlen reden ist ein schlechter Witz."


PROTESTE GEGEN KOPFTUCHZWANG

Am 27. Dezember hatte Vida Movahed auf einem der Hauptplätze von Teheran ihr Kopftuch abgenommen und es als Fahne an einen Stock gehängt. Mittlerweile wurde sie zum Symbol der Proteste um die Jahreswende. Die 31-jährige Movahed, Mutter eines 21 Monate alten Kindes, erhielt enormen Zuspruch aus der Bevölkerung. Nutzer sozialer Netzwerke lobten die Aktion und forderten die Abschaffung des Kopftuchzwangs. "Vida ist aus meiner Sicht eine Heldin. Ich leide seit Jahren unter dem Kopftuchzwang, hatte aber nie Mut genug, um dagegen zu protestieren", twitterte eine Frau. "Aber jetzt bin ich gerne bereit, neben ihr zu stehen. Wir alle sollten sie unterstützen. Ich hoffe, wir werden eines Tages für uns selbst entscheiden können, wie wir uns kleiden."

Die Protestaktion von Movahed machte Schule. Dutzende Frauen veranstalteten ähnliche Aktionen in verschiedenen Bezirken der Hauptstadt. Am 1. Februar gab die Polizei bekannt, dass 29 Frauen, die in der Öffentlichkeit demonstrativ ihr Kopftuch abgenommen hätten, festgenommen worden seien. Sie bezeichnete die Frauen als "Überlistete", die "in die Falle von Propagandisten im Internet" geraten seien. Generalstaatsanwalt Dschafar Montaseri nannte die Aktion "kindisch" und "belanglos". Sie sei nicht bedeutend genug, um beachtet zu werden.

Die USA protestierten gegen die Festnahmen. Das Außenministerium in Washington verurteilte in einer Erklärung vom 2. Februar die Festnahme von 29 Frauen, die sich für "elementare Menschenrechte" eingesetzt hätten. Die USA würden nach wie vor alle Menschen in Iran, die sich für Freiheit des Glaubens, der Meinungsäußerung und Versammlung einsetzen, unterstützen. "Die Menschen müssen die Freiheit haben, über die Wahl ihrer Kleidung zu entscheiden", hieß es in der Erklärung.

Einem Bericht des strategischen Zentrums des Präsidialamts vom 3. Februar zufolge, wächst der Widerstand gegen das Kopftuchgesetz landesweit. Das Zentrum bezeichnet dies als besorgniserregend. Eine Mehrheit von 60 Prozent der Bevölkerung sei der Meinung, dass über die Wahl der Kleidung nicht der Staat, sondern die Frauen selbst entscheiden sollten (2006 waren es 15 Prozent weniger). Der von der Agentur Isna veröffentlichte Bericht, wurde von Anhängerinnen und Anhängern der Abschaffung der Kleidungsvorschriften als großer Sieg verbucht. Bemerkenswert ist, dass die Aktion der Frauen auch von gläubigen Musliminnen, zahlreichen Männern, Abgeordneten im Parlament und angeblich auch von einigen Klerikern unterstützt wird.

Eine Drohung kam von der Justiz. Vizejustizchef und Sprecher der Justiz, Gholamhossein Mohseni Ejehi, behauptete auf einer Pressekonferenz in Teheran am 4. Februar, einige protestierende Frauen seien drogensüchtig. Sollte sich zeigen, dass die Proteste organisiert und nicht spontan gewesen seien, werde es nicht nur für die Protestierenden selbst, sondern auch für deren Familien schwere Konsequenzen geben. Was die Frauen getan hätten sei "hässlich", sagte Ejehi. Auf die Frage, wie viele Frauen sich in Haft befänden, sagte Ejehi, eine genaue Zahl könne er nicht nennen. Die meisten Frauen seien überlistet worden. Diese würden eine mildere Strafe bekommen. Jene Frauen, die ihre Tat bereut hätten, würden gegen eine geringe Kaution und einige Auflagen freigelassen werden. Die Staatsanwaltschaft sei besorgt um "junge und ledige Frauen" und möchte vermeiden, dass sie als "Vorbestrafte" bei ihrer Ausbildung und in ihrem Beruf Probleme bekämen. Er warnte die Familien, sie sollten auf ihre Töchter achten, damit diese sich nicht überlisten ließen und als Drogenkonsumentinnen solche Taten begingen.

Laut Berichten in den sozialen Medien vom 7. Februar hatte die 32-jährige Nargess Hosseini, die ebenfalls gegen den Kopftuchzwang protestiert hatte, sich geweigert, vor dem Gericht ihre Aktion zu bereuen. Daher verlangte das Gericht eine Kaution von umgerechnet 100.000 Euro, um sie bis zu einem Gerichturteil freizulassen. Da ihre Familie nicht in der Lage gewesen sei, diese völlig unangemessene hohe Summe zur Verfügung zu stellen, muss Hosseini weiter in Haft bleiben.

Der Ultrakonservative Freitagsprediger der heiligen Stadt Maschad, Ajatollah Ahmad Alamolhoda, bezeichnete die protestierenden Frauen als "Puppen des Westens". "Das Ziel der Feinde ist klar: Sie wollen die islamischen Werte im Land unterhöhlen und sie durch unsittliche westliche Kultur ersetzen", sagte er am 9. Februar.

Demgegenüber erklärte der Vizepräsident des Parlaments Ali Mottahari, es bestehe kein Kleiderzwang für Frauen. Viele Frauen zeigten sich in der Öffentlichkeit so wie sie es mögen. Also bestehe kein Zwang. "Dass ein paar Frauen ihr Kopftuch abgenommen haben, ist belanglos. ... Kleidung ist nicht das Problem unseres Landes. Die Frauen beachten mehr oder weniger die Vorschriften und wir sollen keinen Druck ausüben."

Auf einem Video, das in sozialen Netzwerken verbreitet wurde, ist eine Frau zu sehen, die auf einem belebten Platz in Teheran auf einem fast zwei Meter hohen Verteilerkasten ihr Kopftuch an eine Stange hängt und wie eine Fahne schwingt. Jemand versucht sie mit Gewalt herunterzuholen. Sicherheitskräfte wollen sie festnehmen, doch die Passanten versuchen die Frau zu schützen. Ein Polizist klettert hoch und stößt die Frau hinunter. Die Frau erleidet einen Fußbruch.

Asam Dschangrawi, so heißt die Frau, erklärte, sie habe auf wirkliche Reformen in der Islamischen Republik gehofft und sei deshalb Mitglied einer Frauenorganisation der Reformer geworden. Doch inzwischen habe sie die Hoffnung aufgegeben. "Ich habe die Nase voll von Parolen und Ankündigungen. Ich musste für die Freiheit und für das Ende aller Gesetze und Bestimmungen, die sich gegen uns Frauen richten, handeln. Ich bin bereit, die Folgen meiner Tat in Kauf zu nehmen", sagte sie. Sie erklärte, dass ihr Protest mit keiner Organisation oder Person, weder im Inland noch im Ausland, zu tun habe. "Ich habe als Individuum das Recht, zu bestimmen, wie ich mich kleide."


BEKANNTER UMWELTSCHÜTZER IM GEFÄNGNIS GESTORBEN

Der Tod des iranisch-kanadischen Umweltschützers, Kavous Seyed Emami, wurde am 11. Februar bekannt. Der 63-jährige Professor an der Teheraner Emam Sadegh Universität und Leiter der Tierschutzorganisation Persian Wildlife Heritage Foundation war am 24. Januar mit sieben weiteren Mitgliedern der Organisation festgenommen worden. Zwei Wochen später hieß es, Emami habe im Gefängnis Selbstmord begangen. "Ich kann das nicht glauben", schrieb sein Sohn Ramin, der ein bekannter Sänger ist, auf Instagram. "Meine Mutter ist gestern über den Tod meines Vaters informiert worden."

Ramin war nicht der einzige, der Zweifel an der offiziellen Darstellung äußerte. Auch der Verein iranischer Soziologen verlangte von der Justiz detaillierte Informationen. Der Parlamentsabgeordnete Mahmus Sadeghi erklärte, die Verantwortlichen würden auf seine Fragen keine Antwort geben. Auch der Generalsekretär der Partei der Einheit des islamischen Volkes Iran, Ali Schakuri Rad, zeigte sich über den Vorfall besorgt. Er fragte, warum die Justiz Informationen zurückhalte. Zahlreiche Institute und wissenschaftliche Einrichtungen würdigten die Persönlichkeit Emamis als Wissenschaftler und Menschen-und Naturfreund. Sie bezweifelten, dass er Selbstmord begangen haben könnte und verlangten Aufklärung. "Die Nachricht vom Tod von Dr. Kavous Seyed Emamihat hat die wissenschaftliche Gemeinde und die Umweltaktivisten des Landes überrascht und schockiert, " heißt es in einem offenen Brief von vier wissenschaftlichen Verbänden an Präsident Rohani. Emami sei nicht nur "ein bekannter Professor, bedeutender Wissenschaftler und Kriegsveteran" gewesen, sondern auch "ein edler und ethischer Mensch. Die Nachrichten und Gerüchte um seine Festnahme und seinen Tod sind nicht glaubhaft."

Die acht Umweltschützer waren unter dem Verdacht der Spionage festgenommen worden. Sie hätten unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung wichtige geheime Informationen gesammelt und sie an ausländische Dienste weitergeleitet, behauptete die Justiz. Der Teheraner Staatsanwalt Abbas Dschafari Dolatabadi sagte der Agentur Kar, Emami sei einer der Umweltaktivisten gewesen, der wusste, dass andere über ihn ausgesagt hätten und auch er selbst habe Geständnisse abgelegt. In dieser aussichtlosen Lage habe er sich "bedauerlicherweise" das Leben genommen.

Die Selbstmordversion wurde umso mehr in Zweifel gezogen, als dass in den Wochen davor nach Darstellung der Justiz mehrere Demonstranten, die im Zusammenhang mit den Protesten um die Jahreswende im Gefängnis saßen, Selbstmord begangen hatten.

Am 12. Februar wurde im Beisein von einigen Parlamentsabgeordneten, Vertretern der Revolutionsgarden und des Informationsministeriums ein Videofilm als Beweis für den Selbstmord im Parlament gezeigt. Nach Aussagen von Abgeordneten sei darauf Imami "bei der Vorbereitung des Selbstmords" zu sehen! Der Abgeordnete Ali Mottahari sagte, die Darstellung der Revolutionsgarden sei nicht ausreichend. "Auf dem Video ist der Selbstmord nicht zu sehen. In den sieben, acht Minuten sieht man Emami in seiner Zelle. Er macht einiges, was man möglicherweise als Vorbereitung des Suizids auffassen könnte."

Amnesty International erklärte: Das Bemühen der Verantwortlichen in Iran, unabhängige Untersuchungen des mysteriösen Todes von Emami zu verhindern, deute auf die Absicht hin, alle möglichen Beweise von Folter und Mord zu tarnen. "Emami stand im Gefängnis unter ständiger Beobachtung, er hatte keine persönlichen Gegenstände bei sich. Unter diesen Umständen ist ein Selbstmord kaum denkbar. Wir fordern die kanadische Regierung und die Weltgemeinschaft auf, auf die iranische Regierung Druck auszuüben, um eine Aufklärung des Todes zu erzwingen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen."

Auch die kanadische Regierung verlangte am 14. Februar detaillierte Auskunft über die Umstände, die zum Tod von Emami geführt haben. Außenministerin Chrystia Freeland zeigte sich in einer Erklärung besorgt. "Ein kanadischer Staatsbürger hat sein Leben verloren. Wir erwarten, dass die iranische Regierung genaue Informationen über die Umstände erteilt, die zu diesem tragischen Vorfall geführt haben", schrieb die Ministerin. Kanada werde alle Möglichkeiten ausschöpfen, um zu den erforderlichen Informationen zu gelangen.

Staatsanwalt Dolatabadi wiederholte am 13. Februar die Vorwürfe gegen Emami. Unter dem Deckmantel, Aufnahmen von der Umwelt zu machen, seien strategisch wichtige Orte, die das iranische Raketenprogramm betreffen, aufgenommen worden. Die Umweltaktivisten hätten vor etwa zehn Jahren unter Anleitung von zwei US-Geheimoffizieren eine Organisation gegründet. Einige Festgenommenen hätten gestanden, mehrmals in Israel gewesen zu sein und dort auch israelische Geheimdienstoffiziere getroffen zu haben.

Am 19. April wurde ein von 2.048 Wissenschaftlern, Sozialarbeitern und Umweltaktivisten unterzeichneter, offener Brief an Präsident Rohani geschickt, in dem es unter anderem heißt: "Wie kommt es dazu, dass ein 64-Jähriger lebendig ins Gefängnis geht und nach zwei Wochen sein Leichnam aus dem Gefängnis hinausgetragen wird? Wie soll seine Familie, Freunde, Studenten und Kollegen mit dieser furchtbaren und mysteriösen Nachricht umgehen? Wer ist für den Schutz des Lebens der Gefangenen verantwortlich?"


FAST 5.000 FESTNAHMEN BEI DEN PROTESTEN

Der Parlamentsabgeordnete Aliresa Rahimi sagte der Presse am 2. Februar, den Angaben der Organisation iranischer Gefängnisse zufolge, seien bei den Protesten um die Jahreswende 4.972 Personen festgenommen worden. Zuvor hatte er gemeinsam mit anderen Abgeordneten das Eviner Gefängnis in Teheran besucht. Demnach befänden sich noch 438 Personen in Haft. 55 weitere Personen befänden sich in der Haft des Geheimdienstministeriums. Mindestens zwei Gefangene, Sina Ghanbari und Wahid Heidari, seien "auf mysteriöse Weise" im Gefängnis gestorben. Laut offiziellen Angaben sind 21 Personen bei den Protesten getötet worden.

Nach den Unruhen wurde allgemein befürchtet, dass die Gefangenen in den Gefängnissen hart behandelt werden könnten. Daher hatte das Parlament beschlossen, eine Delegation mit der Untersuchung der Lage der Gefangenen zu beauftragen. So begab sich die Delegation am 30. Januar zu einem Besuch ins Eviner Gefängnis. Wie Rahimi mitteilte, wurde der Besuch von einem Kamerateam aufgezeichnet. Die Abgeordneten hätten sich nur im Beisein von Gefängnisangestellten mit den Gefangenen unterhalten können. In dem Videofilm, auf dem, wie von Verantwortlichen des Gefängnisses behauptet, der Selbstmord von Ghanbari zu sehen sei, habe er (Rahimi) dergleichen nicht sehen können. "Dieser Film ist fälschlicherweise als Beweis des Selbstmordes von Ghanbari bezeichnet worden, obwohl darauf die medizinische Abteilung des Gefängnisses, jedoch keine Spur von einem Selbstmord, zu sehen ist", sagte Rahimi.


MEHRHEIT DER IRANER IST UNZUFRIEDEN

Einer staatlichen Umfrage zufolge ist die überwiegende Mehrheit der Iraner und Iranerinnen mit dem Staat unzufrieden. 31 Prozent der Befragten glauben nicht an der Reformierbarkeit der Islamischen Republik.

Wie die Agentur Isna am 7. Februar berichtete, wurde die Umfrage vom Strategischen Zentrum der Islamischen Republik in Auftrag gegeben. Befragt wurden 4.500 Personen in 11 Provinzen des Landes. Die Umfrage fand Anfang Januar, unmittelbar nach den Unruhen um die Jahreswende, statt. Demnach sind nur 25 Prozent der Befragten mit dem Staat zufrieden, 74,8 Prozent sind unzufrieden. 41 Prozent erklärten, dass sie an möglichen erlaubten Protesten in Zukunft teilnehmen würden.

Der Leiter des Strategischen Zentrums, Hessameddin Aschna, sprach von einer deutlichen Warnung. "Wir müssen hinnehmen, dass die jüngsten Proteste eine ernste Warnung an die Verantwortlichen waren", sagte er. "Wir wissen nicht, wie viele Warnungen noch kommen werden. Sicher ist aber, dass wir bald eine Katastrophe haben werden, wenn wir solche Warnungen nicht ernst nehmen." Zwar glaubten 41 Prozent der Befragten immer noch an Reformen, aber 31 Prozent hätten den Glauben daran verloren und plädierten für eine grundsätzliche Systemveränderung.

Mohammad Aghassi, Leiter des Forschungsinstituts, das die Umfrage durchgeführt hat, sagte der Agentur, sein Institut hatte vor dem Ausbruch der Unruhen gewarnt. "Aus den Umfragen, die wir im vergangenen Jahr durchgeführt haben, war ersichtlich, dass die Hoffnung auf eine bessere Zukunft stark gesunken war", sagte Aghassi. "Alles deutete auf Ereignisse hin, die wir um die Jahreswende erlebt haben. Bestätigt wurde unser Eindruck durch die Präsidentschaftswahlen. Zwar war die Zahl der Teilnehmer hoch, aber in manchen Städten war Kritik zu spüren. Genau in diesen Städten fanden auch später die Proteste statt." Fast 35 Prozent der Befragten erklärten, dass ihr Protest sich gegen das Regime insgesamt gerichtet habe 40 Prozent hatten gegen die Regierung und 9,2 Prozent gegen die Geistlichkeit protestiert.

69 Prozent der Befragten gaben an, aus wirtschaftlichen Gründen protestiert zu haben. 30 Prozent nannten die Korruption, 20,6 Prozent Ungerechtigkeit, 13,5 Prozent das Engagement der Islamischen Republik in Syrien und Palästina, 9,7 Prozent die Einschränkung der Meinungsfreiheit und 2,3 Prozent den Hausarrest der Oppositionspolitiker Karrubi, Mussavi und Rahnaward als Grund ihres Protestes. 61 Prozent waren der Meinung, dass die staatlichen Medien nicht wahrheitsgemäß über die Proteste berichtet hätten. 37,5 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich die Proteste fortsetzen werden.


SCHÜSSE AUF EINE PERSON, DIE INS PRÄSIDIALAMT EINDRINGEN WOLLTE

Ein Mann hatte versucht, in das Präsidialamt einzudringen und wurde von Sicherheitsbeamten angeschossen. Der für die Sicherheit zuständige Vizegouverneur der Provinz Teherans, Mohssen Hamedani, bestätigte dies am 5. Februar der Presse gegenüber. Der 35.jährige, der ein Totenhemd trug, sei mit einer Machete bewaffnet gewesen. Nach einem Gerangel hätten die Beamten von ihrer Waffe Gebrauch gemacht und den Mann angeschossen. Der Verletzte sei festgenommen und ins Krankenhaus gebracht worden. Über die Identität des Mannes und seine Absicht gab Hamedani keine Auskunft.

Esmail Kosari, ein hochrangiger Offizier der Revolutionsgarden, erklärte am 7. Februar, der Eindringling habe keine politischen Absichten gehabt. Zunächst hätten die Wachposten gedacht, er könnte ein Selbstmordattentäter sein und hätten deshalb auf seine Beine geschossen und ihn festgenommen.

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KULTUR

• Rohani: Islamisierung an Universitäten gescheitert
• Ausstellung mit Iran-Karikaturen in Brüssel
• Iranische Filme beim Festival in Göteborg
• Band Schiller plant weitere Auftritte in Iran


ROHANI: ISLAMISIERUNG AN UNIVERSITÄTEN GESCHEITERT

Ein Hauptziel der islamischen Revolution war, wie von Ayatollah Chomeini angekündigt, die Islamisierung des gesamten Lebens, insbesondere der Kultur. Kurze Zeit nach der Revolution kam es an den Universitäten zu Auseinandersetzungen. Diese hatten zur Folge, dass mehrere Tausend Lehrende und Studenten einer rigorosen Säuberungswelle zum Opfer fielen. Sämtliche Universitäten des Landes blieben für mehr als zwei Jahren geschlossen. Chomeini beauftragte einen "Rat der Kulturrevolution" zur Islamisierung der Universitäten. Dieser Rat besteht noch immer.

Nach nun fast vierzig Jahren islamischer Herrschaft gesteht der Präsident der Islamischen Republik, dass die Islamisierung der Universitäten gescheitert sei. Er kritisierte am 24. Februar in Teheran, dass es immer noch Bemühungen gebe, die Lehrpläne der Universitäten zu islamisieren. "Wir haben enorme Mittel (für die Islamisierung) ausgegeben und dafür nichts geerntet", sagte der Präsident.

Einige hätten versucht, die Wissenschaften in islamische und nichtislamische Wissenschaften zu unterteilen oder zu beweisen, dass alle Wissenschaften ihre Wurzeln im Islam hätten. Viele vergeudeten lange Jahre um Mathematik, Chemie und Physik zu islamisieren und dafür viel Geld und Zeit verwendet. "Aber sie haben nichts erreicht."

"Man kann doch nicht sagen, dieses Auto ist islamisch und das andere Auto nicht. Man kann nicht einen Koran ins Handschuhfach legen und behaupten, das Auto sei islamisch." Entscheidend sei, wie man die Wissenschaften verwendet, "sonst nichts."

Rohani kritisierte auch den Umgang der Sicherheitskräfte mit den Universitäten und Studenten. "Unsere Universitäten müssen die Möglichkeit haben, sich mit der Außenwelt auszutauschen. Wenn ein Student an einem Seminar im Ausland teilnehmen möchte, so darf er nicht vor und nach der Teilnahme Verhören unterzogen werden. Es ist ein großer Fehler, Lehrkräfte und Studenten zu verdächtigen."


AUSSTELLUNG MIT IRAN-KARIKATUREN IN BRÜSSEL

Am 21. Februar wurde in Brüssel eine Ausstellung mit Karikaturen über die Islamische Republik eröffnet. Wie der Evangelische Pressedienst (epd) berichtete, wollten die Initiatoren die Karikaturen ursprünglich in den Räumen des Europaparlaments ausstellen. Dies stieß auf Ablehnung der Verantwortlichen und erzeugte bei den Organisatoren Unmut. Vier EU-Abgeordnete, die unterschiedlichen Parteien angehörten, hatten die Ausstellung im Europaparlament beantragt. Die britische Abgeordnete Catherine Bearder, die für Ausstellungen verantwortlich ist, lehnte den Antrag jedoch ab. Als Begründung gab sie an, er verstoße gegen interne Regeln.

Laut epd kritisierte der dänische Abgeordnete und Mitinitiator Anders Vistisen die Entscheidung. Kritik und Satire gehörten zur Demokratie, sagte er. Der israelische Knesset-Abgeordnete Yair Lapid sagte, die Ablehnung bedeute eine "Karikatur der Toleranz". Die Unterschiede zwischen Mördern und Opfern gingen verloren.

"Dies ist kein Ruhmesblatt für ein westliches Parlament, insbesondere für eines, das erklärtermaßen Menschenrechte, Meinungsfreiheit und den Kampf für Demokratie zu seinen Hauptprioritäten zählt", erklärte Daniel Schwammenthal vom Amerikanisch-Jüdischen Komitee und Mitorganisator. Die Ausstellung wurde an einem kommerziellen Ort realisiert.

Durch die Weigerung des EU-Parlaments könne die Ausstellung des Israeli Cartoon Projekt, das das islamische Regime und die Verletzung von Menschenrechten karikaturistisch zur Schau stellt, nur für einen kleinen Kreis in Brüssel zugänglich gemacht werden, sagte Schwammenthal verärgert. Die Bilder sollen unter anderem in Israel und in den USA ausgestellt werden.

Die Ausstellung umfasst rund 20 Bilder, die sich mit der Lage der Menschenrechte in Iran auseinandersetzen. Zu sehen sind zum Beispiel Wahlurnen, die sich zu Gefängniszellen verwandelt haben, am Galgen baumelnde Homosexuelle in Regenbogenfarben als "Iranische Gay Parade" oder Präsident Hassan Rohani und der syrischen Machthaber Baschar al-Assad vor einem Stapel aus Totenköpfen mit dem Satz "Wir haben Millionen Syrer hinter uns", berichtet der epd.

Gegenstand der Kritik sei ausschließlich die Führung der Islamischen Republik, sagte der Karikaturist Uri Fink. Sie richte sich nicht gegen normale Bürger in Iran. Das Gegenteil sei der Fall. "Ich denke, sie werden es schätzen, dass jemand sich mit ihrer Not identifiziert.", sagte Fink dem epd.


IRANISCHE FILME BEIM FESTIVAL IN GÖTEBORG

Schon seit Jahren widmet das Filmfestival in Göteborg iranischen Filmen besondere Aufmerksamkeit. Diese Filme werden sowohl in Iran als auch im Ausland produziert. Grund hierfür ist vermutlich, dass es in dieser zweitgrößten Stadt Schwedens eine große iranische Gemeinde gibt. Zudem haben die Schweden im Laufe der Zeit eine besondere Vorliebe für die iranische Kultur, also auch für den iranischen Film, entwickelt.

Auch in diesem Jahr waren einige iranische Filme im Wettbewerb vertreten. Milad Alami, iranisch-schwedischer Filmproduzent, bewarb sich mit seinem Film Afsungar (Zauberer) um den mit einer Million Kronen dotierten Preis. Der Film handelt von einem iranischen Flüchtling in Dänemark, der scheinbar ein vergnügtes Leben mit dänischen Frauen verbringt. Doch es stellt sich bald heraus, dass er in Wirklichkeit auf der Suche nach einer Frau ist, die das Problem seines Aufenthaltsstatus lösen kann. Stellenweise ist der Film interessant und packend. Doch am Ende wirkt er klischeehaft.

Sadaf Forughi bewarb sich mit ihrem Film "Awa" (Stimme, Ruf) um den Ingmar-Bergmann-Preis. Einen Preis, der für den ersten oder zweiten Film eines Filmemachers vergeben wird. Solange Ingmarm Bergmann lebte, wurde der Preis von ihm überreicht. Seit seinem Tod trifft eine dreiköpfige Juri die Auswahl. Foroughi lebt in Kanada. Ihr Film war bereits in Toronto gezeigt worden. Er handelt von dem Leben einer jungen Frau im heutigen Iran und den sexuellen Einschränkungen, die sie hinnehmen muss.

Auch der Film "Esrafil" von Aida Panahandeh beschäftigt sich mit dem Leben einer Frau in einer traditionell orientierten Gesellschaft. Sie ist stark isoliert und den gesellschaftlichen Zwängen ausgeliefert. Die Regisseurin wagt es offenbar nicht, eine Frau darzustellen, die rebelliert und Widerstand leistet.

Der Film, "Die erfolgreiche Diplomatie des Herrn Naderi", von Behtasch Sanai und Marjam Moghaddam gehörte zu den besten iranischen Filmen, die auf dem Festival präsentiert wurden. Es geht um eine merkwürdige Person, die einen Teppich mit den Konterfeis amerikanischer Präsidenten an das Weiße Haus schickt, um die Beziehungen zwischen Iran und den USA zu normalisieren.

Auch der international bekannte Filmregisseur Abbas Kiarostami nahm mit seinem jüngsten Film, "24 Frim", an dem Festival teil. Der Film war bereits bei dem Festival in Cannes gezeigt worden. Er besteht aus 24 Teilen, es sind jeweils starre Szenen, die allmählich zu leben beginnen. Es sind Videoarts, die eher in 24 Räume eines Museums passen würden als zu einem Filmfestival.

Gezeigt wurden weitere fünf Filme von Iranern und Iranerinnen, die im Ausland leben. "Härter als Kugel" von Mariam Ebrahimi erzählt von einem Kriegs-Fotografen, dessen Fotos vom iranisch-irakischen Krieg vom iranischen Regime propagandistisch benutzt wurden. Er bereut daher seine Arbeit. "Auf der Suche nach Umm Kalthum" ist ein Film der Regisseurin Schirin Neshat, der versucht das Leben der legendären ägyptischen Sängerin darzustellen. In dem Film "Teheran Tabu" versucht Ali Susandeh die Probleme der iranischen Gesellschaft zu veranschaulichen, neigt aber stellenweise zu parolenhafter Politisierung. Dasselbe gilt für den Film "Vor dem Ende des Sommers" von Marjam Gurmottaghigh, der drei Männer auf ihrer Reise durch Frankreich begleitet. Der Film von Aliresa Chatami, "Ayehhaye Nesian", handelt von dem Massenmord in Chile.

Iranische Filme gingen in diesem Jahre bei der Preisvergabe leer aus.


BAND SCHILLER PLANT WEITERE AUFTRITTE IN IRAN

Die deutsche Band Schiller hatte bereits im Dezember fünf ausverkaufte Auftritte in Teheran. Sie war die erste Musikgruppe, die nach 39 Jahren in Iran ein Pop-Konzert veranstalten durfte. Sie gehört zu den beliebtesten Bands in Iran. Die Begeisterung bei ihren Auftritten war so groß, dass nun drei weitere Konzerte organisiert wurden. Die Band wird vom 4. bis 6. März in der Musikhalle des Teheraner Innenministeriums spielen.

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WIRTSCHAFT

• Atomabkommen
• Das Raketenprogramm
• Rohani: saubere Luft braucht Geld
• Frankreich gewährt Iran Kredite in Euro
• 30 Werktätige beim Streik festgenommen
• Deutschland soll weniger Geschäfte mit Iran machen


ATOMABKOMMEN

Das Schicksal des 2015 zwischen den UN-Vetomächten plus Deutschland und Iran vereinbarten Atomabkommens bleibt weiterhin ungewiss. Sowohl aus den USA als auch aus Iran verlauten unterschiedliche, gelegentlich auch widersprüchliche Stellungnahmen. Irans Präsident Hassan Rohani erklärte am 6. Februar in Teheran, Iran werde dem Abkommen treu bleiben, selbst dann, wenn es die USA aufkündigen würden. "Solange wir von dem Abkommen profitieren, bleiben wir verpflichtet, egal was Trump tun wird." Dass die USA auch nach einem Jahr nicht aus dem Abkommen ausgestiegen seien, obwohl Trump immer wieder mit dem Ausstieg gedroht habe, sei ein Sieg der Diplomatie.

Irans Vizeaußenminister Abbas Araghtschi erklärte am 8. Februar in Paris, Teheran sei nur dann bereit, über andere Themen zu verhandeln, wenn das Atomabkommen Erfolg haben werde. "Sie (die westlichen Staaten) wollen nun über andere Themen mit uns verhandeln. Unsere Antwort ist klar: sorgt erst dafür, dass das Abkommen als eine erfolgreiche Erfahrung registriert wird, dann werden wir mit euch über andere Themen verhandeln." Eine Verknüpfung des Abkommens mit anderen Themen, wie das iranische Raketenprogramm oder neue Verhandlungen über das Atomabkommen, lehnt Iran entschieden ab.

US-Präsident Donald Trump, der bekanntlich das Abkommen mit Iran als die "schlechteste Vereinbarung aller Zeiten" bezeichnete, hatte im Januar gedroht, im Mai aus dem Abkommen auszusteigen, sollte Iran zu Nachverhandlungen und neue Zugeständnisse nicht bereit sein. Am 19. Februar berichtete die Agentur Reuters über eine interne Anweisung des US-Außenministers Rex Tillerson an die US-Botschafter in London, Paris, Berlin und Brüssel. In dieser heißt es, die USA würden sich damit begnügen, wenn sich die Europäer auf eine Nachverhandlung festlegen würden. Die Europäer haben sich aber zumindest bis jetzt gegen Nachverhandlungen ausgesprochen.

Am 22. Februar bestätigte die Internationale Atombehörde (IAEA) in ihrem Quartalsbericht zum zehnten Mal, dass Iran seine Verpflichtungen aus dem Atomabkommen erfüllt habe. Zudem habe Iran den Bau von atombetriebenen Tankern angekündigt.

Teheran drohte indes aus dem Abkommen auszusteigen, falls es weiterhin keinen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Abkommen ziehen werde. Es gebe "Missverständnisse und falsche Vorstellungen" über das Abkommen, sagte Araghtschi am 22. Februar in London. Er betonte, Iran werde niemals Atomwaffen produzieren. "Das ist eine Verpflichtung für die Ewigkeit." Sollte aber das Abkommen zerstört werden, werde sich das iranische Atomprogramm zu einer internationalen Krise verwandeln. "Iran steht zu seinen Verpflichtungen, profitiert jedoch nicht vollständig von dem Abkommen. Denn die USA erfüllen ihre Pflichten nicht, sie verletzen sogar die Vereinbarung. Dem Wortlaut des Abkommens nach müssen alle Seiten mit Wohlwollen und in einer konstruktiven Atmosphäre die Vereinbarung umsetzen, ja sogar in ihren Stellungnahmen diese positiv bewerten und alles unterlassen, was ein Erfolg des Abkommens verhindern könnte. Ist die Atmosphäre, die (Präsident) Trump geschaffen hat, konstruktiv?" Trump habe das Abkommen oft in Frage gestellt und gegen das Abkommen gehandelt. Die USA hätten durch ihre Stellungnahmen bei Banken und Unternehmen ein Misstrauen erzeugt und damit es verhindert, dass Iran wirtschaftlich von dem Abkommen profitiert. Es habe keinen Sinn, an einem Abkommen festzuhalten, das keinen Nutzen bringe, sagte Araghtschi.

Araghtschi wiederholte die Position Irans und betonte, dass man das Atomabkommen nicht mit anderen Konfliktpunkten, wie dem iranischen Raketenprogramm oder Irans Rolle in der Region in Zusammenhang bringen könne. Und er fügte hinzu: Iran schlage für die Sicherheit der Region ein Rahmenprogramm vor, in dem die Staaten sich dazu verpflichten die nationale Souveränität anderer Staaten zu akzeptieren, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten, die Konflikte friedlich zu lösen und die Unabhängigkeit anderer Staaten zu achten.

Das Auswärtige Amt in Berlin, gab am 28. Februar bekannt, dass im März weitere Gespräche zwischen den USA und der EU über das iranische Atomprogramm stattfinden werden. Wie die Agentur Reuters aus Diplomatenkreisen berichtete, soll das Treffen am 15. März in Berlin stattfinden.


DAS RAKETENPROGRAMM

Sowohl die USA als zunehmend auch die Staaten der EU drängen Iran zu Verhandlungen über sein Raketenprogramm. Iran zeigt sich offen dafür und ist bereit, mit der EU über sein Raketenprogramm und seine Aktivitäten im Nahen Osten Gespräche zu führen, lehnt es aber ab, diese mit dem Atomabkommen zu verknüpfen. "Die Atomverhandlungen waren über ein bestimmtes Thema ..., der Deal wurde verifiziert und als Teil der UN-Resolution 2231 auch registriert", sagte Außenminister Dschawad Sarif am 5. Februar im iranischen Fernsehen. "Wir haben keine Angst, über diese Themen (Raketenprogramm und die Rolle Irans in der Region) zu reden und hätten der Gegenseite (EU) auch viel zu erzählen." Iran sei in Syrien präsent, weil es von der syrischen Regierung darum gebeten worden sei. Das sei keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes. Irans Aktivitäten gelten dem Kampf gegen Terrorismus, sie dienten somit der Sicherheit und dem Frieden in der Region. Bei dieser Zielsetzung werde Iran sich von niemandem, auch nicht von der Anti-Iran-Politik Saudi-Arabiens, einschüchtern lassen, sagte Sarif.

Demgegenüber sagte Irans Präsident Hassan Rohani: "Wir werden mit niemanden über unsere Waffen verhandeln." Das Raketenprogramm diene ausschließlich der Verteidigung des Landes. Zudem seien die Raketen nicht als Träger von Atomwaffen gedacht, denn Iran besitze keine Massenvernichtungswaffen.

Frankreichs Präsident Emanuel Macron forderte am 13. Februar Verhandlungen mit Iran über sein Raketenprogramm, ähnlich wie die über das Atomprogramm Irans. Diese sollen dazu führen, dass das iranische Raketenprogramm unter internationale Aufsicht gestellt werde. An den Verhandlungen sollten auch andere Staaten der Region teilnehmen, sagte Macron. Falls nötig sollten zur Beseitigung der Unsicherheit in der Region Sanktionen verhängt werden.

Iran lehnte die Forderung entschieden ab. Bahram Ghassemi, Sprecher des Teheraner Außenministeriums, erklärte am 15. Februar auf einer Pressekonferenz in Teheran, Iran werde niemals erlauben, dass sein Verteidigungspotential reduziert werde. Er kritisierte die "Doppelmoral" jener Staaten, die sich über das Militärpotential Irans Sorgen machen, aber anderen Staaten massenhaft Waffen verkaufen.

Iran sei früher in einem Krieg mit Irak verwickelt gewesen, einem Land, das von anderen Staaten bewaffnet wurde, insbesondere von Staaten, "die unsere französischen Freunde sehr wohl kennen dürften", sagte Ghassemi. Die eigentliche Gefahr in der Region liege in der massenhaften Lieferung von modernen Waffen durch die USA und die EU. Ghassemi verteidigte die Aktivitäten Irans in der Region, über die sich Macron mit einem "Vorurteil und unrealistischen Blick" geäußert habe.


ROHANI: SAUBERE LUFT BRAUCHT GELD

Die Luftverschmutzung in Teheran hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Schulen blieben tagelang geschlossen. Auf einer Pressekonferenz am 6. Februar erklärte Präsident Hassan Rohani, um die Umweltprobleme bewältigen zu können, brauche man Geld. Indirekt sagte er, die Lösung liege in der Erhöhung der Energiepreise.

"Die Schließung der Schulen und Behörden ist der einfachste und vielleicht schlechteste Weg, um der verschmutzten Umwelt zu entgehen. Aber wir müssen einen vernünftigen Weg finden, und das kostet Geld. Alle Fahrzeuge und andere energieverbrauchende Maschinen und Geräte müssen umweltfreundlicher gemacht werden. Erneuerungen kosten Geld und wir müssen in der Lage sein, sie zu finanzieren."

"Saudi-Arabien, das weit mehr als wir Erdöl verkauft, hat seinen Benzinpreis verdoppelt", sagte Rohani weiter. "Wir haben das Parlament aufgefordert, sich über solche Ideen Gedanken zu machen. Es ist noch nicht zu spät, wir können einen Ausweg finden."

Das Parlament debattiert derzeit über den Haushalt für das nächste Jahr (persisches Jahr beginnt am 21. März). Der Vorschlag der Regierung, den Benzinpreis zu erhöhen, wurde abgelehnt. Rohani hat das Parlament gebeten, diese Entscheidung noch einmal zur Debatte zu stellen.

"Täglich werden 5,5 Millionen Barrel Öl in Form von Benzin, Diesel und Gas verbraucht", sagte Rohani. "Das meiste fließt in die Autos, die die Straßen zu Parkplätzen verwandeln und in der Ferienzeit die Fernstraßen verstopfen."

Einem Bericht der AFP vom 5. Februar zufolge lag an diesem Tag die Feinstaubbelastung in der Hauptstadt Teheran trotz Verkehrsbeschränkungen bei 173 Mikrogramm pro Kubikmeter. Das ist sieben Mal mehr als der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angegebene Grenzwert. Im Osten der Stadt wurde sogar der Spitzenwert von 231 Mikrogramm pro Kubikmeter erreicht. Die Regierung hatte die Schließung der Schulen und der umweltbelastenden Industriebetriebe angeordnet.

AFP zufolge liegt die Zahl der Menschen, die jährlich an den Folgen der Umweltverschmutzung sterben, bei 20.000.


FRANKREICH GEWÄHRT IRAN KREDITE IN EURO

Um bei Geschäften mit Iran die Probleme bei der Nutzung des US-Banksystems zu umgehen, gewährt Frankreich Iran Kredite in Euro. Nicolas Dufourcq, Generaldirektor der Staatsbank Bpfrance, erklärte am 1. Februar, zur Unterstützung französischer Exporteure könne die Bank 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Die Staaten der EU hofften nach dem Atomabkommen von 2015 zwischen Iran und den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland auf eine Belebung des Handels mit Iran. Doch mit der Regierungsübernahme von Präsident Donald Trump in den Vereinigten Staaten wurde dieses Vorhaben erschwert. Trump wendet alle denkbaren Mittel an, um die Islamische Republik zu isolieren. So verhalten sich Großbanken, auch in Europa, bei Geschäften mit Iran zurückhaltend, weil sie Sanktionen seitens der USA befürchten.

Dufourcq sagte, die Bank habe 2017 einige Pläne durchgeführt, um den Handel mit Iran vorantreiben zu können. Möglicherweise werde sie in vier bis fünf Monaten mit der Vergabe von Krediten beginnen. Bei den Plänen sei es darum gegangen, dass der Dollar bei den Geschäften keine Rolle spiele und keine Person mit amerikanischem Pass daran beteiligt sei.

Eine Reihe von französischen Banken wurden in der Vergangenheit wegen Geschäften mit Iran von den USA bestraft. Die Bank BNP Paribas wurde 2014 mit neun Milliarden Dollar bestraft. Diese Strafe war so schockierend, dass andere Banken sich davor hüteten, mit Iran Geschäfte zu machen.

Einem Bericht der Agentur Reuters zufolge, sind auch Deutschland, Italien, Österreich und Belgien dabei, ähnlich Auswege wie jene Frankreichs zu planen. Ziel sei es mit Iran Geschäfte machen zu können, ohne die von den Vereinigten Staaten gezogenen roten Linien zu überschreiten. Anfang dieses Jahres hat eine italienische Bank einen Vertrag im Wert von fünf Milliarden Euro mit Iran geschlossen. Die Bank hat keinerlei Verbindung zu den USA.


30 WERKTÄTIGE BEIM STREIK FESTGENOMMEN

30 Werktätige der Zuckerfabrik Hafttappeh in der südlich des Landes gelegene Provinz Chusestan wurden bei einem Streik festgenommen. Nach einigen Stunden wurden sie jedoch, nachdem sie ein schriftliches Reuebekenntnis abgelegt hatten, wieder freigelassen, berichtete die Agentur Ilna am 2. Februar.

Seit Jahren schon wird in der Fabrik unter anderem wegen Lohnausfall protestiert. Die Arbeiter erhalten oftmals monatelang keinen Lohn. Dschafar Azimsadeh, Vorsitzender des Verbands der Arbeiter, sagte in einem Videointerview, das in den sozialen Netzwerken verbreitet wurde: "Die Arbeitgeber weigern sich, den Werktätigen dieser Fabrik Lohn zu zahlen. Die Arbeiter hätten seit mindestens vier Monaten keinen Lohn bekommen. Die Not mancher Arbeiter ist so groß, dass sie gezwungen sind, ihr Brot auf Pump zu kaufen. Viele Bäckereien weigern sich aber allmählich, weil sie nicht sicher sind, dass sie ihr Geld je bekommen werden." Azimsadeh forderte die Bevölkerung in den Städten Schusch und Desful auf, gegen die Festnahme der streikenden Arbeiter zu protestieren.

Nach den Festnahmen hat der konservative Abgeordnete aus der Provinz Chusestan laut Ilna erklärt, die Festnahme von Arbeitern, die wegen ihrer Not protestiert hätten, "haben keinen Platz in der Islamischen Republik." "Selbstverständlich lehnt jeder vernünftige Mensch die Festnahme von Arbeitern, die in Not sind, ab. Aber wenn jemand in seiner Arbeitsstätte Unruhe stiftet oder unter dem Vorwand von berechtigten Forderungen Aufruhr erzeugt, muss er bestraft werden."

Am 28. Februar meldete die Agentur Ilna, dass ein Arbeiter der Zuckerfabrik Selbstmord begangen habe. Der 50-jährige Ali Naghdi war seit 27 Jahren in der Fabrik beschäftigt. Laut Aussage eines seiner Kollegen hatte er sich am Morgen wegen seines Gehalts und seiner Krankenversicherung vergeblich an die Verwaltung der Fabrik gewandt. "Ich habe genug, werde mir das Leben nehmen. Vielleicht werden dann die Verantwortlichen die Not meiner Kollegen begreifen", hatte er gesagt. Ein anderer Kollege sagte: "Wir haben nicht geglaubt, dass er es mit dem Selbstmord ernst meinte. Doch auf einmal haben wir gesehen, wie seine Leiche im Kanal schwamm."

In den letzten Monaten haben die Streiks der Arbeiter in verschiedenen Teilen des Landes stark zugenommen. Nach Meinung des Revolutionsführers Ali Chamenei steckt die "Konterrevolution" hinter den Streik. "Ich habe, gerichtet an unsere lieben Werktätigen, mehrmals gesagt, dass die Konterrevolution ihre Aufmerksamkeit in erster Linie auf die Arbeiter richtet, um sie zu Aktivitäten gegen die Islamische Republik ermuntern zu können. Diese Versuche bestehen seit Beginn der Revolution."


DEUTSCHLAND SOLL WENIGER GESCHÄFTE MIT IRAN MACHEN

Die USA haben Deutschland dazu aufgefordert, weniger Geschäfte mit Iran zu machen. "Wer in Iran investiert, investiert in die Revolutionsgarden", zitierte die Agentur Reuters den Nationalen Sicherheitsberater H.R. McMaster, der auf der Münchener Sicherheitskonferenz eine Rede hielt. "Der Geschäftspartner schreibt den Revolutionsgarden praktisch einen Scheck aus und sagt: Bitte verwende das Geld, um noch mehr Morde im ganzen Nahen Osten zu begehen."

Deutschland sei einer der wichtigsten Handelspartner Irans, eines Landes, das in der gesamten Region Gewalt schüre und Unsicherheit verbreite, unterstützt von Revolutionsgarden und den mit ihnen verbundenen Unternehmen. "Dazu zählt auch die Fluggesellschaft Mahan Air, die direkt hier in München landet", sagte McMaster. "Es ist eine Frage der internationalen Sicherheit und unseres moralischen Gewissens, dass wir aufhören, mit Firmen mit Verbindung zu den Revolutionsgarden Geschäfte zu treiben."

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AUSSENPOLITIK

• Iran - USA
• Möglicher Gefangenenaustausch zwischen Iran und USA
• Eskalation des Konflikts zwischen Iran und Israel
• Iran - Syrien
• Russland stellt Beweismaterial für Irans Engagement in Jemen in Frage
• Bagheri: USA unterstützen IS in Afghanistan
• ARD-Iran-Korrespondentin weist Kritik zurück


IRAN - USA

Das Bemühen der USA, gemeinsam mit Israel und den arabischen Staaten, eine Front gegen Iran zu bilden setzt sich fort. Die US-Regierung lud 15 Botschafter der Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrats für den 29. Januar ein, um sie davon zu überzeugen, dass Iran die Huthis in Jemen mit Waffen, unter anderem mit Raketen, unterstützt. Bereits zuvor hatte die US-Botschafterin bei der UNO, Nikki Haley, auf einer Pressekonferenz in New York Teile einer Rakete gezeigt. Diese stammt ihren Angaben nach aus Iran und wurde von Huthi-Rebellen auf die saudische Hauptstadt Riad abgeschossen.

Zugleich wurde der UNO ein von Experten verfasster Bericht vorgelegt, der zu dem Schluss kommt, dass Iran die UN-Resolution zum Verbot der Waffenlieferung an die Rebellen in Jemen missachtet habe. Das Land habe keine Aktivitäten unternommen, um die Lieferung von ballistischen Kurzstreckenraketen und andere Waffen an die Huthis in Jemen zu unterbinden.

Um eine Resolution gegen Iran im UN-Sicherheitsrat zu verabschieden, ist die Zustimmung von neun der 15 Mitgliedstaaten nötig. Zudem wird die Resolution abgelehnt, wenn eines der ständigen Mitglieder dagegen votiert. In der Resolution 2231, die nach dem Atomabkommen zwischen Iran und den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats plus Deutschland verabschiedet wurde, wird Iran dazu aufgefordert, den Bau von ballistischen Raketen, die mit Atomwaffen bestückt werden können, zu unterlassen. Iran und einige andere Staaten vertreten die Ansicht, dass die Aufforderung nicht bindend sei. Zudem seien die Raketen nicht für Transport von Atomwaffen gebaut worden, behauptet Teheran.

Bei dem Treffen mit den Botschaftern am 29. Januar im Weißen Haus warf Präsident Donald Trump Iran vor, die Region zu destabilisieren. Zuvor hatte Nikki Haley die Botschafter zu einer US-Militärbasis geführt, um ihnen Teile der Rakete zu zeigen, die die Huthis auf Riad abgeschossen hatten. Es gebe Beweise genug dafür, dass Iran seine internationalen Pflichten verletze, sagte sie. Die Aggressivität Irans bedrohe nicht nur die Nachbarstaaten, sondern die ganze Welt.

Mike Pompeo, Direktor des US-Geheimdienstes CIA, sagte am 30. Januar in einem Interview mit der BBC, einige Aktivitäten Irans in der Region seien als Kriegserklärung gegen andere Staaten aufzufassen. Die USA würden Drohungen gegen ihre Interessen in der Region nicht dulden. Er zeigte sich "besorgt" über die Rolle, die Iran im Nahe Osten spielt. Auf die Frage, ob die USA über geeignete Instrumente verfügen, um diesen Aktivitäten entgegen zu wirken, sagte er ja. Er sagte jedoch nicht, um welche Instrumente und Maßnahmen es sich handelt.

Pompeo sagte zu einem Brief, den er an General Ghassem Soleimani (Oberbefehlshaber der Al-Kuds-Brigade, einer Abteilung der Revolutionsgarden, die für Auslandseinsätze zuständig ist) geschrieben hatte: "Ich wollte ihm klar mitteilen, dass die USA, der Westen, Großbritannien und andere in der Region Interessen haben und dass jeder Angriff gegen diese Interessen zu einer Gegenreaktion führen wird. Wir werden es nicht dulden, dass Iraner unsere Interessen beeinträchtigen", sagte Pompeo und fuhr fort: "Wir waren Zeuge, dass die Iraner über ihre Verbündeten in Jemen Saudi-Arabien mit Raketen angreifen. Auch in anderen Ländern des Nahen Osten entwickeln sie ähnliche Aktivitäten. Das können wir nicht dulden. Diese Aktivitäten gleichen einer Kriegserklärung gegen andere Länder. Wir hoffen, die Staatengemeinschaft wird begreifen, dass Iran für die Stabilität der Region eine ernste Gefahr bildet."

Über einen möglichen Krieg zwischen Saudi-Arabien und Iran, sagte Pompeo: "Wir sind besorgt und hoffen, dass so etwas nicht passiert. Die Iraner müssten begreifen, dass dies (Krieg gegen Saudi-Arabien) ihnen schaden würde. Wir haben die Protestdemonstrationen in Iran erlebt. Die Menschen in Iran wissen sehr wohl, dass die abenteuerlichen Aktivitäten in der Region Abermillionen kosten und ihre Leben in Gefahr bringen. Die iranische Geschichte zeigt, dass die Iraner sehr wohl wissen, wie sie in der Welt erfolgreich sein könnten. Ich hoffe, dass sie Widerstand leisten und begreifen, dass Iran mit den zerstörerischen Aktivitäten durch seine Stellvertreter in Europa und anderen Teilen der Welt sich selbst schadet."

Irans Präsident Hassan Rohani kritisierte am 4. Februar den US-Plan zur Herstellung neuer, flexibler Atomwaffen mit geringer Sprengkraft. "Wie kann man über Weltfrieden reden und darauf hoffen, gleichzeitig aber auch über neue Atomwaffen reden und damit dann auch noch dem Hauptrivalen (Russland) drohen", sagte er. Der US-Präsident habe vor seinem Amtsantritt von einer friedlichen Welt ohne Vernichtungswaffen geredet. Jetzt höre man nur Drohungen. Iran selbst werde niemals Atom- oder andere Massenvernichtungswaffen herstellen, aber alle Möglichkeiten ausschöpfen, um das eigene Land zu verteidigen.

Indes erklärte die britische Premierministerin Theresa May, Großbritannien und Deutschland hielten nach wie vor an dem Atomabkommen fest, aber zugleich teilten sie die Sorgen der Vereinigten Staaten über die Aktivitäten Irans in der Region. Ihre Regierung sei bereit, Maßnahmen gegen die Politik Irans zu ergreifen. Sie habe am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gehabt, sagte May weiter. Sie und Merkel hätten betont, dass sie sich weiterhin dem Atomabkommen verpflichtet fühlten und sich für dessen Erhalt einsetzen würden.

Am 27. Februar erklärte der Oberkommandierende der US-Streitkräfte im Nahen Osten, General Joseph L. Votel, vor dem Verteidigungsausschuss des Repräsentantenhauses, alle Aufmerksamkeit richte sich auf den Terrorismus, dabei sei Iran die größte Gefahr. Das iranische Raketenprogramm stelle eine ernste Bedrohung gegen Verbündete und Interessen der USA dar. Die Vereinigten Staaten müssten die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien, Irak und paramilitärischen Kräften intensivieren, um den Aktivitäten Irans in der Region Einhalt gebieten zu können, sagte der General.


MÖGLICHER GEFANGENENAUSTAUSCH ZWISCHEN IRAN UND USA

Neben den Aktivitäten Irans in der Region geht es bei den Konflikten zwischen Teheran und Washington auch um die Freilassung der US-Bürger, die sich in iranischer Haft befinden. Die Zeitung Wall Street Journal berichtete am 8. Februar, es gebe zwischen Teheran und Washington geheime Verhandlungen über einen möglichen Gefangenenaustausch. Doch Hamid Resa Taraghi, Mitglied des Zentralrats der Partei Motalefeh, der auch ein Berater des Revolutionsführers Ali Chamenei sein soll, erklärte gegenüber der New York Times, die Nachricht sei nicht neu. Seit Juni gebe es unter Vermittlung Omans und auch der EU-Staaten Bemühungen, Gespräche zwischen Teheran und Washington über den Austausch von Gefangenen zu organisieren. Iran habe solche Gespräche stets abgelehnt und erklärt, sie niemals führen zu wollen. Die USA hätten im Bezug auf das Atomabkommen nicht Wort gehalten. "Welchen Nutzen sollen also Gespräche haben", sagte Taraghi.

Unter Barack Obama gab es solche Gespräche, die auch zur Freilassung einiger Amerikaner aus iranischer Haft geführt hatten. Vier amerikanische Staatsbürger waren gegen sieben iranische Gefangene in den USA ausgetauscht worden. Zu den Gefangenen, die sich in iranischer Haft befinden, gehören der 81 Jahre alte Bagher Namasi und sein Sohn Siamak, über deren Schicksal sich die US-Regierung in einer am 7. Februar veröffentlichten Stellungnahme des Weißen Hauses besorgt zeigte. Der alte Namasi war wegen starken Herzbeschwerden kurzfristig freigelassen worden. "Nach unserer Kenntnis ist die Entscheidung, Herrn Namasi wieder ins Gefängnis zu bringen, gegen den Rat seiner Ärzte und gegen die Empfehlung der Mediziner des iranischen Regimes gefällt worden", zitiert die dpa aus der Stellungnahme. "Die US-Regierung macht Iran voll verantwortlich für sein Wohlbefinden."

Siamak Namasi, ein Unternehmer, der sowohl die iranische als auch die amerikanische Staatsangehörigkeit besitzt, war 2016 unter dem Vorwurf, für die US-Geheimdienste spioniert zu haben, zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Wenige Monate später wurde sein Vater, der sich für die Freilassung seines Sohnes einsetzen wollte, ebenfalls in Haft genommen.

Das Weiße Haus forderte die iranische Justiz auf, Vater und Sohn sofort freizulassen.


ESKALATION DES KONFLIKTS ZWISCHEN IRAN UND ISRAEL

Der Abschuss einer Drohne durch das israelische Militär im israelischen Luftraum hat den Konflikt zwischen Teheran und Tel Aviv eskaliert. Die Drohne stammt nach israelischer Darstellung aus dem Iran stammt. Die Regierung in Tel Aviv sprach von einer "ernsten Verletzung der israelischen Souveränität." Die Drohne kam laut den Berichten israelischer Medien vom 10. Februar aus Syrien. Sie war am frühen Morgen nahe der Stadt Bet Shean nach Israel eingedrungen. Die israelische Luftwaffe habe sofort darauf reagiert und iranische Stellungen in Syrien angegriffen. Bei diesem Angriff sei ein israelischer F-16-Kampfjet von der syrischen Luftabwehr abgeschossen worden. Die Maschine sei dann im Norden Israels, in der Nähe einer Luftwaffenbasis, abgestürzt. Die beiden Piloten hätten sich mit Schleudersitz gerettet. Einer von ihnen sei lebensgefährlich verletzt worden. Danach griffen israelische Kampfjets zwölf Ziele in Syrien an. Dabei seien unter anderem "drei Luftabwehrsysteme und vier iranische Ziele" getroffen worden. Die USA unterstützten den israelischen Angriff. Jedes Land habe das Recht, sich selbst zu verteidigen, verlautete es aus dem US-Außenministerium. Die USA seien zutiefst besorgt über "die heutige Eskalation der Gewalt an der israelischen Grenze", sagte Sprecherin Heather Nauert. "Die kalkulierte Eskalation der Bedrohung" seitens Iran und dessen Machtdemonstration stelle eine Gefahr für alle Menschen "von Jemen bis zum Libanon" dar. Sie rief die Weltgemeinschaft dazu auf, den destabilisierenden Aktivitäten Irans Einhalt zu gebieten. Demgegenüber zeigte sich Russland über die Entwicklung besorgt und mahnte alle Seiten zur Zurückhaltung.

Syrische Medien berichteten, dass die Luftwaffe des Landes israelische Luftangriffe im Zentrum des Landes und nahe Damaskus abgewehrt hätten. Mehrere Kampfjets seien dabei getroffen worden. Das Teheraner Außenministerium warf Israel "Lügen" vor, Lügen die die Verbrechen des Landes in der Region tarnen sollen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betrachtet Irans Präsenz in Syrien als eine ernsthafte Gefahr. Bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 29. Januar hatte er erklärt, sein Land werde die iranischen Aktivitäten in Syrien, und auch die in Libanon, nicht dulden. In Syrien wolle sich Iran militärisch niederlassen und im Libanon Waffen gegen Israel produzieren. "Ich habe ihm (Putin) klargemacht, dass wir keiner dieser Entwicklungen zustimmen und dementsprechend handeln werden", sagte Netanjahu nach dem Treffen. Vor seinem Abflug nach Moskau hatte er laut der dpa am 29. Januar gesagt, Iran versuche Libanon "in eine gigantische Raketenstätte zu verwandeln, in eine Stätte für Präzisionsraketen gegen den Staat Israel, was wir nicht tolerieren werden."

Der israelische Botschafter in Russland, Gary Koren, sagte laut Agentur Interfax am 10. Februar in Bezug auf Irans Aktivitäten in der Region: "Wir sind zu extremsten Maßnahmen bereit, wenn dies nötig ist. Iran und seine Verbündeten sind bis an die Zähne bewaffnet." Die Lage sei sehr gefährlich. "Wir haben ein kritisches Interesse zu verhindern, dass Syrien zu einem militärischen Aufmarschgebiet Irans wird. Wie wir sehen, werden genau solche Pläne umgesetzt."

Am 10. Februar forderte Israel den UN-Sicherheitsrat auf, Iran wegen des mutmaßlichen Entsendens einer Drohne in den israelischen Luftraum zu verurteilen. "Alle unsere Warnungen bezüglich Irans Aktivitäten haben sich als korrekt erwiesen", sagte Israels Botschafter Danny Danon. Derartige Angriffe gegen sein Land werde Israel nicht dulden. Die iranischen Provokationen müssten sofort beendet werden.

Einen Tag nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen sagte Netanjahu zu Beginn einer Kabinettssitzung: "Wir haben gestern auf syrischem Gebiet den Iranern und Syrern harte Schläge versetzt." An den israelischen Kriegsregeln habe sich nichts geändert. Israel werde jeden Angriff vergelten. "Das war bisher unsere Politik, und das wird auch unsere Politik bleiben."

Ali Schamchani, Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats Irans, erklärte am Rande der Kundgebung zum 39. Jahrestag der iranischen Revolution in Teheran, der Abschuss des israelischen Kampfjets habe "das Ungleichgewicht der Kräfte" in der Region verändert. Er stellte zugleich klar, dass "kein Fehler der Israelis ohne gebührende Antwort" bleiben werde. Zugleich bestritt er Irans Beteiligung an dem Abschuss des israelischen Kampfjets. "Es war die syrische Luftwaffe, die den Kampfflieger, der in die syrische Lufthoheit eingedrungen war, abgeschossen hat", sagte Schamchani.

Auch die Bundesregierung übte scharfe Kritik an Iran. Sie kritisierte sein militärisches Engagement in Syrien und Libanon. Dieses führe zu einer Eskalation des syrischen Kriegs, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am 12. Februar in Berlin. Er forderte Iran auch dazu auf, seine aggressive Haltung gegenüber Israel einzustellen. Die Bundesregierung gestehe Israel das Recht zu, sich selbst zu verteidigen. Die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes war weniger eindeutig. Das Ministerium habe keine eigenen Erkenntnisse über den Vorfall und könne daher kein Urteil abgeben, sagte ein Sprecher. Allerdings geschehe es nicht zum ersten Mal, dass eine iranische Drohne in den israelischen Luftraum eindringe. Demzufolge sei das israelische Vorgehen höchst plausibel. Iran wies den Vorwurf zurück. "Das Problem in der Region ist nicht Iran, sondern das zionistische Regime mit seinen Aggressionen", sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi am 15. Februar. Es wäre besser, so Ghassemi, wenn sich Deutschland und die internationale Gesellschaft mit der aggressiven Politik Israels befassen würden, als der "Lügenpropaganda" zu glauben.

Auf der Münchener Sicherheitskonferenz kam es am 18. Februar zu einem Schlagabtausch zwischen Israel und Iran. Netanjahu warnte Iran vor einer Eskalation im Nahen Osten. "Testen Sie uns nicht", sagte er. Er hielt einen Metallteil in der Hand, das seinen Angaben zufolge zu der Drohne gehörte, die in den israelischen Luftraum eingedrungen war und wandte sich direkt an Irans Außenminister Sarif, der im Publikum saß. "Herr Sarif, erkennen Sie das? Sie sollten - es gehört Ihnen", sagte Netanjahu. "Wir werden nicht zulassen, dass Iran eine neue Terrorbasis aufbaut, die uns bedroht", sagte der Ministerpräsident. Israel werde, wenn nötig, nicht nur die Stellvertreter Irans bekämpfen, sondern "auch Iran selbst angreifen." Iran sei trotz der ihm durch das Atomabkommen auferlegten Beschränkungen weiterhin "eine große Gefahr. Es baue ballistische Raketen. Sobald Iran Atomwaffen zur Verfügung habe, werde man seine Aggression nicht mehr kontrollieren können." Der "Countdown" habe schon begonnen. Allerdings habe die iranische Gefahr auch eine positive Seite, nämlich die Annäherung zwischen Israel und den arabischen Staaten. Das vergrößere die Chance eines Friedens mit Palästina, sagte Netanjahu.

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif, der sich auch auf der Münchener Sicherheitskonferenz zu Wort meldete, warf Israel Kriegstreiberei im Nahen Osten vor. Die wahre Gefahr für den Nahen Osten sei nicht Iran, sondern Israel, das auf "Aggression als Politik seinen Nachbarn gegenüber" setze, sagte Sarif. Die Attacken Netanjahus bezeichnete Sarif als "komödiantischen Zirkus, der keiner Antwort würdig" sei. Israel spiele gern die Rolle des Opfers. Es übe "massenhafte Repressionen gegen seine Nachbarn", greife Syrien und Libanon an. Die Bombardierungen Syriens sei bereits zur Routine geworden. "Und wenn die Syrer mal den Mumm haben, einen seiner Kampfjets abzuschießen, dann wird das gleich als Katastrophe hingestellt." Israel versuche, seine politischen Stümpereien auf andere zu übertragen oder von innenpolitischen Problemen abzulenken.

Sarif betonte, dass sein Land keine Vormachtstellung in der Region anstrebe. Auf die Äußerung Netanjahus, Iran werde "nichts tun", falls die USA das Atomabkommen kündigen würden, sagte Sarif, das sei "wahnhaftes Denken." "Ich kann Ihnen versichern, wenn die Interessen Irans nicht gesichert werden, wird Iran antworten. Und ich glaube, es werde eine Antwort, die bedeutet, dass Leuten ihre Taten leidtäten."


IRAN - SYRIEN

Das Militärische Engagement der Türkei in Syrien hat unter anderem einen neuen Konflikt zwischen Teheran und Ankara erzeugt. Am 6. Februar forderte Präsident Hassan Rohani auf einer Pressekonferenz in Teheran die Türkei dazu auf, ihre Angriffe in Syrien "schnellstens" zu beenden. Man könne nicht einfach, ohne Zustimmung der Regierung und des Volkes, in ein Land einmarschieren. Die territoriale Integrität Syriens dürfe nicht verletzt werden. Zudem kämen bei den militärischen Auseinandersetzungen "sowohl unsere türkischen als auch kurdischen Brüder ums Leben." Iran wolle die Zusammenarbeit mit der Türkei und Russland zur Herstellung des Friedens in Syrien fortsetzen, betonte Rohani.

"Wir müssen versuchen, uns so zu verhalten, dass kein Land in der Region sich von seinen Nachbarn bedroht fühlt", sagte Rohani bei einem Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu in Teheran am 7. Februar.

Für die Eskalation der Lage in Syrien, nach den Luftangriffen durch Israel, machten die USA Iran verantwortlich. Außenminister Rex Tillerson forderte laut Reuters am 14. Februar den Abzug iranischer Kräfte aus Syrien. Auch die von Iran unterstützten paramilitärischen Kräfte sollten sich zurückziehen. Iran wies die Forderung umgehend zurück. Die Militärkräfte seien auf Einladung der syrischen Regierung ins Land gekommen, sagte der außenpolitische Berater des Revolutionsführers und früherer Außenminister Ali Welayati.

Der militärische Berater des Revolutionsführers, Yahya Rahim Safawi, sagte am 17. Februar laut der Agentur Isna, Iran müsse die Summen, die es für sein Engagement in Syrien ausgegeben habe, zurückerhalten. Die Regierung Assad sei durchaus in der Lage, seine Schulden an Iran mit seinem Öl, Gas und seinen Phosphat-Vorkommen zu bezahlen. Nähere Angaben zu diesem Ansinnen machte Safawi nicht. Weiter sagte er, zwar haben wir zur Unterstützung des syrischen Volkes viel eingesetzt, aber "am Ende sind wir und Russland die Sieger in diesem Krieg." Die Russen hätten einen Vertrag für die Dauer von 49 Jahren mit Syrien geschlossen und dabei sowohl Militärbasen als auch wirtschaftliche und politische Privilegien erhalten. "Ähnlich könnten wir mit Syrien verfahren", sagte Safawi.

Irans Vizeaußenminister Abbas Araghtschi bezeichnete die Lage in Syrien als "äußerst kompliziert." Teheran habe mit Syrien, der Türkei und Russland Gespräche geführt, um die Krise in Ost-Ghuta zu beenden, sagte er. "Wir alle sind über die Lage besorgt." Teheran glaube nicht an eine militärische Lösung in Syrien. Die Präsenz Irans in Syrien habe nicht das Ziel, eine neue Front gegen Israel zu öffnen. Die Drohne, die über Israel abgeschossen wurde, sei nicht iranischer, sondern syrischer Herkunft gewesen. Ohne Irans Engagement in Syrien und Irak wäre der Islamische Staat (IS) niemals besiegt und vertrieben worden.

Am 28. Februar erklärte Präsident Rohani, Iran sei zu Gesprächen mit den arabischen Nachbarn über die regionale Sicherheit bereit. "Wir brauchen keine Ausländer, um die Sicherheit unserer Region zu gewährleisten", sagte er vor einer Versammlung in der im Süden des Landes gelegene Hafenstadt Bandar Abbas am 28. Februar. "Wir sind bereit, mit unseren Nachbarn und Freunden über die Regelungen zur regionalen Sicherheit zu sprechen. Gleichzeitig warnte er die Staaten vor "böswilligen Geistern", die ihre teueren Waffen gegen billiges Öl austauschen.


RUSSLAND STELLT BEWEISMATERIAL FÜR IRANS ENGAGEMENT IN JEMEN IN FRAGE

Der russische Botschafter bei der UNO, Wassili Nebensja, stellte am 31. Januar auf einer Pressekonferenz in New York die Echtheit des Beweismaterials für Irans militärisches Engagement im Jemen in Frage. Dieses war zuvor von den USA und einer Gruppe von Experten vorgelegt worden. Zugleich sprach er sich dagegen aus, neue Strafmaßnahmen gegen Iran wegen der Missachtung der UN-Resolutionen zu beschließen. Auf die Frage, ob ihn das vorgelegte Material überzeugt habe, sagte er "nein" und fügte hinzu. "Wir haben nur unklare Äußerungen gegen Iran gehört. Bisher gibt es keine konkreten Vorschläge. Solange es keine Vorschläge gibt, können wir keine Entscheidung treffen." Es sei nicht klar, ob die Raketen und Waffen, die die Huthis besitzen aus Iran geliefert worden seien oder die Waffen sich schon vor 2015, bevor die UNO das Waffenembargo gegenüber Jemen beschlossen hatte, im Jemen befunden hätten. "Iran bestreitet, Raketen an den Jemen geliefert zu haben."

Großbritannien bereitete in Absprache mit den USA und Frankreich einen Resolutionsentwurf für den UN-Sicherheitsrat vor. Einem Bericht der Agentur Reuters vom 18. Februar zufolge, sieht dieser wegen Waffenlieferungen an die Huthis Strafmaßnahmen gegen Iran vor. Angesichts der Haltung Russlands sei es allerdings fraglich, ob der Entwurf tatsächlich die Zustimmung des Sicherheitsrats erhalten würde.

Und tatsächlich scheiterte die Resolution am Veto Russlands. Die Vorwürfe gegen Iran seien nicht bewiesen, argumentierte der russische Botschafter Wassili Nebensia bei der Abstimmung am 26. Februar. China und Kasachstan enthielten sich, Bolivien stimmte dagegen.

Zwei Tage später veröffentlichten die USA gemeinsam mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine Erklärung, in der sie Iran wegen Waffenlieferungen an Jemen verurteilten. Iran habe das Waffenembargo gegenüber Jemen missachtet, was ein "ernsthaftes Risiko für Frieden und Stabilität in der Region" bedeute. Die Unterzeichnerstaaten begrüßten den am 15. Februar vorgelegten Abschlussbericht eines Expertengremiums der UNO und forderten Iran dazu auf, "sofort alle Aktivitäten einzustellen", die den 2015 von der UNO beschlossenen Waffenboykott verletzten.


BAGHERI: USA UNTERSTÜTZEN IS IN AFGHANISTAN

Der Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte, General Mohammad Bagheri, sagte bei einer Tagung der Militärexperten in Teheran am 6. Februar, die USA unterstützten den Islamischen Staat (IS) in Afghanistan. Damit wollten sie ihre Präsenz in diesem Land legitim erscheinen lassen. "Nachdem sie (die USA) gesehen haben, dass der IS und andere terroristische Gruppen ihre Basen in Syrien und Irak verloren haben, haben sie die Terroristen auf verschiedenen Wegen nach Afghanistan gebracht. Heute sind wir Zeuge neuer Bombenlegungen und Attentaten in diesem Land."

"Die Amerikaner begründen ihre Anwesenheit in Südwest-Asien mit den bestehenden Konflikten und Unruhen" sagte der General weiter. "Wenn unsere Region ruhig wäre, müssten sie ihre Kräfte abziehen. Dann könnten die Staaten der Region selbst für die Sicherheit sorgen."

Eine Woche zuvor hatte sich Revolutionsführer Ali Chamenei ähnlich geäußert. Die Amerikaner versuchten mit der Destabilisierung Afghanistans und der Umsiedlung des IS in das Land ihre Anwesenheit in unserem Nachbarland zu legitimieren, sagte er.

Die USA haben mehrmals betont, dass ihre Präsenz in Afghanistan für das Land existenziell wichtig sei. Vor einigen Monaten hatte Präsident Donald Trump im Rahmen seiner neuen Strategie für Afghanistan erklärt, er sei gegen den Abzug der USA, weil dadurch eine Lücke entstehen würde, in die terroristische Gruppen hineinschlüpfen würden.

Die iranische Führung hatte bereits nachdem Auftauchen des IS in Irak und Syrien behauptet, die USA würden die Terroristen mit Waffen versorgen. Die USA bestritten die Behauptungen, räumten jedoch die Möglichkeit ein, einige Waffen aus den USA könnten "zufällig" in die Hände der Terroristen gefallen sein.


ARD-IRAN-KORRESPONDENTIN WEIST KRITIK ZURÜCK

Natalie Amiri, die 39-jährige Leiterin des ARD-Studios in Teheran, zeigte sich "irritiert" über die Kritik, die gegen ihren Auftritt mit Kopftuch während eines Berichts aus Iran geäußert wurde. "Die fortgesetzte Kritik daran, dass ich bei einer Liveschaltung aus Teheran ein -g esetzlich vorgeschriebenes - Kopftuch trage, ist für mich nicht mehr verständlich", sagte sie dem "Zeitmagazin". Sie "sei Journalistin und keine Aktivistin."

Sie könne ihre Arbeit als Journalistin nur dann leisten, wenn sie sich an die "Gesetze des jeweiligen Landes" halte, sagte Amiri. "Sich das Kopftuch als Zeichen des Protestes in der Öffentlichkeit herunterzureißen, das muss ich den Iranerinnen überlassen." Die Kritik an ihrem Auftritt bestätige, "in welcher defensiven Position sich der Journalismus im Moment befindet".

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Anja Hoffmann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
17. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 3/2018 - März 2018 / 17. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2018

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