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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/452: Iran-Report Nr. 11 - November 2019


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 11 - November 2019
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Austritt der USA und der Wiedereinführung von Wirtschaftssanktionen droht das Atomabkommen zu scheitern. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch die Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung sind in weite Ferne gerückt. Über den Kurs des Landes, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss. Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Rohani fordert Volksbefragung
• Aghadjari: Die Islamische Republik ist nicht reformierbar
• Ein großer Sieg für iranische Frauen
• Anschlag auf General Soleimani vereitelt
• Wächterrat stimmt der Vergabe von Staatsbürgerschaft auf Antrag der Mütter zu
• Entführung eines Oppositionellen im Exil
• Russische Journalistin freigelassen
• Sagheri: "Mein Land macht mich zum Gegenstand einer Versteigerung"
• Angehörige fordern Freilassung von Doppelstaatler
• Diebstahl bringt einen Abgeordneten und den Staat in eine peinliche Lage
• Demonstration gegen Umweltverschmutzung brutal niedergeschlagen
• Bruder von Rohani tritt seine Gefängnisstrafe an


ROHANI FORDERT VOLKSBEFRAGUNG

Irans Präsident Hassan Rohani hat in einer Rede am 16. Oktober ein Referendum gefordert und die Notwendigkeit der "Kooperation mit anderen Staaten" betont. Anlass war das neue Studienjahr. Mit Blick auf die US-Sanktionen erklärte er: "Wenn die Diskussion, die wir seit Jahren führen, keine Einigkeit bringt, müssen wir das Volk befragen."

Bei der Diskussion, die seit 40 Jahren geführt werde, gehe es um die Frage, "ob wir die Entwicklung unseres Landes durch Kooperation mit anderen Staaten erreichen oder durch Konfrontation," sagte der Präsident weiter. "Für diese wichtige Frage haben wir noch keine klare Antwort gefunden. Einige sagen, wir sollten den Weg der kontinuierlichen Kooperation einschlagen. Nur so könnten wir unsere Probleme lösen. Andere hingen meinen, wir müssten Stärke zeigen, die verderblichen Feinde töten, einen anderen Weg gebe es nicht. Sie halten Gespräche mit ausländischen Staaten für reine Zeitverschwendung."

"Mag sein, dass in Ausnahmefällen eine Konfrontation unvermeidlich wird," fuhr Rohani fort. "Wenn zum Beispiel eine Drohne in unseren Luftraum eindringt und auf unsere Warnungen nicht reagiert wird, bleibt uns nichts anderes übrig, als sie mit Raketen abzuschießen. Aber welchen Weg müssen wir grundsätzlich wählen?"

Es war nicht das erste Mal, dass Rohani eine Volksbefragung forderte. Auch im Zusammenhang mit den Atomverhandlungen hatte er unter Berufung auf Artikel 6 und 59 der Verfassung der Islamischen Republik ein Referendum vorgeschlagen. Doch dieses Mal sagte er nicht genau, worüber das Volk befragt werden sollte. Da er aber am nächsten Tag bei einem Vortrag vor einer Gruppe von Geistlichen von der Notwendigkeit der Konzentration der Macht und raschen und klaren Entscheidungen sprach, gingen viele Kommentatoren davon aus, dass es ihm um die Macht und Befugnisse der Regierung, insbesondere bei der Gestaltung der Außenpolitik, gehe.

Rohani kam außerdem auf die Atomverhandlungen zu sprechen. Er erinnerte daran, dass "viele uns kritisierten und meinten, die Verhandlungen mit der Internationalen Atomagentur sei reine Zeitverschwendung." Denn die Agentur sei nichts anderes als ein Werkzeug der USA. "Doch wir haben die Verhandlungen fortgesetzt und haben ein Abkommen erreicht. Das war für die Gegner schwer zu verkraften."

"In einer Zeit, in der wir unter dem Druck der Sanktionen stehen, können wir uns die Hände reichen und gemeinsam Widerstand leisten," sagte Rohani weiter. "Doch wenn wir uns weiter entwickeln wollen, müssen wir mit der Außenwelt kooperieren."

Einige Studierende forderten während des Vortrags die Freilassung ihrer Kommilitonen, die sich in Haft befinden. Rohani ging nicht darauf ein. Er gestand zu, dass die Regierung sich zu wenig um Wohnung und Ernährung der Studierenden gekümmert hat. "Aber ich versichere Ihnen, dass wir immer um die Lösung der Probleme bemüht sind," sagte er. Überraschend kritisierte er, dass Räume der Universität, die früher für Sport vorgesehen waren, zu Gebetsräumen umgewandelt worden seien. "Ich empfehle den Rektoren und der Universitätsverwaltung, sich genauso um Sport, Gesundheit und Nahrung der Studenten zu kümmern wie darum ihnen Wissen zu vermitteln und politisch zu belehren," sagte Rohani.

Mit Blick auf die Parlamentswahlen im nächsten Jahr, betonte Rohani die wichtige Rolle der Universitäten bei der politischen Entwicklung des Landes. "Sowohl die Lehrkräfte als auch die Studenten haben immer dafür gesorgt, dass die politische Atmosphäre lebendig bleibt," sagte Rohani. Schon bei der Revolution hätten die Universitäten und theologischen Hochschulen eine wichtige Rolle gespielt. "Wir müssen uns jetzt auf die Wahlen vorbereiten." Zwar gebe es Probleme bei den Wahlen, aber "ich sage es aus Erfahrung: Wahlen bilden den einzigen Weg, der uns zum Ziel führen kann." Um welche Probleme es sich handle, sagte er nicht. Aber es war klar, dass er die Rolle des Wächterrats im Blick hatte, der bei den Wahlen immer eine Vorauswahl der Bewerber vornimmt. "Jeder der sich dazu fähig fühlt, soll sich um einen Sitz im Parlament bewerben. Es könnte Probleme geben. Aber die müssen wir in Kauf nehmen."


AGHADJARI: DIE ISLAMISCHE REPUBLIK IST NICHT REFORMIERBAR

Haschem Aghadschari hat einen Artikel veröffentlich, in dem er die Islamische Republik als nicht reformierbar bezeichnet. Aghadschari ist Historiker, er lehrt an der Pädagogischen Universität in Teheran Geschichte. Er ist Kriegsinvalide. Während des Iran-Irak-Kriegs (1980-1988) hat er ein Bein verloren. Politisch gehört er zum linken Flügel der Reformer, geht aber in seiner Kritik gegen den Islamischen Staat weit radikaler vor, als die meisten seiner Weggefährten. Im November 2002 wurde er wegen "Blasphemie" und Beleidigung islamischer Heiligtümer zum Tode verurteilt. Gegen das Urteil gab es, vor allem an den Universitäten, landesweite Proteste. Auch der damalig amtierende Staatspräsident Mohammad Chatami setzte sich für ihn ein. Das Oberste Gericht nahm das Urteil zurück. Schließlich wurde Aghadschari zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Nach einer zweijährigen Haft wurde er gegen eine hohe Kaution freigelassen. Im Juni dieses Jahres schrieb er in der Monatsschrift "Iran Farda" einen Artikel unter dem Titel: "Soziale Bewegung, Reform oder Revolution," aus dem wir einen kleinen Auszug übersetzen:

"Je größer der Widerspruch zwischen dem realen Leben und dem herrschenden System wird, desto schwerer wird das Agieren der Reformer. Denn, je weiter sie sich den Prämissen des Systems anpassen, desto weiter entfernen sie sich von dem Volk und umgekehrt: Je weiter sie auf das Volk zugehen, desto weiter entfernen sie sich vom System. Das ist eine Zerreißprobe, die irgendwann zur Spaltung der Reformer führen wird. Ein Teil wird sich dem System der Islamischen Republik unterwerfen und ein anderer Teil wird sich dem Volk widmen.

Die Reformer müssen endlich die Frage beantworten, ob das System der Islamischen Republik reformierbar ist oder nicht. Eine klare Antwort auf diese wichtige Frage würde ihnen zumindest die Möglichkeit gewähren, sich von einer Illusion zu befreien und ernsthaft nach möglichen Lösungen zu suchen. Ich selbst bin aufgrund der Erfahrungen, die ich nach zwei Jahrzehnten Reformbewegung gesammelt habe, sowie aufgrund meiner logischen Überlegungen zu der Überzeugung gelangt, dass eine tatsächliche Reform des Systems der Islamischen Republik unmöglich ist.

Tatsache ist, dass sowohl die Konservativen als auch die Reformer hinter der iranischen Gesellschaft zurückgeblieben sind. Keiner dieser beiden wichtigsten politischen Strömungen vertritt wirklich die iranische Gesellschaft. Wir haben heute in Iran eine Gesellschaft, die einem Körper gleicht, dem der Kopf fehlt, einem riesengroßen Körper, dessen Glieder allerdings auseinander gefallen sind. Es gibt keinen Vertreter dieser Gesellschaft, keinen Sprecher, keine Institution, die im Namen dieser Gesellschaft sprechen könnte.

Für eine soziale Bewegung ist das ein großer Mangel, der zugleich eine Gefahr bildet. Es ist sicher, dass spontane, soziale Bewegungen auf einer bestimmten Stufe die Gesellschaft aufwühlen. Doch dieses Aufwühlen, diese Rebellion, kann eine Menge Überraschungen bringen. Es ist eine Fehleinschätzung diktatorischer Regime, wenn sie glauben, mit der Vernichtung oder Verhinderung von Institutionen, die die Gesellschaft vertreten, eine Organisierung sozialer Bewegungen verhindern und damit Proteste unterdrücken und besser kontrollieren zu können. Das ist ein Fehler. Zwar haben sie scheinbar die Gesellschaft unter Kontrolle. Doch in Wirklichkeit verlieren sie den Überblick und ebenso die Möglichkeit, vorauszuschauen und Überraschungen vorzubeugen.

Natürlich können Proteste und soziale Bewegungen, die nicht organisiert sind und keine Führung haben, nur als Negation gesellschaftlicher Verhältnisse agieren, nicht aber als Position, als Alternative zu dem Bestehenden. Mit anderen Worten, sie können die bestehenden Verhältnisse in Frage stellen, aber kein neues System anbieten. Die Unruhen im Januar 2018 liefern dafür ein anschauliches Beispiel. Die Protestbewegung hatte keine Führung, keine Vertretung, sie war spontan und in rund hundert Städten verstreut. Sie konnte nichts erreichen, flaute bald ab.

Heute scheint der Wunsch nach einem Wandel weit verbreitet zu sein. Die Menschen glauben, dass es so nicht weiter gehen kann. Sie warten darauf, dass etwas geschieht. Das ist überall spürbar. Unklar ist aber, was geschehen und wohin ein Wandel führen soll.

Dafür haben die Reformer keine Antwort. Sie sind nicht mehr dazu in der Lage, das Volk zu vertreten und eine Alternative zu bieten. Selbst die Fortschrittlichsten, das heißt die Radikalsten unter ihnen, fordern im besten Falle die Abschaffung der Aufsicht des Wächterrats über die Wahlen. Auf der anderen Seite wächst der Widerstand in der Bevölkerung, die Streiks der Arbeiter, die Proteste der Sparer, deren Guthaben verloren ging oder die Proteste gegen das Verbot für Frauen, Fußballwettkämpfe zu besuchen, sind Beispiele dafür. Fazit, wir brauchen eine Alternative, eine neue Kraft. "


EIN GROßER SIEG FÜR IRANISCHE FRAUEN

Nach einem 40-jährigen Verbot haben sich iranische Frauen mit Unterstützung der FIFA den Zugang zu den Fußballstadien erkämpft. Freude und Jubel beherrschten die Atmosphäre, auch weil die iranische Nationalmannschaft mit vier zu null der Mannschaft von Kambodscha eine Niederlage bescherte.

Vier Tribünen waren für Frauen vorgesehen. Doch da der Andrang zu groß war, musste eine weitere Tribüne für sie reserviert werden. Die Einlasskarten waren innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Offiziellen Angaben zufolge schauten mehr als 4.000 Frauen dem Spiel zu. Tausende von Frauen mussten draußen bleiben, obwohl es noch genug Plätze im Stadion gab. Offenbar war bei den Männern kein großes Interesse an diesem Spiel vorhanden.

Einige Frauen im Stadion erinnerten mit Plakaten und Parolen an Sahar Chodajari, die sich wenige Wochen zuvor im Zusammenhang mit dem Verbot s verbrannt hatte. Sie wurden von den Ordnungskräften ermahnt. 150 Polizistinnen waren zur Kontrolle der Frauen anwesend. Nach dem Spiel begrüßte die gesamte Nationalmannschaft die anwesenden Frauen. Reporterinnen erhielten keine Erlaubnis, über das Spiel zu berichten. Die Agentur Isna forderte die Frauen vor dem Spiel auf, mit den Ordnungskräften zu kooperieren. Bestimmte Parkplätze waren für Frauen reserviert. Frauen, die in Begleitung von Männern waren, wurde der Zugang zu den Parkplätzen verwehrt.

Die staatliche Rundfunkanstalt IRIB gab am 22. Oktober bekannt, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik eine Frau das Champions-League-Spiel zwischen Ajax Amsterdam und FC Chelsea kommentieren werde. Sie werde von zwei weiblichen Fußball-Expertinnen unterstützt. Das dürfen Frauen als einen weiteren Etappensieg für sich verbuchen.


ANSCHLAG AUF GENERAL SOLEIMANI VEREITELT

Hossein Taleb, Chef des Geheimdienstes der Revolutionsgarden, erklärte am 3. Oktober, den Revolutionsgarden sei es gelungen, einen in der Provinz Kerman geplanten Anschlag auf General Ghassem Soleimani zu vereiteln. Soleimani ist der Oberbefehlshaber der Al Kuds-Brigade, einer Abteilung der Revolutionsgarden für Auslandseinsätze. Er ist sowohl in Iran als auch in Syrien und Irak sehr populär, vor allem weil er bei der Niederschlagung des Islamischen Staates (IS) eine wichtige Rolle gespielt hat.

Nach Angaben Talebs sollte der Anschlag in den religiösen Trauertagen Aschura und Tasua (10. und 11. September) stattfinden. Bei den Tätern handele sich um ein Team, das über die westliche Grenze nach Iran gekommen sei. Das Team habe in der Provinz Kerman ein Haus, das dem Vater von Soleimani gehörte, gekauft, um von dort aus den Anschlag vorzubereiten. Von dem Haus aus sollte ein Tunnel zu der Moschee gebaut und unter der Moschee 350 bis 500 Kilo Sprengstoff gelegt werden, um ihn beim erwarteten Besuch des Generals in der Moschee zu zünden.

Wo genau das Haus und die Moschee liegen sollen, sagte Taleb nicht. Bekannt ist, dass Soleimani aus der Provinz Kerman stammt und sein Vater, der dort lebte, vor zwei Jahren gestorben ist.

Dem Geheimdienst der Garden zufolge seien "israelische und arabische Geheimdienste" für den Anschlag verantwortlich. Dem Team gehörten drei Personen an. Der Anschlag sei über "mehrere Jahre" geplant worden. Alle drei Terroristen seien kurz vor der Ausführung festgenommen worden. Wie die Festnahme erfolgt war, sagte Taleb nicht. Seinen Angaben zufolge standen die drei bereits unter Beobachtung seiner Behörde als sie zur Ausbildung ins Ausland geschickt wurden.

Am 8. Oktober gab der Staatsanwalt beim Revolutionsgericht der Provinz Kerman, Dadchoda Salari, bekannt, dass gegen die drei Terroristen wegen "Aktivitäten gegen die nationale und internationale Sicherheit, Krieg gegen Gott und Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten" Anklage erhoben worden sei. "Krieg gegen Gott" ist die Bezeichnung für Straftaten, die zumeist mit dem Tode bestraft werden.

Bemerkenswert war, dass die Bekanntgabe des Anschlags einen Tag nach einem Interview mit Soleimani im staatlichen Fernsehen erfolgte. Bei dem Interview, das nach Angaben des Senders vom Archiv der Werke des Revolutionsführers Chamenei geführt worden war, ging es um den Krieg Israels gegen die Hisbollah im Sommer 2006, der als der 33-Tage-Krieg bezeichnet wird. Warum das Interview gerade an diesem Tag veröffentlicht wurde, ist nicht klar. Vielleicht war das Gespräch als Vorbereitung zu einer Rede gedacht, die Revolutionsführer Ali Chamenei vor Kommandanten der Revolutionsgarden hielt. Darin betonte er abermals, dass Verhandlungen mit den USA sinnlos seien und, ebenso das Bemühen, das Atomabkommen zu erhalten. Daher sei den Garden zu empfehlen, ihre Aktivitäten im Ausland zu verstärken.

Bei dem Gespräch gab Soleimani einige interessante Informationen über den damaligen Krieg preis. Doch weit wichtiger war die Frage, wie weit Iran damals in die Pläne der Hisbollah involviert und an dem Krieg direkt beteiligt war. Diese Frage war bislang unbeantwortet geblieben. Hatte Iran der provokativen Gefangennahme zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah zugestimmt oder wurde Teheran von den Ereignissen überrascht?

Soleimani sagte, er persönlich sei dabei gewesen, als über die Geiselnahme entschieden wurde. Das bedeutet, dass Iran tatsächlich über die Aktion informiert war. Allerdings deutete Soleimani an, dass weder Iran noch die Hisbollah damit gerechnet hätten, dass Israel so hart reagieren werde. Der 33-tägige Krieg brachte für die Hisbollah hohe Verluste.


WÄCHTERRAT STIMMT DER VERGABE VON STAATSBÜRGERSCHAFT AUF ANTRAG DER MÜTTER ZU

Abbasali Kadchodai, Sprecher des Wächterrats, erklärte am 2. Oktober laut iranischen Medien, das vom Parlament überarbeitete Gesetz über die Vergabe der Staatsbürgerschaft an Kinder, deren iranische Mütter mit Nichtiranern verheiratet sind, habe die Zustimmung des Wächterrats erhalten. Jedes vom Parlament verabschiedete Gesetz kann erst dann in Kraft treten, wenn der Wächterrat seine Zustimmung erteilt.

Bereits im Juni hatte der Wächterrat seine Zustimmung zu dem Gesetz bedingt erteilt und nur aus Sicherheitsgründen bestimmte Korrekturen verlangt. Diese Korrekturen wurden im September vom Parlament vorgenommen. Demnach müssen die Antragstellerinnen nicht nur ein Führungszeugnis des Informationsministeriums vorlegen, sondern auch ein vom Geheimdienst der Revolutionsgarden ausgestelltes Führungszeugnis.

Durch das Gesetz werden zahlreiche Kinder, vor allem der Afghanen und Iraker, die mit iranischen Frauen verheiratet sind, die iranische Staatsbürgerschaft erlangen können. Bisher erhielten nur Kinder die iranische Staatsbürgerschaft, deren Väter iranische Staatsbürger waren. Auch Kinder iranischer Frauen, die im Ausland leben und mit einem Nichtiraner verheiratet sind, können nun die iranische Staatsbürgerschaft bekommen und ohne Visum in das Land reisen.

Bisher konnte Kinder iranischer Mütter und ausländischer Väter nur dann die iranische Staatsbürgerschaft selbst beantragen, wenn sie älter als 18 Jahren waren.

Laut offiziellen Statistiken sind 60 Prozent der Nichtiraner, die mit Frauen in Iran verheiratet sind, Afghanen, 12 Prozent Iraker und 28 Prozent Männer anderer Nationalitäten. Kinder dieser Eltern hatten zahlreiche Probleme, weil sie keinen Personalausweis besaßen. Zum Beispiel konnten sie nicht die Schule besuchen.


ENTFÜHRUNG EINES OPPOSITIONELLEN IM EXIL

Die Revolutionsgarden gaben am 14. Oktober offiziell zu, einen oppositionellen Iraner, der im französischen Exil lebte, entführt zu haben. In der Erklärung der Garden heißt es: Ruhollah Sam sei im Zuge einer "komplexen und professionellen Operation" verhaftet worden.

Sam war der Betreiber des regimekritischen Nachrichtenkanals Amad News auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Amad News wurde im vergangenen Jahr auf Antrag Irans geschlossen. Schon zuvor hatte Sam erklärt, dass er die Leitung des Nachrichtenkanals anderen Kollegen überlassen habe. Das staatliche Fernsehen zeigte Aufnahmen von der Festnahme Sams und wie er mit gebundenen Augen zum Gefängnis gebracht wurde. Danach gestand Sam, über lange Jahre als Agent tätig gewesen zu sein.

Die Entführung löste in den sozialen Netzwerken unterschiedliche Reaktionen aus. Eine Gruppe lobte auf Twitter die Operation und sprach von "einer großen Leistung der Revolutionsgarden im Kampf gegen feindliche Geheimdienste." Andere spekulierten über die Entführung. Es habe einen Gefangenenaustausch mit Frankreich gegeben, Sam sei in der Türkei entführt worden, und dergleichen mehr.

Ruhollah Sam, Sohn eines islamischen Geistlichen, wurde bei den Protestdemonstrationen 2009 gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad in Haft genommen. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis flüchtete er zunächst nach Malaysia und danach nach Frankreich. Dort gründete er den Nachrichtenkanal Amad News, der im Zug der landesweiten Proteste im Januar 2018 mehr als 2 Millionen Mitglieder hatte und damit die Unruhen nicht unerheblich beeinflussen konnte. Daher wird Sam seitens der Islamischen Republik beschuldigt, im Auftrag ausländischer Geheimdienste die Unruhen geschürt zu haben. Damals forderte Iran Telegram auf, den Kanal zu schließen. Auch Sands Angehörigen in Iran wurden unter Druck gesetzt. Der Vater, stellvertretender Leiter des Kulturamts für Freihandelszonen in Iran war, wurde seines Postens enthoben. Andere seiner Angehörigen wurden Repressalien ausgesetzt.

Sams Frau, Mahsa Rasani, sagte in einem Interview mit der BBC am 16. Oktober, ihr Mann sei in den Irak gereist. Darüber habe er die französischen Behörden informiert. Während einer Zwischenlandung in der jordanischen Hauptstadt Amman habe er ihr ein Foto geschickt. Danach habe sie nichts mehr von ihm gehört. Erst 24 Stunden nach der Landung in Bagdad habe er sie angerufen. "Seine Stimme klag ungewohnt, er schien es sehr eilig zu haben, "sagte Rasani. Ihr Mann sei entführt worden. Sie habe die französische Regierung um Hilfe gebeten.

Frankreich verurteilte die Entführung. Sam sei anerkannter Flüchtling gewesen, die Umstände seiner Entführung seien nicht bekannt, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums in Paris.

Die französische Zeitung Figaro schrieb, jemand habe Sam versichert, dass er ein Gespräch mit dem schiitischen geistlichen Oberhaupt im Irak, Ayatollah Sistani, führen könnte. Eine iranische Nachrichtenagentur zitierte einen Sprecher des Büros von Ayatollah Sistani mit den Worten: Sam habe weder direkt noch indirekt mit Ayatollah Sistani Kontakt gehabt. Auch habe niemand den Geistlichen um ein Gespräch mit Sam gebeten. Alle Berichte über derartige Kontakte seien "nichts als Lügen."

Irans Regierungssprecher Ali Rabii sagte am 16. Oktober, der Fall Sam dürfe nicht zu neuen Vorwürfen und Spekulationen gegen Iran führen. "Wir sollten nicht schnell urteilen, sollten den Revolutionsgarden Zeit lassen, um ihre Forschungen fortzusetzen." Irans Geheimdienstchef Mahmud Alawi schickte ein Schreiben an den Oberkommandierenden der Revolutionsgarden, in dem er ihn "für die erfolgreiche Aktion zur Festnahme von Ruhollah Sam, Leiter des feindlichen "Amad News" beglückwünschte.

Der Abgeordnete Ali Motaharri sagte, die Berichte, die Amad News veröffentlichte, zeugten davon, dass er Informanten im Staatssystem hatte. Es gehe nun darum, herauszufinden, wer zu seinen Verbindungsleuten zählte.

Der Sprecher der Justiz, Gholamhossein Esmaili, dementierte am 21. Oktober vor der Presse Berichte über Festnahmen im Zusammenhang mit dem Fall Sam. Es habe keinerlei Festnahmen gegeben, weder in der Regierung oder der Justiz noch aus dem Bereich der Militärs. "Allerdings haben wir bereits wichtige Informationen bekommen." Zugleich appellierte er in der Internetseite "Gerdab," offizielles Organ des Geheimdienstes der Garden, an alle "resignierten Karrieristen und Lakaien, die in den Medien einen psychologischen Krieg führen, weil sie den Feinden auf den Leim gegangen sind." Sie sollten, so lange es nicht zu spät ist, "Reuebekenntnis ablegen und in den Schoß des Volkes zurückkehren."

Der Vater von Sam, der Geistliche Mohammad Ali Sam, bestritt, an der Entführung seines Sohnes mitgewirkt zu haben - weder er noch andere Mitglieder seiner Familie. Er bat die Revolutionsgarden um Gnade für seinen Sohn. Er lobte die Garden dafür, dass es ihnen gelungen sei, seinen Sohn festzunehmen. Zu den Geständnissen seines Sohnes im staatlichen Fernsehen sagte er: "Ich hoffe, dass er mit der Preisgabe der Wahrheit eine geistig-seelische Wandlung erlebt hat, und nach nun erfolgten Reuebekenntnissen Gott seine verwerflichen Taten und irrigen Äußerungen verzeiht."


RUSSISCHE JOURNALISTIN FREIGELASSEN

Die russische Journalisten Julia Jusik, die laut einer Meldung der dpa vom 4. Oktober in Teheran in Gewahrsam genommen wurde, durfte am 10. Oktober in ihre Heimat zurückkehren. Zunächst hieß es, sie sei wegen Verdacht auf Spionage festgenommen worden. Der Presse-Attaché der russischen Botschaft in Teheran, sagte laut dpa Agentur Interfax: "Nach den Worten ihrer Mutter wurde Julia beschuldigt, für den israelischen Geheimdienste gearbeitet zu haben."

Der iranische Botschafter in Moskau wurde zur Klärung des Vorgangs ins russische Außenministerium zitiert. Er kündigte die baldige Freilassung Jusiks an, es seien nur noch einige Fragen zu klären, sagte er. Die Festnahme widersprach der freundschaftlichen Beziehung zwischen Teheran und Moskau.

Wie Jusiks früherer Mann, der Journalist Boris Wojzechowski auf Facebook erklärte, arbeitete Jusik früher als Korrespondentin in Iran. Sie ist freie Journalistin und Autorin, sie arbeitet für verschiedene Zeitungen.

Am 7. Oktober bestritt Irans Regierungssprecher Ali Rabii, dass Jusik wegen Verdacht auf Spionage festgenommen worden sei. "Mit Spionage hatte sie nichts zu tun." Sie habe lediglich gegen Visumsbestimmungen verstoßen.

Nach tagelangen Bemühungen der russischen Seite wurde Jusik am 10. Oktober aus der Haft entlassen. "Die Geschichte ist vorbei. Julia ist schon in Moskau", teilte ihr Mann auf Facebook mit. Politische Beobachter vermuten, dass es Teheran nicht ratsam erschien, in der heiklen Lage, in der sich das Land befindet, auch noch ein Konflikt mit Russland zu riskieren.


SAGHERI: "MEIN LAND MACHT MICH ZUM GEGENSTAND EINER VERSTEIGERUNG"

Die iranisch-britische Journalistin Nazanin Sagheri-Ratcliffe wurde wegen Spionage, Umsturzversuch und Aufbau eines Netzwerks gegen die Islamische Republik im September 2016 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Sie ist eine Mitarbeiterin der Journalisten-Stiftung Thomson Reuters. Zuvor arbeitete sie bei der BBC-Media, einer internationalen Entwicklungsgesellschaft. Als sie nach einem Besuch in Iran im März 2016 das Land verlassen wollte, wurde sie festgenommen. Seitdem versucht die britische Regierung vergeblich, sie frei zu bekommen.

Sagheri selbst bestreitet die Vorwürfe. Sie sei lediglich zum Besuch ihrer Verwandten mit ihrer kleinen Tochter nach Iran gefahren. Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif erklärte, die britische Regierung hätte ihm angeboten, die von Iran geforderten Schulden zurückzuzahlen, wenn er sich erfolgreich für die Freilassung von Sagheri einsetzen würde. Doch der Deal sei wegen Unstimmigkeiten nie zustande gekommen.

Bei den Schulden handelt es sich um 375 Millionen Pfund Sterling plus Zinsen, die Iran während der Schah-Zeit für den Kauf von 1.500 Chieftaim-Panzer und andere Panzerfahrzeuge gezahlt, diese aber nie geliefert bekommen hatte. Das Angebot der Briten wurde später zurückgenommen. Verteidigungsminister Cavin Williamson sagte, man könne iranischen Streitkräften nicht so hohe Summen zahlen, während die USA bemüht seien deren Finanzquellen auszutrocknen.

Sagheri hat laut BBC vom 2. Oktober nun in einem Brief aus dem Gefängnis Iran vorgeworfen, sie zu versteigern, um von den Briten das Geld zu bekommen. Der Brief ist an Ghodsi Kani gerichtet, eine Iranerin, die wegen Verstoß gegen die Sanktionsverordnungen der USA gegen Iran verhaftet wurde. Sie wurde kürzlich freigelassen und kehrte nach Iran zurück.

"Mein Land macht meine Freiheit von der Auszahlung der britischen Schulden abhängig, anstatt meine Rechte und die meiner Tochter zu verteidigen. Den Preis für diesen Handel zahlen mein Mann, meine Tochter und ich," schreibt Sagheri. "Meine Tochter und ich sind zu Spielball von Politikern geworden, die uns im In- und Ausland instrumentalisieren, um ihre Ziele zu erreichen."

Mit Blick auf Ghodsi Kani, die in einem amerikanischen Gefängnis ihr Kind zur Welt brachte, schrieb Sagheri weiter: "Du musst das Leben im Gefängnis erlebt haben, um nachvollziehen zu können, was diese Mutter erlitten hat. Du musst die Qualen erlitten haben, um begreifen zu können, was es heißt, wenn man dein Kind von deiner Brust wegreißt, wenn du nachts durch sein Weinen aus deinen Albträumen nass geschwitzt aufwachst und feststellst, dass dein Kind nicht neben dir liegt." Abschließend schreibt Saghari: "Mein Land sorgt sich um die Mütter in Syrien, Jemen und Palästina, ignoriert aber im eigenen Land das Schicksal einer Mutter, die sich nach ihrer fünfjährigen Tochter sehnt."


ANGEHÖRIGE FORDERN FREILASSUNG VON DOPPELSTAATLER

Während sich Irans Staatspräsident zur Teilnahme an der UN-Vollversammlung in New York aufhielt, wurde er auf einer Kundgebung aufgefordert, sich für die Freilassung von Doppelstaatlern, die sich in iranischer Haft befinden, einzusetzen. Die Versammelten, bestehend aus Angehörigen der Gefangenen, kündigten die Gründung eines Verbands an, der sich "Verband der Familien gegen staatliche Geiselnahme" nennt. Ziel des Verbands ist nach eigenen Angaben die Koordinierung aller Aktivitäten zur Freilassung inhaftierter Doppelstaatler in Iran. Zu der Gruppe, deren Teilnehmer aus verschiedenen Teilen der USA und Europa stammen, gehören der Mann von Nazanin Sagheri-Ratcliff und Babak Namasi, dessen Vater Bagher Namasi und Bruder Siamal Namasi sich im Gefängnis befinden. Beide wurden unter dem Vorwurf der Spionage zu jeweils zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Mit Hinweis auf einen Bericht der UN-Menschenrechtskommission erklärten die Versammelten, ihre Angehörigen seien unschuldig, ihnen könne keine Schuld nachgewiesen werden. Richard Ratcliff forderte die Weltgemeinschaft auf, endlich entsprechend auf die "staatliche Geiselnahme" in Iran zu reagieren. Er warf den Regierungen vor, in dieser Hinsicht "untätig und gleichgültig" zu sein. "Sie kümmern sich nicht um die Gefangenen, obgleich die Lage schlimmer geworden ist," sagte er in einem Interview mit der BBC. (s. S. 23)


DIEBSTAHL BRINGT EINEN ABGEORDNETEN UND DEN STAAT IN EINE PEINLICHE LAGE

Seit Wochen beschäftigt die Nachricht von einem Diebstahl das ganze Land. Die Webseite "Nemajandeh" (Abgeordnete), die zuerst die Nachricht meldete, schrieb, bei einem Diebstahl im Haus des Abgeordneten Taghi Kabiri seien 200 Millionen Tuman und 200.000 US-Dollar gestohlen worden. Danach berichteten die Agenturen Ilna und Tabnak, die Summe in ausländischer Währung liege bei 250.000 US-Dollar. Auch der Sprecher der "Aufsichtsgruppe über das Verhalten der Abgeordneten," Mohammad Dschawad Dschamali, sprach von 200.000 US-Dollar, die gestohlen wurden.

Nachdem drastischen Fall der Landeswährung und der enormen Knappheit und Teuerung ausländischer Währungen darf gemäß einer Vorschrift der Regierung niemand mehr als 10.000 Dollar besitzen. Was darüber hinausgeht, gilt als Schmuggel und wird entsprechend bestraft.

Die Frage, die immer wieder gestellt wird, ist, wie es sein kann, dass ein Abgeordneter so viel Bargeld im eigenen Haus hortet und wie er in den Besitz dieser Summen gelangen konnte. Der Vorfall ist nicht nur für den Abgeordneten höchst peinlich, sondern für den ganzen Staat. Er zeigt das Ausmaß an Korruption, das in der Islamischen Republik herrscht. Während Millionen Menschen aufgrund der katastrophalen Lage der Wirtschaft unter der Armutsgrenze leben, verfügt ein Großteil der Verantwortlichen über unvorstellbares Reichtum.

Der Abgeordnete Kabiri gehört zu der konservativen Fraktion "Welayat". Er ist Mitglied im Wirtschaftsausschuss. Sein Wahlkreis befindet sich in der Stadt Choy in der Provinz Westaserbaidschan. Er organisierte die Basidsch-Milizen, auch an den Universitäten, und ist aktiv bei der ideologischen und politischen Schulung von "staatstreuen Gruppen." Er ist auch in Universitätskreisen aktiv, veröffentlichte unter anderem einen Artikel mit dem Titel "Der Stellenwert des Denkens im Koran," in einer Zeitschrift, die an einer chinesischen Universität in englischer Sprache erscheint.

Kabiri ist eng befreundet mit Nasser Mohammad Saidi, einem Großunternehmer, der auf der Sanktionsliste der USA steht, weil er nach Darstellung der US-Behörden beim illegalen Verkauf iranischen Öls aktiv gewesen war. Kabiri gehört zu jenen Abgeordneten, die im Parlament eine Abschrift des Atomabkommens zusammen mit der amerikanischen Fahne verbrannten. Kürzlich forderte er: "Das Eigentum der Verantwortlichen muss genau untersucht werden. Sollte jemand sich illegal an Volkseigentum bereichert haben, muss er enteignet und sein Eigentum wieder dem Volk zurückgegeben werden!"


DEMONSTRATION GEGEN UMWELTVERSCHMUTZUNG BRUTAL NIEDERGESCHLAGEN

In der Hauptstadt der Provinz Masanderan Sari im Norden Irans wurden Proteste gegen die Deponierung und Verbrennung von Haushalts- und Krankenhausmüll brutal niedergeschlagen. Nach offiziellen Angaben wurden im Stadtteil Tschahardangeh fast 2 Milliarden Kilogramm Müll deponiert. Private Müllabfuhrunternehmen karren täglich für hohe Summen, die ihnen die Stadt zahlt, Müll nach Tschahardangeh. Die Menschen, die in dieser Gegend wohnen, leiden seit langem unter Atembeschwerden und dem stechenden Geruch. Umweltaktivisten haben nachgewiesen, dass die Müllverbrennung auch zur Verschmutzung des Grundwassers geführt hat.

Die Verantwortlichen der Stadt vertrösten die Anwohnerinnen und Anwohner seit Jahren mit dem Versprechen, moderne Müllverbrennungsanlagen errichten zu wollen. Nun haben Umweltaktivisten versucht, die Betroffenen gegen Deponierung und Verbrennung zu mobilisieren. Sie schickten Protestschreiben an die Behörden, versuchten die Straßen zu blockieren. Auch zahlreichen Frauen und Kinder nahmen an Protestkundgebungen teil. Ende September erreichte die Mobilisierung einen Höhepunkt, sogar Leute aus der Nachbarprovinz Semnan nahmen an den Kundgebungen teil. Es gelang, den Mülltransport für mehrere Tage zu blockieren. Doch am 29. September griffen einige Hundertschaften der Polizei die Menschenmenge brutal an. Videoaufnahmen zeigen Polizisten, die mit Schlagstöcken auf die Leute einschlagen. Obwohl es sich bei den Teilnehmenden nicht um politische Oppositionelle handelte, sondern eher um Regimetreue, nahmen die Ordnungskräfte keine Rücksicht. Sie zerrissen sogar Bilder des Revolutionsführers und von Gefallenen im iranisch-irakischen-Krieg, die einige Demonstranten als Zeichen der Loyalität mit dem Regime mittrugen. Augenzeugen berichteten, dass die Polizisten selbst Frauen und Kinder nicht verschonten. Zahlreiche Personen wurden festgenommen.

Es war nicht das erste Mal, dass die Menschen gegen Umweltverschmutzung protestierten. Aber es war das erste Mal, dass die Polizei so brutal dagegen vorging. Der Mülltransport wurde wieder aufgenommen. Fahrzeuge der Müllabfuhr werden nun von bewaffneten Polizeieinheiten begleitet.

Die Zentralregierung hatte im Haushaltsplan 2 Milliarden Dollar für die Errichtung moderner Müllverbrennungsanlagen in den nördlichen Provinzen vorgesehen. Doch das Parlament lehnte das Vorhaben ab.


BRUDER VON ROHANI TRITT SEINE GEFÄNGNISSTRAFE AN

Hossein Fereidun, Bruder des Präsidenten Hassan Rohani, hat am 16. Oktober seine Gefängnisstrafe angetreten, berichtete Isna. Er sagte der Agentur zufolge: "Meine Strafe zeigt, dass es keinen Vorteil bringt, Bruder des Präsidenten zu sein. Diese Verwandtschaft selbst kann sogar als Schuld ausgelegt werden." Er bat darum, die Urteilsbegründung vollständig zu veröffentlichen.

Fereidun wurde, wie der Sprecher der Justiz Gholamhossein Esmaili bekannt gab, wegen Korruption und Übervorteilung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Ursprünglich lag seine Strafe bei acht Jahren. Diese sei auf fünf Jahren reduziert worden, sagte Esmaili. Aber zudem müsse der Verurteilte eine Geldstrafe in Höhe von 31 Milliarden Tuman zahlen. Wie die Agentur Fars berichtete, sei Fereidun an der Geldwäsche von mehreren zehn Milliarden Tuman beteiligt gewesen.

Fereidun war ein enger Berater von Präsident Rohani. Er gehörte auch der iranischen Delegation bei den Atomverhandlungen an. Doch seit zwei Jahren wurde er nicht mehr an der Seite des Präsidenten gesehen.

Fereidun sagte den Journalisten, aus der Anklageschrift sei zu entnehmen, dass nicht einmal ein Rial aus der Staatskasse entwendet worden sei. Bei der Summe, von der die Rede ist, handele es sich um das Eigentum einer Privatperson, das er einer anderen Person geliehen habe. "Ich war lediglich als Zeuge dabei." "Die gesamte Anklage stützt sich auf eine Abhörung der Kanzlei des Präsidenten, die illegal und unmoralisch ist," sagte Fereidun. Der Fall müsse von der Regierung und der Justiz untersucht werden.

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KULTUR

• Rückgabe von mehr als 1.700 in Stein gemeißelte Inschriften
• Sechs Sängerinnen und acht Männer zu je einem Jahr Gefängnis verurteilt
• Französischer Wissenschaftler in Haft


RÜCKGABE VON MEHR ALS 1.700 IN STEIN GEMEIßELTE INSCHRIFTEN

Das Teheraner Außenministerium gab am 1. Oktober bekannt, dass mehr als 1.700 in Stein gemeißelte Inschriften aus der Zeit der Achämeniden (vom 6. bis 4. Jahrhundert vor Chr.), die sich über Jahrzehnte in der Universität von Chicago befanden, an Iran zurückgegeben wurden. Abbas Mussawi, Sprecher des Ministeriums, twitterte: "Dank dem Einsatz des Außenministeriums, des Ministeriums für Kulturerben und dem für juristische Angelegenheiten zuständigen Vizepräsidenten, wurden mehr als 1.700 Inschriften, die ursprünglich aus Persepolis stammten, wieder in unser Land zurückgebracht." Es handele sich um Inschriften, die 1935 mit Zustimmung der damaligen iranischen Regierung zu Forschungszwecken an das Orientinstitut der Universität Chicago übergeben worden seien. Insgesamt handele es sich um 20.000 Inschriften, der Rest solle nach und nach zurückgegeben werden. Das Bestätigte auch das Orientinstitut der Universität Chicago. Die nun erfolgte Rückgabe werde jetzt kontinuierlich fortgesetzt, hieß es.

Im Februar 2018 hatte das Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten den Antrag einiger amerikanischer Staatsbürger abgelehnt, die Inschriften zu konfiszieren. Die Antragsteller, die 1997 bei einem Bombenanschlag in Israel verletzt worden waren, hatten gefordert, die Inschriften, die Iran gehörten, zu verkaufen und sie aus dem Erlös zu entschädigen. Der Anschlag ereignete sich im September 1997 in einem Einkaufzentrum in Jerusalem. Die Verantwortung dafür hatte die palästinensische Hamas übernommen. Bei dem Anschlag wurden fünf Personen getötet und mehr als 200 verletzt.

Nachdem Urteil des Obersten Gerichthofs bemühte sich das Orientinstitut der Universität Chicago um eine rasche Rückgabe der Inschriften an Iran.

Die Inschriften waren bei den Ausgrabungen der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entdeckt worden. Die iranische Regierung hatte damals das Orientinstitut der Universität Chicago mit der Restaurierung von Persepolis beauftragt. Die Restaurierung dauerte neun Jahre. Danach stimmte die damalige iranische Regierung zu, dass einige Inschriften leihweise dem Institut zur Ausstellung und Forschung zur Verfügung gestellt werden.


SECHS SÄNGERINNEN UND ACHT MÄNNER ZU JE EINEM JAHR GEFÄNGNIS VERURTEILT

Das Teheraner Revolutionsgericht hat sechs Sängerinnen und acht ihrer männlichen Mitarbeiter zu je sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Ihnen wurde "illegale audiovisuell Aktivitäten" vorgeworfen. Sie wurden beschuldigt, Videoclips mit obszönen Liedern und Melodien produziert und diese bei "feindlichen Sendern" veröffentlicht zu haben.

Eine der verurteilten Sängerinnen mit dem Künstlernamen "Farawas" befindet sich inzwischen in Deutschland. In einem Interview mit dem persischsprachigen Programm der BBC am 15. Oktober bestätigte sie das Urteil. Ihren Äußerungen zufolge hätten die sechs Sängerinnen nichts miteinander zu tun. Dennoch seien alle sechs Frauen in einer Akte geführt worden. Staatsanwalt Bijan Ghassemsadeh, der die Frauen und Männer im Sommer vor drei Jahren zum Verhör bestellt hatte, ist derselbe, der die Filterung des Kurznachrichtendienstes Telegram verordnet hatte. Inzwischen befindet er sich wegen Korruption in Untersuchungshaft. Das Revisionsgericht lehnte eine Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Begründung ab, die Verurteilten hätten keine akzeptablen Argumente dafür vorgebracht. Wie aus der Gerichtsakte hervorgeht, hatten nur vier der Angeklagten zu ihrer Verteidigung einen Anwalt genommen. Die elf anderen Angeklagten verteidigten sich selbst.

Die Videos, die die Frauen veröffentlichten, waren nicht im engeren Sinn politisch, aber gesellschaftskritisch. Auf einem der Videos unter dem Titel "tanz mit mir," das vor drei Jahren in Teheran produziert wurde, ist Farawas singend und tanzend auf den belebten Straßen der Hauptstadt zu sehen.


FRANZÖSISCHER WISSENSCHAFTLER IN HAFT

Das Teheraner Außenministerium bestätigte am 16. Oktober, dass sich neben der iranisch-französischen Anthropologin Fariba Adelkhah, auch der französische Soziologe Roland Marchal in iranischer Haft befindet. Laut dem französischen Forschungsverband Fasopo war Marchal bereits im Juni gemeinsam mit Adelkhah festgenommen worden. Beide sind an der renommierten Pariser Hochschule Sciences Po tätig. Adelkhah ist auf Forschung der Lage der Frauen in Iran und Afghanistan spezialisiert, Marchal ist Experte für Bürgerkriege in Afrika. Dass er gemeinsam mit Adelkhah festgenommen wurde, war bislang nicht bekannt.

Der Forschungsverband Fasopo erklärte, er habe damals das französische Außenministerium über das Verschwinden der beiden informiert, aber auf Wunsch des Ministeriums darauf verzichtet, den Fall öffentlich zu machen. Die Öffentlichkeit erfuhr erst am 15. Oktober durch einen Bericht der Zeitung Figaro von dem Fall.

Das Außenministerium in Paris verurteilte die Inhaftierung Marchals. Sie sei "inakzeptabel, " hieß es in einer Erklärung des Ministeriums. Die Regierung habe bereits Maßnahmen zu seiner Freilassung getroffen. Er werde konsularisch betreut. Bislang hätten Vertreter des Ministeriums Marchal einige Male im Gefängnis besucht. Sie stehen mit seinen Angehörigen in Verbindung. Einem Bericht der AP zufolge sei Marchal im Juni nach Iran gereist, um seine Kollegin und Freundin Adelkhah zu besuchen. Zwischen den beiden bestand eine Liebesbeziehung.

Der iranische Regierungssprecher Ali Rabii hatte Ende Juli die Festnahme Adelkhahs bestätigt. Zugleich erklärte er, er wisse nicht, wer sie festgenommen habe. Auch der Grund der Festnahme sei ihm nicht bekannt. Offenbar wurde sie vom Geheimdienst der Revolutionsgarden festgenommen.

Said Dehghan, Anwalt von Adelkhah, erklärte am 27. Oktober, bisher seien ihm keine Beweise für die Vorwürfe gegen seine Mandantin vorgelegt worden. Sie sei unter dem "Verdacht der Spionage" festgenommen worden. Marchal werde der "Kooperation gegen die nationale Sicherheit" beschuldigt. Ihre Haftbefehle seien bisher mehrmals erneuert worden, sagte er der Agentur Isna. Er habe bisher die beiden zwei Mal in der Untersuchungshaft besucht. Er hoffe, dass es bei den beiden um ein Missverständnis handele und sie bald freikämen.

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WIRTSCHAFT

• Atomabkommen
• IWF und Weltbank berichten über drastische Schwächung der iranischen Wirtschaft
• Iran will alles versuchen, um sein Öl zu exportieren
• China kündigt Zusammenarbeit bei Erschließung von Gasfeld auf
• Transportschiffe stehen massenhaft vor iranischen Häfen
• Beschlagnahmtes britisches Schiff verlässt Bandar Abbas
• Briten wollen Reaktor in Iran modernisieren


ATOMABKOMMEN

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif brachte die Stimmung in der iranischen Führung bezüglich des Atomabkommens zutreffend zum Ausdruck, indem er sagte: "Unsere Geduld ist allmählich zu Ende." Seit mehr als einem Jahr wollen die europäischen Vertragspartner Iran Lösungen anbieten, aber faktisch geschieht nichts. Auch die Versuche Irans schrittweise seine Vertragsverpflichtungen auszusetzen, um die Europäer zum Handeln zu zwingen, ist bislang ohne Ergebnis geblieben. Im Gegenteil, allmählich scheinen London, Paris und Berlin sich dem amerikanischen Standpunkt anzunähern. Auch sie verlangen nun Verhandlungen über Ergänzungen zum Abkommen, über das iranische Raketenprogramm und die Rolle Irans in der Region.

Ein Sprecher des Außenministeriums in Berlin sagte laut Reuters am 27. September: "Iran bewegt sich in die falsche Richtung." Am Vortag hatte die Internationale Atombehörde berichtet, Iran habe in der Atomanlage Natans modernere und leistungsstärkere Zentrifugen eingesetzt und damit gegen das Abkommen verstoßen.

Präsident Rohani hatte nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande der UN-Vollversammlung in New York vor der Presse gesagt: "Leider zeigen die europäischen Staaten Unfähigkeit oder mangelnde Bereitschaft, wenn es um konkrete Aktionen geht. Sollte weiterhin nichts geschehen, werde Iran "weitere Schritte" zur Aussetzung seiner Verpflichtungen unternehmen."

Irans Revolutionsführer Chamenei erklärte bei einem Treffen mit den Mitgliedern des Expertenrats am 26. September, was die Europäer sagen, seien nichts als "leere Worte." "Wir müssen die Hoffnung auf Beistand der Europäer ganz aufgeben." "Die Europäer sind heimtückisch. Ihre Feindschaft gegen die Islamische Republik unterscheidet sich nicht von der der USA. Scheinbar treten sie als Vermittler auf, halten lange Reden, aber ihre Worte sind leer. Die USA und Israel sind die beiden Staaten, mit denen auf keinen Fall verhandelt werden darf. Mit den Europäern können unsere Diplomaten ihre Gespräche fortsetzen. Da die Europäer aber bisher nichts unternommen haben, um die Sanktionen der USA auszugleichen, darf man ihnen nicht vertrauen." Mit Blick auf die Proteste in Frankreich und Großbritannien sagte Chamenei: "Diese Gelegenheit, den Niedergang der westlichen Kultur, muss man ausnutzen." Die Standpunkte der USA und der Europäer verglich er mit der "Frontbildung der Feinde und Satane".

Die britische Zeitung "The Guardian" berichtete am 27. September, die Europäische Union habe Iran gewarnt, sollte Iran die Aussetzung seiner Verpflichtungen fortsetzen, werde die EU aus dem Atomabkommen aussteigen.

Irans Vizeaußenminister Abbas Araghtschi sagte am 2. Oktober dem Nachrichtendienst Khabar Online: "Ich muss leider sagen, dass es dem Atomdeal nicht gut geht und der quasi auf die Intensivstation verlegt werden müsste." Er forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, alles zu unternehmen, um das Abkommen vor dem amerikanischen "Unilateralismus" zu schützen.

Am 2. Oktober erklärte Chamenei bei einer Rede vor Kommandeuren der Revolutionsgarden: "Wir werden die Aussetzung unserer Verpflichtungen schrittweise fortsetzen, solange bis wir das erreichen, was wir anstreben." Die Amerikaner seien mit ihrer Politik des maximalen Drucks gescheitert. Sie hätten gedacht, sie könnten damit die Islamische Republik zum Nachgeben zwingen." Chamenei appellierte an die Garden "nicht alt zu werden und sich mit der jetzigen Lage zufrieden zu geben." "Bereitet euch auf große Ereignisse vor," sagte er. "Wir dürfen nicht den weiten geografischen Blick des Widerstands verlieren, uns mit den Mauern begnügen, die wir errichtet haben und uns nicht darum zu kümmern, wer hinter den Mauern steht und welche Gefahren von dort drohen. Dieser strategische Weitblick jenseits unserer Grenzen gehört manchmal zu den größten erforderlichen Aufgaben unseres Staates. Manche übersehen diese Notwendigkeit und reden zugunsten unserer Feinde, so wie jene mit der Parole 'weder Gaza noch Libanon'." Die Parole "Weder Gaza noch Libanon, ich widme mein Leben dem Iran" wurde bei den landesweiten Protesten im Januar 2018 gerufen.

Die Islamische Republik werde ihren revolutionären Weg fortsetzen, sagte Chamenei weiter. Die Sanktionen mögen vorübergehend eine Wirkung haben, aber "strategisch betrachtet, sind sie zu unseren Gunsten."

Am 3. Oktober kündigte die iranische Atomorganisation an: "Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Kapazitäten unser friedliches Atomprogramm im Bereich Soft- und Hardware voranbringen" und Atomexperten würden über "unsere technischen Errungenschaften verwundert sein," hieß es auf der Webseite der Organisation. Am 4. Oktober bestätigte der Interimschef der Internationalen Atombehörde, Cornel Feruta, dass Iran bereit sei, bei der Aufklärung von Vorwürfen gegen das Land zu kooperieren. Es seien zwar noch nicht alle Fragen beantwortet, aber "es ist ein Schritt in die richtige Richtung." Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte behauptet, es gebe einen geheimen Ort, an dem Nuklearmaterial gefunden worden sei.

Am 16. Oktober kritisierte Außenminister Sarif Deutschland, Frankreich und Großbritannien, sie setzten ihre leeren Versprechen fort. "Daher ist auch unsere strategische Geduld mit den drei Europäern erschöpft." Wie angekündigt plant Iran, in einem vierten Schritt, Anfang November mit modernsten Zentrifugen in einem weitaus größeren Tempo unbegrenzt Uran anzureichern.


IWF UND WELTBANK BERICHTEN ÜBER DRASTISCHE SCHWÄCHUNG DER IRANISCHEN WIRTSCHAFT

Der Internationale Währungsfonds (IWF) teilte laut Reuters am 15. Oktober mit, Irans Wirtschaft werde in diesem Jahr aufgrund der harten Sanktionen um 9,5 Prozent schrumpfen. Zuvor hatte der IWF von einer Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts um sechs Prozent gesprochen.

Eine Woche zuvor schätze die Weltbank, Irans Volkswirtschaft werde am Ende des Fiskaljahres 2019/20 im Vergleich zu 2017/18 um rund 10 Prozent sinken. Dies werde das zweite Jahr infolge sein, in dem die iranische Wirtschaft einen drastischen Rückfall erleidet. Nach Einschätzung der Bank werde der Rückfall bei -8,7 Prozent liegen. Auch die Inflationsrate werde auf 38 Prozent steigen. Die Hauptursache für diese negative Entwicklung liege in den Sanktionen gegen den iranischen Öl- und Gasexport. Hinzu kämen Strafmaßnahmen gegen Bereiche wie Petrochemie und vor allem Maßnahmen, die zur Isolierung Irans von den internationalen Finanzmärkten geführt hätten.

Wenige Tage zuvor haben der Sprecher der Regierung, Ali Rabii, und Mohammd Dschawad Nobakht, Leiter der Planorganisation, am gleichen Tag betont, der Haushalt des neuen Jahres (ab 21. März 2020) werde ohne Öleinnahmen aufgestellt. Das wäre das erste Mal in der Geschichte der Islamischen Republik, dass die Staatsaugaben ohne Öleinnahmen erfolgen sollen.

Der Bericht der Weltbank beschäftigt sich ebenfalls mit dem iranischen Wohnungsmarkt. Demnach sind die Immobiliengeschäfte in der Hauptstadt Teheran im Vergleich zum Vorjahr um 72 Prozent zurückgegangen. Zugleich seien die Preise für Wohnungen und Häuser um 78 Prozent gestiegen. Auch die Preise für Lebensmittel verzeichnen einen enormen Anstieg. Beim Fleisch lag der Preisanstieg im April im Vergleich zum Vorjahr bei 116 Prozent.

Im Falle des weiteren Rückgangs des Öl- und Gasexports würden nach Einschätzung der Weltbank die zweistellige Inflationsrate und der drastische Rückgang des Bruttosozialprodukts zu einem erheblichen Anstieg der Armut und Arbeitslosigkeit führen.


IRAN WILL ALLES VERSUCHEN, UM SEIN ÖL ZU EXPORTIEREN

Einem Bericht der Agentur Reuters vom 6. Oktober zufolge will Iran keinen Versuch unterlassen, um sein Öl zu exportieren. Der Ölexport des Landes, auf den der iranische Staat existenziell angewiesen ist, ist durch die massiven US-Sanktionen drastisch gesunken. Reuters spricht von 80 Prozent Rückgang, andere Quellen behaupten, es gebe kaum noch iranisches Öl auf dem Weltmarkt. Ölminister Bijan Sangeneh erklärte auf der Webseite seines Ministeriums: "Wir werden jeden möglichen Weg nutzen, unser Öl zu exportieren, und wir werden uns dem Druck Amerikas nicht beugen."

Die USA üben starken Druck auf Staaten und Konzerne, die iranisches Öl kaufen und drohen ihnen mit Strafen. Die größten Abnehmer des iranischen Öls, China, Indien und Südkorea, haben ihre Importe aus Iran so gut wie eingestellt. Allein die Türkei erklärte, sie wolle weiterhin Öl und Gas aus Iran importieren. "Wir wollen unser Gas- und Ölimport aus Iran nicht abbrechen. Wir werden unser Gas weiter von dort kaufen," sagte Präsident Erdogan am 27. September in New York in einem Interview am Rande der UN-Vollversammlung. Zwar gebe es beim Kauf des iranischen Öls wegen Rückzugs einiger Unternehmen gewisse Probleme. Doch Ankara werde "besonders in dieser Frage und vielen anderen Fragen unsere Beziehungen mit Iran fortsetzen," sagte Erdogan.


CHINA KÜNDIGT ZUSAMMENARBEIT BEI ERSCHLIEßUNG VON GASFELD AUF

Irans Ölminister Bija Sangeneh gab laut der Nachrichtenagentur Shana bekannt, dass der staatliche chinesische Ölkonzern sich aus der Zusammenarbeit bei der Erschließung eines riesigen Ölfelds am Persischen Golf zurückgezogen hat. Das Abkommen zwischen Iran und China, das ein Volumen von 4,5 Milliarden Euro hatte, war nach der Unterzeichnung des Atomabkommens (2015) zustande gekommen. Für den Ausstieg lieferte Sangeneh keine Begründung.

An der Erschließung war auch der französische Ölkonzern Total beteiligt. Aber auch Total hatte sich bereits zurückgezogen, nachdem die USA aus dem Atomabkommen mit Iran ausgestiegen waren.


TRANSPORTSCHIFFE STEHEN MASSENHAFT VOR IRANISCHEN HÄFEN

Wie die Agentur Reuters am 2.Oktober meldete, stehen mehr als 20 Schiffe mit Millionen Tonnen Getreide vor den Häfen am Persischen Golf. Sie können nicht abladen, weil der Finanztransfer infolge der US-Sanktionen nicht erfolgen kann. Dadurch erleiden Handelsgesellschaften erhebliche Verluste. Das Verbot, mit Iran Geschäfte zu machen, gilt zwar in erster Linie für amerikanische Unternehmen. Aber auch andere Unternehmen außerhalb der USA werden stark unter Druck gesetzt, wenn sie mit Iran Handel treiben. Dasselbe gilt für Banken, Transportunternehmen und dergleichen mehr. Formal betont Washington zwar immer wieder, Medikamente, medizinische Geräte und Nahrungsmittel seien von den Sanktionen ausgenommen. Doch in der Praxis wird der Handel auch mit diesen Gütern erschwert. Unternehmen, die trotzdem versuchen, mit Iran Geschäfte zu machen, müssen zumeist Verluste in Kauf nehmen. Wie Reuters unter Berufung auf iranische und westliche Regierungskreise berichtet, warten Schiffe oft länger als einen Monat mit ihren Waren an Bord vor den beiden wichtigsten Häfen am Persischen Golf, dem Hafen Imam Chomeini und Bandar Abbas.

Am 6. Oktober bestritt Mohammad Ali Hassansadeh, Stellvertreter des Seeamtes, die Begründung der Agentur Reuters. Iran habe keine Probleme, finanzielle Angelegenheiten mit den Transportschiffen abzuwickeln. Die Schiffe müssten so lange warten, weil die Warenlager überfüllt seien, sagte er der Agentur Isna. "Schlimmstenfalls muss ein Schiff einen Monat lang warten, nicht ein Jahr lang." Zurzeit warteten 22 Schiffe vor dem Hafen Imam Chomeini, erklärte Hassansadeh, sagte aber nicht wie lange diese Schiffe noch warten müssten.


BESCHLAGNAHMTES BRITISCHES SCHIFF VERLÄSST BANDAR ABBAS

Das Seeamt der Provinz Hormosgan gab am 27. September bekannt, dass der britische Tanker "Stena Impero" am frühen Morgen um sieben Uhr den Hafen Bandar Abbas verlassen habe. Allerdings bleibe die Akte dieses Tankers bei der iranischen Justiz noch offen. Die schwedische Firma Stena Bulk bestätigte, dass der Tanker internationale Gewässer erreicht und auf Dubai Kurs genommen habe.

Der Tanker, der unter britischer Flagge fährt, war am 19. Juli von iranischen Revolutionsgarden in der Straße von Hormos beschlagnahmt worden. Zwei Wochen zuvor, am 4. Juli, hatte die britische Marine einen iranischen Großtanker in den Gewässern von Gibraltar festgesetzt. Während Iran die Beschlagnahmung des britischen Tankers damit begründete, dass der Tanker gegen internationale Bestimmungen verstoßen habe, deuteten politische Beobachter die Maßnahme als ein Akt der Vergeltung.

Nach der Beschlagnahmung schlossen sich die Britten der Initiative der USA an, zum Schutz der Schifffahrt im Persischen Golf und dem Meer von Oman eine Marinemission zu gründen. Inzwischen hat Großbritannien drei Kriegsschiffe in das Gebiet entsandt. Iran protestierte dagegen. Iran kontrolliere seit Jahrhunderten den Persischen Golf und die Straße Hormos und werde dies auch weiter tun, hieß es aus Teheran. Die Präsenz ausländischer Kriegsschiffe und Militärs schürten die Konflikte zwischen den Nachbarstaaten.


BRITEN WOLLEN REAKTOR IN IRAN MODERNISIEREN

Laut AFP vom 14. Oktober, sind britische Experten nach Iran gereist seien, um den Schwerwasserreaktor von Arak (südlich der Hauptstadt Teheran) zu modernisieren. Geleitet wurde die Expertengruppe den Angaben der britischen Botschaft in Teheran zufolge von Professor Robin Grimes. Die Gruppe sollte gemeinsam mit chinesischen Kollegen "die nächsten Etappen zur Modernisierung des Reaktors von Arak" vorbereiten. Der Vorbereitungsbesuch dauerte drei Tage. Dabei führten die Experten auch Gespräche mit der iranischen Atomorganisation.

Der Schwerwasserreaktor in Arak, der noch nicht zu Ende gebaut war, gehörte zu den Themen, die bei den Atomverhandlungen zwischen Iran und der Gruppe 5 plus 1 (UN-Vetomächte plus Deutschland) eine wichtige Rolle spielte. Irans Verhandlungspartner befürchteten, dass das von dem Reaktor produzierte Plutonium zum Bau von Nuklearwaffen benutzt werden könnte. Daher wurde in dem Atomabkommen von 2015 vereinbart, dass der Kern des Reaktors unnutzbar gemacht und der Reaktor zu Forschungszwecken umgebaut wird.

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AUSSENPOLITIK

• Iran gegen türkischen Einmarsch in Syrien
• Annäherungssignale zwischen Teheran und Riad
• Chamenei warnt vor "Zwietracht" zwischen Iran und Irak
• Iran droht wegen Tankerbeschuss mit Vergeltung
• Iranische Hacker griffen Email-Konten in den USA an
• Australisches Ehepaar freigelassen
• Iran hat USA eine Liste zum Gefangenenaustausch übergeben
• Iran bedingt zu Gesprächen mit den USA bereit
• Ausschluss Irans aus Judo-Weltverband


IRAN GEGEN TÜRKISCHEN EINMARSCH IN SYRIEN

Das Teheraner Außenministerium veröffentlichte am 8. Oktober, kurz vor Beginn des Angriffs der Türkei gegen Kurden im Norden Syriens, eine Erklärung gegen den Einmarsch. In dieser heißt es, ein solches Vorhaben werde nicht nur die Sicherheitssorgen der Türkei nicht beseitigen, es werde auch großen materiellen und humanitären Schaden verursachen. Daher sei Iran gegen jede militärische Aktion. In der Erklärung wird der Einmarsch türkischer Militärs in Syrien als illegal bezeichnet. Über den Abzug amerikanischer Soldaten aus Syrien hieß es, er hätte viel früher stattfinden müssen. Das Ministerium schlägt in der Erklärung vor, die Probleme diplomatisch zu lösen. Als Grundlage könne das 1998 zwischen Syrien und der Türkei vereinbarte "Adana Abkommen" genutzt werden. Das Abkommen wurde unter der Teilnahme Irans und Ägyptens unterzeichnet. Demnach verpflichteten sich die Türkei und Syrien, gegenseitig Grenzüberschreitungen von Terroristen aus einem in das andere Land zu verhindern. Zudem wurde der Türkei erlaubt, im Falle einer Bedrohung bis zu fünf Kilometer in syrisches Territorium einzudringen. Allerdings behauptet die syrische Regierung, die Türkei habe 2011 gegen das Abkommen verstoßen.

Am Vorabend der Offensive betonte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif laut staatlichem Fernsehen in einem Telefongespräch mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu, die territoriale Integrität Syriens und die Souveränität seiner Regierung müsse unter allen Umständen unangetastet bleiben. Zugleich unterstütze Iran den Kampf gegen Terrorismus in Nordsyrien.

Auch Irans Präsident Hassan Rohani appellierte auf einer Kabinettssitzung am 9. Oktober an die Türkei, die Entscheidung über eine Offensive in Nordsyrien zu überdenken. Er habe Verständnis für die Sorgen der Türkei, aber Ankara sollte nicht den falschen Weg wählen. "Wir bitten daher unsere Freunde und Brüder in der Türkei, mehr Geduld aufzubringen und ihre Entscheidungen zu überdenken." Eine Offensive würde weitere Probleme erzeugen. "Was Syrien derzeit umgehend braucht, sind Sicherheit und Stabilität, damit auch die syrischen Flüchtlinge schneller in ihre Heimat zurückkehren können," sagte Rohani.

Indes hat Iran laut Medien am 9. Oktober überraschend ein Militärmanöver in der Provinz West-Aserbaidschan nahe der türkischen Grenze durchgeführt. Den Angaben des Oberbefehlshabers der iranischen Streitkräfte, General Abdolrahim Mussawi, zufolge, ging es dabei um Kampfbereitschaft, schnellen Einsatz und rasche Mobilität. Mussawi sagte laut der Agentur Tasnim, das Manöver solle die Verteidigungsfähigkeit der Islamischen Republik testen. Er hoffe, dass dabei die gesetzten Ziele erreicht würden. Einen Grund für die überraschende Aktion nannte er nicht.

Aus iranischer Sicht wird der Angriff Vorteile bringen, gleichgültig wie die Offensive ausgeht. Denn eine starke autonome kurdische Region im Norden Syriens dient nicht den Interessen Irans. Daher kann Teheran zwar verbal gegen die türkische Offensive Stellung beziehen, aber in Wirklichkeit darüber froh sein, wenn die Kurden geschwächt und zudem in die Arme der Assad-Regierung getrieben werden. Sollten andererseits die Türken Probleme bekommen und sich der Krieg gegen die Kurden in die Länge ziehen, würde dies die Türkei, den größten Rivalen Irans im Nahen Osten, sowohl politisch als auch wirtschaftlich deutlich schwächen. Das Land würde international an Ansehen verlieren, noch mehr Konflikte mit dem Westen bekommen und auch im eigenen Land mit wachsenden Protesten konfrontiert werden. Mit anderen Worten, ein länger andauernder Krieg würde sowohl die Kurden als auch die Türkei schwächen und Irans Position in der Region stärken.

Am 11. Oktober gab es in einigen von Kurden bewohnten Städten Irans Demonstrationen gegen die türkische Offensive. In der Stadt Baneh wurden türkische Fahnen verbrannt, In anderen Städten wie Sanandadsch und Mariwan riefen Demonstranten "Tod der Türkei, Tod Erdogan, die Kurden sind nicht allein." Auf Videos sind auch Einheiten der Polizei zu sehen. Doch diese griff, im Gegensatz zur sonstigen Praxis bei spontanen Demonstrationen, nicht ein.

Am 12. Oktober bot Irans Außenminister Sarif an, zwischen Syrien, der Türkei und den Kurden zu vermitteln. "Iran kann die syrischen Kurden und die Regierungen der Türkei und Syrien zusammenbringen und dazu beitragen, dass syrische Streitkräfte gemeinsam mit der Türkei ihre Grenzen schützen," sagte der Minister.

Abbas Mussawi, Sprecher des Teheraner Außenministeriums, bezeichnete auf einer Pressekonferenz am 21. Oktober das Vorhaben der Türkei, zwölf Beobachtungsposten in Syrien errichten zu wollen, als "inakzeptabel." Eine solche "Aggression gegen die Souveränität eines autonomen Staates" werde den Widerstand Irans und anderer Länder zufolge haben. "Die Türken können Stützpunkte auf ihrem eigenen Territorium haben, aber wenn sie meinen, türkische Militärbasen in Syrien errichten zu können, ist das inakzeptabel," sagte Mussawi.

Vor seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten in Sotschi sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan: "Aus Iran sind schrille Töne zu hören. Rohani hätte diese Töne von Anfang an zum Schweigen bringen müssen. Solche Töne stören mich und meine Kollegen." Er erwähnte seine Position zum iranischen Atomprogramm, die er "trotz allem" seit Jahren vertrete. Offenbar wollte Erdogan damit von Iran dieselbe Loyalität fordern, die er Iran gegenüber gezeigt hat.


ANNÄHERUNGSSIGNALE ZWISCHEN TEHERAN UND RIAD

Trotz der Fortsetzung der Verbalattacken zwischen Iran und Saudi-Arabien gibt es Vermittlungsversuche und leise Signale einer Annäherung. Irans Präsident Hassan Rohani antwortete auf einer Pressekonferenz am 26. September in New York auf die Frage, ob der pakistanische Premier ihm eine Botschaft des saudischen Prinzen Mohammad bin Salman und des US-Präsidenten Donald Trump überbracht habe und ob er zu Gesprächen mit den Saudis bereit sei: "Imran Khan hat mich nach Gesprächen mit der saudischen Führung besucht und die Ergebnisse seiner Gespräche mit mir erörtert."

Tatsächlich ist der pakistanische Premier seit Wochen bemüht zwischen Teheran und Riad zu vermitteln. Auch Washington scheint an Verhandlungen mit Teheran interessiert zu sein. Doch die Luftangriffe auf zwei saudische Ölanlagen am 14. September machten zunächst alle Bemühungen zunichte. Am 26. September schickten die USA 200 zusätzliche Soldaten sowie Patriot-Luftabwehrraketen nach Saudi-Arabien, um, wie es aus Pentagon hieß, der "militärischen und zivilen Infrastruktur des Landes mehr Schutz" zu gewähren. Am 27. September forderte der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir vor der UN-Vollversammlung die Weltgemeinschaft auf, "mit jedem verfügbaren Mittel auf Iran Druck auszuüben." Er machte abermals Iran für die Anschläge verantwortlich. "Alle wollen einen Krieg vermeiden. Auf dieser Grundlage erwägen wir die Optionen und werden zu gegebener Zeit entsprechend reagieren," sagte der Minister in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS am 30. September. "Wenn die Welt keine starken und entschlossenen Maßnahmen findet, um Iran abzuschrecken, droht uns eine weitere Eskalation, die die globalen Interessen bedroht." Er hoffe, dass es zu keiner kriegerischen Auseinandersetzung kommt. Denn "politische und diplomatische Lösungen sind immer besser als militärische".

Irans Außenministerium reagierte unmittelbar auf die Äußerungen al-Dschubeirs. Sprecher Abbas Mussawi bestritt jede Beteiligung Irans an dem Anschlag. "Die Behauptungen entbehren jeder Grundlage," sagte er am 30, September auf seiner wöchentlichen Pressekonferenz in Teheran. Wenige Tage später erklärte Außenminister Sarif im Parlament, gute nachbarliche Beziehungen seien oberstes Ziel der iranischen Außenpolitik. Es habe wenige Phasen in der iranischen Geschichte gegeben, in denen die Beziehungen Irans zu Pakistan, Afghanistan, Russland, der Türkei, Katar und dem Irak so gut gewesen seien wie heute, sagte Sarif am 5. Oktober. Als Beispiel nannte er die kontinuierlichen Gespräche mit der pakistanischen Regierung über die Konflikte in der Region sowie die konstruktive Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung. Über die Beziehungen zu Saudi-Arabien und den Emiraten äußerte sich der Minister nicht direkt. Wochen zuvor hatte er einen Nichtangriffspakt zwischen allen Staaten der Region vorgeschlagen. Auch Rohani hatte auf der UN-Vollversammlung einen ähnlichen Vorschlag gemacht, den er als "Friedensinitiative Hormos" bezeichnete.

Trotz aller Unstimmigkeiten und Verbalattacken zwischen Teheran und Riad gibt es vor allem nach dem Anschlag gegen saudische Ölanlagen einige Vermittlungsbemühungen. Bijan Sangeneh, Irans Ölminister, bezeichnete den saudischen Energieminister als einen Freund, den er seit 12 Jahren kenne. "Kürzlich habe ich ihn in Moskau kurz auf dem Weg getroffen," sagte er. Iran wünsche zu allen Staaten der Region freundschaftliche Beziehungen. Auch Hossein Taghawi, Mitglied des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik, sagte am 5. Oktober: "Iran begrüßt sehr den Vorschlag, mit den Staaten der Region, auch mit Saudi-Arabien, über die Lösung bestehender Konflikte Gespräche zu führen. Denn die meisten Konflikte lassen sich durch Dialog lösen."

Einem Bericht der Tageszeitung New York Times vom 5. Oktober zufolge gibt es auf beiden Seiten geheime Bemühungen, um die Konflikte zu deeskalieren. Der saudische Kronprinz Ben Salman habe die pakistanische und irakische Regierung gebeten, über die Beilegung der Konflikte mit Teheran zu verhandeln. Iran habe die Vermittlungsversuche begrüßt, schrieb die Zeitung.

"Wir sind sowohl mit Iran als auch mit Saudi-Arabien befreundet und wir wollen keinen Krieg zwischen diesen beiden Ländern," sagte Pakistans Premier am 13. Oktober bei einem Besuch in Teheran auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rohani. Rohani sagte: "Jede Form von gutem Willen wird unsererseits mit gutem Willen erwidert." Imran Khan kündigte an, er werde im Anschluss seines Besuchs zu weiteren Gesprächen nach Riad fliegen. Die Probleme zwischen Riad und Teheran seien zwar vielseitig und kompliziert, aber sie ließen sich durch Dialog lösen. Am Tag zuvor hatte Außenamtssprecher Mussawi erklärt: "Ob nun mit oder ohne Vermittler, wir sind zu Verhandlungen mit den Saudis bereit."

Nach sieben Jahren planen die Fußballverbände Irans und Saudi-Arabiens ein Freundschaftsspiel. Das Spiel soll am 19. November entweder in Riad oder in Teheran stattfinden.


CHAMENEI WARNT VOR "ZWIETRACHT" ZWISCHEN IRAN UND IRAK

Mit Blick auf die jüngsten Unruhen im Nachbarstaat Irak schrieb Irans Revolutionsführer Ali Chamenei am 7. Oktober auf Twitter: "Iran und Irak sind zwei Nationen, deren Herzen und Seelen miteinander verbunden sind. Feinde wollen Zwietracht säen, doch sie werden scheitern und ihre Strategie wird unwirksam bleiben."

Regierungssprecher Ali Rabii appellierte an die Konfliktparteien im Irak, eine weitere Eskalation zu vermeiden und die Probleme friedlich zu lösen. "Wir bedauern die Zusammenstöße im Irak und hoffen, dass beide Seiten Zurückhaltung üben und ohne Gewalt und über Gespräche zu einer friedlichen und diplomatischen Lösung kommen," sagte er. Die Iraker sollten ausländische Intrigen neutralisieren und sich um den Erhalt der nationalen Einheit bemühen. Iran sei jederzeit bereit, sowohl den Demonstranten als auch der Regierung beizustehen.

Irakische Medien berichteten am 9. und 10. Oktober über Angriffe auf einige irakische und arabische Fernsehsender wie al-Arabiya, Diijla TV und Al Hadath. Diese machten Iran nahestehenden Milizen dafür verantwortlich. Al Hadath berichtete, die al-Haschd asch-Schabi-Milizen, die als iranfreundlich bekannt sind, hätte die Angriffe organisiert. Al-Alam, ein iranischer Sender, der in arabischer Sprache sendet, warf den anderen Sendern vor, die Unruhen geschürt zu haben. Daher hätten irakische Bürger vor deren Büros protestiert. Bei den Demonstrationen in Bagdad und anderen Städten wurden auch Parolen gegen Iran und dessen Einflussnahme im Irak gerufen.

Einige Politiker in Iran erklärten, unter den Demonstranten seien feindliche Gruppen, die die Beziehungen zwischen Iran und Irak zerstören wollten. Justizchef Ebrahim Raiisi warf Saudi-Arabien und den USA vor, "böswillig" zwischen Iran und Irak Zwietracht säen zu wollen. Auch Abdollah Sadeghi, Beauftragter des Revolutionsführers bei den Revolutionsgarden, sagte, Ziel der USA sei, die al-Haschd asch-Schabi-Milizen zu vernichten. "Iran befindet sich in einem ernsten Krieg gegen die USA," sagte er. Ziel der Feinde Irans sei es, zu verhindern, dass die Iraker wie die Iraner Revolutionäre werden. Daher sollen die Milizen vernichtet werden.


IRAN DROHT WEGEN TANKERBESCHUSS MIT VERGELTUNG

"Boshaftes Verhalten auf internationalen Schifffahrtswegen wird nicht unbeantwortet bleiben," drohte Ali Schamchani, Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats am 12. Oktober, berichtete Irna. Der Öltanker "Sabiri" war am 11. Oktober im Roten Meer vor Saudi-Arabien von zwei Explosionen erschüttert worden. "Wir haben die Spuren, die zu den Drahtziehern führen, bereits gefunden," sagte Schamchani.

Saudische Behörden teilten mit, der Kapitän des Schiffes habe eine Schädigung der Front des Schiffes gemeldet, dann sei das elektronische Ortungsgerät ausgeschaltet worden und der Tanker sei weitergefahren.

Der Tanker gehört der Iranischen Nationalen Öltarnsportgesellschaft an. Deren Darstellung zufolge wurde das Schiff von zwei voneinander getrennten Sprengkörpern am Rumpf getroffen, weswegen Öl ins Meer geflossen sei. Doch wenige Stunden später hieß es, das Leck habe aufgehört und das Schiff sei langsam weitergefahren. Niemand habe den Tanker unterstützt.

Der Vorfall führte zum Anstieg der Ölpreise auf dem Weltmarkt um zwei Prozent. Auch Präsident Rohani drohte mit Konsequenzen. "Wenn ein Land glaubt, es könne in der Region Instabilität hervorrufen, ohne eine Antwort zu bekommen, dann wäre das ein purer Fehler, "sagte er beim Treffen mit dem pakistanischen Ministerpräsidenten Imran Khan in Teheran. Welches Land er meinte, sagte er nicht. Der pakistanische Premier, der als möglicher Vermittler zwischen Iran und Saudi-Arabien nach Teheran gekommen war, sagte: "Was nie passieren sollte, ist ein Krieg zwischen Saudi-Arabien und Iran." Alle Probleme ließen sich auf diplomatischem Weg lösen.

Indes erklärte der Sprecher der saudischen Grenzwache, der Kapitän des iranischen Tankers habe um Hilfe gerufen. Doch als man ihm zur Hilfe eilen wollte habe er sein elektronisches Ortungsgerät (GPS) ausgeschaltet. Auch habe er auf Botschaften, die gesendet wurden, nicht reagiert. Saudi-Arabien fühle sich nach wie vor dazu verpflichtet, die Sicherheit der Schifffahrt zu gewährleisten und an internationale Vereinbarungen festzuhalten, hieß es aus Riad am 12. Oktober. Der saudische Außenminister Ader al-Dschubeir bestritt, an dem Anschlag gegen den iranischen Tanker beteiligt gewesen zu sein. Auf einer Pressekonferenz am 13. Oktober sagte er: "So etwas tun wir nicht. Das ist keine Methode, die wir anwenden oder in der Vergangenheit angewendet haben. Über den Vorfall ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Wir sollten keine übereilten Schlossfolgerungen ziehen und lieber auf das Ergebnis der Untersuchungen warten."

Am 14. Oktober veröffentlichte Iran Fotos des beschädigten Tankers. Darauf sind zwei Einschlaglöcher am Rumpf des Schiffes, auf Steuerbordseite oberhalb der Wasserlinie zu sehen. Ein britischer Experte sagte der BBC, "es scheint, dass es sich um zwei Einschläge handelt. Es ist aber nicht ersichtlich, welche Waffe dafür verwendet wurden." Es könne sich um Magnetminen handeln.

Heschatollah Falahatpischeh, Mitglied des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik des iranischen Parlaments, sieht einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag und dem Vermittlungsbesuch des pakistanischen Premiers Imran Khan. In einem Interview mit der Agentur Isna sagte er, der Angriff auf den iranischen Tanker richte sich gegen die "stabilisierende Politik der Islamischen Republik." Die Islamische Republik werde zu einer geeigneten Zeit gebührend reagieren, so, dass die Täter ihre Tat bereuen werden. Ziel des Anschlags sei gewesen, die Vermittlungsbemühungen Imran Khans zu überschatten. Er erinnerte daran, dass auch bei einem Besuch des japanischen Ministerpräsidenten in Teheran zwei iranische Tanker attackiert wurden. "Offenbar gibt es Kräfte die eine mögliche diplomatische Lösung der Konflikte verhindern wollen, "sagte er. Wie auch immer, Iran sei in der Lage, die Täter zu ermitteln.

Am 22. Oktober hat die iranische UN-Vertretung UN-Generalsekretär Antonio Guterres gebeten, Experten der Vereinten Nationen mit der Untersuchung des Vorfalls zu beauftragen. In dem Schreiben wird behauptet, dass es sich bei dem Anschlag um einen Akt des Terrors handle, an dem auch ein oder mehrere Staaten beteiligt gewesen sein müssten.


IRANISCHE HACKER GRIFFEN EMAIL-KONTEN IN DEN USA AN

Laut Angaben des Softwareunternehmen Microsoft hat eine iranische Hackergruppe, die der Regierung nahestehen soll, innerhalb weniger Wochen in den Monaten September und Oktober 2.700 Email-Konten identifiziert und 241 davon angegriffen. Betroffen von dem Angriff seien das Wahlkampfteam eines Präsidentschaftskandidaten, frühere und gegenwärtigen Mitarbeiter der US-Regierung sowie Iraner im Exil gewesen, sagte der Vertreter von Microsoft Tom Burt. Um welches Wahlkampfteam und welche Personen es sich handelte, gab Burt nicht bekannt.

Technisch sei der Angriff der Gruppe, die sich Microsoft Phosphorous nennt, "nicht kompliziert" gewesen. Doch sie habe versucht, "eine bedeutende Menge persönlicher Daten abzugreifen," erklärte Burt. Die Hackergruppe, die in Fachkreisen auch "reizendes Kätzchen" genannt wird, hatte die Absicht festzustellen, welche Konten den Zielpersonen zuzuordnen seien, um sie dann anzugreifen. "Diese Bemühungen legen nahe, dass Phophorous hoch motiviert und willens ist, bedeutsame Arbeitszeit und Ressourcen in Nachforschungen und andere Methoden der Informationsgewinnung zu investieren," erklärte Burt am 4. Oktober.

Laut BBC ist "das reizende Kätzchen" in Iran dadurch bekannt, dass es versucht hat, die Konten von Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif und einigen Journalisten zu hacken. Laut dpa vom 4. Oktober wolle Microsoft mit der Veröffentlichung Transparenz in allen Fällen garantieren, in denen Staaten versuchen, demokratische Prozesse zu stören.


AUSTRALISCHES EHEPAAR FREIGELASSEN

Das australische Außenministerium gab am 5. Oktober bekannt, dass das aus Perth stammende Ehepaar Jolir King und Mark Firkin, sich wieder in Freiheit befinden. Den Reisebloggern war vorgeworfen worden, für ausländische Geheimdienste spioniert zu haben. Konkret warf ihnen die Justiz vor, mit einer Drohne "militärische Anlagen und Sperrgebiete" fotografiert zu haben.

Zur gleichen Zeit meldete die staatliche Agentur Irna, Resa Dehbaschi, ein iranischer Student, der in australischer Haft war, sei in Teheran eingetroffen. Dehbaschi hatte nach Angaben australischer Behörden versucht, militärische Ausrüstung nach Iran zu schicken.

Offiziell gibt es von Seiten der Regierungen beider Staaten keine Stellungnahme zu der gleichzeitigen Freilassung. Politische Beobachter vermuten einen Gefangenenaustausch. Das australische Ehepaar reist durch verschiedene Länder und berichtet darüber auf sozialen Netzwerken. Zuletzt berichtete es über Kirgistan und Pakistan. Die Verhandlungen über die Freilassung des Paars seien "sehr heikel" gewesen, sagte die australische Außenministerin Marise Payne am 5. Oktober. "Die beiden sind guter Stimmung und bei guter Gesundheit."

Eine weitere Australierin, Kylie Moor-Gilbert, befindet sich noch in iranischer Haft. Sie ist Wissenschaftlerin, Expertin für den Nahen Osten, ihr Schwerpunkte sind die Staaten am Persischen Golf. Sie lehrt an der Universität Melbourne. Sie war lange vor dem Ehepaar wegen Verdacht auf Spionage in Haft genommen worden. Die Verhandlungen über ihre Freilassung seien weitaus schwieriger, sagte Payne. Offenbar ist die Wissenschaftlerin bereits zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.


IRAN HAT USA EINE LISTE ZUM GEFANGENENAUSTAUSCH ÜBERGEBEN

Das Teheraner Außenministerium erklärte am 21. Oktober, es habe den USA eine Liste der Namen von Iranern übergeben, die im Falle eines Gefangenenaustauschs aus US-Gefängnissen entlassen werden sollten. Der Sprecher des Ministeriums, Abbas Mussawi, sagte auf einer Pressekonferenz in Teheran, "wir setzen unsere diplomatischen und juristischen Bemühungen zur Freilassung dieser Personen fort. Wir haben der USA sogar eine Liste der Gefangenen überreicht, die aus dem Gefängnis entlassen werden sollten."

Um welche Gefangenen es sich handelt, wurde nicht öffentlich bekannt gegeben. Doch Außenminister Mohammad Dschawad Sarif sagte kürzlich, er hoffe bald "gute Nachrichten" über die Freilassung des iranischen Wissenschaftlers Masud Soleimani zu erhalten. Soleimani wurde im vergangenen Jahr mit der Begründung, gegen die Sanktionsgesetze der USA verstoßen zu haben, festgenommen.

Das Thema Gefangenenaustausch zwischen Iran und den USA wurde während des Besuchs von Präsident Rohani, der sich zur Teilnahme an der UN-Vollversammlung in New York aufhielt, erörtert. Er sagte auf einer Pressekonferenz am Rande der UN-Vollversammlung: "Auch in der Zeit der Regierung Trump haben wir mit den Amerikanern über einen möglichen Gefangenenaustausch gesprochen. Wir haben sogar einen amerikanisch-libanesischen Gefangenen freigelassen. Doch statt ihre Vereinbarungen einzuhalten, haben sich die USA mit einem bloßen Dank begnügt. Sollten die Amerikaner in diese Richtung Schritte unternehmen, wären wir zum Austausch bereit." Tatsächlich hatte Teheran den amerikanisch-libanesischen Staatsbürger nach fast vierjähriger Haft im Juni dieses Jahres freigelassen. Er war zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Derzeit befinden sich eine ganze Reihe iranische Doppelstaatler sowie Bürger anderer Staaten in iranischen Gefängnissen. Den meisten wird Spionagetätigkeit vorgeworfen. Einige unter ihnen sind bereits zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden.

Mussavi sprach mit Blick auf die iranischen Gefangenen in den USA vom "Menschenraub." Zu den Personen, die sich in iranischer Haft befinden, sagte er: "Diese Personen sind nicht Angeklagte, sie sind bereits verurteilt. Ihre Schuld ist ausreichend belegt." Man könne also diese Gefangenen nicht mit den iranischen Gefangenen in den USA vergleichen. "Dennoch sind wir aus humanitären Gründen bemüht, ihnen zu helfen, sollten wir legale und juristische Wege dafür finden."


IRAN BEDINGT ZU GESPRÄCHEN MIT DEN USA BEREIT

Nach seiner Rückkehr aus New York erklärte Präsident Hassan Rohani, die USA hätten ihm die Aufhebung der Sanktionen angeboten, wenn Iran zu Verhandlungen bereit wäre. Bundeskanzlerin Angela Merkel, der britische Premier Boris Johnson und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seien anwesend gewesen. Auch sie hätte gewollt, dass das

Gespräch stattfindet. "Sie (die Amerikaner) haben eindeutig gesagt, wir heben alle Sanktionen auf," betonte Rohani. Allerdings sei die Art und Weise, in der das Angebot vorgebracht worden sei, inakzeptabel gewesen. Zudem könne niemand voraussagen, zu welchem Ergebnis Verhandlungen in einer "vergifteten Atmosphäre des maximalen Drucks" geführt hätten.

Am 30. September erklärte der Sprecher des Teheraner Außenministeriums Abbas Mussawi: "Es wird keinen Plan B und auch keinen Kurswechsel" in der iranischen Außenpolitik geben. Zur Lösung bestehender Konflikte habe Iran bereits mehrmals den Amerikanern "den Weg gezeigt." Einen anderen Weg werde es nicht geben, das sei den Amerikanern bewusst.

Am 2. Oktober bedankte sich Rohani bei Macron für seine Vermittlungsbemühungen. Er zeigte sich weiterhin offen für Gespräche. Für das Scheitern von Macrons Bemühungen machte er Trump verantwortlich. Trump habe, während Macron mit beiden Seiten verhandelte, zweimal neue Sanktionen gegen Iran verordnet.

Der französische Vorschlag für Verhandlungen sei für ihn akzeptabel gewesen, sagte Rohani. "Iran sollte auf den Bau von Nuklearwaffen verzichten. Wir haben immer gesagt, dass wir nicht so etwas planen. Iran sollte die Friedensinitiativen im Nahen Osten unterstützen. Das tun wir die ganze Zeit. Im Gegenzug sollten die USA sämtliche Sanktionen aufheben, Iran solle die Möglichkeit erhalten, seinen Ölexport sofort wieder aufnehmen und über die Einnahmen verfügen," sagte der Präsident. Er äußerte die Hoffnung, dass "nicht alle Kanäle geschlossen worden sind" und die Europäer ihre Vermittlungsbemühungen fortsetzen.

Wenige Tage zuvor hatte Revolutionsführer Ali Chamenei Verhandlungen mit den USA als sinnlos bezeichnet und diese ausgeschlossen. Dennoch sagte Rohani, der Weg für Verhandlungen sei offen, vorausgesetzt, die Rechte des iranischen Volkes würden akzeptiert.


AUSSCHLUSS IRANS AUS JUDO-WELTVERBAND

Der Judo-Weltverband hat Iran von allen internationalen Judo-Wettkämpfen ausgeschlossen. Iran hat 21 Tage Zeit, um diesen Beschluss anzufechten.

Der Verband hatte die Akte Iran am 10. September dem Disziplinarkomitee vorgelegt. Drei Tage später wurde der iranische Judo-Verband davon in Kenntnis gesetzt. Am 18. September hat das Komitee Iran vorübergehend aus den Wettkämpfen ausgeschlossen. Nun wurde der Beschluss von dem Weltverband bestätigt.

Die Übergabe der Iran-Akte an das Komitee erfolgte, nachdem der iranische Kämpfer Said Mollai erklärt hatte, er sei vom Vorsitzenden des iranischen Judo-Verbands, dem Vorsitzenden des Olympischen Komitees und dem Nationaltrainer angewiesen worden, in der Klasse bis 81 Kilogramm aufzugeben, um damit einen Kampf zwischen ihm und dem Israeli Sagi Muki in Tokio zu vermeiden.

Iran nahm an dem Disziplinarverfahren schriftlich teil und bestritt in einem Schreiben alle Vorwürfe. In der Erklärung des Disziplinarkomitees heißt es: "Die Vorwürfe Mollais wurden von Abdollah Moradef bestätigt. Er spricht Persisch und ist bei den Wettkämpfen in Tokio dabei gewesen. Er hat bestätigt, dass der iranische Vizeminister für Sport, Mohammad Resa Dawarsani, durch einen Anruf und Resa Salehi, Vorsitzender des olympischen Komitees, durch Videokontakt, Mollai angewiesen haben, nicht zu kämpfen, um dem israelischen Gegner nicht zu begegnen."

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Florian Kommer
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
18. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 11/2019 - November 2019 / 18. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2019

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