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GUTE-NACHT/2493: Das Riechfläschchen (SB)


Mutter Maus im Sandmannhaus

Von ihrem kleinen Schlupfwinkel aus, unten in der hölzernen Fußleiste des Arbeitszimmers, blickt Mutter Maus immer wieder hinüber zum Tisch, auf den der Sandmann seinen Kopf gelegt hat und im Sitzen schläft. Schon fast seit zwei Tagen schläft er so. "Ob er krank ist?" fragt sich Mutter Maus. Jedenfalls kann das nicht so weitergehen. Der Sandmann soll wieder Geschichten in sein Buch der Träume schreiben. Damit die Kinder und auch die Mäusekinder nachts wieder träumen können.

Mutter Maus tritt vom Loch in der Fußleiste zurück in die kleine Höhle dahinter. Mit Heu und Stroh und so dies und das ist die Höhle recht wohnlich eingerichtet. Hier lebt Mutter Maus mit ihren sechs Kindern und selbstverständlich auch mit Großmutter Maus.

"Paßt du bitte ein Weilchen auf die Kleinen auf? Ich werde versuchen, den Sandmann zu wecken", erklärt Mutter Maus. "Aber sei vorsichtig", sagt Großmutter, "sonst läufst du noch in eine Mausefalle oder fällst Kater Mombart in die Pfoten. Am besten wird es sein, du bleibst einfach hier und läßt den Sandmann schlafen." "Das kann ich nicht. Du siehst doch auch, wie es den Kleinen geht, wenn sie nicht träumen können. Sie sind unruhig und gereizt. Es ist, als ob sie den ganzen Tag und auch die Nacht auf etwas warten, aber nicht wissen auf was."

Mit diesen Worten zieht Mutter Maus los. Sie hat ein kleines Fläschchen dabei. Darin befindet sich ein ganz scharfes Salz. Das will sie dem Sandmann unter die Nase halten. "Davon wird er bestimmt aufwachen", denkt Mutter Maus, "ich muß nur zusehen, daß ich den Stöpsel erst herausziehe, wenn ich außer Reichweite bin."

Dazu hat Mutter Maus sich einen langen Faden mitgenommen. Den knotet sie jetzt an den Stöpsel der Flasche. Die Flasche selber steckt Mutter Maus dem schlafenden Sandmann zwischen Zeigefinger und Daumen. Jetzt braucht sich Mutter Maus nur ein Stückchen zu entfernen und kann von dort aus an dem Seil ziehen. Ein bißchen hat sie den Stöpsel schon gelockert, damit sie nicht die ganze Flasche hinter sich herzieht.

Mutter Maus geht bis zur Tischkante. Hier wird sie gleich, wenn sie an dem Faden gezogen und den Stöpsel vom Riechfläschchen entfernt hat, geschwind am Tischbein hinunterrutschen. Nur noch schnell über den Fußboden laufen und in der Fußleiste verschwinden.

Doch was ist das, der kleine Flaschendeckel will nicht herauskommen. Dafür aber bewegt sich die Klappe in der Tür, was Mutter Maus nicht sehen kann. Doch ihre Nase ist so gut, daß sie sogleich den Geruch von Kater Mombart wahrnimmt. "Oh du liebe Güte, was soll ich tun?" überlegt Mutter Maus geschwind. Es gibt nur eine Lösung. "Nur wenn ich mich irgendwo in den Taschen des Sandmanns verstecke, bin ich vor Mombart sicher. Was aber wenn jetzt der Sandmann aufwacht? Dann bin ich geliefert", so geht es Mutter Maus durch den Kopf. Doch von Mombart will sie nicht gefressen werden und schlüpft in die Brusttasche der Jacke des Sandmanns. Ihr kleines Herz schlägt ihr bis zum Hals. Durch die Maschen des Stoffes kann Mutter Maus erkennen, daß Kater Mombart auf den Tisch gesprungen ist und in die Luft schnüffelt. Wäre der Sandmann jetzt wach, würde sich Mombart das nicht erlauben. Also scheint es doch schlimmer um den alten Sandmann gestellt zu sein als Mutter Maus bisher gedacht hat.

Mutter Maus betet, daß Mombart sich bald wieder davon macht und lauscht auf all seine Bewegungen. Dann hört sie die Katzenklappe, durch die Mombart wieder ins Freie verschwindet. Gut so. Hoffentlich ist es keine Falle und Mombart kehrt gleich wieder zurück. Vorsichtig steigt Mutter Maus aus der Brusttasche heraus. Schnell ist sie dann an der Tischkante angelangt.

Nun kommt endlich ihr langgeplanter Einsatz zur Ausführung. Mutter Maus zieht an dem Faden und diesmal hebt sich der Stöpsel von der kleinen Flasche. Mit einem Satz ist Mutter Maus das geschwungene Tischbein hinuntergerutscht und fast genauso schnell in dem Loch in der Fußleiste verschwunden. Von hier aus beobachtet sie, was weiter geschieht. Doch anscheinend war die ganze Aktion umsonst, denn im Arbeitszimmer geschieht nichts. Der Sandmann schläft in aller Ruhe weiter.

1. Dezember 2007

Gute Nacht