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GUTE-NACHT/2330: Familie Schwalbe - Mehl- und Rauchschwalben (SB)


Familie Schwalbe - Mehl- und Rauchschwalben

Nachbar Elster kommt ganz aufgeregt an den Zaun. "Schauen sie nur! Jetzt bauen zwei Schwalbenpaare neue Nester unter meinem Dach." Das will sich Vater Menschlein genauer ansehen und schließt sich Herrn Elster an. Die vier Schwalben, die sie vorfinden, scheinen selbst an der Wand zu kleben wie die fast schwarzen Flecken, aus denen die neuen Nester entstehen. "Es sind Mehlschwalben", stellt Vater Menschlein fest, "keine Rauchschwalben." Nachbar Elster wundert sich, woran sein Nachbar das wohl erkennt. Vater Menschlein erklärt es ihm: "Mehlschwalben bauen nicht in Hauseingängen, sondern direkt unter dem Dachvorsprung. Während die Nester der Rauchschwalben wie eine Schale aussehen und oben ganz offen sind, haben die Nester der Mehlschwalben nur eine kleine rundliche Öffnung zum Ein- und Ausfliegen der Schwalben." - "Die Nester sind aber doch noch gar nicht fertig gebaut", stellt Nachbar Elster fest, "woran wollen sie nun also festmachen, um welche Schwalbenart es sich handelt?" Vater Menschlein nickt: "Ja, die Farben des Gefieders der beiden Arten unterscheiden sich ebenfalls. Meine Rauchschwalben haben braune Kehlchen, die Mehlschwalben dagegen haben weiße." "Aha", sagt Nachbar Elster. Vater Menschlein fragt nun: "Haben sie schon einmal daran gedacht, ein Schwalbentagebuch zu führen? Das habe ich vor ein paar Jahren gemacht. Es ist interessant von Zeit zu Zeit mal wieder darin zu lesen!"


Aus dem Tagebuch einer Schwalbenfamilie - Teil 2


19.05.2002


Nach der Aufregung mit der Katze Schirkan und der verloren bzw. verspeist geglaubten Schwalbe sind beide Schwalben heute wieder zu sehen. Zum Glück ist beiden nichts passiert. Wir dachten schon, eine Schwalbe wäre von der Katze, die gestern den ganzen Tag auf dem Hof herumlungerte und sogar noch um Mitternacht vor unserem Haus ihr Nachtkonzert gab, gefressen worden.

Inzwischen ist das neue Schwalbennest fertig. Die Arbeiten daran haben die Schwalben ungefähr eine Woche bis 10 Tage in Anspruch genommen - wobei der Hauptteil des Nestes innerhalb von vier Tagen fertiggestellt wurde. Man konnte das Nest richtig wachsen sehen. Heute hantierten die Schwalben abwechselnd tagsüber noch mit Stroh- halmen und Grashalmen im Nest herum, als wollten sie es auspolstern. Jetzt scheint es zum Brüten bereit zu sein. Zuerst werden die Eier gelegt und dann schön warm gehalten bis die Jungen schlüpfen. Zur Nachtruhe haben sich unsere beiden Schwalben wieder eingefunden und seltsamerweise hocken sie diesmal beide in dem Nest, während in den vergangenen Tagen immer eine Schwalbe die Nacht auf dem Brett verbrachte. Jetzt sitzt die eine Schwalbe rechts, die andere links auf dem Nestrand. Ihre Schwanzspitzen ragen darüber hinaus.


20.05.2002


Es ist 21.40 Uhr: Gerade sind die beiden Schwalben wieder in ihr Nest zurückgekehrt. Plötzlich gibt es Streit. Das Weibchen schimpft mit dem Männchen und verweist es des Nestes. Es soll gefälligst wieder auf dem Brett übernachten. Gestern noch schliefen beide Schwalben zusammen in dem Nest. Heute aber will das Weibchen allein im Nest schlafen. Mir kommt der Gedanke, daß die gestrige Nacht die Hochzeitsnacht der beiden Schwalben gewesen sein könnte. Ob schon Eier im Nest liegen? Auf jeden Fall muß Gucky wieder außerhalb des Nestes auf dem Brett übernachten, da gibt es kein Pardon.


21.05.2002


Früh am Morgen waren die Schwalben schon ausgeflogen. Doch gegen Mittag sind sie zu einer kleinen Rast wieder zurückgekehrt. Vielleicht wollen sie etwas Kühle vor der Sonnenhitze suchen. Zuerst ist nur eine Schwalbe durch das Oberlicht der Tür zu sehen. Doch beim Heraustreten entdecke ich auch die zweite Schwalbe, die ausnahmsweise nicht im Nest, sondern auch auf dem Brett sitzt. Einen kurzen Augenblick schauen sie zu mir herab. Doch dann fliegen beide wieder fort und halten eine kleine Zwischenrast auf der Stromleitung, von woaus sie alsbald weiterfliegen. Wo sind eigentlich all die anderen Schwalben abgeblieben, die im vergangenen Jahr bei uns aufgewachsen sind? Zwischen 20.00 und 21.00 Uhr kommen die Schwalben nach Hause. Heute setzten sie sich beide auf das Brett im Eingang. "Müßt ihr nicht auf den Eiern sitzen? Zumindest einer von euch?" frage ich sie. Dann fällt mir auf, daß die beiden wirklich gut genährt aussehen, richtig moppelig sind sie.


23.05.2002


Um 21.00 Uhr sind die Schwalben zuhause. Es stört sie nicht, daß die Haustür aufgeht. Tagsüber stört sie das immer und sie fliegen sofort davon. Nur abends im Dämmerlicht, wenn sie sich zur Ruhe gesetzt haben und wissen, daß die Nacht gleich kommt, dann schauen sie einfach nur zu uns herunter und vertrauen darauf, daß wir ihnen nichts tun.


25.05.2002


Neugierig hole ich mir eine Leiter. Die Schwalben sind gerade nicht vor Ort. Ich möchte in das Nest hineinschauen. Denn es interessiert mich, ob die Schwalben schon Eier gelegt haben. Von ihrem langen Fernbleiben vom Nest her, nehme ich nicht an, daß schon Eier dort oben drin liegen. Doch ich möchte es genauer wissen. Aber leider ist die Leiter etwas zu kurz und ich sehe nichts. Hineinfassen in das Nest könnte ich. Aber ich tue es nicht. Denn die Vögel würden meinen Geruch wahrnehmen und dann vielleicht hier nicht mehr weiterbrüten. Das will ich nicht riskieren. Ich denke mir aus, einen Spiegel an einer Stange zu befestigen, um ins Nest schauen zu können. Auch Fotos möchte ich von unseren Schwalben knipsen. Sie sehen doch zu niedlich aus.


26.05.2002


Seit heute sitzt die Schwalbenmutter des öfteren auf dem Nest. Ich glaube es liegen jetzt Eier darin, die sie warmhalten muß. Gucky schläft weiter allein auf seinem Brett. Mal sehen, wie lange es dauert, bis die Kleinen schlüpfen und dann ein Konzert veranstalten.


27.05.2002


Ja, die Schwalbenmutter muß wohl brüten. Denn selbst, wenn ich mehrmals am Tag zur Tür herauskomme, fliegt sie nicht gleich weg, wie sie es noch in der vergangenen Woche getan hat. Nur ab und zu fliegt sie für kurze Zeit fort. Dann nimmt sie bestimmt ihre Mahlzeiten ein.


30.05.2002


Was für ein schrecklicher Tag muß der heutige in den Kulleraugen des armen Guckys gewesen sein. Da fliegt man seine Runden und ahnt nichts Böses und plötzlich ist alles anders.

Eigentlich fliegen Gucky und seine Schwalbengattin nur in den Vorbau des Hauseingangs, wenn die Haustür selbst geschlossen ist. Steht sie offen, dann drehen die Schwalben eine Extrarunde und kehren erst zum Eingang zurück, wenn die Tür wieder zugesperrt ist. Diesmal jedoch stand die Haustür wohl viel zu lange auf, und Gucky flog bei offener Tür in den Eingang. Dabei landete er nicht auf seinem Brett, sondern geriet in den Schlund der offenen Tür und verirrte sich im Haus. Vom Flur aus flog er weiter nach oben die Treppe hinauf, weil er sich dort einen Ausgang erhoffte. Doch es wurde schlimmer. Er geriet in ein Zimmer.

Das wäre ja alles halb so wild gewesen, wenn dort oben nicht unser Hund sein Reich als bedroht angesehen hätte. Er sah die Schwalbe und begann fürchterlich zu bellen und hinter ihr herzujagen. Erst seit diesem Jahr haben wir einen Hund. Ich hatte mir schon einige Sorgen gemacht, als die Schwalben noch nicht von ihrem Flug gen Süden zurück waren, wie unser Cocker auf die Schwalben reagieren würde. Ob er sie anbellt und damit verschreckt, oder ob er gar nach ihnen schnappt und sie verjagt. Doch dergleichen geschah nicht. Noch kein einziges Mal hatte er wegen der Schwalben gebellt. Bisher noch kein einziges Mal. Jetzt war die Situation aber eine völlig andere. Da war so ein Flatterding ungewohnterweise bei uns ins Zimmer gelangt. Ein rechter Wachhund muß da ja wohl in Aktion treten. Das tat unser Hund. Aufgeregtes Gebell war zu hören. Aber nicht nur er war aufgeregt. Sein Gebelle rief auch die Frau des Hauses auf den Plan. Sie sah die Schwalbe und versuchte gleichzeitig den Hund zu beruhigen, sowie die Schwalbe wieder aus dem Zimmer zu bekommen. Schließlich flog die Schwalbe ganz verstört in Richtung Himmel und ließ dabei einige Häuflein vor Verzweiflung und Angst unter sich zurück. Gucky flog zum Fenster hin. Doch das war verschlossen und so lernte Gucky die Tücken von Glasscheiben kennen. Leider dauerte diese Aktion der Hausfrau viel zu lange. Denn während sie versuchte die Schwalbe einzufangen, um sie wieder in Freiheit zu entlassen, bellte und tobte unser Hund noch immer. Bei dieser Hetzjagd hatte bereits ein Blumentopf sein Leben gelassen. Jetzt mußte etwas geschehen, denn die Situation war für alle Beteiligten - Frauchen, Hund und Schwalbe - einfach nicht zum Aushalten. Also was tun?

Frauchen schnappte sich eine Decke und fing damit die Schwalbe ein - armer Gucky - was für ein dunkler Moment in deinem kleinen Leben. Doch nun war es endlich vorbei und Gucky wieder frei. Was er tat? Ich weiß es nicht. Leider war ich nicht zuhause. Dann hätte der Blumentopf wahrscheinlich überlebt und Gucky hätte keine Bekanntschaft mit der Decke gemacht. Denn bereits im vergangenen Jahr hatten sich dann und wann Schwalben in den Hausflur verirrt. Stets hatte ich sie durch das Fenster im Treppenhaus wieder nach draußen befördern können.


21. Mai 2007

Gute Nacht