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GUTE-NACHT/2408: Miranda verklebt ihr Puppenhaus (SB)


Auf dem Rand eines Blumentopfes, der auf der Fensterbank steht, sitzt Arim und stützt den Kopf auf seine beiden Fäuste. Er sieht traurig aus. Das sieht Miranda sofort. "Aber warum ist er traurig, wir haben doch immer so viel Spaß zusammen?" stellt sich Miranda die Frage. Eigentlich weiß sie bereits, was mit Arim los ist. Wäre sie in einer fremden Welt, würde sie Heimweh bekommen.

"Sicher hat Arim Fernweh", sagt sich Miranda, um es nicht ganz so schlimm erscheinen zu lassen. Miranda versucht Arim aufzuheitern. Zuerst reicht sie ihm einen Riegel Süßes, den er sonst stets gern annehmen würde. Doch Arim mag nicht. "Möchtest du schwimmen und im Waschbecken baden?" fragt Miranda als nächstes. Arim schüttelt nur den Kopf.

"Vielleicht fehlt Arim sein eigenes kleines Haus?" überlegt Miranda. Da fällt ihr ein, das alte Barbiehaus, das Opa ihr gebaut hat, steht noch auf dem Speicher. Es ist viel größer als ihr neues Barbiehaus aus Plastik. Das könnte ihre Mama doch wieder herunterholen. Kens Anziehsachen haben Arim schließlich auch gepaßt.

Ohne Arim etwas zu sagen, zieht sie den Vorhang hinter ihm zu und läßt ihn allein in ihrem Zimmer. Dann geht sie zu Mama und wünscht sich das alte Barbiehaus zurück. "Du hast doch ein neues Haus!" ist Mamas Antwort. "Aber Barbie möchte jemanden besuchen und da brauche ich noch ein Haus", erklärt Miranda. Miranda hat Glück. Mama hat noch Wäsche, die Miranda zu klein geworden ist. Die will Mama auf dem Dachboden aufheben. In diesem Zuge holt sie auch das Spielhaus aus Holz wieder herunter. Es ist ganz schön schwer. Verstaubt ist es ebenfalls und eine Spinne hat sich gar eingenistet. "Zeit, um das Haus sauber zu putzen, habe ich jetzt aber nicht", sagt Mama, denn sie will noch einkaufen gehen. "Ich mache das schon", entgegnet Miranda und läßt sich von Mama nur ein Putzeimerchen und Lappen geben.

Es dauert eine Weile bis Miranda alles schön sauber hat. Sie ist ganz stolz auf sich. Ein ganzes Haus hat sie geputzt und es hat gar nicht lange gedauert. Aus der Küche über den Flur will Miranda das Haus in ihr Zimmer schieben, indem sie sich dagegenlehnt. Auf dem steinernen Küchenboden erfolgt ein schabendes Geräusch. Miranda erinnert sich an den Umzug von Onkel Michael. Da hatten die Umzugshelfer Rollen bei sich, die sie unter den großen Schrank legten und so diesen fortbewegten. Miranda geht in ihr Zimmer. Zuerst schaut sie hinter den Vorhang. Arim sitzt immernoch auf dem Blumentopf. Er sieht noch trauriger aus als zuvor. Miranda holt sich aus ihrer Spielekiste zwei Rollen, die ihr Papa aus dem Büro mitgebracht hat. Normalerweise ist auf diesen Rollen Faxpapier. Doch wenn das Papier aufgebraucht ist, hat Papas Firma keine Verwendung mehr für die leeren Rollen. Deshalb bekommt Miranda sie zum Spielen und Basteln. Einmal haben Papa und Miranda daraus ein Floß gebaut. Leider hielt es sich nicht lange auf dem Wasser in der Badewanne und ging unter. Jetzt aber kommen diese Rollen doch noch zum Einsatz.

Miranda hebt das Barbiehaus an - das schafft sie - und legt die erste Rolle unter. Nun kippt sie das Haus nach vorn und rollt es ein Stück über den Küchenboden. Diesmal ist kein schabendes Geräusch zu vernehmen. Jetzt kann Miranda die zweite Faxrolle unterlegen. In dieser Weise fährt sie fort, bis sie das Puppenhaus aus der Küche über den Flur in ihr Zimmer geschafft hat. Miranda ist ganz stolz. Sie holt Arim vom Fensterbrett und stellt ihn vor sein neues Heim. "Ein ganzes Haus für dich allein!" sagt sie. Arim schaut etwas verwirrt. "Nunja", sagt Miranda, "es fehlen die vorderen Wände. Aber wir können ja Pappe davor kleben." Schon kramt sie in ihrer Bastelkiste. Arim geht in das Puppenhaus hinein. Der erste Raum hat ein Polster zum Sitzen. Im zweiten Raum entdeckt Arim eine Treppe, die nach oben in den ersten Stock führt. Hier liegt eine winzige Matratze, für Arim aber groß genug. Arim streckt sich darauf aus. Dann betritt er den Raum daneben. Es scheint ein Mini-Badezimmer zu sein. Was ist das? In der Badewanne hockt ein schwarzer Fleck.

Miranda ist mit Pappe und Klebestreifen zurück. "Wie gefällt dir Mini?" fragt Miranda, die Arim oben im Badezimmer vor der Badewanne entdeckt. "Ist das Mini?" fragt Arim und zeigt auf den schwarzen Fleck. "Ja, ich dachte, du möchtest vielleicht ein Haustier haben?" sagt Miranda in fragendem Ton. Arim tritt näher und begrüßt Mini. "Hey Mini, willst du hier in der Badewanne wohnen?" Die kleine Spinne scheint zu bemerken, daß sie gemeint ist und bewegt sich hin und her. "Ich denke, sie ist einverstanden." Damit verläßt Arim das Badezimmer und blickt zu Miranda. "Wo sollen denn jetzt die Wände hin?" fragt Miranda. Arim ist dafür, unten am Boden nur einen Raum mit Pappe abzudecken. Ansonsten möchte er alles dicht haben.

Gerade als Miranda die dritte Pappe angebracht hat, hört sie die Haustür. "Versteck dich schnell", ruft sie noch Arim zu und geht auf den Flur. Mama ist vom Einkaufen zurück. Wie gewöhnlich fragt Miranda: "Hast du mir etwas mitgebracht?" Mama mahnt: "Warte einen Moment!" Sie stellt die Taschen auf dem Küchentisch ab, gleich neben Mirandas Putzeimerchen.

"Wo hast du denn das Puppenhaus?" fragt Mama. "In meinem Zimmer", antwortet Miranda. "Aber wie hast du das denn dort hinbekommen? Es ist doch ganz schön schwer", wundert sich Mama. "Mit dem Umzugstrick", erklärt Miranda. Diesen Begriff hatte der Umzugshelfer gebraucht. Mama schlägt die Hände vor dem Gesicht zusammen und fragt: "Mit Speck?" Miranda weiß nichts von Speck. Diesen Trick kennt wohl nur ihre Mama, und sie hat ihn sicher von Mirandas Oma. Früher waren die Schränke sehr groß und schwer. Wenn die verrückt wurden, legte man ein Stückchen Speck unter und schon schob sich der Schrank ganz leicht weiter. Das gab natürlich Speckspuren auf dem Fußboden. Aber das machte nichts. Damals gab es keine Teppichböden wie heute. Die Böden waren meist aus Stein oder Holz. Die Speckspur konnten leicht weggewischt oder in den Holzboden eingerieben werden, so als würde man den Boden bohnern.

Miranda zeigt Mama die Faxrollen. "Kluges Kind", bemerkt Mama. Gut, daß noch die Einkaufstüten auf dem Tisch stehen. Denn jetzt wird Mama erst einmal die Tüten auspacken, bevor sie Miranda in ihrem Zimmer besucht. Inzwischen hat Arim Zeit, sich zu verstecken.


*


In dieser Nacht schläft Arim das erste Mal in seinem neuen Haus. Miranda hat es ganz dicht an ihr eigenes Bett gestellt. Durch das Fenster kann sie Arim auf seiner Matratze liegen sehen. Jetzt wäre Miranda auch gern ganz klein.

22. August 2007

Gute Nacht