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GUTE-NACHT/2621: Ein Pfennig auf Reisen - Glückspfennig (SB)


Ein Pfennig auf Reisen

In der Nacht kann der Pfennig überhaupt nicht schlafen. Was ihm der Halbe da erzählt und was er auch zuvor bereits erfahren hat, beschäftigt ihn sehr. Er ist ein Geldstück, das nicht mehr gebraucht wird und nur noch zum Wegwerfen taugt.

Doch gerade das macht dem kleinen Pfennig irgendwie wieder Hoffnung. Zuerst weiß er nur nicht genau warum. Die ganze Nacht überlegt er hin und her und findet keine Lösung. Als er dann doch endlich den Ort zwischen Wachen und Schlafen erreicht hat und beinahe in den Schlaf gefallen ist, ohne eine Lösung für sein Problem gefunden zu haben, kommt ihm ein Geistesblitz. Der zündet so sehr, daß der kleine Pfennig aufschreckt und wieder hellwach wird.

Er ist doch ein Glückspfennig, im wahrsten Sinne des Wortes, und kein Pechtaler wie er schon vermutet hat. Wenn er also ein Glückspfennig ist, wird er nie ausgegeben oder zum Kaufen benutzt. Er wird gefunden oder verschenkt und er wechselt nie vom Geldbeutel in eine Kasse oder von einer Kasse in einen Geldbeutel. Er ist nicht dazu bestimmt, den Menschen käufliches Glück zu bescheren. Nein, er ist dazu ausersehen, die Menschen freudig zu stimmen, wenn sie ihn finden. Manche Finder spucken dann sogar auf den Pfennig und reiben ihn wieder ab, damit das Glück auch wirklich lange bei ihnen bleibt. Also, da nun ein Glückspfennig sowieso nicht zum Kaufen und Verkaufen gedacht ist, kann er auch weiter ein Glückspfennig bleiben und muß sich nicht in einen Glückscent verwandeln. Von einem Glückscent hat er sowieso noch nie etwas gehört. Außerdem werden die Menschen jetzt sicher viel eher auf einen Glückspfennig achten, denn es gibt ja nicht mehr so viele. Fast alle Pfennige sind von der Bank eingezogen worden. Früher fielen alle Naslang Pfennige auf die Straße. Die meisten Menschen hielten es nicht für notwendig, sich wegen eines Pfennigs zu bücken. Das wird jetzt wohl anders sein.

Der kleine Pfennig beschließt, daß er beim nächsten Mal, sobald sich sein Zuhause öffnen wird, herausspringt und einen Platz auf der Straße sucht. Dann wird wieder ein Mensch kommen, dem er Glück bescheren kann. In dieser Zeit wird sicher nur einer einen Glückspfennig aufheben, der ihn wirklich brauchen kann oder der eines Glückspfennigs würdig ist. Andere Menschen, die nur auf Geld und irdische Güter aus sind, die bemerken den kleinen Pfennig gar nicht erst am Straßenrand. Wenn doch, lassen sie ihn einfach liegen. Denn er ist ja nichts mehr wert, er ist kein anerkanntes Zahlungsmittel mehr.

Der Gedanke, daß er so immer in die richtigen Hände gelangen wird, beruhigt den kleinen Pfennig. Auch wenn er selbst dann wieder mit anderen gemeinen Cents und Konsortien zusammenkommt. Vor ihnen braucht sich der kleine Pfennig nicht zu rechtfertigen. Sie werden sein neues Zuhause besuchen und wieder verlassen. Er wird bleiben und seinem Besitzer viel Freude bereiten. Mit diesen Gedanken schläft der kleine Pfennig in dieser Nacht endlich ein.


Erstveröffentlichung am 26. August 2003

5. Mai 2008

Gute Nacht