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GUTE-NACHT/2549: Maulwurf Hans an der Quelle (SB)


Der Maulwurf, der sich verirrte (10)

Die Erde bebte, Maulwurf Hans rutschte durch seinen Gang bis ans Ende und wäre wohl noch weiter gefallen, wenn die glatte Wand ihn nicht gestoppt hätte. "Was ist das?" fragte sich Hans.

Das Maulwurfsfest, das Fräulein Janzik mit ihren Schülern feierte, ging dem Ende, ja eigentlich seinem Höhepunkt zu. Das Aquarium wurde von zwei Schülern hochgenommen und ins Freie getragen. Draußen stand schon der Bollerwagen. Das Aquarium wurde etwas unsanft auf den Wagen gestellt. "Vorsichtig!" schimpfte Barbara. Dann zog der kleine Trupp los. Es ging durchs Dorf und dann hinaus in die Felder.

Maulwürfin Gerlinde und Vetter Franz hatten sich etwas ratlos auf einen der vielen Maulwurfshügel gesetzt. Schon einige ihrer Artgenossen, die aus dieser Gegend stammten, hatten sie befragt. Aber keiner kannte Maulwurf Hans oder hatte je von ihm gehört.
Gehört hatten aber alle von den Menschenkindern, die in den vergangenen Tagen oft hier auf dem Feld gewesen waren. Und die Geschichte war etwas seltsam. Wußten die Maulwürfe doch, daß Menschen keine Regenwürmer aßen, sondern nur das Gemüse, das auf den Feldern wuchs. Aber da kamen in den letzten Tagen immer ein paar Kinder und gruben nach Regenwürmern. Hatten die Menschen vor, den Maulwürfen ihre Nahrung wegzunehmen und selber zu essen? Dieses Gerücht ging bei all den Maulwürfen um.

Das Beben und die Erschütterungen wurden von einem Rumpeln abgelöst, das Maulwurf Hans schon kannte. Vor ein paar Nächten, als er von dem Schatten hochgenommen worden war, war anschließend dieses Rumpeln gefolgt. Wo ging es heute wohl hin?

Manche Maulwürfe verhielten sich freundlich Gerlinde und Vetter Franz gegenüber. Andere ärgerten sich und dachten: `Zuerst kommen die Menschenkinder und holen sich unsere Regenwürmer. Dann kommen noch diese beiden neuen Maulwürfe. Und nicht genug, sie fragen auch noch, ob schon ein dritter Fremder angekommen sei. Was wollen wir mit diesen Fremden? Die nehmen uns nur unser Futter weg.' Zum Glück dachten nicht alle Maulwürfe so. Gerlinde und Franz waren müde von dem langen Weg, den sie hinter sich gebracht hatten. Das sah Maulwurf Franziskus. Er lud die beiden ein, gab ihnen zu essen und zeigte ihnen den Weg zum Rand des Feldes, wo eine kleine Quelle versteckt in einem Graben vor sich hinplätscherte. "Hier ist ein guter Platz, um sich auszuruhen", munterte Franziskus die beiden auf, "wenn ihr wollt, könnt ihr heute in meiner Erdhöhle übernachten. Dann könnt ihr morgen nach eurem Freund ..." - "... und Mann", warf Gerlinde ein - "... und Mann weitersuchen." Franz und Gerlinde waren einverstanden. Zuerst einmal wollten sie sich ein Weilchen neben die Quelle setzen und dem Wasser lauschen. Vielleicht hatte das Wasser ja etwas von Maulwurf Hans gehört. Schließlich floß das Quellwasser, bevor es aus der Erde ans Licht sprudelte, weite Wege unter der Erde entlang. Vielleicht hatte das Wasser auf seiner unterirdischen Reise etwas erfahren oder Hans getroffen. Schließlich stillte auch ein Maulwurf von Zeit zu Zeit seinen Durst.

Mit lautem Getöse zog der kleine Umzug mit seinem Bollerwagen durch das Dorf. Ein paar Kinder hatten sich schon nach Hause abgesetzt. Die meisten liefen jedoch bis zum Feld "der Maulwurfshügel" mit. Es dauerte nicht lange, da bog die kleine Gesellschaft in einen Seitenweg ein. Der Weg war nicht gepflastert oder geteert. Der Bollerwagen polterte noch mehr als vorher.

Wäre die Höhle von Maulwurf Hans in dem kleinen Aquarium nicht aus Erde sondern aus Stein, hätte sich Hans ganz schön den Kopf gestoßen, so polterte der kleine Wagen über den Feldweg.

"Da vorne ist es!" - "Wo wollen wir den Maulwurf freilassen?" - "Gibt es hier auch keine Füchse?" - "Wir müssen aufpassen, daß Grabing nicht von einem großen Vogel geholt wird." - "Wir bleiben, bis Grabing sich ein Loch gegraben hat." So gingen die Stimmen der Kinder durcheinander. Farmer zeigte die Stelle, wo der Wassergraben mit der kleinen Quelle war. "Da wollen wir den Maulwurf aber nicht freilassen!" empörte sich Barbara. Sie hatte Angst der Maulwurf könnte in den Bach fallen und ertrinken. "Aber, wenn er Durst hat, dann hat Grabing das Wasser gleich in seiner Nähe", beruhigte Helga ihre Freundin. "Nein, suchen wir lieber einen anderen Platz!" Farmer lachte. Er wußte, daß Barbara nicht schwimmen konnte und immer so ängstlich war. "Laß mal", meinte Farmer, "der Maulwurf kann doch schwimmen!" - "Und sein Fell wird nicht einmal naß", mischte sich nun auch Rainer ein, der sich für die Maulwurfsausstellung mit dem Thema "Können Maulwürfe schwimmen" beschäftigt hatte.

Langsam wurde es Maulwurf Hans zu dumm. Er wollte endlich aus diesem engen Kasten heraus. Er krallte sich an die Gitter, die über der Erde lagen und ruckelte daran. Aber wegbewegen konnte er sie nicht.

Gerlinde lauschte dem Bach. Doch statt der Stimme des Wassers vernahm sie nur lautes Kreischen. "Das müssen die Kinder sein, die jeden Tag hierher kommen", meinte Vetter Franz, der auf seinen Reisen schon öfter Menschenwesen gesehen und gehört hatte. "Schnell, verstecken wir uns!" bestimmte Gerlinde, "wer weiß, ob die wirklich nur Regenwürmer holen. Vielleicht machen die auch Jagd auf uns?" Gerlinde und Vetter Franz versteckten sich schnell.

Die Stimmen der Kinder wurden immer lauter. Dann waren sie an dem Bach und der Quelle angelangt. Ein paar wälzten sich gleich im Gras herum.

"Vorsicht, Gerlinde!" rief Vetter Franz, der sich hinter einem Stein versteckt hatte, "die Menschen walzen dich gleich über!" Gerlinde hatte gerade noch Zeit in der Mitte eines dicken Grasbüschels zu verschwinden.

"Hoch soll er leben, hoch soll er leben, dreimal hoch!" sangen Klaus und Heinz, die das Aquarium vom Bollerwagen herunterhoben. Fräulein Janzik mahnte zur Vorsicht. Das Aquarium wurde so aufgestellt, daß Grabing nachdem das Gitter abgenommen worden war, allein ins Freie marschieren konnte. "Ihr müßt jetzt leise sein und wir sollten uns auch etwas zurückziehen, sonst kommt der Maulwurf sicher nicht aus seinem Versteck", forderte Fräulein Janzik ihre Klasse auf. Einigen Kindern war das Warten zu langweilig. Sie fragten Fräulein Janzik, ob es nicht besser sei, wenn sie schon einmal nach Hause gingen. Fräulein Janzik war damit einverstanden, verabschiedete ihre Schützlinge und wünschte ihnen schöne Ferien.

Das Rumpeln hatte aufgehört. Maulwurf Hans kletterte nach oben und griff nach dem Gitter. Aber da war kein Gitter mehr. Immernoch sah Hans alles verschleiert. Ohne seine Brille, war das auch kein Wunder. Was war geschehen? Kein Gitter war mehr da! Jetzt aber schnell fort hier.

"Da kommt er", flüsterte Barbara. Die Kinder freuten sich, als sie den Maulwurf aus dem Aquarium klettern sahen. Das war der Moment für Klaus. Ihm hatte das lange Warten bis der Maulwurf von allein hervorkam viel zu lange gedauert. Er hätte das Aquarium am liebsten einfach ausgekippt und wäre dann wieder mit seinem Wagen losgezogen. Dummerweise hatte er angeboten, daß er mit einem Handwagen kommt. Also Klaus sprang auf, kippte nun, nachdem der Maulwurf das Aquarium verlassen hatte, die Erde aus und stellte das leere Aquarium auf den Handwagen. "Man, konntest du nicht noch etwas warten?" motzte Barbara mit Klaus, "jetzt hat sich Grabing versteckt, und wir werden ihn wohl so schnell nicht mehr zu Gesicht bekommen." - "Na, dann laßt uns auch nach Hause gehen", bestimmte Fräulein Janzik, die jetzt endlich auch in die Ferien fahren wollte. Alle Kinder zogen los, zögernd folgte Barbara am Schluß des Zuges.

"Die Menschenkinder sind weg!" rief Vetter Franz, "komisch, was die gemacht haben." - "Tut mir leid, ich weiß es nicht." - "Macht nichts, Gerlinde. Ich habe alles gesehen, sie haben so ein großes Ding auf die Erde gestellt. Nach einer Weile haben sie es umgekippt. Da kam lauter Erde raus. Dort drüben. Laß uns mal nachschauen gehen."

"Frei, endlich frei", Maulwurf Hans war überglücklich. Er konnte nicht begreifen, warum er erst gefangen und jetzt frei war, denn in der Zwischenzeit war ihm nichts geschehen. Doch das Wichtigste war, daß er wieder in Freiheit war, und so stieß er einen Freudenschrei aus.

"Was war das?" Gerlinde wurde ganz aufgeregt, hatte sie nicht gerade die Stimme von Hans gehört. "Hans, Hans! Bist du hier, bist du hier irgendwo?"

"Was war das?" Hans durchfuhr ein Schreck, hatte er nicht gerade die Stimme von seiner liebsten Gerlinde gehört?

Die beiden Maulwürfe liefen los, so schnell sie konnten. Jeder rannte in die Richtung, aus der er die Stimme des anderen gehört hatte.

"Was ist das?" Barbara wurde ganz aufgeregt, sah sie da noch einmal Grabing? Sie war am Schluß der Klasse gegangen, und als alle im Feldweg verschwunden waren, war sie umgekehrt, um noch einmal nach Grabing zu sehen. Da! War er das nicht? Aber, da waren ja zwei Maulwürfe. Nein, da waren sogar drei! Ob Grabing dabei war? "Bestimmt!"

Natürlich waren sich Gerlinde und Hans in die Arme gefallen,
als sie endlich wieder zusammen waren.
"Das nächste Mal vergesse ich die Brille nicht wieder!"
versicherte Hans.
Doch davon wollte Gerlinde nichts wissen.
"Es wird kein nächstes Mal mehr geben,
ab jetzt ziehen wir immer gemeinsam los."
`Daran würde er sich noch gewöhnen müssen', dachte Hans,
denn Maulwürfe gehen eigentlich alleine auf die Jagd.



Erstveröffentlichung am 21. August 1998

8. Februar 2008

Gute Nacht